8. November 2014

Eine Kopfsache für Introvertierte

Liebe dich selbst so, als ob dein Leben davon abhängt

Patrick Hundt, ein befreundeter Blogger und bekennender introvertierter Weltreisender, hat mit Kopfsache: Liebe den Introvertierten in dir ein kleines, sehr persönliches Buch geschrieben, das den Introvertierten unter uns zeigt, was in ihnen steckt und wie sie ihre persönlichen Eigenschaften im Alltag erfolgreich einsetzen können. Ganz bewusst grenzt sich Hundt dabei von den (halb-)wissenschaftlichen Bestrebungen ab, mit denen Autoren (auch hier auf Geist und Gegenwart) den Persönlichkeitsmerkmalen Introversion und Extroversion ansonsten versuchen, zu Leibe zu rücken. Statt dessen will das Buch solchen Menschen, die sich fragen, warum sie eigentlich so "anders" sind, einen Weg zu Akzeptanz und Selbstliebe zeigen. Und das geschieht ganz pragmatisch und authentisch, indem der Autor alle Energie darauf verwendet, sich selbst mit seiner zum Rückzug neigenden Persönlichkeit anhand von interessant erzählten persönlichen Anekdoten aus seinem Arbeits-, Privat- und Reiseleben zu verstehen.

Der Autor mit seinem Buch (Bild von Patrick Hundt)

Ein sehr persönliches und praxisorientiertes Buch

Besonders überzeugend ist dabei die Ganzheitlichkeit, mit der Patrick Hundt das Leben eines Introvertierten untersucht. Er spürt den Präferenzen im Denken, im Sozial- und im Arbeitsleben nach. Hier merkt man ganz besonders die persönliche Herangehensweise des Autors, die das Buch so interessant macht. Dadurch aber, schließt Hundt manchmal sehr schnell von seinen - wie anzunehmen ist - eigenen Präferenzen auf die Präferenzen aller Introvertierten. Beispielsweise im Kapitel "Spontan wie ein Fahrplan", der unter anderem zeigt, wie Introvertierte häufig sehr skeptisch sind, sehr strukturiert und eher nicht spontan denken und entscheiden. Diese Merkmale zeigen jedoch vor allem solche Introvertierte, die zusätzlich noch eine geringe "Offenheit" (Merkmal der Big Five) zeigen, beziehungsweise beim MBTI, auf das sich der Autor weitgehend stützt, ISxJs sind, also introvertiert (I), realistisch (S für "sensing") und eher beurteilend (J für "judging"), statt offen wahrnehmend durch die Welt gehen. Introvertierte hingegen, die als INxP durch die Welt gehen, sind verglichen mit ihren sehr sensiblen Brüdern und Schwestern weniger verhaltensgehemmt, sondern eher risiko- und entscheidungsfreudig und sehr offen für neue Erfahrungen. Ohne dass also Ängstlichkeit, Pessimismus und Skepsis zu ihrem ausgeprägten Repertoire zählen, können sie trotzdem ausgeprägte Introvertierte sein. Aber der Autor versucht erklärter Maßen auch gar nicht, ein Buch für alle Introvertierten zu schreiben, sondern beschreibt, wie er sich selbst über die Jahre auf die Schliche kam und bietet damit eine Projektionsfläche für alle, die sich fragen, was eigentlich mit ihnen los ist.

Was ist das größte Glück?

Der sich noch selbst entdeckende Leser wird dabei von einem Moment der Selbsterkennung zum nächsten geschickt. Im dritten Teil des Buches wird es mit "Liebe den Introvertierten in dir" dann praktisch relevant. Natürlich ist die Frage nach den Persönlichkeitsmerkmalen auch für Hundt in einen größeren Zusammenhang eingebettet: das Lebensglück. "Das größte Glück besteht darin, der sein zu wollen, der man ist." (S. 146). Dabei ist besonders schön, dass der Autor das Persönlichkeitsthema nicht isoliert betrachtet, sondern einbettet in andere Lebensdimensionen wie Gefühle, Leidenschaften, Beziehungen und Gesundheit, die für den Autor Grundlagen eines glücklichen Lebens sind.

Ganz besonders gefällt mir das Buch immer dann, wenn es aufzeigt, dass wir nicht in unseren Persönlichkeitsmerkmalen gefangen sind, sondern durchaus unsere Wohlfühlzonen zu verlassen und über uns hinauswachsen können. In diesem Sinne müsste man vielleicht Hundts Satz vom größten Glück, das darin bestehe, der sein zu wollen, der man ist umformulieren in: Das größte Glück besteht darin, der sein zu wollen, der man schon ist und noch werden kann. Das macht Patrick Hundt besonders sympatisch: Es geht nicht um Self-Improvement á la Arianna Huffington für Erfolgreiche, sondern darum, ein glücklicher Mensch zu sein, egal was man macht. Das Buch endet mit der Aufforderung: "Liebe dich selbst so, als ob dein Leben davon abhängt!" Und dabei wird dem Leser klar, dass das nicht heißt, keine Probleme zu haben oder nie mit sich selbst zu hadern, sondern in erster Linie, sich selbst zu verstehen und das verstandene zu lieben. Ein im Grunde traditionell philosophischer Ansatz.

Ich empfehle Kopfsache: Liebe den Introvertierten in dir allen zaghaften, scheuen und sensiblen Menschen, die noch auf der Suche nach ihrem eigenen Persönlichkeitsmix sind und darüber zum Beispiel auf Patrick Hundts Seite introvertiert.org in einen Austausch gehen wollen. Getreu dem Motto: Erkenne dich selbst! Der Rest kommt (fast) von allein.



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