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21. August 2013

Meine Tränen im Meer der endlosen Möglichkeiten

Die Tücken der Offenheit und die Tragik der Sucht nach dem Neuen


Ich bin, was man einen Hysteriker nennen könnte: Ich brauche Abwechslung, immer wieder etwas neues, Stillstand langweilt mich und wenn ich schlecht träume, dann davon, dass ich nicht vom Fleck komme. Sogar auf der Arbeit liebe ich die turbulenten Zeiten, in denen sich die Umstände ändern und das Unterste zu Oberst gekehrt wird. In der Persönlichkeitspsychologie würde man von großer Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen sprechen. Personen mit einer solchen großen Offenheit sind eher unkonventionell und aufgeschlossen, während Personen mit niedrigen Offenheitswerten eher zu bewahrendem Verhalten und zu konservativen Einstellungen neigen (siehe Wikipedia).

Klingt doch ganz gut, oder? In solch einer dynamischen Welt, wo immer alles schneller, instabiler, dynamischer und unvorhersehbarer wird und die Möglichkeiten des Erlebens ins Unermessliche wachsen, haben es die Hysteriker deutlich einfacher als diejenigen, die Konstanz und Verlässlichkeit bevorzugen und deshalb nicht so leicht mit Veränderungen umgehen können. Ich stelle aber auch fest, dass diese Offenheit einige Probleme mit sich bringt, auf die ich hier eingehen möchte.

Das  Meer der endlosen Möglichkeiten: Wie viele Leben kann man haben? (Bild via Tumblr von Carefree)


Nicht verwirklichte Lebensträume

Als Kind habe ich Fische geliebt. Meine Oma hat gemalte Fische mit Regenschirmen bekommen, meine Eltern bekamen ein Aquarium (altes Gurkenglass) mit Stichlingen aus dem Bach hinterm Haus und alle haben mir im Gegenzug Bücher über Fische und Meeressäuger geschenkt. Wir sind ins Ozeanum nach Stralsund gefahren und bald stand für mich fest, dass ich Meeresbiologe werden würde. Dann fing ich an zu lesen, ging jede Woche zum Sport, holte Medaillien, dazu kam bald Rockmusik, ich fing an zu fotografieren, gewann Preise und fing an zu schreiben, bis ich auch hier Preise bekam und einige Geschichten veröffentlicht hatte. Kurz vor der Einberufung entdeckte ich wieder die Natur und wollte Förster werden. Ich reiste in abgelegene Teile der Erde und übte mich im Survival. Schließlich bewarb ich mich bei der Journalistenschule, beim Letteverein als Fotograf und fing letztlich doch an, Philosophie und Literatur zu studieren.

Man sieht, wie hin- und hergerissen ich damals in meinen Interessen war. Zum Glück gibt sich das mit dem Alter etwas, denn man entwickelt Routinen und lernt besser dabei zu bleiben, worin man gut ist. Trotzdem sind alle diese Kinder noch in mir und nie erwachsen geworden: Der Meeresbiologe, der Rockmusiker, der Förster, der Fotograf, der Literat und so weiter. Je nachdem, was ich gerade mache oder sehe (z.B. liebe ich Unterwasser-Reportagen), melden sie sich und klagen mich an, dass ich sie nie wirklich entfaltet habe. Natürlich weiß ich, dass man nicht alles in seinem Leben machen kann, auf der anderen Seite bereue ich genau das. Ich wünschte, ich hätte viele Leben, in denen ich all diese neugierigen Kinder zu erfüllten Erwachsenen entwickeln könnte.

Als Kompensation erlaube ich mir, die Kinder alle rauszulassen: in Hobbys, im Urlaub, beim Sport und in der Lektüre. Als Coach interessieren mich diese ungelebten Träume noch aus einer anderen Perspektive: Zusammen mit Lustlosigkeit oder Ausgebranntsein sind sie ein Indikator für anstehende Veränderungen. Sollte einmal ein großer Schritt in meinem Leben anstehen, werde ich diese Träume untersuchen und versuchen, wenigstens einem dieser Träume zu folgen.

Kunst kommt von können, kommt von üben

Ein mit den nicht verwirklichten Träumen im Zusammenhang stehendes Problem ist die Schwierigkeit von Hysterikern, es in irgend einer Hinsicht zur Meisterschaft zu bringen. Durch die Sucht nach all den verschiedenen Interessen, fällt es schwer, sich auf ein einziges zu konzentrieren und dort durch jahrelange Übung irgendwann Weltklasse zu werden. Ich habe zahlreiche Medallien, Trophäen, Auszeichnungen und Preise in verschiedendsten Sportarten und Künsten erhalten, ohne dass ich in einem dieser Gebiete ein Profi geworden wäre. Es ist fast so, dass ich jeweils dann mit irgend etwas aufhöre, wenn ich Anerkennung bekomme und dadurch merke, dass ich es meistern könnte, wenn ich wollte. Es reicht mir zu wissen, dass es machbar ist, ich muss es dann aber selbst nicht mehr erreichen. Weltklasse wird man so nicht, selbst wenn man in vielen Sachen ganz gut ist. Das Universalgenie Goethe war da eine Ausnahme, die meisten Genies sind es in genau einer Disziplin und zwar deshalb, weil sie sich darauf konzentrieren, dabei bleiben und Jahr um Jahr üben.

Rastlosigkeit und Beziehungen

Ein drittes Problem kann Hysteriker in der Liebe ereilen. Die große Offenheit gegenüber Neuem macht vor keiner Domäne des Lebens halt. Sei es Arbeit, Freizeit, der räumliche Lebensmittelpunkt oder eben auch die Liebe. Es ist nicht ganz so, dass man "das was man hat" nicht mehr mag und nach dem nächsten strebt, so als wenn man ein neues Auto will. Die Wertigkeiten von Beziehungen und besonders von Liebesbeziehungen sind mir durchaus klar. Ich weiß, dass es hier auch irgendwann im Leben auf Stetigkeit ankommt, weil man sonst am Ende leer ausgeht oder zumindest immer dem nächsten Kick nachrennt, ohne jemals glücklich zu werden. Das zu erkennen ist ein wichtiger Schritt im Reifeprozess, selbst dann wenn man ansonsten eher hysterisch ist. Trotzdem geht der Reiz des Neuen nicht verloren. Ich empfinde das sogar ganz frei von jeglicher moralischen Bewertung (typisch für Persönlichkeiten mit großer Offenheit). Ich akzeptiere diesen Drang auch in der Späre der Liebe, muss ihn aber kontrollieren, damit ich irgendwie ein erwachsenes und verantwortungsvolles Leben führen kann. Denn auch das hat ja seine Stärken: Neben der Lust an der Veränderung ist doch emotionale Stabilität, ein Zuhause und eine gereifte Liebe und Partnerschaft unersätzlich.

Wie viele Leben wollen Sie haben? Gibt es diese Träume, die Sie nie verwirklicht haben? Wie gehen Sie mit dieser Tragik um und welche Träume werden Sie noch verwirklichen?


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17 Kommentare:

  1. Muss es denn Tragik sein, nicht alle seine Träume verwirklicht zu haben? Gibt es nicht immer neue Möglichkeiten und somit auch neue Träume? Der schönste Traum ist nichts wert, ohne die innere Zufriedenheit und Bescheidenheit.

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    1. Ohne ein bisschen Tragik wäre das Leben auch irgendiwe nicht vollständig.

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  2. Kann jedes Wort nachvollziehen. Vor allem den Wunsch, mehrere Leben leben zu können. Ich behelfe mir jetzt damit, mich eine zeitlang projektweise mit einer Sache zu beschäftigen. Profi werde ich damit nicht, aber vielleicht ziemlich gut. Und ich versuche, ein passives Einkommen zu generieren, damit ich mehr Zeit für diese Projekte habe. Jedenfalls danke, dass du es so gut auf den Punkt gebracht hast!

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    1. Hi Patrick, das mit dem passiven Einkommen zu diesem Zweck ist eine wunderbare Idee. Bisher fehlt mir noch eine überzeugende "passive business idea", hinter der ich stehen könnte.

      Übrigens hast du einen echt genialen Blog! Dein Nomaden-Artikel über unsere gemeinsame Heimatstadt hat mich zum Lachen und Kopfnicken gebracht.

      Versuchst du mit Heldenleben dein Einkommen zu generieren oder hast du noch weitere Seiten?

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    2. Mein Einkommen kommt derzeit hauptsächlich aus meiner Arbeit als Web-Freelancer und immer mehr aus einem Onlineshop für Billardzubehör. Beides noch nicht passiv, aber Projekte wie der Onlineshop sollen das mal werden. Heldenleben mache ich erst mal nur, um andere zu inspirieren und weil ich gerne schreibe. Ich bin ziemlich skeptisch, was das Geld verdienen mit Blogs angeht. Alle meine Seiten übrigens auf http://about.me/pbaumann

      Und danke für die Blumen für meinen Blog! Ohne hier einfach ein schnödes Gegenkompliment geben zu wollen, ich finde geistundgegenwart.de wirklich sehr gut und einzigartig, und das ist in der Fülle von Blogs ein echtes Kompliment.

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    3. Dem kann ich nur zustimmen. Ich bin bei meiner Suche nach verschiedenen psychologischen Themen immer wieder auf geistundgegenwart.de gestoßen und finde immer Artikel, die mir aus dem Herzen sprechen. So wie diesen hier beispielsweise.

      Es macht mich manchmal verzweifelt, dass ich mich nicht entscheiden kann, in welche Richtung ich gehen möchte. Kaum habe ich mich von meiner Euphorie mitreißen lassen und einen bestimmten Pfad betreten, fängt er auch schon an mich zu langweilen und ich habe das Bedürfnis mich neu zu orientieren. Nicht leicht in einer Welt, in der nach Fachräften geschrien wird.

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  3. Katrin Hentschel21. August 2013 um 22:03

    Oh, das ist sehr toll geschrieben! Danke Gilbert, du sprichst mir aus der Seele. Wenn ich denke, ich kann damit umgehen, meldet sich das nächste Interesse, dass gefüttert werden will, obwohl das andere noch gar nicht ganz satt ist :-D In manchen Momenten eine wahre Freude, diese vielen Leben in sich zu haben, aber wenn es zu viel wird, dann heißt es, wie Traude Aouida sagt: Zufriedenheit üben, üben und nochmals üben... und das ist eine Tugend!

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    1. Hallo Katrin, das hast du absolut auf den Punkt gebracht. Auch diesen Spagat, von dem ich oben schrieb, dass es auch ein Reifeprozess im Leben ist, die guten Seiten der Stabilität zu sehen und damit die Zufriedenheit ins Leben zu lassen. Aber ganz generell war ich schon immer sehr zufrieden mit meinem Leben. Zufriedensein und nach Neuem gieren schließt sich ja nicht aus, wenn man die Balance für sich findet. So wie du, empfinde ich die vielen Leben, wenigstens in manchen Momenten, als absolute Bereicherung.

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  4. Hi Gilbert,

    interessantes Thema. Menschen mit sehr hoher Offenheit sind ja oft besondere Menschen oder manchmal sogar Universalgenies.(Fehlende) Stetigkeit hängt eher mit einem Aspekt der (niedrigen) Gewissenhaftigkeit in Kombination mit dieser Offenheit zusammen.

    Woran ich den hohen Drang nach Neuem immer deutlich merke - und wo ich in meinem Bekanntenkreis recht alleine bin, denn sonst scheint das kaum jemandem so zu gehen - ist bei Filmen: ich tue mir sehr schwer, etwas mehr als einmal anzusehen. Denn warum sollte ich mir etwas ansehen, dass ich schon kenne, wenn ich genauso auch etwas Neues, Unbekanntes ansehen kann...

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    1. Das mit den Filmen kommt aber sehr auf die Filme an. Vielleicht schaust Du ja die falschen ;-)
      Im Ernst: ich schaue so manchen Film sehr gerne mehrfach, wenn ich z.B. nicht alles verstanden habe beim ersten Mal. Ein Beispiel ist "Spiel mir das Lied vom Tod". Beim ersten Mal war ich wie gebannt von den Bildern und der für mich damals neuartigen Dichte der Athmosphäre, so dass ich die Handlung nicht im Detail verstanden habe. Nach dem zweiten Mal konnte ich nicht verstehen, was daran nicht zu verstehen war :-)
      (Doch werde ich den Film gerne noch einmal anschauen, nur um die Athmosphäre zu genießen. Ja, vielleicht bin ich da mehr Genussmensch als Du.)
      Ein weiteres Beispiel ist "Big Fish", ein außergewöhnlicher Film, in dem es immer wieder etwas neues zu entdecken gibt.

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  5. In diesem Post finde ich mich an einigen Punkten wider. Lange Zeit lebte ich in einem seltsamen Spannungsfeld zwischen "alles können" (sagten die anderen) und "nichts richtig können" (sagte ich selbst). Die Gefahr ist, dass man irgendwann aufwacht und merkt: Hey, ich kann das, was ich studiert habe am besten. Weil ich es am längsten geübt habe. Und das muss ich jetzt wohl machen, mein Leben lang. Aber eigentlich gibt es noch mindestens 25 Dinge, die ich gerne so gut können würde. Und dann?

    Zum einen habe ich festgestellt: Man muss gar nicht alles perfekt können, um es zu machen. Die eigenen Ansprüche sind oft sehr hoch. Zum anderen: Es hilft, einen Schritt zurück zu treten und in all dem was man gerne tut die Gemeinsamkeiten zu suchen. Es können sich dabei generellere Muster ergeben, z.B. "ich helfe gerne Menschen" oder "ich arbeite am liebsten für mich alleine" oder "am besten was austüfteln" oder "möglichst viele Menschen/Länder/Kulturen kennen lernen" - das kann bei jedem anders sein. Diese generellen Muster finden sich aber in vielen Tätigkeiten wieder, die ganz unterschiedlich sein können.

    Wer groß träumt, fällt immer wieder unerfüllt mit Karacho auf die Fresse. Aber wenn es mal klappt mit einem Traum, dann kommt der Großträumer auch mal da hin, wo andere nicht mal im Traum dran denken. Was auch immer das sein mag.

    Und da kommt eben diese Tragik auf. Die Tragik, am Unerfüllten zu leiden. So kann es auch in der Liebe gehen: Während alle um mich in Beziehungen sind, viele davon mit großen Kompromissen nicht unbedingt glücklich verheiratet, bleibt mir die Einsamkeit mit den wenigen aber gewichtigen Ansprüchen. Linderung verschafft, sich klar zu machen, welche Träume schon alle in Erfüllung gegangen sind in all den Jahren. Wenn man sich da mal bei einer Tasse Tee Zeit dafür nimmt, dann stellt man fest: Es sind viel mehr, als man gedacht hat. Und dann ist es auch wieder gut.

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  6. Lieber Universaldilletant als Fachidiot! :-)

    Meine Erfahrung: mit zunehmendem Alter wird diese charakterliche Disposition milder!

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  7. So ziemlich alles in Deinem Artikel kann ich gut nachvollziehen und bei mir selbst beobachten. Beispiel: Vor einigen Monaten habe ich mir eine Funkuhr gebaut; from the scratch sozusagen, d.h. die Elektronik selbst entwickelt und den Microprozessor selbst programmiert. Zumindest letzteres war das Neue für mich. Aber: ich habe sie nie fertig gestellt. Sie läuft zwar und läuft und läuft, wie ich mir das vorgestellt habe, aber ein Gehäuse hat sie nie bekommen. Andere, neuartige Projekte wurden wichtiger.
    Doch noch für einen anderen Aspekt kann diese Funkuhr herhalten:
    Deutlich störender nämlich, als die "Schwierigkeit von Hysterikern, es in irgend einer Hinsicht zur Meisterschaft zu bringen", erachte ich den immerwährenden Drang, genau dies zu tun. Kaum eines von meinen vielen Tätigkeiten und Hobbies betreibe ich nur, weil es mir Spaß macht. Immer treibt mich auch, es besser zu machen als die Meisten. So auch mit dieser Uhr. Niemand hat so eine Uhr. Sie ist ein Unikat, und in meiner Bekanntschaft gibt es niemanden, der Vergleichbares zustande bringen könnte. Und ich fürchte, dies war ein wesentlicher Hintergedanke beim Bau :-(
    Ich bin kein lauter Angeber, das weiß jeder, der mich kennt. Vielleicht bin ich aber ein leiser. Da ich in einigen Lebens-Bereichen gute Fähigkeiten habe, sehe ich mich in der Gefahr, diese gerade so weit auszubauen, bis es zum subtilen Angeben reicht. Du formulierst es nicht so negativ: "Es ist fast so, dass ich jeweils dann mit irgend etwas aufhöre, wenn ich Anerkennung bekomme und dadurch merke, dass ich es meistern könnte, wenn ich wollte". Ich aber sehe das nicht so neutral, für mich wird das zum Problem, da es nicht zu meinen Werten passt.
    Bei mir geht es soweit, dass ich zwar z.B. gerne Snooker spielen würde, mir aber (auch) deshalb keinen Verein suche, weil ich darin sicher nicht mehr Meister werde.
    Kannst Du das nachvollziehen? Dies ist kein Charakterzug an mir, den ich liebe.

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  8. "Wie viele Leben wollen Sie haben? Gibt es diese Träume, die Sie nie verwirklicht haben? Wie gehen Sie mit dieser Tragik um und welche Träume werden Sie noch verwirklichen?"

    Je nun, wer sowieso schon eins (Leben meine ich) zu viel hat, wünscht sich davon vielleicht keins mehr. Was die unverwirklichten Träume angeht: Ich bin nie auf der Folterbank gelegen, nie mit der Knarre in der Hand durch'n Dschungel marschiert, um Leute abzuknallen, von denen ich einen Tag zuvor noch nicht wusste, dass es sie mit ganz konkret diesem Gesicht überhaupt gibt usw. Davon hab' ich schon hin und wieder geträumt, aber es waren halt keine guten Träume. Soll's geben. Das relativiert die Tragik, dass ich kein Weltstar in irgendwas geworden bin dann auch wieder.

    Davon abgesehen ist das ein sehr sympathisches Portrait: Wem das Leben als solches nicht genug Tragik bietet, dem können die unerfüllten (guten) Träume gar nicht tragisch genug sein, sonst wäre es in der Tat noch unterhalb vom Ennui anzusiedeln.

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    1. Anderen geht es schlechter. Das ist immer so. Deswegen sollen wir also nicht jammern mit unseren "Luxusproblemen". Durchaus ein berechtigter Kommentar. Aber: Ich für mein Leben möchte mein Glück aber daraus beziehen, dass es mir gut geht und nicht daraus, dass es anderen schlecht geht.

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    2. Interessant, dass Sie das reinlesen, dabei gab's in meiner Anmerkung kein Sollen, kein Jammern, keine Anderen, nur mich, der auf eine Frage geantwortet hat, ganz moralinfrei. Hätt' ich's gemeint wie Sie es meinen, dass ich's gemeint habe, könnt' ich ja weder mit Genuss essen oder müsste immer den Teller leer essen, weil irgendwo hungern die Leute ja. Es schmeckt mir aber trotzdem, und wenn ich satt bin, dann geht's notfalls weg (und keinen was an). Das stand da aber alles nicht.

      Also: Lassen Sie es sich unbedingt und einschränkungslos gut gehen und seien Sie glücklich. Dann können Sie mit Nietzsche das große Ja zum Leben singen, und alles noch einmal wollen, mehr davon. Wobei es da einen Moment gibt, wo man sich mal kurz am Kopf kratzen könnte: Der Mann hatte auch von der Wiederkehr des Gleichen gesprochen, die nur was für kräftige Naturen sein sollte. So, als hätte er seinem Ja selbst misstraut, weil die Wiederkehr nicht viel mehr als dieses nackte Dass, aber nicht das Wie einschließt, also keine Garantie, ob man im nächsten Leben nicht doch Folteropfer oder unfreiwillig Rambo wird.

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    3. Deshalb, wollte ich eigentlich noch hinzufügen, erledige ich es lieber alles gleich in dem einen. Brauchen auch die anderen noch etwas zu tun.

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