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20. August 2014

Gefühle bei Menschen und anderen Tieren

Warum Gefühle so wichtig sind, warum auch Tiere verliebt sein können und warum Gefühlslosigkeit eine Krankheit ist. Ein Interview mit Prof. Dr. Kurt Kotrschal, wissenschaftlicher Leiter des Biologicum Almtal von der Kunsthistorikerin und Autorin Veronika Hofer.


Kurt Kotrschal, Gründer und Leiter des Wolfsforschungszentrums
(Fotograf: Peter Rigaud, Quelle: Christian Brandstätter Verlag)


Prof. Dr. Kurt Kotrschal lehrt an der Fakultät für Lebenswissenschaften, Department für Verhaltensbiologie an der Universität Wien. Hier beschäftigt er sich mit sozialer Organisation und der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung. Davon zeugen auch seine Bücher wie etwa Wolf - Hund - Mensch: Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. Seit über 24 Jahren leitet Kotrschal als Nachfolger von Konrad Lorenz die Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal. Im Jahr 2008 hat er das Wolf Science Center mitbegründet.

Herr Professor Kotrschal, was haben Gefühle mit Biologie zu tun?

Gefühle entstehen im Gehirn und zwar in Systemen von Nervenzellen, die wir nahezu unverändert mit vielen anderen Tieren teilen. Gefühle treiben Verhalten und sind wichtiger Hintergrund für die Entscheidungsfindung bei Menschen und bei anderen Tieren. Aber obwohl die Gefühlssysteme stammesgeschichtlich uralt sind, verfügen die gerade eben in der Evolution entstandenen Menschen über die wahrscheinlich reichste Palette an Gefühlen. Darüber reden wir im Oktober beim Biologicum Almtal.

Warum ist das Thema Gefühle für Sie so wichtig?

Alle Menschen streben nach einem guten, erfüllten, glücklichen Leben. Heute weiß man, dass die wichtigste Basis für ein langes, gesundes und glückliches Leben in einer ausgeglichenen Emotionalität liegt. Da Menschen in jeder Beziehung stark von ihren sozialen Beziehungen und Vernetzungen abhängen, überrascht es nicht, dass eine geborgene, glückliche Kindheit, der passende Platz in der Gesellschaft und eine geglückte Vernetzung mit Partnern und Freunden, unter Umständen auch mit Tieren, zu den wichtigsten Faktoren zählen, ein ausgeglichenes Gefühlsleben zu erreichen.

Haben wir Einfluss auf unsere Gefühle oder sind wir unserem Bauch ausgeliefert?

Das kommt darauf an. Entscheidungen werden sowohl bei den Menschen als auch bei anderen Tieren in ständiger Abstimmung zwischen Instinkten, Gefühlen und Denkvorgängen getroffen. Dies entspricht auch dem Bau und der Funktionsweise des Gehirns; triumphiert etwa beim Verlieben zunächst der Bauch über den Verstand, so behält letzterer bei vielen Alltagsentscheidungen die Oberhand über die Gefühle. Obwohl es an manchen Montagen netter wäre, im Bett zu bleiben, gehen wir dennoch pünktlich zur Arbeit.

Kann mein Hund genauso traurig, stolz oder fröhlich sein wie ich?

Über die entsprechenden Hirngebiete dafür verfügt er und die Ergebnisse moderner Bild gebender Verfahren, sowie sein Verhalten in den unterschiedlichsten Situationen weisen darauf hin, dass er tatsächlich so fühlen kann. Soweit wir das eben durch Messen, Beobachten und Umlegen unseres eigenen Gefühlserlebens auf den Hund schließen können. Dennoch wird uns das subjektive Gefühlserleben anderer Menschen, geschweige denn das anderer Tiere, letztlich immer unzugänglich bleiben.

Können Tiere verliebt sein?

Mit ziemlicher Sicherheit, und zwar überall dort, wo ein Paar zusammenbleiben sollte, weil es beide Eltern braucht, um die Nachkommen großzuziehen. Monogamie ist evolutionär gesehen eine Anpassung an gemeinsame Betreuung von Nachwuchs, Liebe ist dabei der Kitt, der die beiden zusammenhält. Geheimnisvoll immer noch, was dazu führt, dass man sich verliebt, die dazugehörigen Hirnmechanismen sind aber gut bekannt. So führt Verlieben und auch traute Zweisamkeit zur Ausschüttung des Bindungs- und Beruhigungshormons Oxytocin, welches unter anderem dazu führt, dass man sich aufeinander einstimmt, sich miteinander wohl fühlt und damit auch gut gepuffert ist gegen den Stress des Lebens.

Sind Frauen emotionaler als Männer?

Nicht generell, allerdings weisen alle Untersuchungen auf einen klaren Gender-Unterschied in der Emotionalität der Geschlechter hin. Frauen sind auch aufgrund biologisch bedingter Geschlechterunterschiede sozial interessierter und empathiefähiger als Männer. Im statistischen Durchschnitt zumindest. Auch darum überwiegen in Sozialberufen Frauen bei weitem. Andererseits neigen Frauen dazu, gerade im sozialen Bereich rationalere und weniger risikofreudige Entscheidungen zu treffen als Männer, auch wenn es um Lebensplanung, Umgang mit Geld, Kinder, etc. geht.

Ist Empathie ein Gefühl und wenn ja, ist sie angeboren?

Nichts ist angeboren, aber alles ist in unterschiedlichem Ausmaß erblich. Empathie bedeutet die Fähigkeit, sich in die Gefühlslagen anderer einzufühlen und mitzufühlen. Gefühle anderer wirken oft ansteckend, auch übrigens zwischenartlich, also etwa zwischen Hunden und Menschen. Dafür sorgt offenbar das Reflexsystem der Spiegelneurone im Gehirn, es übersetzt Körpersprache und Mimik des Gegenüber in eine korrespondierende Gefühlslage in sich selber. Dieses Mitfühlen mit anderen ist nicht auf Menschen beschränkt und kann auch bei anderen Tieren zu „altruistischen Impulsen“, also zum spontanen gegenseitigen Helfen ohne viel Nachdenken führen. Bei Menschen ist Mitgefühl meist die Basis für eine bewusste Entscheidung, anderen zu helfen.

Was ist schon in der Kindheit für ein ausgewogenes Gefühlsleben wichtig?

In der Regel führt eine zuverlässige und sensible Betreuung der Kleinkinder in ihren ersten Lebensjahren zur Fähigkeit, vertrauensvolle Beziehungen zu anderen auch im späteren Leben einzugehen. Seit John Bowlby (unter anderem Autor von Büchern wie Frühe Bindung und kindliche Entwicklung) spricht man in diesem Fall von einer "sicheren Bindung". In einem gewissen Ausmaß können allerdings bei den sozial überaus anpassungsfähigen Menschen die Versäumnisse der Kindheit später im Leben aufgeholt werden. 

Kann ein Mensch emotionslos sein?

Nein. Die Forderung nach "Emotionslosigkeit" ist entweder eine Instrumentalisierung zum Zwecke der Machtausübung oder sie entspringt einer Art "emotionalen Analphabetismus", der darin besteht, dass man sich seiner eigenen Gefühlslagen nur wenig bewusst ist - und damit auch kaum empathiefähig gegenüber anderen. Tatsächliche Emotionslosigkeit ist ein lebensbedrohlicher pathologischer Zustand.




Neugierig geworden? In Grünau im Almtal findet vom 9.-11. Oktober 2014 das "Biologicum Almtal" statt. Auch Prof. Dr. Kurt Kotrschal wird dort diesmal zum Thema "Emotionen, Zuckerbrot und Peitsche der Evolution" sprechen. Das Symposium gibt einem breiten Publikum Einblick in internationale biologische Spitzenforschung, die durch die Konrad-Lorenz-Forschungsstelle im Almtal eine lange Tradition hat. Mit dem Jahresthema "Gefühle. Warum wir fühlen wie wir fühlen" bietet die Veranstaltung ein aktuelles Thema, das zeigt, wie die Erkenntnisse der Biologie den Blick auf den Menschen schärfen können. WissenschaftlerInnen aus Österreich, Deutschland und den USA sind als Vortragende der Einladung von Kurt Kotrschal gefolgt. Alles Weitere dazu und eine Möglichkeit der Anmeldung finden Sie unter www.biologicum-almtal.at.

3 Kommentare:

  1. Als Tierliebhaber und Hundebesitzer vertrete ich auch eindeutig die Überzeugung, dass auch Tiere Gefühle wie Trauer, Freude, Scham, Liebe, Mitgefühl,... erleben. Wie sollte man es sonst interpretieren, wenn der treue Gefährte die eigene Traurigkeit spürt und einfühlsam zu trösten versucht? Oder er bei einem Fehltritt bewusst den Kopf einzieht, weil er sich schämt?
    Ich glaube, dass wir mehr von unseren Gefühlen bestimmt werden als wir uns eingestehen wollen. Auch wenn wir glauben, dass all unsere Haltungen, Einstellungen und Verhaltensweisen hauptsächlich von unseren Verstand gesteuert werden, sind meiner Meinung nach doch die Gefühle die eigentlichen Fädenzieher im Abenteuer Leben.

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    1. Hallo Claudia,

      einen genialen Blog hast du da! Echt super. Glückwunsch.

      Ich weiß nicht, ob wir so ein entweder/oder brauchen. Ich glaube, das eine geht nicht ohne das andere. Wir sollten Gefühle und Gedanken nicht immer so in Opposition, sondern zusammen denken. Was meinst du?

      Viele Grüße,

      Gilbert

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  2. Ich finde, das eine geht nicht ohne das andere!

    Wir können weder den Verstand ausschalten, noch die Gefühle.
    Die Gefühle können auch Wegweiser sein, sie können auf etwas aufmerksam machen, was man vielleicht zuerst mit dem Verstand nicht fassen kann.
    Und der Verstand kann auch als Schutzmechanismus gesehen werden, er kann Dinge einordnen, strukturieren.

    Und ich habe zwar leider selbst keine Tiere, aber wenn ich bei meiner Schwester bin, beruhigen mich ihre Chinchillas sehr. Früher hatte ich einen schwarzen Kater, der wurde 17 Jahre alt. Er hat mich teilweise zur Schule begleitet, als ich mal Schulangst hatte und mich getröstet, wenn ich traurig war.

    In Altenheim werden Hundebesuche angeboten und die Menschen reagieren meist sehr positiv darauf!

    Liebe Grüße!
    Maria S.

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