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11. Juni 2016

Weisheiten der Mystik in einer Welt der Vernunft

Bertrand Russell und die Erfahrungsweise der Matrix

Im dem seit Menschengedenken andauernden Versuch, die Welt in ihrer Gesamtheit zu verstehen, bekämpfen und befruchten sich zwei menschliche Prinzipien des Verstehenwollens: das eine kann als wissenschaftliches und das andere als mystisches Prinzip beschrieben werden.

Schon bei den antiken Philosophen sehen wir diese Differenz, etwa beim mystischen Parmenides und dem wissenschaftlichen Aristoteles. Manchmal gibt es, wie etwa in Platons Ideen erkennbar, den Versuch diese beiden ziemlich gegensätzlichen Prinzipien zusammenzubringen. Mit der durch die Ideengeschichte voranschreitenden Ausdifferenzierung von Religion, Philosophie, Kunst und Naturwissenschaften ist auch der Graben zwischen Mystik und Vernunft nur größer geworden.

Heute leben wir in einer Welt, die in ihrer Hard- und Software ganz überwiegend durch wissenschaftliche Prinzipien gesteuert wird, was wiederum uns kleinen einzelnen Menschlein hart und seelenlos vorkommen mag. Denn unser Seelenleben verlangt nach Geschichten, nach Innerlichkeit, der Einbettung ins große Ganze und vermeintlich tieferen Gründen unserer Existenz. Aus diesem Konflikt heraus verlangt es die einen nach Poesie und Kunst und die anderen nach Verschwörungstheorien und Esoterik. Im Mainstream wird aus diesen beiden Polen dann zum Beispiel ein Film wie Die Matrix (den ich übrigens liebe, und zwar alle seine drei Teile).

Der große Philosoph des 20. Jahrhunderts Bertrand Russel sagt, die größten unter den Philosophen hätten den Versuch unternommen, Mystik und Wissenschaft zusammenzubringen und dass vielleicht genau dieser Versuch der Harmonisierung die Philosophie über Religion auf der einen und Wissenschaft auf der anderen Seite erhebt. Aus dieser Perspektive ist auch der Film Die Matrix durchaus philosophisch, denn wir sehen hier ganz deutlich den Versuch, Wissenschaft, Ästhetik und Mystik in eine moderne Erzählung, einen Mythos zusammen zu bringen.



Drei Merkmale mystischer Philosophie

In seinem Essay Mysticism and Logic* beschreibt Bertrand Russell die drei allen Mystikern durch die Jahrhunderte gemeinsamen Überzeugungen oder Doktrinen in denen ihre Ideen und Philosophien gründen:

  1. Eingebung und Intuition sind der Weg zu Wahrheit und Weisheit und erlauben keinen Zweifel. Dieser Weg ist erhaben über Vernunft und Analyse, die lediglich in den Morast der Illusionen und Unsicherheiten unserer Sinne und Irrtümer führen.
  2. Es gibt nur das Eine, jegliche Zerlegung der Wirklichkeit in Einzelteile (typisch für die Wissenschaft) führt an der Realität der Einsseins vorbei. Daher gibt es auch keine Zeit, denn auch die Unterteilung in Vergangenheit und Zukunft ist eine Illusion, wenn alles eins ist.
  3. Alles Böse ist lediglich Erscheinung, eine Illusion aus dem Geiste der Unterscheidung und des analytischen Intellekts. Einige Mystiker sind konsequent indem für sie auch das Gute keine Realität hat, in der Regel jedoch ist in der Mystik das Reale auch das Gute.

Bevor wir uns der Frage zuwenden, ob diese Überzeugungen dazu taugen, die Welt angemessen so zu beschreiben, dass wir uns in ihr zurechtfinden und vernünftig handeln können, wollen wir darauf hinweisen, dass Mystiker mit den oben genannten Doktrinen zumindest in einigen Punkten dem näher kommen, was man Weisheit nennen könnte. Russell sagt:

"In allen Fällen ist für die Mystik ethisch charakteristisch, dass ihr die Empörung und der Protest abgehen, dass sie statt dessen mit freudiger Akzeptanz ausgestattet ist und absolute Wahrheiten genauso ablehnt, wie die Spaltung der Welt in zwei feindliche Lager von gut und böse. Diese Einstellung rührt aus der Natur der mystischen Erfahrung: Mit ihrem Begriff von Einheit geht ein Gefühl von unendlichem Frieden einher." (Russell, 1918, S. 11)

Nicht ganz klar ist vorerst, ob nicht das Gefühl von Einheit und umfassenden Frieden, so wie in einem Traum, erst die genannten Überzeugungen produziert und nicht umgekehrt. Schauen wir uns die einzelnen Überzeugungen genauer an.

1. Der Weg zur Wahrheit durch Eingebung und Intuition 

Ich muss zugeben, dass ich skeptisch bin, was Eingebung und Intuition als Wege zur Wahrheit angeht. Zum einen hege ich den Verdacht, dass die meisten, die von Intuition reden, eigentlich von Faulheit befallen sind. Es ist immer einfach zu sagen: Ich kann das nicht logisch erklären oder ich kann das nicht genau belegen, aber es fühlt sich richtig an. Diese Denkfaulheit ist gefährlich. Wir wissen, dass wir uns selbst überschätzen, dass wir kognitiven Täuschungen unterliegen und dass aus falschen und nicht hinterfragten Überzeugungen die größten Menscheitskatastrophen der Geschichte erwachsen sind. Das Bauchgefühl ist gefährlich, es sei denn, es verlangt nach Pizza.

Den Mystikern unter den Philosophen muss man wohl keine Denkfaulheit unterstellen. Russell scheint bei ihnen vielmehr die Gefahr einer Entfremdung von den täglichen und weltlichen Dingen und sogar einer Art der Depression zu sehen, wenn sich mystische Menschen von allzu vernünftigen Übereinkommen im Alltag abwenden. Die Gefahr, sich in solchen Zuständen zu verlieren, sei gegeben, für wahre Mystiker jedoch sei dieser dunkle Ort nur ein Durchgang zu einer reicheren Welt.

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass man mit Menschen, die mit Visionen, Eingebungen und Intuitionen daherkommen, schlecht argumentieren kann. Es sind Überzeugungen, Evidenzen, die sich ihnen aufdrängen. Was gibt es da zu diskutieren oder zu belegen? Eine entgegengesetzte Perspektive ist eigentlich ebenfalls nur durch Intuitionen (eben widersprüchliche) zu legitimieren.

2. Es gibt nur das Eine

Schwierig an dieser Auffassung ist bereits unser alltägliches Erleben der Diversität. Es ist nicht plausibel, dass es nur Eins gibt. Wir sehen gutes und schlechtes und böses, wir sehen Geburt und Tod, wir sehen Wellen und Partikel, Männer und Frauen. Unser Erleben ist von Dualitäten geprägt und zu sagen, dass alles sei eins, ist entweder offensichtlich falsch oder eine Plattitüde. Denn natürlich kann man immer die gedankliche Position von außerhalb des Universums einnehmen und sagen, letztlich gibt es nur ein Ganzes, das Universum, in dem die vermeintlichen Gegensätze nur jeweils zusammengehörige Teile eines harmonisch Ganzen sind. Aber das sagt uns nicht viel, es liefert keine Erkenntnis.

Weiterhin schwierig ist, dass wir mit "alles ist eins" schlecht irgend etwas erklären können, denn man kann nur etwas in Differenz zu etwas anderem erklären. Ja sogar die Sprache als das Mittel, mit dem wir auf die Unterschiede hinweisen und die selbst nur deswegen funktioniert, weil A anders ist als O und weil ein Laut keine Stille ist, wird sinnlos. Man kann auch an den Sätzen des Heraklit sehen, dass uns das Eine in unbefriedigende Widersprüche stürzt: "Wir steigen und steigen nicht in den selben Fluss; wir sind und wir sind nicht." (hier nach Russell, S. 11 zitiert). Sympathisch und weise daran ist jedoch, die oben erwähnte Akzeptanz der Realität und der Verzicht auf die Gegenüberstellung von wahr und falsch oder gut und böse.

3. Das Böse gibt es nicht

Diese Überzeugung will nicht etwa sagen, dass schlimme Dinge wie Schmerzen oder Gewalt gut seien, sie will sagen, dass diesen Dingen keine Realität zukomme. Schlimme Dinge seien Phantome, von denen wir uns durch mystische Einsichten befreien können. Das Eine ist das Gute. Oder das Eine ist weder gut noch schlecht noch böse, es ist.

Hier treffen ähnliche Schwierigkeiten mit der Plausibilität zu wie im Punkt 2. Nicht zufällig, denn 3. ergibt sich aus 2. Hier kommt nun noch eine ethische Dimension hinzu, die im Alltag grausam wirken kann. Wenn jemand etwa um seinen toten Partner trauert, dann hilft es wenig, wenn man überheblich sagt, dass diesen Schmerzen und dem Verlust keine Realität zukomme und dass man sich gefälligst über sein defizitäres Verständnis von Realität erheben solle. Ähnlich trifft das auf große historische Zusammenhänge und Verbrechen zu: Was sollen wir für unser zukünftiges menschliches Verhalten lernen, wenn wir auf die Kategorie "böse" verzichten? Das Böse "banal" zu nennen, weist uns auf uns selbst hin, das Böse zu leugnen, birgt größere Risiken.

Kommen wir mit Mystik zur Wahrheit?

Kurz gesagt: Nein, aber die Mystik ist ein Teil der ganzen Wahrheit. Aus der Intuition allein kommen wir nicht zu verlässlichem Wissen, das unser Handeln leiten könnte. Wenn man sich Intuition genauer ansieht, gewissermaßen in seine Einzelteile und Voraussetzungen zerlegt (was Mystiker natürlich nie tun würden), dann sieht man, dass gute, zutreffende bzw. hilfreiche Intuition aus wiederholtem und geübtem Umgang mit den sinnlichen Erfahrungen erwächst. Das heißt, Erfahrung und das Kennen von Fakten liegt guter Intuition zugrunde. Wer seine Umgebung, seine Fähigkeiten und Möglichkeiten falsch einschätzt, wird gerade mit intuitiven Entscheidungen auf die Nase fallen und durch spontane Einsicht zu keinerlei Wahrheit gelangen, es sei denn durch Zufall. Und Bertrand Russell sagt, dass Mystik zwar nicht dazu taugt, richtige und angemessene Überzeugungen über die Welt zu erlangen...

"...aber ich glaube doch, dass man - mit gebotener Zurückhaltung - ein Element der Weisheit aus der Mystik als Erfahrungsweise der Welt übernehmen kann, an das man auf andere Weise nicht herankommt. Wenn das stimmt, dann kann man die Mystik als eine Herangehensweise ans Leben empfehlen, aber nicht als ein Bekenntnis zu den Tatsachen in der Welt. Ich will damit festhalten, dass jegliche mystische Überzeugung eine irrtümliche Ableitung aus jenem Gefühl ist, aber dass dieses Gefühl als formative Färbung aller anderen Gedanken und Gefühle die Inspiration des Guten und Besten im Menschen ist. Sogar die vorsichtige und geduldige Untersuchung der Wahrheit durch die Wissenschaften, was ja die Antithese zu jener zügigen mystischen Überzeugung ist, sollte durch den ehrfürchtigen Geist, in welchem die Mystik lebt, gefördert und genährt werden." (Russell, 1918, S. 12)

Schauen wir nach all dem einfach noch mal den Film Die Matrix an. Dieser Film hätte Bertrand Russell sicher sehr gefallen. Hier gibt es Poesie, Ästhetik, Verschwörungstheorie, Philosophie, Wissenschaft und alles ist eingebettet in die allzumenschliche Lebensgeschichte zwischen Liebe und Tod, Mut und Verzagen, Kampf und Feier des Lebens - eine Parabel auf unsere Existenz. Die Matrix ist real und sie ist es nicht und genau das ist die Lehre aus all dem!



*Dies ist ein Link zu Amazon. Der nur auf englisch verfügbare Text ist jedoch in den USA gemeinfrei und kann durch gezielte Suche als kostenloses PDF gefunden werden. 

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23 Kommentare:

  1. Mystik scheint mir etwas sehr Spannendes zu sein. Ich verstehe sie, ohne sie je studiert zu haben, als ein Erspüren der Welt jenseits von Begriffen. Ein echter Mystiker würde aber nie die Wissenschaften ablehnen. Er versteht sich nicht als Konkurrent der Wissenschaften und ersetzt diese keinesfalls.
    Das Mysterium Mensch verfügt eben durchaus über verschiedene Kanäle der Wahrnehmung.
    Gerhard

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    1. Danke, Gerhard! Du hast Recht, Mystik und Wissenschaft sollten nicht im Gegensatz stehen. Und das scheint mir ja genau auch Russells These zu sein. Er sagt: "Sogar die vorsichtige und geduldige Untersuchung der Wahrheit durch die Wissenschaften, was ja die Antithese zu jener zügigen mystischen Überzeugung ist, sollte durch den ehrfürchtigen Geist, in welchem die Mystik lebt, gefördert und genährt werden."

      Die Mystik ist also nicht Gegensatz sondern notwendiger Begleiter der Wissenschaft. Das ist doch eigentlich ganz schön.

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  2. Ja, ja - und auch Erleuchtete müssen Miete zahlen, sag ich immer. :-)

    Und dennoch: der Beitrag geht nicht wirklich auf die Inhalte der Mystik ein, bzw. bezieht Aussagen ("Alles ist eins") auf eine Alltagsdimension, ohne die wirkliche Bedeutung z.B. dieses Satzes in den verschiedenen Traditionen erkundet zu haben.
    Es geht dabei nicht um Rezepte, sondern eher um sowas wie "Seelenheil".

    Es gibt z.B. verschiedene Formen, den inneren Frieden mit dem Tod, mit der Endlichkeit zu machen. Z.B. den Glauben an ein Jenseits, oder an die Wiedergeburt einer wandernden Seele, oder aber man sagt: da IST NIEMAND, der sterben könnte, das substanzielle "Ich" ist eine Illusion, die fürs Bestehen des Alltags da ist, aber keine Wahrheit "an sich" birgt. Wir sind demnach nichts als Konglomerate verschiedener Stoffe und Kräfte, Ergebnisse von Ursache und Wirkung, zusammen gesetzte vernetzte Phänomene, deren Bewusstsein nur existieren kann, wenn "ein Gegenstand entgegen steht", ein Objekt in die Wahrnehmung eines (vermeintlichen) Subjekts gerät, womöglich irgendwie störend, heraus fordernd...
    Was also ist vor diesem Hintergrund "das wahre Selbst"? Das ist dann eben das Alles, von dem wir Aspekte sind. Keine Trennung, keine Autonomie - in der westlichen Philosophie kommt die Phaenomenologie dieser Sicht der Dinge nahe, die ja auch die Trennung von Subjekt/Objekt bzw. die Grenzen zwischen "Dingen" und "Geschehen" aufhebt.

    Na, das Thema ist zu megagroß für einen Kommentar! Und natürlich gibt es die "spiritualle Matschbirne", die dann alles verplattet und solche Gedankensysteme nutzt, um ihre Lieblosigkeit, ihre Ignoranz, ihr mangelndes Mitgefühl oder ihre Rat- und Machtlosigkeit angesichts von Leiden zu bemänteln. Ein Verhalten, das der Intention der meisten Mystiker extrem widerspricht!

    (Siehe auch den autobiografischen Blogpost zum Thema "Wer bin ich?", der mein Verhältnis zum mystischen Suche bespricht)

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    1. Claudia! Also kannst du dem "Versöhnungsversuch" von Russell nichts abgewinnen? Ich hatte eigentlich gedacht, dass es genau darum geht, diese ewige Opposition zwischen zwei vermeintlich im Gegensatz stehenden Domänen aufzuheben. Wäre das nicht die richtige Richtung?

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  3. Aber doch, meine Bemerkung geht doch in die gleiche Richtung. Doch ging es mir mehr darum, wenigstens EINE der von Dir zitierten und kritisierten Aussagen der Mýstiker aus meinem Verständnis zu erläutern. Erstaunlicherweise verträgt sich ja gerade die buddhistische Sicht auf Mensch und Welt sogar ziemlich gut mit (Natur-)Wissenschaft - wobei erstere auch geistige/psychische Dimensionen einbezieht, was der Naturwissenschaft nicht wirklich möglich ist.

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    1. Stimmt, der Dalai Lama sagte sogar: "Wenn die Wissenschaften irgend welche Überzeugungen des Buddhismus wiederlegen sollten, dann muss sich der Buddhismus ändern." (Spiritualität und das Vertrauen in die Wissenschaft)

      Das ist schon eine starke Aussage von einem Mystiker.

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  4. "Schwierig an dieser Auffassung ist bereits unser alltägliches Erleben der Diversität. [...] Unser Erleben ist von Dualitäten geprägt und zu sagen, dass alles sei eins, ist entweder offensichtlich falsch oder eine Plattitüde."

    Eben dieses alltägliche Erleben, das Denken in Dualitäten, versucht der (buddhistische) Mystiker ja zu transzendieren. Philosophie hinterfragt Vorurteile und etwas als "offensichtlich falsch" abzutun, indem man also an Vorurteile und Alltagsverstand appelliert, scheint mir genauso plattitüdenhaft wie ein Alles-ist-eins-Sprüchlein auf der Heckscheibe eines Fiat Punto.

    "Ja sogar die Sprache als das Mittel, mit dem wir auf die Unterschiede hinweisen und die selbst nur deswegen funktioniert, weil A anders ist als O und weil ein Laut keine Stille ist, wird sinnlos."

    Nicht "sogar die Sprache", sondern "in erster Linie die Sprache", denn gegen die Sprache als Fabrikant illusionärer Dualitäten und Konzeptionen wendet sich die (buddhistische) Mystik grundlegend. Eben weil Sprache nur durch Differenzierung, Aufteilung funktioniert und der Realität somit ein Netz überwirft, das ihr von sich aus nicht zukäme, ist sie Objekt mystischer Kritik (z.B. in Form sinnlos-performativer Zuspitzung in zenbuddhistischen Koans, oder des "catuskoti" in der buddhistischen Tradition: https://en.wikipedia.org/wiki/Catu%E1%B9%A3ko%E1%B9%ADi). Ähnliche Kritik richtet auch die westliche Sprachphilosophie seit Wittgenstein, vor allem der Poststrukturalismus (?; ich will nicht so tun, als würde ich mich da besonders auskennen) an die Sprache: Dass sie die Realität nicht abbildet, sondern erst formiert oder gar erschafft.

    Interessantes Thema!

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    1. Danke, B.!

      Nur eine kleine Bitte: Gehen Sie nicht so hart mit mir ins Gericht! Ich appelliere hoffentlich nicht an Vorurteile, vielleicht aber schon ein bisschen an den (Alltags-)Verstand. Ich sage nicht, dass es "offensichtlich falsch" sei, sondern dass es "entweder offensichtlich falsch ist oder eine Plattitüde." Vielleicht hätte ich statt "Plattitüde" sagen sollen: "auf triviale Weise wahr". Es ist eine philosophisch sehr hilfreiche Operation, Aussagen zu zu spitzen, um zu schauen, ob sie stand halten. Und wie der Satz danach bereits zeigt, ist es natürlich wahr, dass alles ein ist, aber eben auf eine triviale Weise, die uns keine Erkenntnis bringt.

      Ich muss zugeben, dass ich immer skeptisch bin, wenn wir in sprachlicher Auseinandersetzung zeigen wollen, dass Sprache sinnlos sei. Das bringt ja nichts, denn dann müsste man eben einfach schweigen.

      Sie sagen, dass die Sprache ein "Fabrikant illusionärer Dualitäten" sei. Sind Sie sicher? Und welche Belege können Sie dafür anführen? Könnte es nicht auch umgekehrt sein, dass wir (und auch Tiere ohne Sprache) Dualitäten erfahren, die sich dann in unserer Sprache spiegeln? Ich halte das für wahrscheinlicher. Das deutet auf die Zuspitzung der Mystik hin: Die Auflösung des Bewusstseins, das Aufgehen im Ganzen. Und so sehr ich das als Sehnsucht verstehe, ist das eben auch das Ende jeglicher Intelligibilität.

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    2. Vorweg: Wenn das für dich okay ist, würde ich lieber zum Du übergehen und deshalb gehe ich jetzt einfach mal über und im Zweifelsfall wieder zurück :)

      Entschuldige, wenn der erste Absatz zu harsch rüberkam. Auch dieser Kommentar klingt womöglich harscher als er gemeint ist. Ich entschuldige mich jetzt lieber im Voraus, als nachher im Text auf Höflichkeit achten zu müssen :p

      Ich meinte oben eher, dass die Philosophie "Selbstverständlichkeiten" als "Vorurteile" hinterfragen solle und das "offensichtlich falsch" sagt ja nichts anderes als: "wie wir selbstverständlich wissen falsch". Der Kontext macht's nicht besser, im Gegenteil: Nicht nur wird an Selbstverständlichkeiten, also unreflektierte Meinungen, appelliert, sondern auch eine falsche Dichotomie aufgestellt. Denn wenn "man" eine Position außerhalb des Universums einnimmt, gibt es immer noch die Teilung Man/Universum und gegen diese richtet sich ja die mystische Alleinheit. Wenn man etwas als Plattitüde oder „trivial“ hinstellt, sollte man es auch richtig darlegen.

      Zweimal sagst du, dass etwas für die Wahrheit "nichts bringt". Du gehst also davon aus, dass Wahrheit einen Nutzen haben müsse, schließt also von vornherein aus, dass die Wahrheit auch unnütz sein könne, dass es eben der Weisheit letzter Schluss sein könnte - zu schweigen. Warum denn nicht? Wenn es Faust als höchstes Erkenntnisziel ansieht, nicht mehr in Worten kramen zu tun und Wittgenstein die allermeisten philosophischen Probleme als Sprachspiele abtut - nur um zwei westliche Philosophiepromis anzuführen - warum sollte man dann noch auf sprachlich-logische Schlüssigkeit als Bedingung der Wahrheit beharren? Weil wir uns nur mittels dieser logischen Sprache verständigen können? Weil wir sonst nicht kommunizieren könnten? Und wenn die Wahrheit; besser: die Realität nicht kommunizierbar wäre? Nicht systematisch, nicht intelligibel? Vielleicht nur ahnbar, so dass man höchstens auf sie verweisen könnte (wie es nicht nur die Mystiker, sondern bspw. auch die Romantiker meinten)?

      Mit der Sprache als „Fabrikant illusionärer Dualitäten“ meinte ich ungefähr: Jedes Wort hat mindestens eine De-Finition, eine Ab-Grenzung: Es ist das, was es ist, weil es alles andere nicht ist. Ein Baum ist ein Baum, weil er Nicht-Blatt, Nicht-Vogel, Nicht-Wiese etc. ist: Weil er das ist, was alles Nicht-Baum im Deutschen ist. Diese Abgrenzung ist aber willkürlich und ergibt sich nicht aus der Realität. Sagen wir, du solltest dieses Bild beschreiben:

      http://us.123rf.com/450wm/binkski/binkski1110/binkski111000008/10929819-ein-land-wiese-landschaft-mit-b-umen-und-v-geln.jpg?ver=6

      Du sagst vielleicht: „Da sind drei Bäume, eine Wiese, Vögel, Hügel, Himmel …“. Wenn es aber im Deutschen ein geläufiges Wort für bspw. „Dreiviertel eines Baumstammes sowie ca. 2 Quadratmeter Wiese“ (Dreibawie) und „ein Stück Abendhimmel mit Vogelkopf“ (Abhivopf) gäbe, hättest du beschrieben – und vor allem gesehen: „Da ist ein Dreibawie und ein paar Abhivopfen etc.“. Ob das sinnvoll wäre, ist irrelevant: Ich will nur zeigen: Sprache präformiert die (Beschreibung der) Welt, präformiert unser Denken, gibt unserem Denken Muster, Abschnitte, Grenzen und damit Dualitäten vor, die so in der Realität nicht zu finden sind. Ohne Sprache könnten wir uns vielleicht nicht über dieses Bild unterhalten, aber es wäre doch ebenso wahr.

      Und selbst wenn wir etwas als Dualität e r f a h r e n, könnte es sich nach genauer Reflexion zeigen, dass die Trennung zwischen dem, was wie als zwei Dinge erfahren haben, eine künstliche ist und keineswegs so richtig, wie evident. Allein die Syntax von „Ich erfahre etwas“ setzt voraus, dass es einen Erfahrenden und etwas auf den Erfahrenden Einwirkendes gäbe; bei genauer Reflexion könnte sich aber herausstellen, dass es nur Erfahrung gibt, weder Erfahrenden noch Erfahrung-Bewirkendes.

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    3. Entschuldigen ist nicht nötig. Ich will eher darauf hinweisen, dass wir Themen diskutieren können mit einem "Ja (vielleicht) und außerdem..." oder einem "Ja, aber..." oder eben mit einem "Nein, sondern...". Das Letzte scheint dir zu liegen, mir nicht so. Mir liegt eher das "Ja (vielleicht) und außerdem..." Das hilft mir beim Entdecken von anderen Zugängen. Dein Stil führt eher dazu, dass ich mich in die Defensive gedrängt fühle und mich eher für das dann dargelegte verschließe.

      Also, erst mal aus der Defensive und damit deinen Stil übernehmend: Ich denke, dass du Unrecht hast zu behaupten, dann "man" zwangsläufig eine Position außerhalb des Universums annimmt, wenn man über das Universum als "das eine" spricht. Ganz im Gegenteil: Der ganze Witz ist, dass man sich selbst damit reinrechnet.

      Ich denke auch, dass du mich missverstehst, hinsichtlich Wahrheit und Nutzen. Wenn ich sagen würde (was ich nirgends tue) "etwas hat für die Wahrheit keinen Nutzen" würde ich damit noch nicht sagen, dass Wahrheit einen Nutzen haben müsse. (Das wäre zwar eine Position, die man diskutieren könnte, aber es ist nicht meine Position und geht nicht aus der vermeintlichen Prämisse hervor.) Vielmehr ist in diesem Satz ja das "etwas" eine Funktion der Wahrheit und nicht umgekehrt (denke z.B. sprachlogisch, da ist erstmal noch gar nichts mit Nutzen). Was ich sage ist, dass "triviale Wahrheiten" keine Erkenntnis bringen und das ist schon aus den sprachlogischen Regeln von trivial heraus wahr. Ich will mich da jetzt nicht hineinsteigern, aber es stört mich, wenn ich merke, dass man auf verschiedenen Ebenen argumentiert und mithin an einander vorbei redet oder gar versucht, gegen den jeweils anderen im Recht zu sein. Deshalb wollte ich das richtig stellen.

      Jetzt zum "Ja (vielleicht) und außerdem...": Die Positionen, die du im zweiten Teil erklärst (ohne sie wirklich vertreten zu wollen, wie es scheint), sind absolut bedenkenswert. Natürlich präformiert Sprache unsere Erfahrung, aber eben nicht ausschließlich: Erfahrung präformiert auch Sprache. Das ist ja nicht eindirektional. Und ich glaube, das stört mich an dieser Auseinandersetzung, dass man immer gezwungen zu sein scheint, entweder das eine oder das andere zu behaupten, wo es doch vielmehr zutrifft, dass sowohl das eine als auch das andere zutrifft und gemeinsam unsere Welt ausmacht.

      Auch der Gedanke, dass es nur Erfahrungen gibt, ist durchaus diskutabel und ja auch nicht neu. Er hat weniger etwas mit Mystik, als mit Bewusstseinsphilsophie zu tun, aber es ist durchaus überzeugend, ein "festes" ich zu bezfweifeln oder zu fragen: Wie kommt es denn zur Illusion eines "festen Ichs"? Vielleicht eben durch die Erfahrungsbündel mit historischen Einschreibungen, die wir sind? Möglich.

      Vielen Dank für deine Kommentare.

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    4. „Der ganze Witz ist, dass man sich selbst damit reinrechnet.“
      Eben – als Teil. In deiner Version gibt es immer noch das „ich“: „dass man s i c h s e l b s t damit reinrechnet“. Teil-im-Ganzen ist aber nicht unio mystica. Die mystische Erkenntnis hebt die Grenze zwischen Ich und Das auf (tat tvam asi), sie harmonisiert Ich und Das nicht, wie es bei einer Teil-Ganzes-Beziehung wäre, auf die du hier hinauszuwollen scheinst. Unser offensichtlich richtiges Alltagsverständnis, dass das Ich jenseits „unserer“ Haut aufhört, jenseits „unserer“ Empfindungen etc., wird negiert. Es ist womöglich sinnvoll (?), unser Ich als Konglomerat von „individuellen“ Empfindungen, Erinnerungen etc. zu definieren , ein willkürliches ist es trotzdem und der Mystiker gibt die sinnvolle Willkür zugunsten eines un(ver)mittelbaren Absoluten auf.

      Jetzt muss ich mich doch nochmal entschuldigen: Die erste „bringt-nichts“-Stelle habe ich tatsächlich geklittert, wie du richtig aufgegriffen hast. Bei der zweiten Stelle muss ich die Kritik abwandeln: Es geht weniger darum, dass du behauptet hättest, die Wahrheit dürfte nicht unnütz sein, als vielmehr darum, dass Schweigen keine Option wäre.
      „Ich muss zugeben, dass ich immer skeptisch bin, wenn wir in sprachlicher Auseinandersetzung zeigen wollen, dass Sprache sinnlos sei. Das bringt ja nichts, denn dann müsste man eben einfach schweigen.“
      Dieses „das bringt ja nichts“ schließt von vornherein aus, dass die Sprache als adäquates Mittel zur Wahrheitsfindung infrage gestellt werden dürfte. Bis zu einem bestimmten Punkt bringt es sehr wohl etwas, Sprache mit Sprache zu kritisieren, bspw. wie ich es in meinem vorigen Kommentar versucht habe. Dass irgendwann der Punkt kommt, wo es zur Selbstaufhebung der Sprache und damit zur Aporie kommt und dass man diese Aporie so nicht stehenlassen dürfe, weil das „nichts bringe“: Diese Argumentationslinie störte mich.

      „Erfahrung präformiert auch Sprache. Das ist ja nicht eindirektional.“
      „Das ist j a nicht eindirektional“ – das ist, wie du weißt, nicht eindirektional. Weiß ich das? Hier unterstellst du mir Positionen und arbeitest mit Voraussetzungen, die nicht gegeben sind. Genauso bei:
      „[…], wo es doch vielmehr zutrifft, dass sowohl das eine als auch das andere zutrifft und gemeinsam unsere Welt ausmacht.“
      „wo es d o c h vielmehr zutrifft“ – wo es, wie man weiß, vielmehr zutrifft. Wieder gehst du davon aus, dass dein Verständnis (latent) von jedem geteilt würde und appellierst an den Alltagsverstand. Es ist ja okay, eine Synthese versuchen zu wollen, aber es ist intellektuell unredlich, automatisch von Überlegenheit der Synthese auszugehen, weil sie zwei Antithesen scheinbar zusammenbringt. Zur Sache: „Erfahrung präformiert Sprache.“ Könntest du ein Beispiel nennen?

      Danke übrigens, dass du so geduldig und ausführlich auf die Kommentare eingehst!

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    5. Gern geschehen! Na, ohne die Kommentare sind die Artikel ja nur wenig erhellend. Durch solchen Austausch entfaltet sich erst überhaupt etwas.

      Füllwörter wie "ja" oder dieses "doch" dort können sicher als zustimmungserheischend gelesen werden, aber es ist mir klar, dass es nicht jeder so sehen muss. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, meine ich, dass es vielmehr meinem Evidenzgefühl Ausdruck verleihen soll, als ein rhetorischer Kniff zu sein.

      Es ist schwierig, ein Beispiel für "Erfahrung präformiert Sprache" zu bringen, das nicht gleichzeitig völlig anders gedeutet werden kann. Deshalb lass mich kurz statt Beispiel eine plausible Herleitung versuchen: Tierische Laute (ich hoffe, wir können uns darauf einigen, dass wir zu den Tieren gehören und dass Sprache in einer Linie aus solchen Lauten hervorgeht) sind eine Reaktion auf Erfahrungen, Reize, Sinneseindrücke, denken wir an die Warnrufe der Amseln im Garten, die ganz anders sind, als ihre Lockrufe. Interessanterweise wird schon hier die Kommunikationskomponente deutlich, vielleicht sogar so etwas wie das Erlangenwollen von "Macht über die Umwelt". Jetzt wage ich dann doch ein menschliches Beispiel: Wenn das Wort "aua" im Deutschen (versus z.B "ai" im Französischen) zur Sprache gehören sollte, dann wäre das so ein Fall, wo es mir ganz schwer fallen würde eine Präformation der Erfahrung durch die Sprache zu erkennen. Mir drängt sich bei dem Beispiel das Gegenteil auf. Ich weiß aber nicht, wie einfach das ist, das aus diesen basalen Beispielen in die reflexiven Sphären der menschlichen Sprache zu übertragen. Mein Eindruck ist, dass es nicht eindirektional ist.

      Zu dem ersten Punkt weiß ich nicht, ob ich da mitgehen muss: Es gibt viele alltägliche Beispiele dafür, dass wir unsere Grenzen fließend erleben, z.B. in Nacht- und Tagträumen, unter Schmerzen, Drogen, im Staunen gegenüber der Natur etc. Wenn ich mich ins Ganze reinrechne, dann ist es nicht nötig, dass ich mich da als Teil begreife. Das ist natürlich einfacher, aber nicht nötig. Ich kann eine gedankliche Operation ausführen, in der ich als Teil verschwinde oder in der ich alles subsumiere und somit alles Eins wird. Und vielleicht beginnt hier die Mystik, warum nicht? Aber da sind wir genau bei dem, was Russell oben sagt: empfohlen als Weltzugang oder "Erfahrungsweise", aber nicht als "Bekenntnis zu den Tatsachen der Welt".

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    6. Kurze Frage: Wir kursiviert man Wörter :D ? Muss man dafür angemeldet sein?

      Ich würde auch damit d‘accord gehen, dass der Sprache ein Wille zum Ausdruck zugrunde liegt, bspw. der Wille, Erfahrungen auszudrücken. Ohne Schmerz kein aua. Die Frage ist aber, inwiefern die Ausdrucksform die Erfahrung verfälscht, verfremdet, überformt etc., inwiefern also die Äußerung – auch rückwirkend auf den Sender – die Erfahrung mittels Einbettung in ein System, einen neuen Kontext, ummodelt. Das aua ist nicht der Schmerz, der Finger, der auf den Mond zeigt, nicht der Mond.

      Ich habe von einigen Leuten gelesen, die unter Drogeneinfluss einen Ego-Tod erlebt haben und dadurch bspw. zum Buddhismus finden oder Parallelen dazu ziehen. Inwiefern solche Grenzaufhebungen mit mystischen Erweckungen gleichzusetzen sind, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht ist ja ein überwältigendes Staunen angesichts der Natur gerade ein Augenblick dessen, was ein Zen-Mönch tagtäglich zu kultivieren versucht. So lange wir aber von „gedanklichen Operationen“ sprechen, sind wir nicht in diesem Bereich, denn die mystische Erkenntnis steht jenseits aller Reflexion.

      Ich denke, wir liegen in unserer Zustimmung zu Russel ganz nah beieinander, wenn auch von zwei verschiedenen Seiten kommend. Der Buddhismus kennt die Unterscheidung einer „alltäglichen Wahrheit“ und einer „absoluten Wahrheit“. Russels „Weltzugang“ wäre demnach die „absolute Wahrheit“, sein „Bekenntnis zu den Tatsachen der Welt“ die buddhistische „alltägliche Wahrheit“: Ein und dasselbe, nur mit anderer Wertung.

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    7. Du kannst einfach html nutzen, also z.B. <i> … </i> für kursiv. Siehe auch hier: http://www.html-seminar.de/befehlsuebersicht.htm.

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  5. Was ist Glaube?

    Wettbewerb ergibt nur dann einen Sinn, wenn es eine einzig wahre Wahrheit gibt, denn dann kann es keine zweite einzig wahre Wahrheit geben.
    Das Dumme hierbei ist, daß diese einzig wahre Wahrheit zwingend unveränderlich sein muß, denn sonst wäre dies ja eine andere einzig wahre Wahrheit.

    Dann jedoch ist es völlig gleichgültig, was auch immer wir tun oder eben auch lassen, denn wir können ja eh nichts ändern und alles geht seinen unveränderlichen, vorherbestimmten, daher determinierten Lauf des Schicksals aller Dinge...

    Franz Maria Arwee

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    1. Danke für all die Worte auch unten noch... Aber die Zusammenhänge sind mir doch zu lose, um darauf einzugehen. Wenn diese drei Kommentare in irgend einer Weise etwas zum Artikel sagen sollen, dann wäre ich dankbar, das als einen Satz vielleicht zusammengefasst und eben auf obigen Artikel bezogen zu sehen.

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  6. Erkenntnistheorie nach Franz Maria Arwee
    Februar 2016, Teil 1

    Was kann ein Mensch erkennen?

    Die Wirklichkeit
    Wirkung bedingt der Veränderung. Von etwas Unveränderlichem kann keine Veränderung ausgehen.
    Von etwas Unveränderlichem kann daher auch keine Wirkung ausgehen. Auf etwas Unveränderliches kann nichts wirken.

    Im Begriff WIRKlichkeit steckt schon das entscheidende Wort, denn etwas Unveränderliches kann nichts bewirken, genausowenig wie irgendetwas auf etwas Unveränderliches wirken kann, sonst bleibt es nicht unveränderlich.
    Folglich kann etwas Unveränderliches kein Ereignis bedingen, kein Zustand sein und keine Folge haben. Über das Unveränderliche gibt es kein Wissen und keine Erkenntnis, es ist nicht wahrnehmbar und nicht meßbar, es hat keinen Zustand. Etwas Unveränderliches kann nicht sein. Etwas Unveränderliches ist auch nicht erreichbar.

    Das Unveränderliche könnte weder von einem Davor noch von einem Danach erreicht werden. Das Unveränderliche hätte keine Vergangenheit und auch keine Zukunft, es existierte ohne Zeit. Es wäre auch an keinem Ort, da etwas Unveränderliches sich nicht bewegt, daher nicht beobachtet, gemessen, erkannt, wahrgenommen, begriffen oder gedacht werden könnte. Gemessen an seinen nicht vorhandenen Eigenschaften ergäbe sich aus dem Unveränderlichen nur das NICHTS.

    Von Nichts kommt nichts
    Seiner Wirkung nach müßte das NICHTS unveränderlich sein. Zu keiner "Zeit", an keinem "Ort" dürfte sich je etwas verändern. Folglich müßte das NICHTS unendlich und ewig sein.
    Das NICHTS nimmt keine "Zeit" und keinen "Raum" ein, sonst kann es nicht das NICHTS sein.
    Die Konsequenz des Unveränderlichen, des NICHTS wäre, daß es keine Konsequenzen und damit keine (Wechsel)Wirkung geben könnte. Das NICHTS könnte nicht ewig unveränderlich bleiben und dabei gleichzeitig existieren.

    Der Umkehrschluß bedingt, daß die Wirklichkeit folglich der stetigen Veränderung unterliegt, ewig und unendlich ist. Es gibt kein Ding an sich, kein innerhalb und kein außerhalb des Ewigen und Unendlichen. Raum und Zeit existieren nicht an sich, sie sind Bezugsgrößen. Das Erkennbare und Beobachtbare ist nur in Relativität zu verstehen. Etwas Unveränderliches kann nicht der Fall sein, auch nicht der Ursprung sein.

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  7. Erkenntnistheorie nach Franz Maria Arwee
    Februar 2016, Teil 2

    Realismus
    Sprache ist nur der Informationsträger und nicht die Information selbst. Wie der Mensch die Welt sieht, beeinflußt, wie der Mensch Sprache wahrnimmt und nicht umgekehrt.

    Ableitungen
    Veränderung ist die einzige allgemeingültige Universalie, das ist Abstraktion, Verallgemeinerung. Wohingegen die übermenschliche, besser übersinnliche Vernunft die Welt nur reduziert, das ist Weglassen. Mathematik ist kein abstraktes Denken. Menschen können nur so tun, als ob es Mathematik gäbe. Aus der Reduktion ergibt sich keine Wirklichkeit.
    Das unveränderliche NICHTS kann keinen Bezug zu irgendetwas haben.
    Die Suche nach dem Gleichen im Ungleichen, nach dem Unveränderlichen im Veränderlichen bleibt erfolglos. Es kann nur das für gleich angenommene im Ungleichen, das Ähnliche im Veränderlichen gefunden werden.

    Kosmologie und deren Konstruktion
    Nichts kann nicht Raumzeit sein. Die Raumzeit ist nicht statisch. Es existiert kein ausserhalb des Raumes und der Zeit. Es existieren keine Teilchen an sich, die an sich untersucht werden könnten. Die Welt ist nicht zusammengesetzt. Alle Phänomene sind Folge der stetigen ununterbrochenen Veränderung der Raumzeit.
    Formal ist nur dieses eine Axiom der Veränderung zur Erklärung der Welt erforderlich.
    Mathematische Objekte und Modelle sind keine Phänomene der Raumzeit. Selbstähnliches ist nicht identisch, es ist nicht dasselbe. Stabilität ergibt sich aus Selbstähnlichem, nicht aus Identischem. Um eine Form wahrnehmen, erkennen zu können, muss sie sich stetig verändern.
    Energie ist die Folge der Veränderung der Raumzeit.
    Jegliche Ordnung ist mit Veränderung, Bewegung und Wandel, verbunden.
    Die Raumzeit ist kein Gefäß, keine Kulisse, indem sich Phänomene abspielen, sie ist jedes Phänomen selbst.

    Die Wirklichkeit kann nur erlebt, sie kann nicht abgebildet werden. Sprachliche Bilder, Konstrukte, sind nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend. Die Setzung von Unveränderlichem ist die tatsächliche Willkür. Die Welt, die Raumzeit, verändert sich insgesamt und zugleich, es sind keine sich ändernde Teilchen an sich.
    Panta Rhei - die Raumzeit fliesst. Sie fließt nicht zwischen unveränderlichen Gegensätzen.

    Die Welt ist alles, was der Fall ist. Unveränderliches ist nicht der Fall.
    Unveränderliches erkennen zu wollen ist eine Illusion.


    Veränderung muss dein Leben sein
    Weshalb ergibt der Ansatz der stetigen Veränderung Sinn?
    Wenn die Welt unveränderlich wäre, würde alles was wir taten, tun und tun werden, so belang-, wie sinnlos sein, denn dann hätten wir keine Wirkung und nichts könnte auf uns wirken:

    und bräche nicht aus allen seinen Rändern
    aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
    die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.

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  8. Danke,

    ich verstehe jetzt immerhin durch die Antwort, weshalb der obige Text so geschrieben wurde.
    Abstraktes Denken ist etwas anderes, als die Welt schlicht zu reduzieren.
    Was genau ist denn zu lose, der Bezug ist die stetige Veränderung und die Folge der Unendlichkeit?
    Mathematisch unendlich ist keine Unendlichkeit, letztere hat keine Grenzen und daher auch nichts Absolutes, nichts Optimales, nichts Endgültiges (und andere Begriffe, die unveränderliches behaupten).

    Gibt es eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung, als das Fühlen?
    Ist Denken etwas anderes als Fühlen?
    Wo findet das Denken statt, außerhalb von Raum und Zeit?
    Wie erkennt ein Mensch einen Widerspruch? Durch formal getanzte Rituale?
    Was genau ist durch Einhalten einer Form logisch?

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    1. Ich glaube, es sind einfach zu viele Fragen und Themen, die hier auf einmal angesprochen werden. Alle in einem losen Zusammenhang, aber keine wirklich stringente Argumentation. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll... So etwas überfordert mich, das ist alles. Keine persönliche Kritik.

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    2. Das habe ich auch nicht als Kritik aufgefaßt, genausowenig sehe ich eine Kritik von meiner Seite.
      Es ist lediglich der Versuch, die aktuelle Weltanschauung zu hinterfragen.

      Es sind auch nicht viele Themen, denn es ist alles eine Frage der Weltsicht:

      Entweder es existiert das Allgemeine (der Name ist jedenfalls mir wurscht) und das Einzelne ist nur ein Phänomen des Allgemeinen ohne eigene Existenz,

      (Exklusiv)Oder es existiert das Einzelne und das Allgemeine ist zusammengesetzt.

      Das und nur DAS ist die Frage, alles andere ist lediglich eine Folge einer dieser beiden Behauptungen.

      Das Einzelne müßte zwingend unveränderlich sein.

      Das ist die Frage des Universalienstreits und diese ist mit obiger Aussage beantwortet:

      Die einzige Universalie ist die stetige Veränderung.

      Peter Sloterdijk sprach übrigens von Mathematoiden als ich ihn darauf ansprach. Allerdings ist dies ein Fehlschluß der goldenen Mitte, daher der Verweis auf das Exklusiv-Oder.

      Gruß aus Baden

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    3. OK, verstehe. Dann wäre die Antwort, dass es nur Einzelnes gibt, aus dem sich das Allgemeine zusammensetzt. Der Hinweis auf die "stetige Veränderung" als einzige Universalie ist dann lediglich ein Bonmot. Und das ist ja auch wichtig, sonst macht das alles keinen Spaß.

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    4. Bedauerlicherweise kannst Du über das unveränderliche Einzelne nichts wissen und bist daher nur ein weiterer Naturtheologe ;-)

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