17. Januar 2016

Darum sind Selbsthilfe-Ratgeber einfach nur Mist

Du musst es nur doll genug wollen, du Loser!

Die sogenannte Ratgeberliteratur boomt sowohl im Buchhandel als auch im Internet. Welcher Blog rund um Psychologie, Coaching, Erfolg in Arbeit und Leben wartet heutzutage nicht mit E-Books auf, die uns mit vermeintlich einfachen Schritten helfen wollen, unsere innere Ruhe durch Meditation und Yoga zu finden, die uns sagen, wie wir erfolgreiche Gründer unserer kleinen Unternehmen werden oder wie wir uns anderweitig durch spezielle Ernährung, Achtsamkeit und Selbstmanagement optimieren können. Im Internet nerven uns die massenhaften Kärtchen mit kurzen Weisheiten, die dann massenhaft "geteilt" und "gemocht" werden und doch in niemandem die kleinste Veränderung hervorrufen. Wie originell: Man holt sich per Copy und Paste von eine der Millionen Zitatseiten irgend etwas motivierendes, knallt es auf ein Bildchen mit einem Mönch und stellt es bei Facebook rein. Wen soll das zu wirklicher Veränderung inspirieren?

Bob aus dem Film "Alles Routine"

Geist und Gegenwart ist auch nicht ganz unschuldig. Wir haben auch immer wieder mit solchen Formaten experimentiert, vor allem weil diese Formate der Konsumgewohnheit des Internetpublikums nahe zu kommen scheinen und deswegen am ehesten geteilt und geklickt werden. Als Mittel zum Zweck hielten wir das für gerechtfertigt. Aber hilft es wirklich? Wir beobachten dabei, dass diese Art von Traffic ziemlich sinnlos ist. Es hilft, um die "Marke" zu verbreiten, aber all die Leute, die dann bei Facebook klicken und teilen, lesen die Texte hinter den Links überhaupt nicht. Das merkt man zum einen an den Kommentaren in den Sozialen Netzwerken und zum anderen sieht man es an den kurzen Besuchszeiten der Leute, die aus diesen Netzwerken auf den Blogs landen.

Seelenlose Artikel mit Instant-Rezepten

Aber selbst wenn diese Artikel gelesen würden, helfen sie doch niemandem weiter. Sie sind in der Regel von sehr zweifelhafter Qualität, zu 80% abgeschrieben und oft schlecht formuliert. Und sie funktionieren nicht! Es gibt sie nicht, die 10 Schritte zu einem glücklichen Leben oder zu mehr Erfolg und Effektivität. Schlimmer noch: Solche Artikel schaden mehr, als sie nützen, denn sie suggerieren, dass wir Loser sind, wenn wir nicht immer effektiv entscheiden, wenn wir nicht meditieren, wenn wir nicht reich werden und immer glücklich sind. Die Realität ist, dass vielen jenseits der Dreißig schon geholfen ist, wenn sie finanziell und emotional für ihre Familien sorgen können, wenn sie es ab und an mal ins Kino oder ein Konzert schaffen oder sich mal mit Freunden treffen können. Das letzte, was wir brauchen, ist unsere Leben nach irgendwelchen Regeln des Projektmanagements zu gestalten. Mir als Agnostiker ist da schon die Religion mit ihrer Ästhetik des Verbundenseins viel näher, als diese seelenlosen Baukastenartikel.


Richtige Literatur, gute Filme oder mitreißende Konzerte und Theatervorstellungen können uns viel mehr und nachhaltiger beeinflussen, als ein Instant-Rezept der Selbstoptimierung. Sie sind das Ausprobieren von Lebensalternativen, das Einfühlen in andere Welten, seien sie auch noch so absurd oder phantasievoll, ohne dass man alle Risiken selbst eingehen muss. Ästhetische Bildung führt zu Mitgefühl mit anderen, zur Ausbildung von Toleranz, zur Akzeptanz von Leid und Schwierigkeiten. Ratgeber machen oft das Gegenteil, sie tun so, als wenn wir es nur selber machen müssten und alles werde gut. Du musst es nur stark genug wollen und konsequent tun, dann wirst du erfolgreich. Alles Quatsch, denn es gibt keine Allheilmittel für die Probleme unseres Lebens und keine Garantie, dass uns etwas gelingen wird.

Hier sind 10 Gründe, warum Selbsthilfe-Ratgeber Mist sind

  1. Normierung: Selbsthilfe-Ratgeber sind oft gerade keine Selbsthilfe, sondern gesellschaftlich normierte "Fremdhilfe", die uns ein Bild suggeriert, nachdem wir uns zu formen hätten. Es ist aber ok, dass wir alle je etwas anderes im Leben wollen.
  2. Wir sind ok, so wie wir sind: Natürlich können wir Dinge an und in uns finden, die wir gern verbessern möchten, aber wir sollten nicht davon ausgehen, dass wir zwangsläufig der Optimierung bedürfen (und schon gar nicht nach dem Muster dieser Möchtegern-Gurus).
  3. Täuschung: Ratgeber und Gurus erwecken oft den Eindruck, als könnten alle alles und alles sei machbar, wenn man nur... Das ist falsch und führt am Ende zu einer oft schmerzhaften Enttäuschung. Um ein gutes Leben zu führen, ist vielmehr eine Akzeptanz angebracht, dass wir nicht alles (haben) können, dass wir Krisen haben und uns nicht alle Wünsche erfüllbar sind.
  4. Instrumentalisierung: Ob gewollt oder nicht, Selbstoptimierung reduziert unsere Person oft auf Funktionalität im kapitalistischen Getriebe. Im Grunde sind all die Erfolgsratgeber nichts anderes als die Software der Ich-AG, die eine marktliberale Politik gern in jedem verwirklicht sehen würde, damit der Kapitalismus nicht zugrunde geht.
  5. Verschwendung: Das Lesen von solchen Ratgebern nimmt uns die Zeit, tatsächlich etwas zu erleben oder gute stimulierende Texte, vielleicht sogar Literatur zu lesen oder Ästhetische Momente zu erleben.
  6. Sinnlos: Selbst wenn es sich um gerechtfertigte Erkenntnisse handeln sollte, hilft uns das Lesen dieser Tipps allein nicht, unser Leben positiv zu verändern. Um sich wirklich zu ändern ist zuerst unsere eigene Erfahrung nötig und dann kommen konstantes Training und Üben hinzu. Das bloße Lesen von Fremderfahrungen und darauf basierenden Tipps ist im besten Fall nutzlos.
  7. Nutzlos: Diese schlecht geschriebenen, oft kopierten und wenig durchdachten Texte eignen sich zu nichts anderem, als zum Marketing oder Gewinn derer, die sie veröffentlicht haben.  Damit wollen sie uns für ihre verblödeten Seminare ködern (siehe 1. bis 3.) oder noch mehr von solcher "Literatur" verkaufen.
  8. Arrogant: Die Autoren solcher Texte sind oft ungewollt arrogant. Sie sagen uns, woran es uns angeblich mangelt und was wir tun können, um so großartig zu werden wie sie selbst. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn diese Autoren zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Denn die kennen sich oft selbst noch gar nicht.
  9. Overkill: Je mehr solcher banalen und sinnlosen Texte ohne jede Ästhetik durchs Internet kursieren, desto mehr erinnert es ans Surfen auf einem Fluss von Fäkalien. Es verdirbt uns die Freude am Lesen im Netz und gibt uns das Gefühl von entindividualisierter Fließband- und Fastfood-Lebensphilosophie.
  10. Fehlende Kontemplation: Statt ständigem Aktivismus und seiner Regeneration durch Meditation würde es uns gut tun, ab und zu mal kreativ tätig zu werden, die Muße, die Langeweile oder eine ziellose Bewegung und das Denken als Dünger unserer Selbstentfaltung wirken zu lassen.

Was nun?

Erstens schlage ich vor, dass diese selbsternannten Gurus etwas erleben, beobachten und dann begreifen, dass das eben nicht verallgemeinerbar ist, sondern dass es sich um private Erlebnisse und Schlussfolgerungen handelt, die sie gern auch als solche mitteilen können. Es ist jedoch nicht statthaft, arrogant davon auszugehen, dass sie ein Rezept für irgend wen anderen oder gar für alle hätten. Wer das begreift, kann dann vielleicht auch anfangen, ästhetisch bessere Texte aus dem eigenen Erleben heraus zu schreiben, anstatt immer nur das altbekannte Format von "hier ist dein Problem und hier sind die 10 nötigen Schritte, um so toll zu werden, wie ich".

Ich bekenne mich gern dazu, dass ich selbst "besser" werden möchte. Aber das erreiche ich nicht durch schnelle Rezepte anderer, sondern durch die Beobachtung meiner selbst, dem Nachdenken darüber und dem Schlussfolgern daraus. Und dann folgt der lange Prozess des Einübens durch tägliches "besser machen". Das will aber keiner in Ratgebern lesen, denn wir sind faul und wenn schon die anderen unsere Probleme nicht lösen, dann tun wir es nur, wenn es nicht zu anstrengend ist und zu lange dauert. Natürlich gibt es auch gute Ratgeber, die eine schöne Sprache nutzen, auf eigenen Erfahrungen aufbauen und sich ohne Arroganz in die Herausforderungen einfühlen, die wir alle oft teilen. Solche Ratgeber zu schreiben, ist eine Kunst und beherrscht wird diese nur sehr selten. Hier im Internet unter den Psycho- Karriere- und Erfolgs- oder Motivations-Blogs sehe ich solche gelungenen Artikel nur sehr selten.

Liebe Leser/innen, ich rufe euch auf, diese Selbsthilfegrütze zu ignorieren und statt dessen nach "Vollwertlektüre" zu verlangen. Und liebe Blogger/innen, bitte hört endlich auf mit diesen 1-Fix-3-Lösungen. Das funktioniert nicht und ihr wisst es. Wenn ihr es doch anbietet, dann aus anderen Motiven, als euren Mitmenschen zu helfen. Und das ist auch ok, nur bleibt dabei ehrlich!



Das sollten Sie auch lesen:

21 Kommentare:

  1. Wow... endlich...! super Text... Ich recherchiere schon seit fast einem Jahr an diesem Thema... War ein Schaf in der Herde... Zunächst aus persönlichen Selbstoptimierungs-Gründen und später aud Neugier ein Muster hinter all den Newslettern, kostenlosen E-books, Seminaren und kostenlosen Webinaren zu erkennen... Ich habe einige Muster erkannt... Und dieses Muster wird in anderen WP-Kursen und Livesyle-Blogs verbreitet und eingeübt. Viele Ratgeber-Blogge und Internet-Gurus verfolgen eine bestimmt Marketing-Strategie... Es ist dabei sehr schwierig sinnvolles und sinnloses oder sogar hinderliches zu unterscheiden. Ich habe meine recherchen solange betrieben, bis ich nicht mehr wusste was richtig und falsch ist... cut und selber denken... Jetzt weiß ich was richtig und falsche ist.. Danke für diesen Artikel...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Olaf,

      gern geschehen ;) Und Dank an dich für die Unterstützung und deine offene Schilderung hier. Ich glaube auch, dass das Leute letztlich kaputt machen kann und auch finanziell können Leute - gerade wenn es Richtung Esoterik geht - in schlimme Fallen tappen.

      Viele Grüße,

      Gilbert

      Löschen
  2. Danke, Danke, Danke für diese Abrechnung mit dem Genre Selbsthilfe! Ich finde es verstörend wie diese sinnentleerte Kultur vor allem im Netz bei youtube und facebook um sich gegriffen hat. Das schlimme daran ist, dass Menschen die unter psychologischen Problemen leiden, auf der Suche nach Linderung den modernen Scharlatanen in die Arme getrieben werden und in der Hoffnung auf Besserung deren Weltsicht übernehmen. Paradoxerweise nehmen die Selbsthilfegurus gerne für sich in Anspruch einen individuellen und alternativen Lebensstil zu pflegen, dabei widerkäuen sie vielleicht sogar unbewusst aus eigener Angst nur die Anpassungsvorstellungen der kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Irgendwann bin ich daher dazu übergegangen, jeden zu blocken der meint mir bei Facebook irgendein blödes Bild mit asiatischem Mönch und Weisheitssprüchlein präsentieren zu müssen. Vielleicht reagiere ich auf diesen Bullshit auch über die massen allergisch. Leider hängt so Kram mittlerweile auch schon in Psychotherapie- und Arztpraxen. Das kann ich dann auch nicht ernst nehmen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke Alex,

      tut gut zu lesen, dass man nicht allein ist. Dieser Mönch überall ist schon verstörend. Vor allem auch, weil das wenig mit uns zu tun hat und nur zu Missverständnissen führt. Sogar der Dalai Lama sagt: "Es ist besser, wenn jeder Mensch seiner eigenen Tradition folgt. Sie im Westen haben einen jüdisch-christlichen Hintergrund, es ist besser, wenn Sie bei Ihren Wurzeln bleiben."

      Viele Grüße,

      Gilbert

      Löschen
  3. Komm Gilbert. Das ist arm. Das ist doch nur so ein typisches Link Baiting. Gezielt provokant, um Links auf deine Seite zu bekommen. Bis heute mochte ich deine Posts.

    Gregory

    AntwortenLöschen
  4. Hallo Gregory,

    ich weiß nicht, wer du bist und lese heute zum ersten Mal, dass du meine Posts gemocht hast. Vielen Dank dafür! Man kann aber auch nicht immer alles mögen, was jemand macht oder schreibt und ich weiß nicht, ob ich irgend etwas mag, das du machst oder schreibst (wäre aber neugierig, das rauszufinden).

    Wenn du, wie du sagst, meine Posts magst und daher kennst, dann sollte dich der heutige hier eigentlich nicht überraschen, denn ich bin ziemlich konsistent mit meiner Kritik an Psycho-Kult, Esoterik und ähnlichem. Sieh nur einfach die drei Links, die unter dem Artikel angegeben sind oder meine provokanten Artikel zum Thema Verschwörungstheorien oder Buddhismus, Meditation und Identität. Das ist eher meine Meinung als irgendwelches Linkbait. Der Titel "Darum sind Selbsthilfe-Ratgeber einfach nur Mist" ist mit der absichtlichen "Neugierlücke" vielleicht Clickbait, auch das will ich mal ausprobieren. Mittel zum Zweck... wenn es hilft, dass Leute wirklich lesen, dann finde ich es gut (jedenfalls besser, als Motivationssprüche auf Facebook zu teilen).

    Also: Schön, dass du anderer Meinung bist und wir können das gern diskutieren. Aber jemandes Arbeit als "arm" zu bezeichnen und ihm redliche Motive von vornherein abzusprechen, finde ich nicht schön.

    Viele Grüße,

    Gilbert

    AntwortenLöschen
  5. Zunächst einmal fällt mir hier auf: Manche der aufgeführten „Techniken“ des esoterischen Selbstmanagements sind Instant-Rezepte, manche jedoch ganz und gar nicht. Meditation und Yoga kann man nur mit viel Selbstdiszplin und übende Praxis umsetzen. Deren Ziel ist auch nicht das optimierte oder leidgeprüfte Selbst, sondern das Alleinsein, das auch hier als Medium angeklungen ist, wodurch man wirklich etwas an sich verändern kann. Was die Leser*innen natürlich oft nicht wissen.

    Zweitens: Eigentlich ist es doch sehr alt – dass wir uns als Loser fühlen. Ist nicht die westliche Moralphilosophie immer durch den Zeigefinger auf den Verdächtigen oder den Seltsamen gekennzeichnet? Dadurch, dass wir uns schlecht fühlen, ja eigentlich sogar von grundsätzlich miesem Charakter. Ein Eigenlob stinkt – wir können und sollen uns nicht zufrieden mit uns selbst fühlen. Wir müssen uns irgendwie hassen, vor uns ekeln. Dann kommt der Zeigefinger, der sagt, dass wir alles sowieso nur falsch machen. Ich finde es psychologisch schon nachvollziehbar, warum wir dann so eine leere, baukastenartige Glücksratgeberei haben.

    Wir bekommen dann, wenn die Last zu groß wird, von Psycholog*innen gesagt, wir sollten uns darauf besinnen was wir gut machen, und dass wir überhaupt tolle Menschen sind. Dass wir uns auch mal selbst loben, das Positive an uns in den Vordergrund stellen. Dabei ist nach der angedeuteten Kulturalisation nichts schwerer als das. Sogar unter angehenden Therapeut*innen gibt es diesen Test, dass sie sich vor ihre Kolleg*innen hinstellen müssen und von sich sagen, dass sie tolle Menschen sind, dass sie gute Therapien machen werden usw. Nicht einmal sie kommen dabei ohne Relativierungen aus. Auch in der Erziehung wird man seltenst gelobt, aber immer, wenn man einen Fehler begeht, wird man geschimpft. Das sitzt.

    Ich ziehe daraus den Schluss: Es ist nicht nur allein die Selbstbeobachtung- Sie kann auch der Logik dieser Fühl-dich-scheiße-Moral folgen in einer endlosen Selbstproblematisierung und tiefer Analyse von vermeintlichen oder tatsächlichen unbekannten, gefährlichen Wünschen. Das Sich-selbst-Durchsichtigmachen ist eine gute Lebensaufgabe. Wer sich begreift, kann besser glücklich sein, als der, der das Glück begriffen hätte. Aber in vielen Fällen reichte es auch, man würde einfach nur grundsätzlich gelobt. Statt: Du solltest dich anstrengen, das könnte ja jeder! Eher: Hey, du bist ein toller Mensch. Aber das hier kannst du noch anders machen. Es ist auch ein riesen Unterschied, ob man als Person abgeurteilt wird, oder ob man eine Handlung dieser Person kritisiert. Viel zu oft haben wir den ersten Fall, weil wir uns sehr schnell ein Bild einer Person machen. Und sie soll es ja auch nicht zu leicht haben. Selbsterkenntnis und eine kontemplative Selbstentfaltung sind nicht schlecht. Aber es geht nicht immer um Selbstveränderung. Die eigentliche Herausforderung wäre eine Kultur des Lobens und der Anerkennung, der positiven Stimulation (bei aller Kritik).

    AntwortenLöschen
  6. Hallo Gilbert,

    bin bei dir. Die meisten Ratgeber unterstützen den Zweck, uns zu einer funktionierenden Einheit zu machen. Ob nun absichtlich oder nur fahrlässig. Es hat stark religiöse Züge.

    Ein Selbsthilferatgeber sollte mir helfen, mich selbst zu erkunden und zu finden. Die meiste "Literatur", die du ansprichst, lässt dieses Kapitel aus und beginnt direkt mit der Umerziehung.

    Wie viele Menschen habe auch ich mich damit schon beschäftigt. Und ging durch die Phasen: Klappt nicht - ich = mega Loser - hm, Moment mal, wieso eigentlich? Die Erkenntnis: Ich wollte nicht als Mensch besser werden, ich wollte mit den Dingern lernen, erfolgreicher zu sein. Indem ich mich manipuliere und andere auch. Und da mir das nicht liegt, konnte ich die Ratschläge nicht umsetzen. Mit der Erkenntnis blicke ich aber freundlicher in den Spiegel.

    Viele Grüße
    Susi Sorglos

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Susi,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Gute Erkenntnis für dich selbst: "als Mensch besser werden" vs. "mit den Dingen erfolgreicher sein".

      Und bleib weiter "Sorglos" ;)

      Gilbert

      Löschen
  7. Sehr ordentlich geschrieben!
    Wenn ich darüber nachdenke, dann habe ich ab Mitte 30 viele solcher Werke gelesen. Da gab es einfach die Hoffnung, besser zu werden und Menschliches zu begreifen.
    Irgendwann las ich diese Dinge nicht mehr, vielleicht weil mich Krisen davon abhielten, solche Literatur wieder aufzusuchen.

    Das Problem ist, daß die Leute um jeden Preis glücklich sein wollen! Und wie Du sagst, Du kannst erfüllende Momente erleben, wenn Du offen bist, indem Du etwa nach hartem Bürotag noch zu Freunden fährst und mit ihnen diskutierst - und dann feststellst, wie wunderbar lebendig so ein Treffen sein kann.
    Wieso verlernt man so etwas wieder?

    Gerhard

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Gerhard.

      Ganz Deiner Meinung.
      Zitat: "Das Problem ist, daß die Leute um jeden Preis glücklich sein wollen!"

      Genau so ist es. Es besteht sogar ein gesellschaftlicher Druck, glücklich sein zu müssen. Sonst gilt man als krank. Arnold Retzer legt das ganz deutlich in seiner Streitschrift "Schlechte Laune ist gut! Ein Plädoyer gegen Selbsttäuschungen" dar. Als ich dieses Buch gesehen habe, dachte ich: Wow! Da denkt jemand wie ich (so wie Gilbert in einem Kommentar oben schrieb: "... tut gut zu lesen, dass man nicht allein ist."). Ich habe es kurz in meinem Blog besprochen: http://www.coonlight.de/artikel/2012/2012-10-08-negatives-ueber-positives-denken/

      Ich selbst trage das Unglücklichsein in Form von Melancholie und Trauern immer schon in mir und höre immer nur, wie ich das ändern kann. Hey, ich will das nicht ändern! Es ist nicht immer leicht, damit zu leben, aber es ist vor Allem eine Gabe, die ich schätzen lernen will, da sie nutzbringend sein kann.

      Beispiele?
      1. Ein Freund von mir litt nach einer ausgedehnten Reise durch arme Länder nach seiner Rückkehr unter einem Kulturschock. Er schleppte sich über Monate durch eine tiefe Depression. Sie warf ihn aus der Bahn. Das aber war nötig, um ihn dazu zu bringen, zu ergründen, was er in seinem Leben eigentlich wollte. Das dauerte lange und war harte Arbeit - ganz anders, als 10-Punkte-Web-Ratgeber suggerieren.
      2. Steven Wilson (bin ein Fan) sah ich neulich auf einem seiner Konzerte. Er sagte dort, dass man ihn immer wieder frage, warum er nur so traurige Lieder schriebe. Er sagte, er könne das nicht ändern und wolle das auch nicht. Stattdessen betonte er, wie viel Poesie in der Melancholie liegen könne. Und diese Poesie erkennt man deutlich in seinen Songs, finde ich.

      Dies hier ist kein Aufruf zu Depression oder Selbstzerfleischung. Doch das Gegenteil ist genauso falsch. Durch Trauer muss man hindurch, nicht dran vorbei, Melancholie muss man erfühlen, Depressionen können einen weiterbringen, wenn man ihnen die Zeit gibt, die sie brauchen.

      Gilbert schreibt oben:
      Verbesserung geschieht "... durch die Beobachtung meiner selbst, dem Nachdenken darüber und dem Schlussfolgern daraus. Und dann folgt der lange Prozess des Einübens ..."
      Ja, es braucht seine Zeit. Schnellratgeber sind nicht zielführend. Wenn Dich, Gerhard, "... Krisen davon abhielten, solche Literatur wieder aufzusuchen", dann war das vielleicht ein Glücksfall für Dich :-)

      Löschen
  8. Das klingt alles richtig, was Du schreibst, altesCoon.
    Melancholie ist etwas anderes wie Depression. Es ist eine "Qualitätsgefühl", Depression ist stumpf und verschlingt.
    Daß mich meine Depressionen weiter gebracht haben, wage ich allerdings zu bezweifeln. Sie können so etwas, müssen es aber nicht.
    Sie waren mit soviel armseliger Angst gepaart, man kann sich fragen wozu?!

    Einüben ist mir verhasst, ich bin kein solcher. Jedenfalls fällt es mir schwer.

    Danke für die Worte!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Habe vergessen, daß das von mir war, Gerhard. :-)

      Löschen
  9. Also ein ordentlicher bzw. "besserer" Clickbait wäre gewesen:
    "10 Gründe, warum Selbsthilfe-Ratgeber Mist sind" - und wär ja nicht mal gelogen... :-)

    Dieser Artikel ist ein großartiges Beispiel für das, was DasNuf im Blogpost "Wir differenzieren uns zu Tode" verlangt! Nämlich eine kantige Meinung, die nicht versucht, durch Eingehen auf bessere Beispiele allen wohl und niemandem weh zu tun. Gerade das stößt dann interessante Kommentargespräche an, weil es Grund geben mag, zu widersprechen, die Differenzierung nachzuholen, die der Autor ausgelassen hat.

    Mal grundsätzlich stimme ich jedoch dem Artikel weitgehend zu! Das zu 95% total seichte, einfach mal zusammen geschriebene Zeugs, um es in neuer Verpackung wieder an die Menschheit zu bringen, um sich selbst als Kundigen darzustellen, der aus allem raus und in der Lage ist, andere weiter zu bringen... forget it!

    Nun gibt es aber auch Ratgeber, die tatsächlich den Vorgaben entsprechen, die im Artikel anklingen. Sie sind nicht beiläufig geschrieben und bleiben Jahrzehnte aktuell, sie sind das Fazit aus viel eigener Lebenserfahrung und das merkt man auch, weil solche Autoren viel zu erzählen haben. Ein solcher ist Stephen R.Covey, dessen "7 Wege zur Effektivität" ich trotz des grässlichen Titels immer wieder doch behalte, wenn ich mal wieder ausmiste. Es ist einfach zu gut und gehaltvoll - wer weiß, vielleicht suche ich ja doch mal wieder Rat, bin demotiviert, weiß nicht, wie weiter - für den Fall behalte ich das (schon ziemlich alte) Buch. Auf dessen Klappentext es bereits heißt: "....Anhaltspunkte für ein Leben, das nicht von aufgesetzten Image-Werten bestimmt wird, sondern von Persönlichkeit, Charakterstärke und einem ausgeprägten Sinn für die Gemeinschaft".

    Aber das nur am Rand. Ansonsten: Yoga, Meditation, Achtsamkeit üben - das sind wirklich gute und förderliche Praktiken der Selbst- und Welterkenntnis! ("Fitness-Yoga" bzw. "Höher-schneller-weiter-Yoga" ist nicht gemeint). Dazu braucht es aber eine erfahrene Lehrperson (real Life!), die individuell auf eine/n eingeht - mit Büchern und DVDs wird man nicht erleben, was es da zu erleben gibt!

    Gerade diese Methoden der Selbstbesinnung und Erkenntnis führen weg von Vorstellungen und Werten, die von außen kommen - sie unterstützen (richtig gelehrt!) die Konfrontation mit sich selbst, was immer das gerade sein mag. Und das ist sehr sehr nützlich für das eigene Glück (das dabei NICHT als Ziel themtisiert wird!). Es ist auch kein Glück im Event-Sinne, das irgendwann eintritt, sondern das selbst erfahrene Wissen, dass mensch zum großen Teil das eigene "Glück" selbst bestimmt - nämlich durch die je eingenommene Haltung, bzw. Art der Reaktion auf die Ereignisse des Lebens.

    Meine Erfahrung durch Yoga hab ich vor Jahren mal in einem Text ausgeführt, den man evtl. im weiten Sinne (!) den "Ratgebern" zurechnen könnte. Wer mag:

    Entspannung - Vom Jenseits des Umzu

    ***

    Nun noch eine Frage an Jax: ich wollte schon immer mal jemanden fragen, warum Profile verlinkt werden, wenn dort absolut NULL/NIX Weiteres über oder von der Person zu finden ist. Da klickt man hin, weil man mehr von demjenigen lesen will - und ist nur enttäuscht. Warum also die Verlinkung?











    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke ClaudiaBerlin! Genial dieser Text von DasNuf. Erst die Differenz lässt uns wirklich denken. Wenn wir uns alle in ausdifferenzierten Argumentationsplüsch hüllen, dann gibt es eben nichts mehr zu sagen.

      Nichts gegen Yoga, Meditation, Achtsamkeit und self-improvement. Wenn das ernst genommen und nicht nur zum leeren Life-Style-Hype oder Anpassungsschema durchkapitalisiert wird, respektiere ich das.

      Auch hier kann man wieder mit Differenz kommen. Wie auch die Hipster und ihr Paradox vom Anderssein zeigen, ist die alles verschlingende Dialektik von Konformismus und Individualismus ein Grundprinzip unserer heutigen westlichen Gesellschaft. Ich habe da viel Sympathie mit dem sogenannten Norm Core, wo Menschen sich äußerlich gar nicht unterscheiden wollen, weil sie wissen, dass das wirkliche (im Sinne von "wirken") Anderssein nur im Denken und daraus resultierenden Verhalten/Kommunizieren liegen kann.

      Löschen
  10. In der Tat - die Antworten sind polarsierend, und es ist aber doch schön zu hören, dass Menschen sich auch darüber Gedanken machen, es scheinbar doch reflektieren, das eigene Konsumverhalten im Wunsch nach einem besseren, zufriedenstellenderen Leben. Wie ist meine eigene Meinung dazu, frage ich mich gerade. Seit 25 Jahren lese ich solche Bücher, manche sind besser (- ich mag auch den Stephen Covey), manche schlechter. Schon vor 25 Jahren merkte ich, das sie alle von einander abschrieben, etwas zusammenfassten, ihren eigenen Senf dazugaben. Und wie bei allen Dingen hat es sich zu einer Industrie entwickelt und Industrien produzieren Konsumgüter. Es gibt sogar Yoga-Mode, obwohl eine alte Jogginghose reichen würde, Achtsamkeitskarten, -bücher, -räucherstäbchen etc., obwohl es reicht, wenn man einfach mal 5 Minuten alles still sein lässt. Und trotzdem würde ich nicht sagen, dass das alles Mist ist. Schelmisch würde ich sagen, dass man einfach ACHTSAM damit umgehen soll :o)

    Tatsächlich hilft jedem was anderes, und auch wenn es noch weitere Bücher und Webseiten auf den Markt schwemmt, denke ich, es ist ein Versuch, den eigenen Gedankenmist zu ordnen, es ist ein bisschen wie bloggen auf andere Art. Ja, es ist teilweise Müll, aber immer noch besserer als Drehbücher von Dschungel-Camp oder Ähnlichem. Und bevor sich Leute diesen Mist reinziehen, halte ich ein Plädoyer dafür, dass Selbsthilferatgeber als Serie verfilmt werden. Doku-Soaps wie "Mein besseres Leben" sollten gedreht werden, Taschenbücher dazu geschrieben werden!

    Man darf nicht vergessen, es ist immer noch der kleinere Prozentsatz der Internetuser, der Blogs wie diesen liest, der seine Selbsthilfe-Lektüre nach Nutzen/Gewinn reflektiert, der überhaupt so etwas liest und sich mit so etwas beschäftigt und es merkt, wenn der eine vom anderen abschreibt. Selbsthilferatgeber müssen ein Konsumgut bleiben, damit niederschwellig Menschen erreicht werden, die sonst kaum etwas erreicht außer einfach geschriebene Nachrichten, entspannende, nichtssagende, sich-küstlich-echauffierende Unterhaltungssendungen. Ich meine das nicht abwertend, ich weiß wieviele Menschen sich mit zwei Jobs mit mehr als 40 Stunden/Woche über Wasser halten, die einfach fertig sind am Abend, die versuchen mit "Likes" und "Teilen" ein bisschen an den Gedanken teilzuhaben, die andere sich machen.

    Ich finde es gut, zu reflektieren, was wir in unserem "Ich-will-ein-besserer-Mensch-werden"-Wahn alles konsumieren ohne drüber nachzudenken, und trotzdem haben aus meiner Sicht diese Dinge eine Daseinsberechtigung in einer Welt, die gerade immer mehr aus unseren gewohnten Bahnen gerät.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke, Claudia, für diese reflektierten Worte! Diese relativierende Sicht der Dinge gehört ganz klar dazu.

      "...ich weiß wieviele Menschen sich mit zwei Jobs mit mehr als 40 Stunden/Woche über Wasser halten, die einfach fertig sind am Abend, die versuchen mit "Likes" und "Teilen" ein bisschen an den Gedanken teilzuhaben, die andere sich machen."

      Das ist wirklich gut gesagt und es berührt mich.

      Liebe Grüße!

      Löschen
  11. Klasse Text, herzlichen Dank! Er spricht mir sowas von aus der Seele! Bei all diesen Super-einfach-genial-super-Tipps entsteht vor allem eins: Das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit und die damit verbundene Frage, ob man selbst vielleicht irgendwie zu blöd ist. Achtsamkeit und Meditation muss man z.B. vorrangig selbst praktizieren, lange, immer wieder - irgendein Achtsamkeits-Quickie-Tipp zur Selbstoptimierung ist da einfach nur Unsinn.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke Gabi, ich kann nur zustimmen. Leider ist "der Mensch" faul und würde beinahe alles dafür tun, dass er nicht alles selber machen muss, sondern die Lösungen serviert bekommt.

      Löschen

Top 5 der meist gelesenen Artikel dieser Woche