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17. Juni 2014

Sieben Gründe für unsere Unzufriedenheit im Job

Warum wir in unserem Arbeitsleben oft unglücklich sind

Die Arbeit ist bei den meisten von uns ein großer Teil des Lebens. Man kann es sich eigentlich nicht leisten, damit unglücklich zu sein. Und doch akzeptieren wir dieses Unglück allzu oft. Der britische Philosoph Alain de Botton hat in seinem Book of Life Gründe für die Unzufriedenheit und Wege zur Zufriedenheit im Beruf analysiert. Erst, wenn wir die Gründe verstehen, können wir auch etwas gegen den Frust tun.

preparing for a date with misery
Krawatte statt Seele? (Quelle: Gilbert Rodriguez via Flickr CC)

Mit ziemlicher Sicherheit sind Sie einigermaßen frustriert bei der Arbeit. In einer perfekten Welt sollte Arbeit uns so viel positives geben können: eine Berufung und das Gefühl von Errungenschaft, Sinnstiftung, ein Zusammengehörigkeitsgefühl und sogar Freundschaften. Aber eigentlich geht immer etwas schief: Unsere wahren Talente werden nicht erkannt und eingesetzt, die Firma scheint uns nicht würdig, unsere Lebenszeit für sie zu opfern, die täglichen Aufgaben erscheinen trivial, aber stressig und viele im Management sind große kindische Tyrannen, wie wir sie noch im Kleinformat aus dem Buddelkasten kennen.

Oft geben wir uns selbst voreilig die Schuld für diese Misere: Unsere Berufswahl war nicht durchdacht, sondern impulsiv, wir sind eitel und faul und wir haben nicht den Drive unseres ehemaligen Klassenkameraden, der inzwischen ein kleines Imperium führt. Trotz einiger Wahrheit, die vielleicht in unserer Selbstverurteilung liegt, viele Faktoren, die zum Versanden unserer Träume führen, liegen gar nicht innerhalb unserer Kontrolle und Macht, sondern haben ihre wesentlichen Gründe in den Strukturen unserer Anstellungs- und Wirtschaftsverhältnisse. Uns nur selbst dafür verantwortlich zu machen, bedeutet, dass wir diese gesellschaftlichen Realitäten missverstehen. Hier sind einige dieser Faktoren, auf die unsere Frustation im Arbeitsalltag zurück zu führen ist:

1. Ich habe den falschen Job

Sonntag Abend ahnen wir plötzlich wieder, dass unser Leben an irgendeinem Punkt eine falsche Richtung bekommen hat. Vielleicht sind wir Architekt geworden, weil wir meinten, dort unsere Träume und Talente verwirklichen zu können und jetzt stecken wir über alle Ohren in tausenden Abhängigkeiten, die wir hassen. Oder wir haben in der Jugend gedacht, dass unsere Freude, Zeitungen und Magazine zu lesen gleichzeitig bedeutet, sie zu schreiben oder zu verlegen, sei eben so ein Spaß. Oder als Jurastudenten dachten wir, für die Gerechtigkeit in der Welt kämpfen zu wollen und nun sorgen wir nur noch dafür, dass irgendwelche Rechtebesitzer in der Pharmaindustrie immer mehr Geld anhäufen.

Wir wundern uns, wie es zu diesen absurden Fehlentscheidungen kommen konnte, dabei sind die Gründe denkbar einfach: Wir wussten damals einfach nicht, was auf dem Spiel stand. Damals mussten wir eine Entscheidung fürs Leben treffen, ohne dass wir überhaupt die kognitiven Voraussetzungen für das Finden dieser Entscheidung hatten. Und nun sind wir in einem Käfig gefangen, den eine zwanzig Jahre jüngere Version unserer selbst gebaut hat.

Unsere Gesellschaft ist fasziniert von diesen Geschichten außerordentlicher Menschen, die von Jugend an ihre Neigungen und Talente in ihrer Karriere verwirklicht haben. Diese Menschen - das können Schriftsteller, Musiker, Wissenschaftler oder auch Pfarrer sein - wurden durch eine Berufung zum Erfolg katapultiert und scheinen durch die Hand eines glücklichen Schicksals beschützt.Was diese ganz wenigen Ausnahmen können, muss doch allen möglich sein: Jeder - so unser Trugschluss - ist doch seines eigenen Glückes Schmied. In Wirklichkeit irren die meisten von uns zwischen verschiedenen Möglichkeiten hin und her, ohne zu wissen, welche Tätigkeiten uns wirklich mit Freude erfüllen würden, welche Karriereoptionen uns überhaupt zur Verfügung stehen und welche von denen zu uns passen würden. Oft haben wir dann unter Druck und beinahe blind die falschen Entscheidungen getroffen.

Um zu entscheiden, wo wir zwei Wochen Urlaub verbringen, gehen wir oft sorgfältiger vor. Vielleicht waren wir sogar zweimal bei einem Karriereberater, um zu entscheiden, womit wir die nächsten zig Jahre verbringen werden. Berufsberatung müsste einer der größten Wachstumsmärkte unserer Zeit sein. Wissenschaftler müssten um die Entwicklung der neusten Ansätze und Technologien auf dem Feld der Karriereplanung konkurrieren. Die Stars der Szene müssten täglich in den Massenmedien zu sehen sein. Im Kontrast dazu scheint Karriereberatung eher auf dem Stand der Hirnchirurgie im Mittelalter zu sein: ein Mix von Quacksalberei, Mutmaßungen und Hoffen und Bangen. Dass wir also in irgendwelche Berufe stolpern und auf gut Glück einer ungewissen Zukunft entgegen gehen, ist nicht einfach nur unsere Schuld, wir sind eben auch schlecht beraten.

2. Das macht alles keinen Sinn

Jeden Tag träumen tausende Menschen in großen Firmen davon, zu kündigen und eine kleine Pension irgendwo im Grünen aufzumachen. Meistens - zum Glück auch - bleibt das eine reine Fantasie, die uns jedoch eine Menge darüber verrät, was wir von unserem Job wollen: Wir sehnen uns danach, dass er sinnvoll ist.

Arbeit wird immer dann sinnvoll, wenn wir jemandem durch unser Tun helfen können, sein Leiden zu verringern oder seine Freude zu vermehren. Das kann durch einen großen Eingriff geschehen wie zum Beispiel durch eine Herzoperation, oder durch einen kleinen Service wie beispielsweise wenn wir jemandem einen guten Tee zubereiten, einen sonnigen Sitzplatz im Garten anbieten oder helfen, ein gutes Restaurant zu finden.

Fast alle Firmen versprechen ihren Kunden auf irgendeine Art mehr Glück und Zufriedenheit. Leider geraten die Gewinnerwartungen dieser Firmen mit ihren Versprechen meist in einen Konflikt. Aus der Perspektive der Gewinnmaximierung macht es für eine Softwarefirma zum Beispiel eine Menge Sinn, nutzlose Programme zu verkaufen oder für eine Lebensmittelfirma, ihre Kekse mit Glukose zu tränken. Alles folgt der Logik des Marktes. Für das Erleben von Sinnhaftigkeit ist das für die Mitarbeiter dieser Unternehmen jedoch desaströs.

Ein Unternehmen kann von seinen Mitarbeitern nur als sinnvoll erlebt werden, wenn sie wenigstens ein klein wenig stolz auf das Endprodukt sein können. Die Tragödie der meisten Unternehmen ist es, dass ihr Kernziel nicht darin besteht, hilfreich oder nützlich zu sein, sondern darin, irgend ein paar wenige Menschen reich zu machen. Und das ist ein Ziel, das nun wirklich keinen Mitarbeiter dazu motivieren kann, seine Lebenszeit zu opfern.

3. Was habe ich heute erreicht?

Am Ende des Arbeitstages fragen wir uns oft, welchen Beitrag wir eigentlich geleistet haben. Oft dauert es Jahre, bis ein Projekt Früchte trägt. Wenn wir dann noch einer von Tausenden Kollegen sind, wird es uns unmöglich erscheinen, einen greifbaren Eindruck von unserer eigenen Wirksamkeit zu bekommen.

Wenn man früher der Schuster im Dorf war, konnte man nach einigen Stunden Arbeit Tag auf Tag für viele Monate die anderen Leute im Ort mit den eigens angefertigten Schuhen an den Füßen beobachten. Der Bäcker stand nachts auf, machte sich an die Arbeit und hatte schon zum Frühstück seiner Nachbarn das gute Gefühl ganz grundlegend ihre ersten Bedürfnisse befriedigt zu haben.

Solche Arbeitserfahrung ist unter den modernen ökonomischen Bedingungen größtenteils verschwunden. Die Produktion in viele kleine Arbeitsschritte zu unterteilen, die nun ganz spezialisiert und fragmentiert von unterschiedlichen Arbeitern ausgeführt wurden, war einfach profitabler. Das lustigste am Zeitalter der Spezialisierung sind vielleicht seine mannigfachen idiotischen Job-Bezeichnungen wie Vision Clearance Engineer (Fensterputzer), Facility Manager (Hausmeister), Waste Removal Engineer (Müllmann), Fachkraft für Bodenhygiene (Putzfrau) oder Master of Welcome (Rezeptionist).

Die Dinge wurden also viel effizienter und als Kunden bekommen wir unsere Ware damit viel schneller und billiger. Die Gewinnmargen stiegen auch, aber für die meisten in der Produktion oder am Schreibtisch ist es dadurch unmöglich geworden, ihren eigenen Beitrag zum Erwirtschafteten zu verstehen.

4. Warum ist mein Verdienst so gering?

Wenn unser Arbeitgeber seinen Kunden "Lebensmittel zu konstant niedrigen Preisen" (ALDI) oder die "die niedrigsten Preise zu allen unseren Flugzielen" (Ryanair) oder die Elektrogeräte "zu dauerhaft tiefen Preisen" (Saturn) verspricht, dann erschließt sich sofort, warum wir gar nicht so viel verdienen können. Konkurrenz ist eine tolle Sache, wenn man weniger für die Eier oder die Flugtickets bezahlen möchte, wenn man aber der Bauer ist oder ein Flugbegleiter oder gar das Huhn, das die Eier legen muss, dann ist der Preiskampf eine Misere, denn er bedeutet weniger Sicherheit, geringe Bezahlung und beschissene Arbeitsbedingungen.

Staatliche Regulierungen - inzwischen ein Schipfwort - wie Mindestlöhne oder Preisbindungen, können helfen. Ein Ei kann nun mal nicht nur 18 Cent kosten, wenn das Huhn vernünftig gefüttert werden, eine gesunde Lebensumgebung haben soll und der Bauer und seine Angestellten auch noch ihren Lebensunterhalt davon verdienen müssen. Ein Ei für 18 Cent hört sich vielleicht an wie ein Schnäppchen, aber es kommt uns über das Leiden aller Beteiligten bis hin zu unserer eigenen Gesundheit teuer zu stehen. Unser Konsumverhalten ist ein Produkt unserer Kultur und es kann geändert werden. Wenn ich kein Ei von einem missbrauchten Huhn, einem verarmten Bauern und seinen unterbezahlten Angestellten möchte, kann ich mehr zahlen und so eine gesunde und für alle faire Produktion unterstützen.

5. Es ist einfach zu viel zu tun

Wenn wir mal für eine Minute eine Pause einlegen, fühlen wir uns schuldig. Am Abend können wir kaum entspannen, aber der Alkohol hilft. Ständig checken wir unsere E-Mails oder sonstige Infos im Netz. Es ist leicht, die Technologie dafür verantwortlich zu machen, aber da ist etwas, das tiefer ist, als unsere Technikfaszination: Angst.

Wir sind gestresst, weil wir Angst haben und vielleicht haben wir diese Angst aus gutem Grund. Wir kleben an unseren Schreibtischen, denn es scheint sehr gefährlich, sie zu verlassen. Das Büro ist zu einer Kampfzone geworden. Die Empfehlung, sich zu entspannen und eine Auszeit zu nehmen gleicht der Empfehlung an einen mittelalterlichen Ritter, seinen Helm während einer Schlacht abzunehmen und sein Picknickkörbchen auszupacken. Die Arbeitswelt ist dermaßen wetteifernd und die Strafe für ein Nachlassen im Job häufig so hoch, dass die Angst davor uns zu Workoholics machen kann. Auch wenn diese Reaktion oft einen zu hohen Preis fordert - unsere Gesundheit geht vor die Hunde und unsere Beziehungen in die Brüche - ist sie doch nicht ganz unbegründet, sondern eine Konsequenz des mörderischen Wettbewerbs unserer Ökonomien.

6. Die Kollegen sind die Hölle

Jeder Job erfordert Zusammenarbeit mit Menschen, um die wir unter anderen Umständen einen weiten Bogen machen würden. Viel zu schnell kann uns eine gemeine Bemerkung den ganzen Tag versauen. In der Privatsphäre können wir uns die Wunden lecken, wir können uns beim anderen beschweren, schmollen oder streiten. Auf der Arbeit wird das schnell als unprofessionell verurteilt. Also liefern wir uns den anderen aus, unsere Würde leidet, unser Seelenfrieden wird gestört und unser Selbstwertgefühl torpediert. Im Berufsleben unterwerfen wir uns verschiedenen Machtzusammenhängen. Der Chef muss sich über meine Gefühle keine Sorgen machen. Unser Recht, die zugefügten täglichen Schmerzen laut zu beklagen haben wir gegen den monatlichen Gehaltscheck eingetauscht.

7. Nur einer kann der Sieger sein

Es gibt viel mehr Fantasien über das große Los, als dass es Gewinner gäbe. Aber eigentlich wollen wir alle Gewinner sein und freuen uns über Erfolg und Aufstieg als Anerkennung. Fast alle heutigen Unternehmen sind wie Pyramiden strukturiert und das bedeutet Enttäuschung für die meisten von uns. In jeder Gruppe mit ambitionierten Kollegen wird am Ende nur einer zum Chef befördert. Und diese Beförderung ist oft nur zu kleinen Teilen auf Talent und Leistung zurückzuführen. Es wird kein faires Rennen geben, der Ausgang wird schockierend willkürlich sein: Wer versteht sich mit wem? Wer war mit dem Chef ein Bier trinken? Wer war gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Auch wenn es menschlich ist, dass solche Faktoren eine große Rolle spielen, so sind sie doch willkürlich genug, als dass sich viele andere leistungsfähige Kollegen fragen müssen, wofür sie sich eigentlich den Arsch aufreißen.

Und nun?

Keiner dieser Gründe für unsere professionelle Unzufriedenheit kann von heute auf morgen beseitigt werden. Wir können aber erkennen, aus welchen Strukturen sie resultieren und sollten uns gemeinschaftlich darüber empören, anstatt uns individuell schlecht zu fühlen. Diese Probleme betreffen uns alle täglich und ziemlich demokratisch. Jeder sollte verstehen, dass es im Grunde nicht persönlich gemeint ist. Und dennoch darf man sich das nicht dauerhaft antun. Manche Zumutungen muss man auch zurückweisen oder mit zivilem Ungehorsam beantworten. Man kann auch selbst für sich einordnen, ob man die sogenannte Karriereleiter überhaupt attraktiv finden will. Und natürlich kann ich auch meine Gefühle im Büro zum Ausdruck bringen. Was heißt hier unprofessionell? Das ist immer noch besser als ein Magengeschwür. Und wenn man wirklich keinen Sinn in seiner Arbeit finden kann, den eigenen Beitrag nicht mehr sieht und dann auch noch unterbezahlt wird, dann sollte man sich wirklich ganz grundlegende Fragen stellen.



Dieser Artikel beruht auf dem englischen Artikel Why you’re probably not enjoying your job very much vom 30. Mai 2014 aus The Philosopher's Mail.

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