Einst galt das Hören mehr als das Sehen
Ein Text von Derek Turner
Das Auge hatte nicht immer Vorrang vor dem Ohr
"Am Anfang war das Wort" – doch Äonen vor diesem uralten Imperativ gab es andere lautliche Gebote, tief in uns selbst, grollend in den Schluchten der Erde und widerhallend durch das Universum. Unser Zeitalter des Auges unterschätzt das Ohr, dabei können Schallwellen uns tiefer bewegen als die eindrucksvollsten Anblicke. Selbst "Stille" ist ein Klang, den wir mit unseren eigenen Bedeutungen füllen.
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| Marguerite Humeau: The Opera of Prehistoric Creatures (Jean-Pierre Dalbéra, CC BY 2.0) |
Die heutige Technologie erlaubt ein immer präziseres Lauschen auf Geräusche, die sich früher jeder Analyse entzogen. Hochsensible Mikrofone werden in die Eingeweide der Erde eingeführt und in die lichtlosen Tiefen der Ozeane hinabgelassen, während gespannte Antennen und aufgesperrte Parabolschüsseln auf Botschaften aus dem All warten. Wissenschaftler erforschen den "singenden Sand" an Stränden und in Wüsten – jene Klagen und Pfeiflaute, die entstehen, wenn Silikatkörner bei bestimmten Frequenzen aneinander reiben – ebenso wie die rätselhaften "Brummtöne", die viele Menschen von New Mexico bis Schottland wie ein kollektives Tinnitus vernehmen wollen. Toningenieure experimentieren mit immer erfinderischeren Geräuscheffekten; Volkskundler sammeln irische Klagelieder und Lieder, die von den Rufen der Zikaden inspiriert sind; und Nostalgiker verabschieden sich von den Nebelhörnern an den Küsten, deren unendlich suggestives, vom Dunst gedämpftes Stöhnen durch GPS überflüssig geworden ist.
