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Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

29. August 2016

Die Vermessung des Angestellten

Welche Daten zukünftig über uns erhoben werden

Secrets are Lies
Sharing is Caring
Privacy is Theft
The Circle

Mein berufliches Spezialgebiet ist derzeit, was man auf Business-Deutsch People Analytics nennt. Einige von euch kennen noch den Vorgänger aus der BWL, Fachrichtung Personalwesen, als "Kennzahlen-Reporting" oder so. Geschäftsführer wollten damals wissen, wie viele Leute eigentlich im Betrieb arbeiten (es gibt immer noch Unternehmen, die das nicht wissen), wie viele im letzten Monat krank waren und was der ganze Spaß gekostet hat.


Big Data als Fetisch in HR, hier Visualisierung einer Netzwerkanalyse (Wikipedia)

Heute ist das oft schon ein bisschen weiter. Die am weitesten verbreitete Frage der People Analytics ist heute die nach der sogenannten Attrition. Das ist ein Begriff aus dem Militär und bedeutet so viel wie Abrieb, Verschleiß – Schwund also. Bei den sich sorgenden Arbeitgebern ist das der Teil der Mitarbeiter, die das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen. Unter uns Personalern ist das so ein typischer Fetisch: Sag mir deine Attritionrate und ich sage dir, was für ein Arbeitgeber du bist. Dahinter steht die Annahme, dass Arbeitgeber mit guten Bedingungen, interessanten Aufgaben, einer transparenten Geschäftsführung und angemessenen Vergütung relativ geringen Schwund haben.

16. August 2016

Post Fact World: Hauptsache es fühlt sich wahr an

Genug mit der Wahrheit, jetzt werden Fakten geschaffen!

Das Volk in diesem Land hat genug von Experten.
Michael Gove, britischer Ex-Bildungsminister

Der Skandal ist nicht so sehr die Tatsache, dass Politiker lügen oder einfach Geschichten erfinden (das haben einige schon immer getan), der Skandal ist, dass es uns plötzlich egal zu sein scheint, dass sie das tun. Sie bekommen auch dann – nein: gerade dann – Zulauf, wenn jede vierte ihrer Aussagen falsch oder überwiegend falsch ist, wie bei Frauke Petry, die dicht gefolgt von Markus Söder die Hitparade der Falschaussagen bei Faktenzoom.de anführt. Wieso eigentlich?

Mit einem kann es nicht mal Petry aufnehmen: Fakten-Checks in den USA bescheinigen Donald Trump eine Falschaussagenquote von mehr als 70% (siehe z.B. politifact.com). Leute wie Söder, Petry oder Trump nennt man wohl (mindestens) "Populisten". Übrigens, um philosophisch korrekt zu bleiben, will ich zu Bedenken geben, dass Falschaussagen nicht unbedingt Lügen sein müssen, es könnten Irrtümer sein oder Halbwahrheiten mit gezieltem Weglassen von wichtigen Fakten oder eben auch dreiste Lügen. Am Ende ist ein notorischer Lügner in der Politik genauso haarsträubend wie jemand, der dermaßen dumm ist, dass er oder sie sich ständig irrt. Bei so einer hohen Quote, wie sie Trump vorlegt, kann eigentlich nur beides zusammenkommen.

Hitparade der Falschaussagenden (Screenshot von Faktenzoom.de, 15.08.2016)

Populismus – Verachtung des Verstandes

He got the facts wrong but the story right
House of Cards, S4

Eine interessante Frage wäre, warum gerade die am meisten Mist erzählen, die im Rundumschlag immer allen anderen vorwerfen, sie würden lügen oder "das System" manipulieren. Noch interessanter finde ich aber die Frage, warum diese notorischen Populisten solch einen Zulauf bekommen. Sicher kommt es irgendwie als rebellisch rüber, wenn Populisten systematisch behaupten, sie würden jetzt gegen das Establishment vorgehen (jedenfalls bis sie sich dann selbst z.B. im Europaparlament die Ärsche plattsitzen). Übrigens ist die Ablehnung von Establishment, der Anti-Intellektualismus und das Preisen des Völkischen gegen das Elitäre eine PR-Masche, die schon Hitler "erfolgreich" gemacht hat.

12. August 2016

Donald Trump ist ein Politroboter aus der Zukunft

Die Künstliche Intelligenz hat noch ein paar Bugs

Es ist oft beobachtet worden, dass Donald Trump kein Politiker (im herkömmlichen Sinne) ist, etwa mit Überzeugungen, Werten oder einer Agenda. Vielmehr erstaunt er alle Beobachter dadurch, wie er innerhalb von wenigen Minuten eine Sache und ihr Gegenteil behaupten kann und wie er es schafft, selbst Verbündete zu erbitterten Gegnern zu machen. Das liegt vor allem daran, dass seine Agenda keine andere ist, als Aufmerksamkeit zu erzeugen und zu erhalten. Aber damit gibt es ein Problem...


Trump mag zwar keine Überzeugungen und Werte haben, aber er hat eine binäre Methode. Cathy O'Neil (aka Mathbabe) hat gezeigt, dass hinter Trump ein ganz einfacher, aber fehlerhafter Algorithmus stecken könnte. Cory Doctorow von Boingboing erklärt die Technik so:

6. August 2016

10 Dinge, die ich in der Elternzeit gelernt habe

Elternzeit für Väter ist ein Muss, aber nicht ganz ungefährlich...

Als mein Sohn M. geboren wurde, entschloss ich mich, einen Monat zusammen mit ihm und seiner Mutter zu Hause zu bleiben und dann zwei Monate nur 50% zu arbeiten. Im ersten Monat war ich nicht einen Tag arbeiten, habe keine E-Mails gelesen oder geschrieben und habe meinem Team nur einen kurzen Überraschungsbesuch abgestattet. Diese Zeit zu Hause war schön und anstrengend und auch nötig. Hier sind 10 Dinge, die ich in der Elternzeit gelernt habe. Durch die ersten 8 Punkte habe ich mich persönlich sehr weiter entwickelt und die Punkte 9. und 10. muss man wirklich berücksichtigen, wenn man Elternzeit und Karriere vereinen möchte. Auch Firmen können aus solchen Erfahrungen lernen...


2. August 2016

Mein Säuglingssohn hat mich zum Singen gebracht

Der Abendstern und andere Lieblingslieder

Mein Sohn ist jetzt noch keine fünf Wochen alt und hat bereits uralte und längst vergessen geglaubte Teile meines Geisteslebens wiederbelebt, zum Beispiel das Singen. Als Kind hatte ich Musikunterricht und ich hatte nicht viel dafür übrig. Besonders all die Arbeiter- und Kampflieder, die ich im sozialistischen Unterricht lernen musste, konnten mir gestohlen bleiben. Ich glaube, der Unterricht hat mir das Musizieren eher verleidet, als irgend etwas sonst. Kurz nach M.s Geburt jedoch fand ich heraus, dass das Singen nicht nur eine sehr wirksame Art und Weise ist, ihn zum Einschlafen zu bringen, ich habe auch gelernt, dass das Singen mir selbst unheimlich viel Spaß macht.


 In dir, du dunkler Abendstern, seh' ich mich selber wie von fern, wie von fern...

Es ist wie Magie, wenn man einen ansonsten nicht zu beruhigenden Säugling durch die eigene Stimme und etwas Rhythmus und Melodie zum Schlafen bringen kann. Das alleine ist bereits ein mächtiges Gefühl. Aber auch, sich selbst singen zu hören, die Resonanz der eigenen Stimme in dem kleinen Leib zu spüren, den ich an mich presse, das ist unmittelbare Erfahrung des Selbst und des anderen in einer Einheit.