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19. Februar 2013

Work-Life-Balance gibt es nicht

Die Balance muss jeder für sich finden und immer wieder neu



Work-Life-Balance ist für mich erst mal ein Schlagwort. Es ist gut, dass auch deutsche Firmen solche Schlagworte in ihr Employer-Branding-Vokabular aufnehmen. Das ist für sie immer erst mal besser, als gesetzliche Reglementierung, z.B. eine festgelegte 35 Stunden Woche.

Oft läuft es beim Begriff Work-Life-Balance auf Flexibilität hinaus. Mitarbeiter sollen belastbar sein, lange bleiben, wenn es darauf ankommt und auch mal fürher nach Hause gehen, wenn nichts los ist. Dann sind sie auch wieder fit, wenn der Stress erneut losgeht. Oder denken Sie an Google: Work-Life-Balance wird da ganz groß geschrieben. Aber wenn wir uns einen Google-Campus ansehen, stellen wir fest, dass man als zwanzigjähriger Nerd die Gebäude bis zum Weihnachtsbesuch bei den Eltern nicht verlassen muss, weil dort alles rund um die Uhr verfügbar ist: Vom Ruheraum über Waschmaschinen bis zu Fitness-Centern und Pizza bis der Arzt kommt. Da bekommt Work-Life-Balance noch einmal eine neue Bedeutung.

Eigentlich legt der Begriff doch eine interessante Unterscheidung nahe: Arbeit und Leben seien von einander geschiedene Dinge, überschneiden sich nicht, sondern liegen sich unvereinbar gegenüber und müssen in eine Balance gebracht werden. Viele mögen das heute bezweifeln. Sie leben für ihre Arbeit, gehen in ihr auf, lesen noch im Bett die E-Mails vom Chef oder schreiben nachts um 3 Uhr zu Hause Software, damit sie tagsüber im Büro Tischfußball spielen können. Auch gut! 

Es zeigt, dass es DIE Work-Life-Balance nicht gibt, sondern dass es immer etwas inividuelles ist. Die Balance muss jeder für sich finden und immer wieder neu. Da hilft es wenig, wenn Unternehmen für alle ab 19 Uhr die E-Mail-Server abschalten, damit bloß niemand zu spät arbeitet. Das ignoriert den Fakt, dass wir alle anders sind und jeder seine eigene Balance hat. Gar nicht reden möchte ich hier von Menschen, die sich mit mehreren mies bezahlten Jobs über Wasser halten müssen. Wer achtet da auf die Balance, wer kann sie sich leisten?



8 Kommentare:

  1. Ich habe vor kurzem einen interessanten Artikel gelesen, in dem vorgeschlagen wird, die Work-Life-Balance zu überwinden um zur Work-Like-Fusion zu gelangen:
    http://blogs.hbr.org/cs/2013/02/embrace_work-life_imbalan.html (Englisch)

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  2. Doch DIE Work-Life-Balance gibt es schon, nämlich wenn die Work NULL ist und das Life BUNT ;)

    Im Ernst, ich kann die folgende Aussage im Artikel nur unterstreichen: "Es zeigt, dass es DIE Work-Life-Balance nicht gibt, sondern dass es immer etwas inividuelles ist. Die Balance muss jeder für sich finden und immer wieder neu.".

    Meine ganz persönliche Work-Life-Balance habe ich, wenn ich einer Arbeit nachgehe, die ich gerne mache. Dann kann es schon mal mehr als 8 Stunden sein, ohne dass ich aus der Balance komme. Wichtig ist mir aber, dass ich auch noch zum leben komme und auch da Dinge mache, die ich gerne mache.

    Viele Grüße,

    Christof

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  3. Danke, Alex und Christof, für eure Anregungen und den Verweis auf den Artikel der HBR. Ein Satz dort fasst es wohl gut zusammen: "a little bit of meaningless work is a lot worse for you than a great deal of meaningful work."

    Eine andere These aus dem HBR-Blog müsste mal in einem eigenen Artikel untersucht werden: "Technology has not ruined your work-life balance, it has simply exposed how boring your work and your life used to be."

    Irgendwie ist da was dran...

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  4. Ich habe mich in letzter Zeit vermehrt mit dem Thema Work-Life-Balance auseinandergesetzt und für mich ist wirklich fraglich, ob der Begriff tatsächlich taugt?

    "Eigentlich legt der Begriff doch eine interessante Unterscheidung nahe: Arbeit und Leben seien von einander geschiedene Dinge, überschneiden sich nicht, sondern liegen sich unvereinbar gegenüber und müssen in eine Balance gebracht werden." -> das spricht mir aus der Seele. In meinem Leben gehört Work zu Life dazu und da ich genau das tue, was mir Spass macht, muss ich es auch nicht groß "ausgleichen". Ausserdem ist es für mich schwierig, Arbeit und Privatleben zu unterscheiden. Trotz der Prognosen: Ich lebe noch und zwar sehr glücklich!
    Ausserdem klingt es für mich so, als sei Work etwas Schlimmes, Zeit- und Ressourcen-Raubendes und Life das genaue Gegenteil. Als sei Life besonders erstrebenswert und Work nicht. Bei mir ist es zumindest nicht der Fall. In meiner Lebensrealität gibt es in beiden Bereichen Dinge, die mich beanspruchen und müde machen und Dinge, die mir Kraft und Energie schenken.

    Hauptsache aus meiner Sicht ist, dass sich Momente der Beanspruchung und Momente der Erholung abwechseln. Diese stehen sich nämlich wirklich gegenüber.

    Ich bin deshalb mit der Verwendung des Begriffs Work-Life-Balance vorsichtiger geworden.
    Vielen Dank für den Artikel!

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    1. Danke für deinen Kommentar, Jessica. Ja, Vorsicht ist notwendig, besonders dann, wenn es um Modebegriffe geht. Ich lehne es allerdings auch nicht ganz ab, denn über solche Buzz-Words geraten auch Unternehmen und "Bosse" in Zugzwang und denken um. Denn tatsächlich sind nicht alle gleich und es gibt Menschen, die benötigen tatsächlich eine Trennung und damit Balance von Privatleben und Arbeit. Das ist auch legitim. Persönlich bin ich aber näher bei dir und kann das nicht ganz trennen, möchte auch meine Arbeit nicht aus meinem Leben verbannen.

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  5. "Gar nicht reden möchte ich hier von Menschen, die sich mit mehreren mies bezahlten Jobs über Wasser halten müssen. Wer achtet da auf die Balance, wer kann sie sich leisten?" - Ich finde diesen Satz am wichtigsten. Vielleicht ist damit auch die Balance gemeint, viel Zeit ich bezahlter Arbeit nachgehe und wieviel Zeit ich für die Dinge habe, die mir am Herzen liegen. Und ich denke, es ist purer Luxus sagen zu können, eins gibt dem anderen die Hand. Sicher, die Einstellung macht's; und trotzdem geht's doch um die Frage: "Arbeite ich, um zu leben oder lebe ich, um zu arbeiten?" Und wenn ich, um zu über-leben viel und ständig arbeiten muss, was bleibt an Leben? Es ist eine Luxus-Frage, bei immer mehr Menschen in Deutschland, und global gesehen erst recht.

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  6. Ich finde den Ansatz wirklich gut und denke auch, dass man über dieses Thema keinesfalls pauschal diskutieren darf. Jede innere Uhr tickt anders und warum eben nicht im Sommer schon 15 Uhr Feierabend machen um noch mal zum See zu fahren und dann abends noch mal online gehen und etwas zu Ende bringen. Vielleicht gemütlich vom Balkon aus. Das alles ist nat. nicht in jedem Job denkbar, aber dort wo es machbar ist, sollte man den Menschen die Freiheit geben! Dass das aber viele Arbeitgeber noch immer nicht verstanden haben und es schlicht und ergreifend an Vertrauen mangelt, ist schade. Oder man fährt die Schiene, dass man im Betrieb alle gleich behandeln möchte und da der Verkäufer oder der Vertriebsinnendienst auch nicht kommen und gehen kann wie er/sie möchte, darf das der Rest der Verwaltung dann eben auch nicht? Schwaches Argument!
    So denn - schauen wir mal wieviel Druck die Generation Y weiterhin macht und was sich im Zuge des Fachkräftemangels noch ändern wird ;-)

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  7. Eine W-L-Nalance zu finden ist eigentlich nicht so schwer. Als erstes definiert man für sich was "normal" ist - für einen selbst und in Bezug auf das Arbeitsumfeld. Sagen wir also 8-9h Arbeit am Tag ist "normal".
    Dann schaut man einfach wie oft diese Regel gebrochen wird, denn dann läuft es nicht mehr "normal". Also wenn in einer eigentlichen 5 Tage-Woche jemand 4x10h arbeitet und auch am Sonnabend stimmt schon etwas nicht. Wenn dies nur eine Woche im Monat so war ist es wiederum ok.
    Kommen solche Phasen vor sollte man später auch in die negativ-normale Richtung der Arbeitszeit gehen und mal früher Schluss machen, oder einfach mal Ausschlafen und später kommen.
    Das alles ist sehr einfach wenn man sich alle 4 Wochen kontrolliert. Hat man dann noch vorher 3-4 Themen für seine Freizeit definiert ist die Balance unter dem Strich da. Aber wenn es mal drauf ankommt kann, glänzt man auch durch Engagement und Leistung. Dazu ist man dank Ausgleich auch in der Lage und es macht dann auch Spaß Gas zu geben und sich reinzuhängen.
    Wenn man weiß das es auch mehrere anstrengende Wochen gibt kann die W-L-Balance Kontrolle auch auf 3 Monate ausgedehnt werden, nur ist dann das Gegensteuern danach eher schwierig.

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