23. Januar 2012

Für ein Logo sterben? - Die Macht der Zeichen

Elisabeth Göhring von Marketing-Springer fragt, wie die Kraft ins Symbol kommt und was unsere kulturellen Werte damit zu tun haben. Schließlich: Wie arbeitet man mit konkurrierenden Werten in großen Organisationen wie internationalen Konzernen? 

Schlendern Sie mit mir durch das Stadtmuseum! In einem der Säle sind alte Fahnen ausgestellt. Es gibt da viele, viele Kombinationen von Farben, Mustern und Zeichen auf brüchigem, alten Stoff. Sie erkennen die Lilien der Bourbonen und die Leoparden Richards, des "englischen Löwen" sofort. Dazwischen finden Sie den Adler, farbige Rauten, Sterne und Streifen, Halbmonde und Sicheln. Wie belanglos doch dieses Durcheinander von Zeichen ohne Bedeutung auf Sie wirkt. Und trotzdem wissen Sie, dass wegen solcher Fahnen Blut geflossen ist.

Thomas Nasts "The Union Flag" Print (gefunden auf The Civil War)

Wer gab diesen jämmerlichen Stofffetzen solche Macht? Und wo ist sie geblieben, jetzt, da die Fahnen, vor denen tausende salutiert haben und nicht zögerten, ihr Leben zu versetzen, hinter Glas langsam in Vergessenheit versinken?

In einer bestimmten Art der Farbanordnung liegt keine Macht. Das ist sicher. Die Zeichen, wie auch die Stoffe selbst sind völlig ungefährlich. Sie sind äußerlich betrachtet nicht mehr als ein Logo-Aufdruck auf Material. Und doch wohnte ihnen die Kraft des Symbolischen inne.

Der Unterschied zwischen einem Zeichen und einem Symbol besteht in dem Gefühlsmuster, das sie bei einer Gruppe von Menschen auslösen. Eine Zeichen dient zur Orientierung. Wer es löscht, begeht höchstens eine Ordnungswidrigkeit. Ein Symbol repräsentiert eine Wertegemeinschaft. Wer das Symbol angreift, greift die Werte an, die tief verwurzelt in einer Gemeinschaft wirken.

Der Übergang vom Zeichen zum Symbol beginnt da, wo der Anblick Gefühle hervorruft. Zum Beispiel bei einem Logo, das einem Geborgenheit verspricht: In ihm wohnt symbolisch die Kraft der Geborgenheit. Ein echter Fan dieser Marke würde sich bei Missbrauch des Logos selbst angegriffen fühlen. Er würde sich bloß gestellt fühlen, eben der Geborgenheit beraubt.

Wie kommt die Kraft in das Symbol? Die Kraft wird dem Symbol durch die gemeinsame Annahme verliehen, dass dieses oder jenes gut sei und dieses oder jenes genau so gehöre und nicht anders. Dass man sich auf gewisse Dinge verlassen kann, und dass alle, die mit einem unter dieser Fahne, diesem Symbol schwören, das nicht zu bezweifeln wagen. Man ist sich einig, man ist nicht allein, man ist im Recht, man ist stark und man ist besser als die anderen! Kraft wird durch kollektiven Glauben verliehen.

In einem multinationalen Unternehmen zum Beispiel hat man das nicht, den gleichen Glauben an dieses oder jenes. Allein bei der Bewertung von Zeit und ihrer Bedeutung, der Bewertung typisch weiblicher Eigenschaften oder der Würde des Alters gibt es, um nur einige Beispiele zu nennen, große kulturelle Differenzen. Witze funktionieren nicht mehr, einfachste Umgangsregeln stehen wieder zur Debatte, während man sich eigentlich auf das Eigentliche konzentrieren will. Einige der multikulturellen Gruppe jedenfalls. Andere sehen das Eigentliche in eben diesen Umgangsformen, und so reibt man sich mit Interesse und Widerwillen langsam voran.

Wie fühlt man sich ohne diese Verlässlichkeit auf das Grundlegendste? - Heimatlos. Fahnenlos. Uneffektiv. Unterdrückt? Die einfachste Lösung wäre, allen klar zu machen, dass diese Unterschiedlichkeiten toleriert bzw. ausgehalten werden müssen, dass es aber eine klare Leitkultur gibt, und das ist die der Firmeninhaber.

Viele Werte sind allerdings miteinander unvereinbar. Ich als Frau zum Beispiel, habe große Probleme mit Mitgliedern aus Kulturen zusammenzuarbeiten, die die Rolle der Frau eher untergeordnet und in Haus und Hof sehen. Es macht mir keinen Spaß, mich wieder und wieder beweisen zu müssen. Meine Arbeit leidet darunter. Ich verstehe nicht, warum "man" mir das antut.

Trotzdem können auch unvereinbare Werte im Zusammenspiel interessante Spannungen erzeugen, Disharmonien, Komplementär-Kontraste. Aber diese sollten sorgfältig eingesetzt werden. Sie kommen erst positiv zur Geltung, wenn sie auf einer harmonischen Hintergrund-Komposition eingesetzt werden.

Um diese Harmonie gewährleisten zu können, kann man von einander abgegrenzte Subkulturen zulassen und sogar fördern. Die Subkulturen können miteinander positiv agieren. Solang man weiß, dass es die "heimatliche" Basis (die eigene Subkultur) gibt, in der die Selbstverständlichkeiten solche bleiben, findet man Andersartigkeit anregend wie einen Auslandsaufenthalt.

Auf der Basis, dass die eigene Kultur akzeptiert und gelebt werden kann, ist man eher bereit, Fremdem oder sogar Gegensätzlichem positiv zu begegnen und Gemeinsamkeiten zu entwickeln. Fahnen können friedlich nebeneinander wehen. Sterne sich mit Streifen mischen, Adler zu den Sternen fliegen, Kreise bekommen Balken, Farben und Zeichen mischen sich zu neuen, starken Symbolen.

Kulturelle Veränderungen geschehen. Sie lassen sich nur bedingt forcieren. Eine Firma ist kein Land, die Mitarbeiter sind kein Volk, und ein Logo ist keine Hoheitszeichen. Aber in jeder Firma lebt Kultur unter einem bestimmten Zeichen. Es kann keine Nicht-Kultur geben – ebenso wie es keine Nicht-Kommunikation geben kann.

Wenn aus dem Zeichen des Logos ein Symbol werden soll, muss zuerst der Umgang mit den kulturellen Annahmen sowohl der Mitarbeiter als auch der Kunden in Bezug auf den Markenkern geklärt werden. Da steckt viel Arbeit drin. Ein Bummel durch das Stadtmuseum ist ein guter Anfang.

3 Kommentare:

  1. hier ein gelungenes LOGO von der Jugend umgemünzt,
    http://www.littleoslo.com/omg/home/nokia-2012


    vgl. Sturm der Innovation
    http://www.geistundgegenwart.de/2011/12/sturm-der-innovation.html

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  2. Insbesondere aus soziologischer Sicht ein interessanter Artikel. So hatte ich darüber noch gar nicht nachgedacht.
    Faszinierend finde ich, wie der Mensch gelernt hat, naturwüchsige Prozesse wie die Bildung von Symbolen selbst zu steuern. Nicht zuletzt in totalitären Systemen ist das ja perfektioniert worden.

    Als Freimaurer kann ich sagen, daß wir unheimlich großen Wert auf Symbolik legen. Nahezu jedes Werkzeug der Steinmetze ist tatsächlich mit Werten aus unserem Wertesystem aufgeladen. (Siehe auch den rauen Stein ;-) ) Jemandem, der nicht an die Kraft von Symbolen glaubt, empfehle ich immer mal seinen Ehering oder Verlobungsring oder dergleichen, den er sonst nie abnimmt, mal einen Tag lang zuhause zu lassen.

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  3. Das Vorurteil etwas sei minderwertig oder verwerflich, weil es synthetisch ist, das heißt von Menschen erdacht, bearbeitet oder angefertigt wurde, stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert. Wer eine Erfindung oder ein Produkt einzig und allein aus diesem Grund ablehnt, wendet sich im Grunde gegen jeglichen technischen Fortschritt und sehnt sich "zurück zur Natur". Er zieht Zahnlosigkeit einem künstlichen Gebiss vor. Würde er konsequent nach diese Auffassung leben wollen, müsste er sich seine Kleider vom Leib reißen, seine Wohnung gegen eine Höhle eintauschen und dürfte sich nur noch von Rohkost ernähren.
    Unsere Fähigkeit, die unberührte Natur zu manipulieren, sie "uns untertan zu machen", ist ein Naturphänomen. "Unberührt" bedeutet nicht "besser"; wir profitieren im Gegenteil sehr oft von unseren künstlichen Eingriffen in die Natur. Der Natur ihren Lauf zu lassen, kann für uns fatale Folgen haben. Wir haben uns angewöhnt, das Fleisch toter Tiere zu räuchern, zu salzen, zu trocknen oder einzufrieren, statt die Kadaver faulen zu lassen, da sich bei dem Verwesungsprozess das für uns tödliche Leichengift bildet.
    Es geht also nicht darum, ob etwas unverfälscht aus der Natur kommt oder vom Menschen bearbeitet, zusammengesetzt oder erfunden wurde, sondern ob diese Produkte, Werkzeuge und Erfindungen uns das Leben erleichtern und verlängern, ob sie unserer Gesundheit förderlich sind oder uns anderweitig zugute kommen. Ob das so ist, muss jeder für sich selbst entscheiden, und er sollte sich dabei vor Scheinargumenten hüten, in denen "natürlich" mit "gut" und "künstlich" mit "schlecht" gleichgesetzt wird.
    Wer seinen Verstand benutzt, begegnet allem, was ihm die Natur in ursprünglicher Form anbietet, vorurteilsfrei und stellt sich einzig und allein die Frage, ob es ihm von Nutzen sein kann.

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