6. November 2011

Wenn Ungleichheit wütend macht

Sarah F. Brosnan und Frans B. M. de Waal haben 2004 ein Experiment mit Äffchen gemacht, das uns heute verdammt an ein Experiment erinnert, dem wir zwar schon lange unterliegen, das uns aber erst jetzt dazu animiert, die Wall Street zu okkupieren.

Pass mal auf, was jetzt gleich mit der Gurke passiert!

Die Äffchen hatten gelernt, dass sie kleine Steinchen bei den Forschern gegen Gurken eintauschen können. Ein Handel kam in Gang und die Äffchen fingen an, Steine zu sammeln. Manche sammelten mehr und bekamen dafür mehr Gurken als andere. Das ging so lange gut, bis einige Äffchen ohne Grund die überaus begehrten Weintrauben statt der üblichen Gurken bekamen. Durch diese Ungerechtigkeit kam der Handel zum Erliegen, die Äffchen streikten und bewarfen die Forscher mit ihren Gurken, so wütend waren sie über die willkürliche Verteilung der Nahrung.

Machte die Ungleichheit die Affen wütend? Nein, denn auch vorher schon hatten einige mehr als andere. Die Ungleichheit machte sie erst dann wütend, als sie aus einer Ungerechtigkeit resultierte.

Es wurde in den letzten Monaten immer offensichtlicher, dass Gewinne in unserer Gesellschaft privatisiert werden, während Risiken und Kosten (siehe Nuklearenergie oder Finanzspekulationen) ganz selbstverständlich von uns allen getragen werden. Genau dieser genial-ungerechte Kniff sorgt für den obszönen Reichtum einiger weniger und die Armut der vielen.

Es wird langsam Zeit, dass wir anfangen mit den Gurken zu schmeißen...

Horror in the cucumber
Was tun mit all den Gurken?


Zu diesem Artikel wurde ich durch Jonah Lehrers Artikel Does Inequality Make Us Unhappy? inspiriert.

9 Kommentare:

  1. so sind wir primaten, solange mit dem zufrieden was man hat, bis jemand mehr hat oder etwas besseres...

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  2. Selbst das ertragen wir noch, solange es unserem Empfinden nach gerecht zugeht.

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  3. Ja, der Artikel in nature, aber auch in G & G ist gross-artig und von höchster Alltags-Relevanz:
    und war mir seit vielen Jahren einen Blog-Eintrag wert ;-)
    http://ed.iiQii.de/gallery/VictimsOfGroupThink
    /chimp_johnniemoore_com

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  4. Wer sich so ein Experiment mal ansehen will: http://philoblog.de/2011/02/23/ist-fairness-naturlich/

    Der erste Teil zeigt Kooperation, beim zweiten geht's um die Gerechtigkeit. Also Gurken schmeißen und Kekse zurückgeben: Wir wollen alle Trauben :)

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  5. Ich habe gerade ein wunderbares Gespräch mit Patrick van Veen gehabt:
    So treffend hat das (fast) noch niemand aus der HR-Frauen-Karriereberaterinnen-Riege formuliert:
    „Was unterscheidet Bonoboweibchen von anderen Menschenaffen?
    Sie bilden stabile Allianzen und unterstützen sich gegenseitig...
    Warum findet man bei uns trotzdem immer noch so wenige Frauen in Führungspositionen?
    Frauen imitieren im Arbeitsalltag lieber das Verhalten ihrer männlichen Kollegen. Statt eine Verbündete zu finden, versuchen sie, die männlichen Kollegen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen“ (Hilfe mein Chef ist ein Affe, S. 31).
    http://ed.iiQii.de/gallery/VictimsOfGroupThink/PatrickVanVeen_apemanagement_nl

    !!! http://ed.iiQii.de/gallery/Querdenkerinnen/HenrikeVonPlaten_bpw_germany_de !!!

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  6. Ich finde das Beispiel mit den Bonoboaffen etwas kurz gegriffen auf die fehlenden weiblichen Plätze in der Führungsriege übertragen. Die stabilen Allianzen bilden tatsächlich doch die Männer, wodurch eine weibliche Führungskraft dank ihrer "Behinderung" eine Frau zu sein, wesentlich mehr leisten muss, um an die Führungsposition zu kommen als ein Mann. Dass Frauen dann im Arbeitsalltag das Verhalten von Personen imitieren die "nach oben" gekommen sind, liegt schon aus Sicht der Systemtheorie aus der Hand: Man schaut sich ein Verhalten ab, das im System zum Erfolg geführt hat und versucht, es selbst anzuwenden - man (frau) versucht, die Sprache des Systems zu sprechen. Und solange wir weiter das andere Geschlecht - ich meine hier Männer wie Frauen - als Bedrohung ansehen, wird sich darin nichts ändern.

    Aber dass es diese Ungleichheit gibt, ich denke, das ist innerhalb der Gesellschaft o.k., und daran wird sich nichts ändern, denn wir definieren uns nunmal aufgrund der Unterschiedlichkeit, obwohl wir auf das Geschlecht bezogen nicht so verschieden sind wie wir meinen. Zurückkommend auf Gilberts Beitrag finde ich den Satz an dieser Stelle passend: "Machte die Ungleichheit die Affen wütend? Nein, denn auch vorher schon hatten einige mehr als andere. Die Ungleichheit machte sie erst dann wütend, als sie aus einer Ungerechtigkeit resultierte."

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  7. Richtig. Es ist (systemisch &) spiel-theoretisch LEIDER immer wieder so, dass frau sich ernsthaft unbewusst fragen MUSS, ob sie tendenziell weiterkommt, wenn sie sich im weitesten Sinne des Wortes 'anbiedert', gegen das Wesen der Persönlichkeit, der persönlichen Überzeugung,
    !so wie z.B. viele Vertreter der MINT-Berufe, die auf das ganze Kasperl-Theater keine Lust haben!

    Wichtig finde ich, dass die Minderheiten die Lebensversicherung der Gesellschaft sind, wie u.a. in der sog. Finanzkrise und dem Herdenverhalten zu sehen.
    Und wie z.B. Henrike von Platen argumentiert,
    dass 'Gender-Diversity' eben heisst, die Stärken der jeweils anderen nicht nur zu akzeptieren sondern zu fördern.
    Hierzu gehören m.E. keine Karriereratschläge, die anderen, vermeintlich Besseren, zu imitieren.

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  8. Das hieße dann, auch auf den ersten Blick (aus der Perspektive des vermeintlich rundlaufenden Systems) weniger geeignete Personen - hier Frauen - per Machtwort (oder Quote) einzusetzen. Denn das Vertrauen auf die "Naturgesetzlichkeiten" und Survival of the Fittest innerhalb des Systems würde die zur Diversität nötigen Mitglieder aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften benachteiligen oder über Nachahmung so umformen, dass die diversifizierenden Eigenschaften verloren gehen. Damit käme es gar nicht erst zur Diversität, wenn man sie nicht trotz kurz- oder mittelfristiger Integrationskosten durchsetzt.

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