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Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

22. Oktober 2017

Bilder des Trostes, H wie Habicht

Das Finden und Verlieren der Wildheit in der Natur

Die allerkleinsten und die allergrößten Dinge gehen gerade irgendwie kaputt. In unseren Böden gibt es kaum noch Insekten und an den Polen schmelzen unvorstellbar riesige Eismassen. Und zwischendrin bemühem wir uns darum, Pandas zu züchten und Seeadler wieder anzusiedeln.

"... da draußen gibt es eine Welt der Dinge – Felsen und Bäume und Steine und Grass und all die Dinge, die dort kriechen und laufen und fliegen. Sie sind alle Dinge an sich, aber wir legen für uns einen Sinn in sie hinein, der unsere Sicht auf die Welt stützt." (Helen Macdonald, übersetzt von mir aus dem englischen Original H is for Hawk, S. 275)

Zwei Seeadler über Rügens Strand (Foto: Gilbert Dietrich, Lizenz: CC BY 2.0)

2. Oktober 2017

Auf in eine horizontale Transzendenz!

Pankaj Mishras apokalyptisch-hoffnungsvolle Vision

Wir als westliche Zivilisation sind in einer tiefen Krise. Weltanschaulich haben wir keinen lockenden Horizont mehr; die Grenzen des Erkundbaren sind verschwunden, die Erde ist auch in dieser Hinsicht zur Kugel geworden. Politisch kommen nationalistische Idiotien zurück, wie wir sie im 20. Jahrhundert glaubten, überwunden zu haben. Ökonomische und ökologische Krisen wachsen zusammen in Eins. Und die vertikale Transzendenz, wie wir sie aus unseren Glaubenssystemen kennen, ist nach langer schwerer Erosion so gut wie verschwunden. Der Westen ist die Krise, die östlichen und südlichen Krisen werden von ihm global verstärkt.


Pankaj Mishra auf dem Palestine Festival of Literature 2008 (CC BY 2.0)

Der Philosoph Peter Sloterdijk nennt einen sich täglich intensivierenden Weltverbrauch als Folge unserer modernen Lebensform des aktivischen Konsumismus oder konsumistischen Aktivismus. In seinem Buch Die schrecklichen Kinder der Neuzeit beschreibt Sloterdijk unseren Lebensstil als ein vollmundig-leeres Versprechen mit unbezahlbaren Kosten und "mengentheoretische Pradoxien":

1. Oktober 2017

Von der Würde im Alltag

Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt 

Ein Artikel von Thomas Marti

Für jeden Menschen ist es wichtig, dass er selber Entscheidungen treffen kann. Abhängigkeit von anderen Menschen fühlt sich unangenehm an. Menschen haben grundsätzlich das Bestreben, solche Situationen zu vermeiden, oder ihnen aus dem Weg zu gehen. Unabhängigkeit und Selbstständigkeit ist ein hohes Gut. Wenn der Schweizer Philosoph Peter Bieri in seinem Buch Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde (Amazon-Link) von Würde spricht, so meint er Würde als einen Lebensentwurf. Er beschreibt Würde als ein "Muster des Denkens, Erlebens und Tuns" (Ebd., S. 10), als "innerer Kompass unseres Lebens" (Ebd., S. 15). Bieri unterscheidet drei Dimensionen von Würde: Erstens geht es um die Art und Weise, wie andere mich behandeln, zweitens geht es um die Frage, wie ich andere behandle und drittens steht mein Selbstbild, und damit die Frage, wie ich mich selbst behandle, im Vordergrund.

Wichtig für diesen Zusammenhang ist auch Bieris Argumentation, wie und unter welchen Bedingungen Würde verloren gehen kann. Werden Menschen als Subjekte missachtet, so entsteht ein Gefühl von Demütigung. Bieri beschreibt Demütigung als eine Erfahrung von Ohnmacht. Ohnmacht ist dann gegeben, wenn eine bestimmte Macht fehlt: die Macht einen für das eigene Leben entscheidenden Wunsch zu erfüllen. Um noch einmal Peter Bieri zu zitieren; "Demütigung ist demonstrierte Ohnmacht" (Ebd., S. 13). Auch Willkür als das bewusste Auslassen von Handlungsoptionen, fällt damit unter Ohnmacht, die mit Demütigung verbunden ist. In dieser Situation ist die Würde stark in Gefahr oder geht verloren.