Seiten

Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

29. November 2011

Manifest des Minimalismus

Sebastians Manifest
Dein Leben gehört Dir... Lass Dich nicht aufhalten... Wirf den Ballast ab... Du bist frei...

Auch wenn ich mich nicht (nur) als Minimalist bezeichne, treffen diese Sätze ziemlich genau meine Vorstellungen von einem aufmerksam geführten, selbstbestimmten und bewussten Leben. Eine minimalistische Perspektive auf das Leben hilft, das Wesentliche vom unwichtigen Rummel und Klimbim zu unterscheiden. Mir kommt das sehr entgegen. So eine Sichtweise macht den Blick frei auf die Momente des Lebens, auf die Eigenverantwortlichkeit und die Freiheit. Im Alltagsstress, im Rummel der so wichtigen Unerheblichkeiten, gehen uns diese Perspektiven oft verloren, was dann dazu führt, dass wir uns noch weiter vom Wesentlichen entfernen und noch mehr Stress oder Angst empfinden.

Jetzt ist es natürlich so einfach wie nutzlos, solche Sätze zu lesen und zu denken: "Ja, schön! Genau so ist das. Da hat mal wieder einer Recht." Oder so. Es ist viel schwieriger, diese Sätze mit Leben zu füllen. Und dazu möchte ich ermuntern: Macht eine Pause und nehmt euch die Zeit, einige dieser Sätze zu durchdenken. Fragt euch, was kann dieser Satz für Konsequenzen für mein Leben haben? Merkt ihr, wie radikal der Satz "Ich bin frei" ist? Was heißt das morgen für mich im Büro? Was passiert, wenn ich Besitz hergebe und dafür Freiheit bekomme? Schon mal versucht? Wie passiert das überhaupt, dass ich freier bin, wenn ich weniger Plunder habe? In mir ruhen? Das ist vielleicht das Schwerste! Das kann man nicht einfach so von heute auf morgen. Aber mal etwas erleben, die Momente genießen, dazu muss man nur mal raus und das machen, was man wirklich liebt. Atme!? Jeder atmet doch! Ja und nein: beobachte doch mal genau, wie du atmest! Mach das jeden Tag ein paar mal und du fängst an wirklich zu atmen. Lest noch einmal das Manifest und durchdenkt den einen oder anderen Satz, an dem ihr hängen bleibt. Schreibt einen Kommentar, wenn ihr wollt. Wir wollen gerne hören, wie ihr diese Sätze mit Leben zu füllen versteht:
Dein Leben gehört Dir. Du entscheidest, wie Du es führst. Übernimm Verantwortung für Dein Leben! Deine Entscheidungen bestimmen Deine Zukunft. 
Lass Dich nicht aufhalten. Liebe das Leben. Bilde Dir Deine eigene Meinung. Tausche Besitz gegen Freiheit. Ruhe in Dir. 
Du bist nicht Dein Besitz. DU bist DU, Du bist einzigartig. 
Tue was Du liebst. Träume groß - und dann setze es um. 
Weniger ist mehr. Sei Dir treu. Lache viel. 
Entdecke, wer Du bist und was Du willst. Lebe im Jetzt! Der Moment ist alles, was du hast. 
Teile Deine Freude, teile Dein Leid. Genieße bewusst. Sei offen, suche das Abenteuer. Hör auf Deinen Instinkt. Nimm Dir Deine Zeit. 
Tue Dir und anderen Gutes. Inspiriere. Handle. Lebe. 
Maximiere Deine Lebensqualität. Mache das Beste aus jedem Tag, jedem Moment. Wirf Deinen Ballast ab. Atme. Lächel. Sei bewusst. 
Du bist frei.
Das Manifest ist ursprünglich auf www.mrminimalist.com erschienen. Natürlich könnt ihr das Manifest gerne weiterverbreiten, wenn es euch gefällt. Vor allem aber: Lebt es und lasst uns daran teilhaben!

26. November 2011

Das sexistische Hirn

Unser Autor Erich Feldmeier schreibt über die Vorfahrt der nackten Haut auf useren Wahrnehmungs-Autobahnen.

Vor einigen Tagen erschien ein Interview mit der Soziologin Catherine Hakim, in dem sie sich dafür aussprach, "erotisches Kapital" im Beruf einzusetzen, aus dem einfachen Grunde, weil ihre Untersuchungen gezeigt hätten, dass "die Schönen und Attraktiven… auch im Beruf größere Aufstiegschancen und höhere Gehälter" hätten. "Warum ermutigt niemand Frauen, Männer zu instrumentalisieren, wo immer das möglich ist?" (1) Eine Antwort darauf war: "Ich denke nicht, dass Männer so einfach gestrickt sind."

Wahrnehmungs-Autobahn
Die korrekte Antwort darauf lautet: Nein, sie sind noch viel, viel einfacher gestrickt – und das gilt ironischerweise für Männer und Frauen, wenn auch in differenzierten Ausprägungen. Entdeckt haben dies Jari Hietanen und Lauri Nummenmaa, die vor wenigen Tagen eine Studie zur Wahrnehmung von Nacktheit veröffentlicht haben.

23. November 2011

Melancholie im Kino: Cheyenne – This Must Be The Place

Unsere Autorin Claudia Schmoll war im Kino und hat den Film Cheyenne – This Must Be The Place gesehen. Hier ist ihre Rezension:

Man muss ihn einfach gesehen haben, wenn einen die filmische Umsetzung des Themas "Melancholie" interessiert, hier vom italienischen Regisseur Paolo Sorrentino. Sean Penn spielt in herausragender Weise einen melancholischen Ex-Rockstar, der sich trotz Melancholie und depressiven Zügen der Herausforderung "Leben" stellt und daran wächst.

Der Film startet mit der Einstellung auf Cheyennes Gesicht. Ein Mann um die 50 schminkt sich in alter Gothic-Manier, man sieht ihn den schwarzen Kajal auftragen, den roten Lippenstift. (Tipp: Szene merken!) Diese und die folgenden Szenen laden den Betrachter ein, in die Welt des Ex-Stars einzutauchen. Die erste Hälfte des Films begnügt sich mit Szenen, Landschaften, der Darstellung der Welt aus Sicht des Rockstars, so wie er sich an sie gewöhnt hat. Und so wie Cheyenne diese Welt nicht hinterfragt, wird sie dem Zuschauer auch erstmal nicht erklärt. Der Film folgt dem Motto "Man kann das Leben nur vorwärts leben, verstehen kann man es nur rückwärts." Für's erste kann nur aus der Betrachtung von außen daraus geschlossen werden, dass der Ex-Star wohl genug mit seinen Songs verdient hat, seit 30 Jahren mit einer patenten, sympathischen Frau (Frances McDormand) verheiratet ist, mit ihr in einer Designer-Villa in Dublin lebt und scheinbar nur noch seinen Vergnügen nachzugehen braucht, nur hat man das Gefühl, dass er kein Vergnügen dabei empfindet. Der Zuschauer muss sich also einlassen auf die Tatsache, hier ist jemand melancholisch, und man weiß nicht warum, und der Regisseur spart mit Erklärungen. Cheyenne spricht langsam, bewegt sich langsam und man hat das Gefühl, eher einem morbiden Teenager zu begegnen als einem erwachsenen Mann.

"Und wie läuft ihr Leben so?" "Mein Leben läuft", lange Pause, "ganz okay".

21. November 2011

Human Ressources: Nutzt du noch oder entfaltest du schon?

"Im Zweifelsfall fällt man in schwierigen Situationen immer auf das Bewährte zurück. Und das Bewährte ist [...] das, was wir als Ressourcennutzungskultur entwickelt haben."
(Neurobiologe Gerald Hüther in: Human Ressources Manager 05/2011)
Ressourcennutzung, gefunden auf Great Job Opportunities

19. November 2011

Warum lieben wir Verschwörungstheorien?

Roswell: Es gibt nicht mehr, als das was du siehst.
Oder sollte die richtige Frage lauten: Warum fallen wir Verschwörungstheorien so schnell zum Opfer? Ich glaube, zum einen sind sie einfach oft etwas aufregender, als das was sonst so wirklich passiert. Wir scheinen alle eine Lust an der Sensation zu haben. Die Anschläge am 11. September waren so schon ziemlich sensationell, aber wenn es dann noch durch die US-Regierung organisiert war, dann schlägt das doch dem Fass den Boden aus. Oder Roswell: Wäre es nicht toll, wenn es wirklich Außerirdische waren, anstatt nur ein paar missglückte Flugtests von Tarnkappenbombern? Was ist mit der Mondlandung? Ziemlich spektakulär. Aber nach einigen Jahren ist der Lack ab. Langweilig. Jetzt wäre es eine größere Sensation, wenn nie jemand auf dem Mond gewesen wäre. Dann gibt es noch solche, die bestimmten Interessen in die Hände spielen, z.B. die Theorie, dass es keine Erderwärmung gäbe, sondern alles nur von bösen Wissenschaftlern und Journalisten erfunden sein.

Lust und Faulheit
Die Lust daran, die Sensation, das ist das eine. Aber warum glauben so viele Leute ganz fest und unumstößlich an solche Theorien? Was steht psychologisch dahinter? Im Artikel Der Graben zwischen Wissen und Handeln habe ich von Kahnemans zwei Systemen oder Typen von mentalen Operationen geschrieben: Typ 1, das zu Schnellschüssen neigende intuitive und assoziative Denken und Typ 2, das kontrollierte und logische Denken. Wie alle Tiere, sind wir evolutionär darauf erpicht, Energie zu sparen (übrigens auch ein Grund, warum wir dick werden), vulgo: faul zu sein. Die mentalen Operationen vom Typ 1 sind viel unaufwendiger und benötigen nicht so viel Energie, wie das logisch angestrengte und bewusste Nachdenken. Wenn immer wir können, nutzen wir also die wie von selbst sich einstellenden Kurzschlüsse unseres Gehirns.

16. November 2011

Jonah Lehrer: Prousts Madeleine

Erich Feldmeier rezensiert Jonah Lehrer: Prousts Madeleine: Hirnforschung für Kreative, Piper 2007.

Dieses Buch ist die absolute Synthese von Geistes- und Naturwissenschaften in einem unglaublich intelligenten Arrangement. Jonah Lehrer ist Neurobiologe und hat bei Eric Kandel promoviert. Er schreibt zum Beispiel bei wired.com über Themen wie unbewusstes Entscheidungsverhalten, dem wir hier auf Geist und Gegenwart ja auch schon einige Sätze gewidmet hatten. In seinem Buch Prousts Madeleine würdigt er die "chaotischen" Ansätze aus Kunst und Kultur, über die moderne neurobiologische Forschungskenntnisse mit unkonventionellen Mitteln erreicht wurden. Folgerichtig fordert der Text eine drastische Öffnung der Geisteshaltung von Geistes- und Naturwissenschaftlern für die jeweils andere Seite. Das Buch stellt eindringlich unter Beweis, dass Kunst und Kultur zu 'Wahrheiten' kommen können, die sogar erst viel später von den Naturwissenschaften bewiesen werden, doch zunächst - wie stets üblich bei allen außergewöhnlichen Meinungen - mit unglaublicher Ignoranz des Zeitgeists, vernichtend abgelehnt und verspottet werden. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch persönlich Details:  Zum Beispiel musste Lehrers Lektorin die konfusen und (w)irren Gedanken im Manuskript erst ordnen, bevor man sie auf die Menschheit loslassen konnte.

In einem furiosen Ritt durch Literatur, Malerei, Musik und Kochkunst bringt er uns Sichtweisen nahe, die eine unglaubliche Wahrnehmung aber auch Offenheit voraussetzen, Dinge aus vollkommen verschiedenen Welten miteinander in Beziehung zu setzen. Diese Zusammenschau ist schlichtweg sensationell. Das Buch zeigt außerdem, die Menge aller großen Leistungen, die von grenzwertig Verrückten geschaffen wurden, die in großer Armut und Verzweiflung dahinvegetierten. Besonders hoch anrechnen muss man Lehrer, dass er nicht versäumt, die hochqualifizierten aber gemeinhin unsichtbaren Postdoktoranden in den unbekannten Labors der Welt als die darbenden Künstler des 21. Jahrhunderts zu bezeichnen. Ganz nebenbei erklärt Lehrer eben auch diverse kognitive Vorgänge an seinen künstlerischen Paten interessant und anschaulich.

15. November 2011

Der Nachbar ist Schuld an meinen Schrammen

Gebrauchsspuren
Gestern Abend kam ich von einem Wellness-Kurzurlaub nach Hause und fand wie immer eine angespannte Parkplatzsituation vor. Aber da war doch noch eine Lücke, zwar etwas klein, aber direkt vor der Tür. Ich bin ein guter Einparker und sehe so etwas als sportliche Herausforderung. Ich nahm sie an und war ziemlich stolz, als das Auto vernünftig geparkt war. Heute Vormittag - ich dachte an nichts böses - rief mich meine Versicherung an und informierte mich, dass ich einen Schaden verursacht hätte und dass gegen mich ein Ermittlungsverfahren wegen Fahrerflucht eingeleitet war! Ich konnte es nicht glauben, nicht zuletzt weil ich mir keiner Schuld bewusst war oder gar irgendwo gegen gefahren und geflüchtet war. Nach der Arbeit sah ich mir die geparkten Autos vor der Tür an. Mein 11 Jahre altes Auto sah aus wie immer: von kleinen Dellen und Schrammen überseht. Davor stand der Golf, der auch schon gestern Abend da stand. Und auch dort gab es Schrammen. Eine alte überlackierte Schramme und zwei, drei kleinere, aber unbehandelte Schrammen. An meiner Windschutzscheibe klebte ein handgeschriebener Zettel:
Bitte Sachbeschädigung bei Ihrer Versicherung melden. Schaden wurde polizeilich aufgenommen!
Herold, Musterstraße 32

11. November 2011

Der Graben zwischen Wissen und Handeln

Dies wird wahrscheinlich der sinnloseste Artikel, den ich bisher geschrieben habe. Er handelt nämlich davon, wie wenig Selbst-Kenntnis und Bewusstsein helfen, um die eigenen Fehler im Verhalten und Denken zu korrigieren.

Angriffslust und Verteidigung 
Ein Beispiel aus meinem eigenen Alltag: Ich weiß, was passiert, wenn meine Lebensgefährtin bei mir die wunden Punkte trifft. Wie oft habe ich mir selbst gesagt: Wenn sie irgend etwas, das ich angeblich gesagt oder getan habe, an den Haaren herbeizieht und mich damit provoziert, dann ist das nicht, weil sie mich nicht mehr liebt. Vielmehr hat sie ein momentanes Defizit an Aufmerksamkeit oder einen Überschuss an Frustration, was nicht unbedingt mein Verschulden sein muss. Ich weiß das und ich habe vorher Pläne gemacht, weise und ruhig zu reagieren und ihr mit Aufmerksamkeit und Verständnis entgegen zu kommen. Was aber mache ich, wenn es passiert? Ich schlage verbal zurück, beschuldige sie und verteidige mich. Wir streiten. Hinterher bin ich wieder klüger. Bis zum nächsten Mal, wenn einer von uns den anderen aus nichtigen (oder hormonellen) Gründen provoziert. Dieses Beispiel verdeutlicht zum einen das Dilemma, das man auch Knowing-Doing-Gap nennt: Der Graben, der sich zwischen Wissen und Handeln auftut. Wir werden zwar immer klüger, nur schlägt es sich nicht in unserem Umgang mit der Wirklichkeit nieder (siehe oben oder auch den Klimawandel). Zum anderen verdeutlicht das Beispiel eine Dualität in unserem Denken. Der Wirtschafts-Nobelpreisträger und Psychologe Daniel Kahneman unterscheidet unsere mentalen Operationen in diese zwei Typen:

8. November 2011

Vater werden ist nicht schwer...

Es vergeht kein Tag, an dem nicht in der Tagesschau über eine neue und vorgeblich vernünftige Familienpolitik geredet wird. Ein Aspekt, der dabei noch immer am Rande zu laufen scheint, ist die Elternbildung, also Bildungsangebote für Eltern mit dem Ziel der Stärkung ihrer Erziehungskompetenz. Es wird immer klarer, dass wir als Gesellschaft dringend die Effektivität und Effizienz solcher familienpolitischer Maßnahmen gewährleisten müssen. In diesem Zusammenhang rezensiert Erich Feldmeier das in diesem Jahr erschienene Buch Mütter und Väter im evolutionären Licht betrachtet - Überraschende Antworten auf alte Fragen: Neue Perspektiven für die Elternbildung vor dem Hintergrund der Biowissenschaften von Annette Mennicke.

Die Thesen, die Annette Mennicke höchst fundiert und plausibel entwickelt, ergeben sich aus der Einbeziehung der evolutionären Sichtweise auf die Familien-Tätigkeit. Mit recht drastischen historischen Belegen zur Kinder-Sterblichkeit und zum Ammenwesen zeigt sie, dass das Aussetzen und Weggeben von Kindern aus Armut und Not in weiten Bevölkerungskreisen recht verbreitet war. Das eigentliche Problem besteht fort, wie Sarah Hrdy zeigt: "Wie kann sich eine Mutter der Erhaltung ihres Status oder ihrer Lebensgrundlage widmen, ohne von der Last eines Kindes daran gehindert zu werden? [...] Damals wie heute stehen Mütter [...] vor chronisch unlösbaren Dilemmata".

6. November 2011

Wenn Ungleichheit wütend macht

Sarah F. Brosnan und Frans B. M. de Waal haben 2004 ein Experiment mit Äffchen gemacht, das uns heute verdammt an ein Experiment erinnert, dem wir zwar schon lange unterliegen, das uns aber erst jetzt dazu animiert, die Wall Street zu okkupieren.

Pass mal auf, was jetzt gleich mit der Gurke passiert!

5. November 2011

Mit Systemtheorie den menschlichen Geist begreifen

In diesem Beitrag zum Verständnis unseres Bewusstseins erklärt die systemische Beraterin und Therapeutin Claudia Schmoll anhand der Systemtheorie, warum Veränderung so schwer ist und wie sie doch möglich wird.
Der Baum der Erkenntnis
Systemtheorien gehören mittlerweile als Denkgerüst in jede Geistes- und Naturwissenschaft. In der Biologie hielt die Systemtheorie Einzug durch das Werk der Chilenen Maturana und Varela, die das menschliche Nervensystem bezüglich der Wechselwirkung von organisierter Einheit, System und Umwelt untersuchten und ihre Erkenntnisse in dem Klassiker "Der Baum der Erkenntnis" zusammenfassten. Berufshalber befasse ich mich gerne mit der Theorie von sozialen Systemen (Luhmann), und nach meiner letzten Gehirnforschungs-Lektüre "Wie unser Gehirn die Welt erschafft" habe ich begeistert festgestellt, dass auch unser Gehirn nach den Regeln der Systemtheorie funktioniert. Wie man sich das vorzustellen hat, will ich im Folgenden beschreiben. Es kann dabei etwas theoretisch werden. Wenn Sie also lieber gleich zum Praktischen übergehen wollen, dann lesen Sie einfach bei den Folgen für unser Handeln weiter. Am besten aber, sie sind tapfer und lesen alles...

3. November 2011

Die Vermessung des Selbst

Heute ging es im Podcast einer meiner Lieblingssendungen "Der elektrische Reporter" um einen neuen Trend, der seinen Weg langsam auch nach Deutschland schafft: quantified self. Die Vermessung des Selbst ist eine etwas extreme Manifestation der Selbsterkenntnis, die nicht auf Introspektion oder Psychologie setzt, sondern auf Technik und die durch sie messbaren Veränderungen des Körpers. Und dabei geht es nicht nur um das Steigen auf die Waage oder die Blutdruckmessung beim jährlichen Arztbesuch. Vielmehr beobachten sich die Self Quantifier selbst auf Schritt und Tritt. Die Idee ist auch nicht ganz neu, zum Beispiel ist von Immanuel Kant überliefert, dass er sich penibel an seine Routinen hielt und dabei jede kleine Normabweichung seines Körpers und dessen Ausscheidungen beobachtete. Heute stehen dem Selbstvermesser lauter technische Gadgets zur Verfügung, deren angesammelte Informationen dann in Datenbanken gespeichert, ausgewertet, in neue Zusammenhänge gestellt und verglichen werden können. Neu ist vor allem die Öffentlichkeit (Blogs oder Foren), in der diese Selbstvermessungen nun protokolliert werden.

Es gibt nicht nur GPS-Apps, die über das Handy jeden gejoggten Kilometer metergenau aufzeichnen, man kann auch beim Schlafen seine Gehirnströme aufzeichnen lassen, die Herzfrequenz messen und sich sogar über die eigene Stimmung informieren lassen, falls man sie nicht von alleine bemerkt hat. Die Grenzen zum Blödsinn sind also fließend, einige sinnvolle Aspekte sehe ich aber doch.

1. November 2011

Die drei Hauptzutaten für eine funktionierende Firmenkultur

Bundesarchiv Bild 183-1987-0402-006, Getränkekombinat Magdeburg, Fließband, IndustriearbeiterinBei Bret L. Simmons las ich gerade einen sehr schönen und einfachen Artikel über die Motivatoren und deren Blockaden bei der Arbeit (danke Katharina Scheid für den Tipp). Die Grundgedanken will ich hier zusammenfassen.

Ob eine Gruppe funktioniert oder nicht, hängt am Ende immer von der Kommunikation und vom zivilen Umgang miteinander ab. Obwohl das so einfach sein sollte, lassen wir den respektvollen Umgang im Arbeitsalltag zu oft vermissen. In den Fokus rücken erst einmal praktisch relevante Umstände, die zwar die Arbeitsaufgaben selbst betreffen, erstaunlicherweise aber zweitrangig für die Grundmotivation der Mitarbeiter sind. Am wichtigsten sind kulturelle Aspekte und wie sie in der Firma vor allem vom Management gelebt werden. Hier sind die drei Hauptaspekte einer Unternehmens- und Management-Kultur, die fundamental zur Motivation der Mitarbeiter beitragen und deren Abwesenheit eine Firma über kurz oder lang vor die Wand fahren lässt:
  1. Achten der Mitarbeiter, ihrer Würde und Ideen
  2. Auf Kooperation, statt auf Konkurrenz ausgerichtete Prozesse
  3. Transparente, ehrliche und respektvolle Kommunikation 
Die respektvolle Kommunikation schafft das Vertrauen, das die ersten zwei Bedingungen erst ermöglicht. Zusammen beeinflussen diese Aspekte die Motivation schon bevor es überhaupt an die Erledigung einer Aufgabe geht. Sie sind also fundamental und können nur über einen bewussten Umgang mit der Firmen- und Management-Kultur in einem Unternehmen etabliert werden. Ironischerweise halten sich die "Macher" in den Firmen nur sehr ungern mit solchen schwammigen Dingen wie Firmenkultur auf, obwohl lange klar ist, dass sie der effizienteste Weg zu einer über Motivation gesteuerten effizienten Arbeit sind.

Im Artikel Die richtige Arbeit gibt es nicht, nur richtiges Arbeiten habe ich bereits über die Self Determination Theorie geschrieben, nach der es die Aspekte Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit sind, die uns bei der Arbeit motivieren. Diese können jedoch nur in einer Kultur verwirklicht werden, wie sie oben beschrieben wird.


Dieser Artikel wurde von Bret L. Simmons' Catalysts And Inhibitors Affect Inner Work Life inspiriert.