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15. März 2012

Männer Cliquen bis zur Frührente

Unser Autor Erich Feldmeier macht sich heute darüber Gedanken, wie wir mit Menschen in unserer Arbeitsgesellschaft umgehen und ob wir zu einer fachgerechten Besetzung von Positionen kommen oder ob wir in einem Männer-Cliquen-Modell verharren: Ich kenne so unendlich viele Fälle, in denen die jungen, unausgebildeten, unerfahrenen und führungsunfähigen Vorgesetzten die Notbremse ziehen, weil sie dem Organisationsproblemen nicht gewachsen sind... Ich denke da an meine aufmüpfigen Kinder!


"Ich denke dabei an meine aufmüpfigen Kinder!" (Foto: Feldmeier)

"Es stand schlimm um Spanien, schlimmer als Goya es in seinem Inneren hatte wahrhaben wollen... Es lag daran, dass die Königin und Don Manuel die Ämter mit ihren Günstlingen besetzt oder schlankwegs verkauft hatten. An den entscheidenden Posten saßen schlechte Männer, die sich, statt Spaniens Interessen zu wahren, von der Republik bestechen ließen" (Lion Feuchtwanger, Goya)
Passend zu Feuchtwangers Spanien im Jahr 1800 und ganz unpassend zum Internationalen Frauentag berichtete die Süddeutsche am 8. März 2012 unter dem Titel Die Jünger Jains:
"Zwei Gefolgsleute von Noch-Chef Josef Ackermann, Hugo Bänziger und Hermann-Josef Lamberti, müssen gehen, es kommen mit Stephan Leithner, Henry Ritchotte und William Broeks drei enge Vertraute des Londoner Investmentbankers Anshu Jain, der ab 1. Juni zusammen mit Jürgen Fitschen an der Spitze steht... Aufgestiegen sind ausschließlich Vertraute Jains. Das gilt nicht nur für den siebenköpfigen Vorstand, sondern auch für den erweiterten Vorstand, in dem künftig 17 Männer sitzen." 
Wenige Tage später wird berichtet, das auch Jürgen Fitschen in Deutschland seine Vertrauten - ausschließlich Männer - durchbekommt. Die anderen Mitarbeiter, die bisher diese Stellen ausgefüllt haben, werden, wie wir es von vielen anderen Beispielen kennen, in die Wüste, d.h. in den Ablass- und Abfindungs-handel und in die Frühpensionierung gedrängt.

Auch wenn Ackermanns Männer selbst davon nicht betroffen sein mögen, stehen sie doch als ein Symbol für eine verfehlte Personalpolitik in unserer Wirtschaft. Seit ungefähr 15 Jahren reden wir und seit 40 Jahren wissen wir davon, dass die demographische Wende stattfindet und die Frühpensionierung eine volkswirtschaftliche Katastrophe ist. Trotzdem wurde hier in Deutschland 2010 ein Rekord aufgestellt: "Jeder Zweite geht in Frührente".

Wie wichtig ist Gruppenzugehörigkeit und wie unerheblich Leistung? (Bild: Feldmeier)

Und die, die noch nicht gehen? Sitzen an den entscheidenden Posten schlechte Männer, wie Feuchtwanger über das Spanien im 19, Jahrhundert schrieb? Nein, natürlich nicht. Wir können sogar davon ausgehen, dass sie besonders gute Leistung gebracht haben und deshalb die sogenannte Karriereleiter erklommen haben. Nur warum müssen zum Beispiel die vermeintlich fähigen Leute Ackermanns dann so ganz unvermindert wieder verschwinden? Sie gehören offenbar der falschen Gruppe an. In solchen Hauruck- und Hauweg-Verfahren wird öffentlich vorgeführt, wie wichtig Gruppenzugehörigkeit ist und wie unerheblich die Leistung sein kann.

Die doppelte Moral dieser Geschichte:
  1. Das Öffentlichkeitswirksame eines solchen Hauruck-Verfahrens ist nicht zu unterschätzen. Die symbolhaften Entscheidungen, die solche Leute wie Jain treffen, strahlen via Medien weithin und zeigen uns, worauf es ankommt, wenn wir erfolgreich sein beziehungsweise bleiben wollen: Es sind die Männer-Cliquen, die zählen. 
  2. Wir haben zwar Personalabteilungen, die Kraft ihrer Fachkenntnisse und Befugnisse in der Lage sind, wichtige Arbeitsplätze leistungsgerecht richtig und fair zu besetzen. Aber diese Kompetenzen greifen nicht bei Hierarchie- und Unterwerfungs-Ritualen. Die Kompetenzen der Personalabteilungen erstrecken sich auf Verwaltungs-Systeme, fachgerechtes Recruiting und Personalbetreuung, aber nicht auf Evolutionsbiologie, Neurobiologie oder spiel-theoretisches Verhalten.
Wir sollten Personalabteilungen befähigen diese evolutionären Aspekte des Sozialverhaltens proaktiv zu thematisieren und zu behandeln. Sonst ist zu befürchten, dass wir eine Frauenquote brauchen um die in aller Regel männlich dominierte Klüngel- und Günstlings-Wirtschaft zu unterbinden. Wir müssen dieses symbolische und weithin sichtbare Männer-Cliquen-Gehabe jetzt abstellen!



Das könnte Sie auch interessieren: Erich Feldmeiers Buch zum Thema Sonntags Reden, montags Meeting: Wie Innovationen dennoch gelingen (Rezension eines etwas anderen Karriereführers).

2 Kommentare:

  1. Zwei Fragen, Erich:

    1) Fürchtest du dich im Ernst vor der Quote? Ist sie nicht viel mehr notwendig, um uns in den Genuss der Diversität kommen zu lassen?

    2) Ich fühle mich nun als Personaler etwas verunsichert durch deinen Text. Wie willst du mich/uns denn "befähigen diese evolutionären Aspekte des Sozialverhaltens proaktiv zu thematisieren und zu behandeln"? Und wie sähe das Resultat aus, was wäre das gewünschte Ergebnis?

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  2. ich fürchte, dass wir wieder eine Reglementierung brauchen statt eigenständiges proaktives Handeln.

    Das wichtigste scheint mir das Verhalten von Menschen in Gruppen in jegliche Ausbildung zu integrieren.
    Ich habe zu Svenja Hofert's (m.E. bestem) Buch 'Ich hasse Teams' eine passende Rezension geschrieben, ein kleiner Auszug:
    "Wenn eine starke übergeordnete Vision fehlt, setzen sich kurzfristige Ziele durch, steht im Kapitel Max & Bea.
    Wie wahr! Klaus Schwab vom World Economic Forum bemerkte dazu:
    "Das Unternehmen ist ...eine mechanische 'Gewinn-Erwirtschaftungsmaschine', bei der alles auswechselbar ist...
    Das hat Konsequenzen für das Verhalten: Ein Individuum, welches weiß, dass es jederzeit auswechselbar ist, wird von Eigennutz geleitet sein. An die Stelle einer Welt geleitet vom gemeinsamen Pflichtbewusstsein gegenüber der Gesellschaft ist damit ein individuelles Anspruchsdenken getreten, bei dem das Gemeinwesen eine untergeordnete Rolle spielt"

    Diese drastischen Konsequenzen des fehlerhaft umgesetzten Team-Gedankens drohen unserer globalisierten Gesellschaft und bedrohen die MENSCHHEIT ALS GANZES, nicht nur die Unternehmen, auf die man im Zweifelsfall verzichten könnte
    - und deshalb ist das Buch mit all seinen Facetten ein höchst empfehlenswertes Buch und gerade auch für die evolutionäre Thematik 'Balance zwischen Kooperation & Konkurrenz' interessant.
    Ein leidenschaftliches Plädoyer für qualitativ hochwertige & wertvolle Personalarbeit, angewandte Organisations-Psychologie und Führung.
    Mehr in der XING-Gruppe Evolutionsmanagement.
    ..."
    http://www.amazon.de/Ich-hasse-Teams-Kollegen-%C3%BCberleben/dp/3821857218

    Aber auch bei Patrick van Veen's Buch: Hilfe mein Chef ist ein Affe' finden sich recht passende Worte, ein Auszug:

    "Ein Highlight kommt gleich zu Anfang:
    Was unterscheidet Bonoboweibchen von anderen Menschenaffen?
    Sie bilden stabile Allianzen und unterstützen sich gegenseitig...
    Warum findet man bei uns trotzdem immer noch so wenige Frauen in Führungspositionen?
    Frauen imitieren im Arbeitsalltag lieber das Verhalten ihrer männlichen Kollegen. Statt eine Verbündete zu finden, versuchen sie, die männlichen Kollegen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen (S. 31). So treffend hat das noch niemand aus der Riege der Frauen-Karriere-Ratgeberinnen formuliert...
    ..."
    http://www.amazon.de/Hilfe-mein-Chef-ist-Affe/dp/3813504050


    Neben der reinen Effizienz (Arbeiten statt Ellbogen- und Revier-Kämpfe)ist es v.a. auch die Arbeits-Qualität (Stimmung, U-Kultur),
    die die Motivation positiv fördert.
    Ganz auffällig ist, dass Frauen INSTINKTIV Branchen (MINT!) meiden, in denen sie vermeintlich 'nicht mithalten können und mögen'

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