Liebe, Partnerschaft und Weisheit

Schon die antiken Griechen waren überzeugt, dass wir mit der Liebe beginnen müssen, um zu verstehen, was die Philosophie ist. Schließlich ist Philosophie wortwörtlich die Liebe zur Weisheit. Und auch heute noch sagen Philosophen wie Graham Harman, dass man das Wahre nicht kennen, sondern nur lieben könne, denn nur die Liebe ermöglicht eine immerwährende Annäherung an die Dinge und Lebewesen über die Distanz hinweg, die uns von ihnen trennt. Der französische Philosoph Alain Badiou, Autor des Buches Lob der Liebe, sagt auf diese Differenz anspielend: "Die Liebe ist die einzige Lösung für die radikale Einsamkeit."

Liebe ist also auch in einem ganz konkreten zwischenmenschlichen Sinn ein wichtiges Thema für uns alle und die Philosophie. Ganz praktisch beschäftigt sich z.B. Alain de Botton schon sein Leben lang mit der Liebe zwischen Menschen, zuletzt in seinem Buch Der Lauf der Liebe, in welchem er uns ermutigt, unsere Ansprüche an unsere Beziehungen realistischer zu betrachten, um glücklicher zusammen zu leben.

In Schule und Universität lernen wir vielleicht eine ganze Menge, aber über eine der wichtigsten Sachen des Menschseins, nämlich über die Liebe zueinander, zu sich selbst, zur Welt mit all ihren Tieren, Pflanzen und Landschaften, darüber lernen wir so gut wie gar nichts. Wir können das nachholen, zum Beispiel mit der Philosophie, der Liebe zur Weisheit. Im folgenden habe ich einige Artikel zum Thema Liebe zusammengestellt:

Wut macht uns kaputt, aber es gibt eine Alternative: Martha Nussbaum zu Zorn, Vergebung und Weisheit in der Beziehung. Wir können nicht erwarten, von einer plötzlichen Weisheit erleuchtet zu werden und danach auf jegliche Wut verzichten zu können. Wir können uns aber der Weisheit annähern, indem wir versuchen, von der Wut zur Trauer überzugehen und in unserer Persönlichkeit über uns hinaus zu wachsen, indem wir anderen leichter vergeben und davon absehen, unsere eigenen Bedürfnisse immer als alternativlos zu verstehen. Letztlich läuft es darauf hinaus, zu einer – wie es im Untertitel von Nussbaums Buch heißt – Kultur der Gelassenheit zu kommen.
Warum die Liebe nicht gelingt: Alain de Botton ruft zum Realismus in der Liebe auf. Alain de Botton beschreibt ziemlich genau, warum die Liebe mit dem 19 Jahrhundert plötzlich von der typischen Vernunftehe zu einer romantischen Raserei geworden ist, deren Luftschlösser allenthalben für irdische Enttäuschung sorgen. Und er zeigt, wie Partnerschaft dennoch gelingt.
Das törichte Verlangen nach Gerechtigkeit: Es gibt etwas größeres als Fairness im Leben. Mann muss ja nicht so weit gehen wie Sokrates und ein ungerechtes Todesurteil aus vollem Herzen willig an sich selbst vollstrecken. Aber wenn wir diese zwei Regeln beherzigen, dann können wir mit der alltäglichen Unfairness besser umgehen und so zu etwas größerem gelangen, als zu einer kleinen Gerechtigkeit: Unsere Weisheit und damit mehr Frieden und Gelassenheit im Umgang mit unseren Mitmenschen.
Du sollst alles für mich sein! Von Umgang mit überzogenen Erwartungshaltungen in der Liebe. Nichts steht uns wirklich zu. Alles, was wir in der Liebe erhoffen können, ist das der andere einige unserer Erwartungen erfüllt, weil er oder sie es eben will, weil es in ihrer Natur liegt und weil wir selbst dem anderen mit Leib und Seele zur Verfügung stehen. Und zwar, nicht weil wir müssen oder weil es vernünftig ist, sondern weil wir selbst es so wollen.
Wie können wir mit Neurotizismus leben und lieben? Kein Wesenszug sagt so zuverlässig ein Scheitern von zwischenmenschlichen Beziehungen voraus, wie ein hoher Wert an Neurotizismus. Wer einen hohen Neurotizismuswert hat, der wird eher emotional labil sein, zu Nervosität neigen, öfter über körperliche Schmerzen klagen, sich oft mit Ärger und Ängsten herumplagen, schnell und intensiv auf Stress reagieren und von seinem hohen Stresslevel nur langsam wieder herunter kommen. Wie kann man als neurotischer Mensch in Beziehungen glücklich werden? Wie lebt man mit Neurotikern gut zusammen?
Hab Mitgefühl mit deinem Körper! Mitgefühl mit dem eigenen Körper ist eine Voraussetzung zur Eigenliebe. Genießen wir unsere Körper und verzeihen wir ihnen, wenn sie nicht immer klaglos funktionieren. Sie funktionieren viel mehr, als dass sie nicht funktionieren. Wenn dir etwas weh tut, dann ermutige deinen Körper, denn er tut sein bestes. Der Schmerz ist ein Zeichen für seinen Kampf um dein Leben. Hilf ihm dabei, in dem du ihm gibst, was er braucht.
Die Unmöglichkeit der Liebe mit Kind: Genervte Eltern im Baby-Clash, Die romantische Liebe macht sich selbst über ihr schönstes Nebenprodukt (ein neues Leben) unmöglich. Eine romantische Liebesbeziehung aufrecht zu erhalten, obwohl es jetzt eigentlich darum geht, dass ein kleines aber logistisch komplexes Unternehmen Familie mit Haushalt, Krankheit, Schlaf, Erziehung und Bildung, Einkauf und Geld verdienen wie geschmiert läuft, ist beinahe unmöglich. Damit das alles funktioniert, braucht man keine innige Liebe, sondern eine gute Organisation mit einem kleinen Team und striktem Management.
Das Zeichen wahrer Liebe: Was wir von unserer Liebe zu Kindern lernen können. Es ist nicht verwunderlich, meint Alain de Botton, dass wir als junge Erwachsene los ziehen und diese erste Liebe noch einmal suchen. Diese Liebe, die nur gibt, die uns annimmt, wie wir sind, egal, was wir tun, die selbstlos und vergebend ist. Und ebenso ist es nicht verwunderlich, dass wir enttäuscht sind, wenn wir statt dessen nur auf andere treffen, die ebenso wenig bereit sind, diese Liebe zu geben, weil auch sie die bedingungslose Liebe suchen, die sie als Kind vielleicht erfahren haben. Verzeihen wir uns doch einfach gegenseitig, dass wir in unserem Bedürfnis nach Liebe wieder Kinder sein wollen. Glauben wir an das Gute im anderen, das sich durch widrige Umstände verborgen hält.
Ist die Liebe der Sinn des Lebens? Alain Badiou über Liebe, Wahrheit und Abenteuer. Alain Badiou meint, es sei die Differenz zum anderen in der Liebe, die uns ermöglicht, eine Wahrheit zu entdecken, die uns aus unserer einseitigen, vereinzelten Perspektive so nicht zugänglich war. Insofern ist die Liebe ein Verfahren, uns neue Wahrheiten zu erschließen. Und in diesem Verständnis ist die Liebe am ehesten das, was uns einen Sinn im Leben verleihen kann.
Philosophie aus Liebe zum Objekt: Durch die Transformation von einer Wissenschaft in eine Kunst, erhält die Philosophie ihren ursprünglichen Charakter der Liebe zurück. Auf eine Art ist dieses erotische Modell das grundlegende Bestreben der objektorientierten Philosophie: der einzige Weg, im derzeitigen philosophischen Klima, der Liebe jener Weisheit gerecht zu werden, die nicht behauptet, wirklich Weisheit zu sein.


Zwei Lektüretipps zum Thema Liebe:


Der Philosoph Alain Badiou erklärt in einem Gespräch mit Nicolas Truong seinen Begriff der Liebe: "Die Überzeugung, dass jeder nur seine Interessen verfolgt, ist heute weit verbreitet. Die Liebe ist nun der Gegenbeweis dafür. Die Liebe ist das Vertrauen auf den Zufall." Der Philosoph muss sicherlich ein geübter Wissenschafter sein, ein Liebhaber der Gedichte und ein politischer Aktivist, aber er muss es auch auf sich nehmen, dass das Denken niemals von den gewaltigen Ereignissen der Liebe zu trennen ist. Gelehrter, Künstler, Aktivist und Liebender, das sind die Rollen, die die Philosophie von ihrem Subjekt verlangt. Badiou nennt das die vier Bedingungen der Philosophie. Alain Badiou, geboren 1937 in Rabat, Marokko, lebt als Philosoph, Mathematiker und Romancier in Paris.

Am Anfang ist jede Liebe leicht. Wie aber geht es mit ihr weiter? Wie gelingt es, zu zweit das Glück zu finden? In seinem neuen Roman durchleuchtet Alain de Botton gnadenlos, aber einfühlsam die Liebesgeschichte von Rabih und Kirsten. Die Wahl der Ikea-Gläser, das Kennenlernen der Schwiegereltern, die Frage, ob die Butter tatsächlich im Kühlschrank stehen soll - all das gibt Anlass für die größten Dramen. Und so wie de Botton mit seinem berühmten Scharfblick erzählt, erkennen wir jene Strukturen der Liebe, die uns allen gleichermaßen Glück und Leid bereiten.

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