24. Januar 2013

Die Nacht ist für Nerds, Autoren und andere Kreative

Wer kreativ ist, etwa ein Autor, ein Designer oder ein Programmierer, wird bemerkt haben, dass es sich am besten nachts arbeitet. Warum ist das so? Swizec Teller, selbst Autor und Geek, schrieb ein Buch und einen viel beachteten Blog-Artikel zu dieser Frage: Why Programmers Work At Night. Am Ende des Artikels steht die Erkenntnis, dass nachts arbeiten mindestens diese drei Vorteile habe:
  1. die Nacht ist Open End und ohne feststehendes Limit, arbeitet es sich entspannter 
  2. in der Nacht gibt es weniger Ablenkung, wir können uns besser konzentrieren 
  3. der helle Bildschirm hält uns wach
Late Night Hacking
Late Night Hacking (Bild über Flickr.com von  Tor Håkon)

Der zweite Punkt ist dabei für mich der interessanteste, denn Ablenkung ist ein großes Problem für mich. Ich bin leicht ablenkbar, ja liebe die Ablenkung und hungere gleichzeitig immer nach diesem Flow, in dem man völlig aufgeht und der einem tiefe und langanhaltende Konzentration ermöglicht. Wir wissen, dass große Ideen und konzeptuelle Arbeiten, aber auch kreative Umsetzung auf lange Arbeitsspannen ohne Unterbrechung angewiesen sind. Jede Unterbrechung, wirft uns zurück, denn um sich wieder reinzudenken ins Konzept, in die Idee oder die kreativen Fäden wieder aufzunehmen, benötigt man oft ein Vielfaches dessen an Zeit, was einen die Unterbrechung eigentlich gekostet hat. Deswegen ist Facebook so ein Produktivitäts-Killer. Man sollte solche Profile - wenn es denn unbedingt nötig ist - vor der Arbeit checken, dann vielleicht vor einer längeren Pause noch mal und dann wieder nach der Arbeit, aber nie nie nie mitten drin. Wenn wir solchen Versuchungen widerstehen, dann kommen wir am ehesten in diesen Flow, der uns wie besessen schöpfen lässt.

Die aus so einem Flow resultierenden Ergebnisse jedoch, müssen nicht unbedingt qualitativ hochwertig sein. Ich erinnere mich an eine solche Nacht, in der ich in einem Schreib-Flow war. Er dauerte Stunden und ich brachte meine Geschichte, an der ich Monate gesessen hatte, plötzlich und in einer Nacht zu Ende. Am nächsten Morgen, ich schlief nicht lange, weil ich so aufgeregt war, schaltete ich den Computer an und las die letzten Seiten: Es war absoluter Mist! Ganz verschwurbelte Kacke mit völlig irren Gedankengängen und unwahrscheinlich hektischen Auflösungen der Erzählstränge, die ich zuvor mit langem Atem aufgebaut hatte. Immerhin war aber das Erlebnis des Schreibens selbst schön. Dieser Flow war wie ein Rausch, aber das Ergebnis, wie so viele Dinge, die man im Rausch macht, bei Lichte betrachtet Schwachsinn. Es kann aber auch sein, dass ich einfach kein guter Autor bin.

Das schläfrige Hirn
Was hat es aber mit der Konzentrationsfähigkeit in der Nacht auf sich? Wieso kommt es gerade dann zum Flow? Man könnte doch auch am Tag einfach das Handy ausschalten, die Türen verschließen und so dafür sorgen, dass man ungestört bleibt. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass es mich ungemein beruhigt, wenn ich weiß, dass draußen keine Hektik herrscht, wenn alle schlafen und niemand arbeitet. Teller jedoch will auf etwas anderes hinaus: das schläfrige Hirn.

Tellers Theorie ist, dass - egal wie kreativ und nachtaktiv wir sind - wir morgens um drei Uhr trotzdem ziemlich müde sind und das diese Müdigkeit uns dabei hilft, fokussiert bei der Arbeit zu bleiben, anstatt uns ablenken zu lassen. Die Erklärung dahinter: Müde sein hilft bei der Konzentration, denn ein müdes Hirn muss sich aufs Wesentliche konzentrieren, um überhaupt zu funktionieren. Es gäbe einfach nicht genug Energieüberschuss, um irgend etwas anderes zu tun, als die geplante Tätigkeit. Ich glaube, da ist etwas dran. Wenn ich vormittags nach dem Frühstück randvoll mit Tee und Kohlehydraten bin, dann sucht mein Hirn förmlich überall nach Input. Ich habe tausende Browser-Fenster offen, checke alles gleichzeitig und kann gar nicht genug Information bekommen. Aber dann arbeite ich eben nicht konzentriert an einer Sache.

Wenn ich etwas müde bin, dann verlässt mich zusammen mit der Überschussenergie das Interesse an all diesen Infos da draußen, dann will ich nur noch minimalen Stimulus und konzentriere mich auf genau eine Sache. Und das macht dann auch wieder Spaß, bringt mich in einen anderen Energiezustand, den des Flows. Ich hoffe nur, dass all die Computer-Geeks da draußen in der Nacht an der Zukunft des Internets oder an der nächsten Generation von Mobile-Apps basteln, nicht so einen unreifen Bockmist verzapfen wie ich, wenn ich mich auf meinem nächtlichen Literatur-Flows ins Delirium schreibe. Die Nacht mag uns Nerds, Autoren und Künstlern gehören, für manche unter uns ist es aber besser, wenn wir einfach schlafen gehen.



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4 Kommentare:

  1. Ich kann das nicht unterstreichen, nicht weil ich ein Morgenmensch bin, sondern weil meine Energie und mein Geist vormittags ideal zum Arbeiten und Nachdenken sind. Damit geht es Abendmenschen genauso am Abend, ich meine dies hat weniger mit Lärm oder Ablenkung zu tun. Auch ist unser Biorythmus daran beteiligt.Aber vielleicht läßt du dich auch leicht ablenken, dann muß man vorsorgen, ob Tag oder Nacht ist hier egal. waltraud a.

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  2. Ich kann das nur bestätigen. Ich liebe die Zeit zwischen 23.00 Uhr und 3.00 Uhr in der Stille. Wenn die Stadt schläft und Ruhe ist... ein leichter Wind durch das geöffnete Fenster weht und der Takt der Welt hier in meinem Breitengrad ruhig und gleichmäßig schlägt... ich für mich kann hoch konzentriert lernen und kreativ sein... mein Biorhythmus ist nicht der eines Morgenmenschen, eher der eines Vormittags-Menschen... ausgeschlafen um 10.00 Uhr beginnen mit einem kleinen Schläfchen von 20 Minuten im Nachmittag kann es dann bis 3.00 Uhr durch gehen, ohne Energieverlust... doch die Nacht ist meine liebste Freundin ;-))

    So ist jeder Mensch anders und sollte einfach danach leben, was ihm gut tut... alles hat seinen Reiz... auch der Morgennebel über dem See für den ich auch einmal aufstehen würde... doch den Mond zu fotografieren macht auch Spaß... so wünsche ich uns Flow-Suchenden die richtige Zeit...

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  3. Es ist aber auch so, dass es einen angeborenen Rhythmus gibt. Es gibt Tag- und es gibt Nachtmenschen. Das gute Gefühl des nachts kommt auch daher.

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  4. Stimmt, wir sind alle auch chronobiologisch veranlagt, siehe Eulen, Lerchen und Kaffee.

    Was BeaTE und Swizec Teller hier aber beschreiben, geht darüber hinaus und ist der Zauber, den die Welt bietet, wenn man sich gegen seine biologische Uhr stellt. Eine kleine Grenzerfahrung, so zu sagen.

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