Seiten

Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

16. November 2019

Egoistische Wollust und darüber hinaus

Gedanken zu Pornographie und Gesellschaft

Das Wort Pornographie kommt aus dem griechischen und beschrieb ursprünglich alle Aufzeichnungen (gráphein) über Prostituierte (pórnē). Die Archäologie legt uns nahe, dass Pornografie ein Begleiter der gesamten Menschheitsgeschichte ist. Und wie auch nicht? Wie könnte denn das stärkste menschliche Verlangen nicht seinen Ausdruck in Schrift und Bildern finden?

Anmerkung: In diesem Artikel geht es nur um erwachsenen und – sowohl unter rechtlichen als auch gesundheitlichen Aspekten betrachtet – unproblematischen Pornokonsum.

Ausschnitt aus einem persischen Gemäde (Wellcome Collection CC BY 4.0)

Danke für die Pornographie!

Gattungsgeschichtlich gab es immer Menschen, die keinen Anteil an aktiver Sexualität mit anderen hatten. So wie im Tierreich unter Säugetieren steht zu vermuten, dass v.a. ein nicht zu vernachlässigender Teil der männlichen Bevölkerung – unfreiwillig – kaum Sex im Leben hat. Von Seeelefanten ist bekannt, dass nur rund 20% der Männchen 100% der Weibchen schwängern, dass also 80% keinen Sex haben. Wie ist das bei Menschen? Naja – kulturell jeweils sehr unterschiedlich: Während heute in Japan rund 25% der über 30-jährigen Männer noch keinen Sex hatten, sind es in den USA nur ca. 5%. In Deutschland muss es ähnlich sein wie in den USA, denn in der Studie Jugendsexualität (PDF-Link) findet man die Zahl von sechs Prozent aller 25-jährigen Männer, die noch nie Sex im Sinne von Geschlechtsverkehr hatten. Die Zahlen derer, die zwar Sex hatten, aber nach eigenem Befinden viel zu wenig oder derer, die später im Leben nie wieder in den Genuss kommen, dürfte noch viel größer sein.

Es steht außer Frage, dass Pornographie denen im Aushalten von nicht freiwilliger sexueller Abstinenz hilft, die davon temporär, langfrsitig oder auch episodisch immer wieder betroffen sind. Fakt ist aber auch, dass Pornographie von großen Teilen der Erwachsenen in Beziehungen konsumiert wird. Die Gründe sind sicher vielfältig von zeitwiese sexlosen Beziehungen bis hin zum gemeinsamen Konsum, um den partneschaftlichen Sex etwas anzuheizen. Unterm Strich ist aber klar, dass Menschen offenbar mehr oder gern auch mal anders Sex haben möchten, als es sich mit (wenn überhaupt) greifbaren Partnern verwirklichen lässt.

Vom Verlangen, sich mit der Welt der Möglichkeiten zu versöhnen

In diese Kluft stößt die Pornographie. Warum ist Pornographie so attraktiv für so viele Männer? Der Philosoph Alain de Botton vergleicht das mit der menschlichen Sucht nach Zucker: "ein einfacher Fehler im Design unserer Hirne, die sich in Zeiten, als bestimmte Stimuli – wie sexuelle Reize oder Zucker – sehr rar waren, so entwickelten, dass sie auf solche Reize zwingend reagierten." (Botton, On Porn Addiction). So, wie es sich kein Urmensch erlauben konnte, die Kalorien von endlich gereiften Früchten links liegen zu lassen, war es für die Gattung ebenso unmöglich, eine noch so geringe Chance auf Fortpflanzung ungenutzt verstreichen zu lassen. Die zur erfolgreichen Fortpflanzung der Gattung nötige Frequenz sexueller Akte war dabei immer ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt, was die männlichen Vertreter in die unangenehme Lage der ständigen Konkurrenz um die knappe weibliche Verfügbarkeit und ein ständiges den Gelegenheiten Hinterherjagen brachte. Die damit verbundenen hohen Aufwände an Zeit, Energie und Gesundheit mussten anständig durch unvergleichliche Genüsse während des Sexes belohnt werden.

Heute wird das alte Bedürfnis mit Pornographie schnell und auf ganzer Bevölkerungsbreite gestillt, auf die Sublimierung (Freud) und damit das kreative und sportlich-kämpferische Umleiten der Energien kann verzichtet werden. Pornographie ermöglicht in einer über die Imagination hinausgehenden Weise, am Sex mit anderen teilzuhaben. Es ist zwar nicht "dasselbe", sich am Sex anderer zu erregen, wie selbst körperlich in Sex mit anderen involviert zu sein, aber die Erregungszustände sind durchaus vergleichbar. Die oft über die Möglichkeiten des eigenen Sexes hinausgehenden Darstellungen ermöglichen zudem etwas an Erregung, das im sexuellen Miteinander oft nicht erlebt werden kann. Mit der Zunahme von Virtual-Reality-Technologie wird sich dieses Delta zwischen "real erlebter" und "medial inszenierter" Sexualität über die Zeit noch stark verringern. Die Grenzen zwischen Pornografie und "richtigem" Sex verschwimmen zunehmend.

Eine sich heute sofort einstellende Sorge ist natürlich: Wie interpretieren junge Menschen das, was sie in Pornos sehen und in wie weit hat das einen negativen Einfluss auf sie und ihre Sexualität? Werden sie dauerhaft falschen Vorstellungen unterliegen, was Sex zwischen zwei selbstbestimmten Menschen wirklich bedeutet? Man kann argumentieren, dass im Grunde dasgleiche gilt, wie bei allen Medienerfahrungen: Jeder reife Mensch ist in der Lage, den Unterschied zwischen Fantasie/Spiel/Inszenierung auf der einen und Realität auf der anderen Seite zu verstehen. Es gibt keinen guten Grund, einen Action- oder Horrorfilm in dieser Hinsicht von einem pornografischen Film oder auch einem Ego-Shooter-Game zu unterscheiden. In allen Fällen werden mehr oder minder realistische Fantasien inszeniert und es kommt darauf an, welche Interpretationshilfen oder Medienkompetenz der Zuschauer hat. Es gilt mit anderen Worten wie immer: Nur nicht zu früh!

Für erwachsene und reife Zuschauer besteht natürlich in diesem Unterschied zwischen Realität und Fixion ein erheblicher Reiz, so wie das auch beim Horrorfilm oder dem Ego-Shooter ist. Pornographie erlaubt uns, eine Welt zu erleben, in der Dinge möglich sind, die uns in der Realität in aller Regel versagt bleiben, obwohl das gezeigte selbst auch real ist oder sein könnte. Ich nehme an, dass psychologisch genau dieses Oszillieren zwischen möglich und unmöglich, Realität und Fantasie einen großen Reiz ausmacht. Tiefer geblickt könnte man sogar meinen, dass wir damit einer Art idealisiertem Naturzustand näher kommen wollen, in dem schöne Frauen genau das wollen, was Männer auch wollen, selbst wenn es sich um extreme Praktiken handelt. Wir wollen unsere schambehafteten Fantasien mit der Welt der Möglichkeiten versöhnen und geben uns für kurze Zeit der Vorstellung hin, dass wir alle mal zur Abwechslung dasselbe wollen. Das ist ja auch beim zwischenmenschlichen Sex ein wichtiger Aspekt: wir reißen die Grenzen dessen ein, was eigentlich akzeptabel ist und verhalten uns einmal wie die Tiere, ohne uns dafür schämen zu müssen. Seitdem ich Vater bin, habe ich auch den Verdacht, dass wir uns gern in eine kindliche Situation des Ausgeliefert-, Umsorgt- und Nacktseins begeben, die ich bei meinem kleinen Sohn beobachte. Solche tiefenpsychologischen Aspekte mögen eine Rolle bei der breiten Attraktivität von Pornografie spielen.

Produktionsbedingungen

Auf der anderen Seite der Kamera gibt es natürlich auch Konstellationen, die man beschreiben kann. Wenn man sich Mainstream-Pornos ansieht, hat man zwar das Gefühl, dass alle Beteiligten Spaß haben, aber das steht nicht ganz außer Frage. Die herkömmlich feminsitische Lesart wäre, dass Pornographie in jedem Fall Frauen herabwürdigt, ihre Abhängigkeiten ausnutze und ein Bild von einer männerdominierten Welt verstärke, in der Frauen immer quasi als "Sex Toy" verfügbar sind. Dem kann man sich, so glaube ich, nicht ganz verschließen. In einer Welt, in der Empathie mit den anderen auf dem Rückzug ist und das eigene Bedürfnis ganz klar im Vordergrund steht, hilft es nicht, ein Bild von rund 50% der Menschheit als "objektivierbar" zu zeichnen.

Dazu im Kontrast steht der Trend von immer mehr Einflussnahme von Frauen und Laien auf die "Porn Industry". Feministische Pornographinnen setzen sich zudem für die richtigen Arbeitsbedingungen und die Sichtbarkeit von alternativen Sexualitäten und Körpern ein und stellen somit das männderdominierte Bild von Sexualität infrage. Auf dem "Set" haben ohnehin die Frauen die Hosen an: Sie bestimmen, was sie drehen und mit wem sie drehen, unter welchen Umständen sie drehen und sie verdienen zwei- bis zehnmal soviel Geld wie ihre männlichen Mitspieler (Wikipedia [EN]). Richtig ist aber auch, dass etwas nicht schon deswegen aus Gleichberechtigungsperspektive unbedenklich ist, weil es maßgeblich von Frauen gestaltet wird. Sexismus kennt kein Geschlecht, könnte man sagen.

Pornographie und gemeinschaftlicher Humanismus

Warum ist Pornographie heute überhaupt so ein umstrittenes Ding? Natürlich sind bei uns wie immer das Christentum bzw. weltweit gesehen die monotheistischen Religionen zu beklagen. Wenn man sieht, wie freizügig die antiken Hinduisten oder die antiken Griechen mit Abbildungen von Sex umgingen, so können wir heute bei uns diagnostizieren, dass Sex von den monotheistischen Religionen aus seinem weiten Zusammenhang von Lust, Liebe, Gemeinsamkeit, Intelligenz und so vielem mehr gerissen und somit in eine vermeintlich schmuddelige Heimlichkeit gestoßen wurde. Pornographie, so auch Alain de Botton, hinterlässt deshalb oft ein Gefühl der Einsamkeit, der Leere und Scham, weil Sex und seine Darstellung nicht mehr intelligent und kulturvoll ins öffentliche Leben eingebettet sind.

Diese jahrhundertelange Verbannung von Sexualität gekoppelt mit ständiger technologischer Verfügbarkeit von Pornographie heute hat gesellschaftliche Konsequenzen. Es steht zum Beispiel die Frage im Raum, wie viel Kunst nie produziert wird, wie viele Bücher nie gelesen werden, wie viele dringend nötige Erfindungen nie das Licht der Welt erblicken oder wie viele gesellschaftlich wünschenswerten Änderungen nicht durch Proteste oder Aktionen vorangetrieben werden, weil die Leute Pornos im Internet schauen (25% aller Internetanfragen beziehen sich laut Netzsieger.de auf Pornographie).

Ganz deutlich lässt sich auch erkennen, wie sehr ein inzwischen ohnehin problematischer Individualismus zu diesem meist allein erlebten Pornokonsum passt. Es gibt also neben den entlastenden und vielleicht auch bereichernden einige problematische Aspekte, zu denen ich das gedankenlose Vorantreiben des Individualismus zählen würde. Die Tatsache, dass wir ohnehin in einer Gesellschaft leben, der das empathische Miteinander zugunsten eines auf die eigene Bedürfnisbefriedigung gerichtete Handeln abhanden kommt, scheint mir in diesem Zusammenhang als die größte Problematik der Pornographie.

Ein rein egoistisches Handeln wird dadurch ermöglicht, dass wir uns gar nicht in den anderen Menschen hineinversetzen, dass wir sozusagen den Humanismus hinter uns lassen und die eigenen Rechte und Interessen über die der anderen stellen. Eine pornographische Gesellschaft, in der der oder die andere lediglich ein Sex-Toy ist, bestätigt solch einen unhinterfragten Egoismus. De Sades Porno-Philosophie hat im 19. Jahrhundert bereits radikal darauf hingewiesen, welche monströsen Folgen eine aufgeklärte, egoistische Welt ohne die Fesseln gemeinschaftlicher Werte hat (siehe Die Philosophie des Marquis de Sade).

Heute braucht es mindestens einen gereiften Geist, der zwischen solchen egomanischen Fantasien und dem notwendigerweise auf gemeinschaftlichkeit ausgerichteten Handeln unter Menschen im Alltag zu unterscheiden vermag. Was nicht stattfinden darf, ist ein Transfer der objektivierenden pornographischen Anschauungen in die zwischenmenschliche Welt, die genau das Gegenteil dessen braucht: Empathie, Einfühlungsvermögen, Gemeinsamkeit und der bewusste Verzicht auf die Durchsetzung der eigenen Gier und Wollust. Es ist total normal, diese egoistischen Triebe zu haben und sich ihnen in der Fantasie hinzugeben. Wenn man aber unter Menschen geht, muss man diese Triebe zurück lassen, das nennt man Zivilisation.



Das passt dazu:

6 Kommentare:

  1. Toller Beitrag!

    Sublimierung ist ein tolles Stichwort. Ich denke aber dass gerade der Pornokonsum heutzutage dabei eher helfen kann anstatt zu stören. Insbesondere die Weiterentwicklungen in Bezug auf VR-Brillen usw. bieten doch die Möglichkeit Lust zu stillen sowie Triebe abzubauen. Vereinfacht ausgedrückt "Druck abzulassen". So kann man eben auch Raum und Kraft schaffen um Kunst, Kultur und Zivilisation voran zu bringen. Ggf. tut man sogar etwas gegen die "Überbevölkerung" da eben weniger Kinder gezeugt werden. Da freuen sich die Antinatalisten ;) (Cioran, Schumpeter, etc.)

    Ernsthaft: Welcher Mann der gleichzeitig Trekkie-Fan ist hat sich nicht div. Runden mit T'Pol & Seven of Nine auf dem Holo-Deck gewünscht? Na, erwischt? Tja, willkommen im Club. Wenn es virtuell ist, tut es niemandem weh. So what?

    Andererseits kann (Sexual-)Trieb auch einfach lästig sein. Geht mir häufig so. Seneca hat meine ich mal gesagt, dass er froh war das "mit dem Alter die Last von zwischen den Beinen geringer wird". Es mögen viele Männer nicht zugeben wollen ... toxische Maskulinität usw. ... aber häufiger nervt es weniger das der Trieb nicht gestillt wird, sondern das man diesen überhaupt hat. Insbesondere in Gelegenheiten wo es völlig unangebracht und unnötig ist "geil" zu werden, kann man(n) es werden wenn die entsprechenden Reize auftauchen. Da nützt der freie Wille nichts, nur eine gute kultivierte zivilisierte Impulskontrolle.

    Pixelfiguren im Ego-Shootern abzuknallen tut auch keinem weh. Richtig erkannt das Erwachsene, reife und geistig gesunde Menschen das differenzieren können. Ja, es gibt leider auch einige die das nicht können. Aber verbieten wir Tankstellen weil theoretisch jeder Sprit zapfen und sich daraus einen Molotowcocktail basteln kann? Nein.

    Ich sehe es auch so das insbesondere Religionen mit Ihren Tabus, Denkverboten und "Sünden" eher Probleme schaffen als lösen. In westlichen Kulturkreisen sind die Männer schon ausgeflippt (vor etwa 100 Jahren) wenn diese nur einen nackten Frauenknöchel gesehen haben. In anderen Kulturkreisen nötigen weitestgehend die Männer (mit einigen selbstbestimmten Ausnahmen) die Frauen Ihre "Reize" durch Vollverschleierung zu verstecken was, wie ich finde, würdelos und entpersonalisierend ist ... anstatt sich mal die angesprochene Impulskontrolle anzueignen! Zeitgemäße Männlichkeit meine Herren ;)

    Der belgische Surealist/Künstler Rene Magritte hat 1935 das Bild "die Vergewaltigung" kreiert. Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Sinnbild (wortwörtlich) des "Pornoproblems". Doch tabuisieren und verleugnen bringt nichts: Heterosexuelle Männer werden, in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität, für Sie sexuell attraktive und anregende Frauen immer so sehen wir auf dem Bild. Wenn auch nur kurzzeitig. Das abzustreiten und zu unterdrücken erzeugt erst Probleme. Entscheidend ist damit offen, ehrlich und zivilisiert umzugehen. Mit gegenseitigem Respekt, der selbstverständlichen Anerkennung von sexueller Selbstbestimmung und eben der wiederholt angesprochene zeitgemäßen Impulskontrolle. Wenn Pornographie da ein Mittel zum Zweck sein kann, lasst sie doch! Pornographie ist so alt wie die Menschheit Selbst. Klar ist das meiste davon stumpfsinnig, primitiv, erniedrigend, unzeitgemäß... es gibt nur wenig ästhetisch ansprechende und niveauvolle Pornographie. Wohl möglich weil der Sexualtrieb eben einen pre-kulturellen Hintergrund hat, aus unserer "Primatenzeit" ...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank für all die Gedanken, Gast!

      Zur Sublimierung will ich klarstellen, dass Freud das m.E. anders meinte: Die nicht stattfindende sexuelle Triebabfuhr sorgt für einen Überschuss an Energie, der dann zum Beispiel kreativ abgeführt wird. Also schon den "Druck rauslassen", aber eben gerade nicht durch Sex, sondern durch Kunst, Litereatur etc. Es ist ja keine Sublimierung (Unterdrückung) des Sextriebes, wenn man ihm durch Masturbation freien Lauf lässt.

      Löschen
    2. Ja, stimmt, Du hast recht. Das war ein Denkfehler von mir im Bezug auf die Bedeutung von Sublimierung.

      Allerdings frag ich mich ob die Sublimierung nicht letztendlich meistens nur ein anderer Weg für viele (insbesondere Männer) war um doch an das eigentliche Ziel zu kommen. Nach wie vor ist die Motivation für viele Handlungen ja das imponieren und "sich attraktiv" machen. Wir werden es nie mit Gewissheit feststellen können aber ich bin mir sicher das ein großer Teil aller kulturellen Errungenschaften, also Erfindungen usw., auch "nur" eine Art Balzritual war und nach wie vor ist. Nur weiß ich irgendwie immer noch nicht ob ich damit Freud widerspreche oder bestätige ...

      Mein Ansatz ist ja der das wir als Spezies langfristig eine völlig "Trieb"-befreite Innovationskraft entwickeln die eben nicht irgendwie auf dem Fortpflanzungsdrang beruht oder damit zu tun hat wenn dieser quasi jederzeit kompromisslos stillbar ist, wenn eben auch nur virtuell. Sicher bin ich mir dabei, das die Welt dann wesentlich Gewaltfreier wäre!

      Man schaue sich nur diese verkorkste INCEL-Bewegung weltweit an (https://de.wikipedia.org/wiki/Incel) ... nicht falsch verstehen, ich rechtfertige die nicht im geringsten. Find die Leute eher abstoßend und bemitleidenswert. Hat auch wieder mit der Impulskontrolle zu tun. Es zeigt nur auf wie schnell, objektiv betrachtet, sexuelle Enthaltsamkeit in Hass, Wut und Gewalt umschlägt. Oder in Missbrauch. Auch das Thema Zölibat ist ja aktuell in aller Munde. Hier bietet sich unter Umständen ja sogar eine Vereinbarkeit von Tradition & Technologie an: Ist virtueller Sex ein Bruch der Enthaltsamkeit? Ist ja nicht "echt"?

      Das ganze gibt viel Spielraum für sowohl dystopische als auch utopische Visionen ... Science Fiction eben, wortwörtlich :)

      Beim eigentlichen Thema Pornographie finde ich eigentlich nur eins wirklich wichtig: Jugend- und Kinderschutz! Kiddies die schon im Grundschulalter Hardcorefilmchen auf dem Handy haben werden dadurch wirklich in Ihrer Entwicklung gestört. Dagegen muss deutlich mehr getan werden. Ein unverkrampfter Umgang mit Sexualtiät ist wichtig und nötig aber Pornographie ist diesbezüglich unbrauchbar.

      Löschen
    3. Kunst und technische Erfindungen als Balzritual – finde ich einen kustigen und nicht ganz von der Hand zu weisenden Gedanken.

      Zu dem Ansatz der triebbefreiten Innovationskraft dank des jederzeit stillbaren Verlangens kann ich auch nicht viel sagen, auch nicht, was Freud dazu wohl meinen würde. Man darf nicht vergessen, dass Freud vor allem spekulativ mit solchen Begriffen um sich warf. Man kann seine Hypothesen kaum beweisen oder wiederlegen, wie immer dort, wo alles mit allem zu tun hat.

      Danke auch für den Hinweis auf "Incel", sehr interessant, besonders wenn man sieht, wie es in den USA Rechtsextremismus und Frauenfeindlichkeit bis ins Weiße Haus geschafft hat. Jetzt verstehe ich, dass Trump nicht trotz seines mysoginen Verhaltens, sondern deswegen im Haus sitzt. Wen das Asoziale an dem ganzen Thema interessiert, dem lege ich nochmal den oben verlinkten Artikel zum Marquis de Sade von Hartmut Böhme ans Herz.

      Was die Kiddies angeht, kann ich nur zustimmen und der Vollständigkeit halber die Selbstverständlichkeit hinzufügen, dass das für beide Seiten der Bildschirme/Kameras gilt: davor und dahinter.

      Löschen
  2. Der gereifte Geist verallgemeinert seine Schlußfolgerung nie, denn er weiß, das sie sonst lediglich Unterstellung sind, mit der er die eigene Unreife rechtfertig.

    AntwortenLöschen
  3. Ganz ohne Gefahr ist Pornographie wohl leider nicht.

    Du schreibst: „Jeder reife Mensch ist in der Lage, den Unterschied zwischen Fantasie/Spiel/Inszenierung auf der einen und Realität auf der anderen Seite zu verstehen.“

    Der Sexualwissenschaftler Christoph J. Ahlers führt in seinem Buch „Vom Himmel auf Erden“ aus, dass insbesondere sexuell unerfahrenen Jugendlichen die Differenzierung von Fiktion und Realität regelmäßig nicht gelingt und „dass fiktionale Darstellung von Sexualität als Vorlage und Modell für reale sexuelle Begegnungen und Beziehungen gedacht wird“ (S. 242 f.).

    Ist das nun bei „erwachsenen und reifen Zuschauern“ immer so völlig anders? Wer ist schon auf dem Gebiet der Sexualität ganz und gar erwachsen? Jedenfalls ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass der intensive Gebrauch von Pornographie subtilere, feinere, zartere Gefühle überdecken könnte.

    Wenn man denn von Pornographie nicht lassen will, sollte man am besten damit umgehen wie mit hartem Alkohol: vorsichtig und mit Bedacht


    AntwortenLöschen