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Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

29. Dezember 2013

2013 - Was ist aus den guten Vorsätzen geworden?

Und was kommt 2014?

Wie war das Jahr 2013? Schnell war es, anstrengend und lehrreich. Dieses Jahr habe ich vergleichsweise wenig schreiben können. 2011 und 2012 waren es pro Jahr noch 100 Artikel auf Geist und Gegenwart, dieses Jahr habe ich es noch auf 70 gebracht.* Das liegt daran, dass ich bisher nur in meiner Freizeit schreibe und 2013 hatte ich davon deutlich weniger als in den Jahren zuvor.

Das bringt mich gleich zu einem Schwerpunkt, den ich 2014 im Auge behalten muss: Bei aller Leidenschaft für meinen Job als Leiter einer Personalabteilung für rund 1700 Kollegen, muss ich im nächsten Jahr die Balance zwischen meiner Arbeit und meiner Freizeit wieder besser auf die Reihe bekommen. Durch weitreichende Umstrukturierungen in der Firma, hat besonders HR dieses Jahr die Ärmel richtig hochkrempeln müssen. Zehn Arbeitsstunden am Tag waren eher die Regel für uns. Das ist an sich auch gar kein Problem, wenn man nicht "nebenher" auch ein Privatleben mit Leidenschaften, Wünschen und Verpflichtungen hätte.

Mir ist eine Ausgleichszeit zur Arbeit aus mehreren Gründen sehr wichtig: Sei es, um mit meiner Frau tatsächlich ein gemeinsames Leben zu führen, meinen Sport, meine Gesundheit und den Boxsport-Verein nicht zu vernachlässigen oder um mich dem Lesen und Schreiben zu widmen, ohne das ich im Leben stagnieren und nichts mehr dazu lernen würde. Ich hatte mir für 2013 aber auch vorgenommen, mehr raus zu gehen, mehr zu erleben. Das finde ich unheimlich wichtig, denn letztlich zählen im Leben die Erlebnisse, an die wir uns lange erinnern.

Das erste Mal wie ein Profi mit Flaschen tauchen...

24. Dezember 2013

Einfach nur schauen

Der Unterschied zwischen Sehen und Sehen

Wie können wir unsere gefühlte Entfremdung von der Natur überwinden? Durchs genaue Hinsehen vielleicht? Hugo Whately lehrt an Alain de Bottons School of Life in London und meint in Simply Seeing (Link zum englischen Originaltext), dass das Problem mit unserer Natur und Umwelt nicht nur in ihrem Verfall besteht, sondern bereits im Verfall unserer Wahrnehmung von Natur. Achtsamkeit unserer Umwelt gegenüber fängt in unseren Augen an. Ein interessanter Gedanke, den Whately hier mit Goethe entfaltet. Was kann das für uns als Individuen, aber auch für die Menschheit bedeuten? Da der Text nur auf Englisch vorliegt, habe ich ihn in der Hoffnung übersetzt, dass er zu unserem Wohl auch im deutschen Sprachraum die Runde macht...

Unsere wissenschaftliche Weltdeutung narrt uns, wenn wir glauben, dass uns die bloße Anhäufung von Wissen näher an unsere Welt um uns herum heran bringt. Es ist nicht das Wissen, das zählt, wenn wir als Menschen direkte Erfahrung suchen, es ist die Methode. Es gäbe einen "Unterschied zwischen Sehen und Sehen", meint Goethe in seiner Einleitung in die Morphologie und niemand, der aufmerksam schaut, werde die Natur jemals tot und stumm finden.

Gib deiner Wahrnehmung Raum und Zeit (Leaf von dr_tr via Flickr)

Unser Gefühl der Entfremdung von der Natur

Goethes Verständnis der Beziehung zwischen uns und der natürlichen Welt, so wie wir sie wirklich sehen können - mit der ganzen Aufmerksamkeit unseres Bewusstseins - zeigt uns auf, wie entkoppelt und entfremdet wir von der Natur sind. Wenn wir nicht richtig hinsehen, dann werden wir die Welt um uns herum einfach nicht fühlen. Obwohl wir ganz strikt gesagt von der Natur gar nicht abgetrennt sein können, denn wir sind immer in der Natur, wir sind ein Teil von ihr. Wir bestehen aus Natur. Und trotzdem ist das Gefühl der Entkopplung und Entfremdung von der Natur in uns sehr überzeugend, das Gefühl von Distanz zur Natur und Vertreibung aus ihr ist überwältigend. Unser Verdacht, dass wir die Verbindung zur Natur verlieren, lässt uns raus gehen und sie suchen: Tiefes Einatmen einer Brise Wind am Meer, das Panorama von einem Berg oder der kurze Blick auf die zahllosen Sterne an einem späten Abend. Wenn wir uns von der Natur entkoppelt fühlen, dann können wir immer raus gehen und versuchen, in sie einzutauchen. Goethe spricht die andere Seite an: Eine Verbindung mit der Natur entsteht nicht nur dadurch, dass wir raus zu ihr gehen, sondern dass wir sie in uns hineinlassen, dass wir sie sehen.

Der Auffassung des Universalgelehrten, des Philosophen, Schriftstellers, Wissenschaftlers und Politikers Goethe liegt eine etwas sonderbare, für Wissenschaftler vielleicht schamlose Einsicht zugrunde: Unser Verständnis der Welt wird dadurch geschärft, dass wir uns verdammt noch mal die Zeit nehmen, richtig hinzukucken. Im Auge seines Geistes formte Goethe ganz detailliert die Konturen, Kurven und Farben der Steine und Blumen nach, die er studierte. Dieser intensive Blick auf die Dinge war für ihn die Voraussetzung einer richtigen wissenschaftlichen Analyse. Die intime Kenntnis des Gegenstandes war Goethes Wissenschaft. 

Sehen als Form des Seins

Wenn wir die Verbindung zur Natur wieder fühlen wollen, sollten wir unsere Kategorien und Klassifikationen mal für einen Moment zur Seite legen, eine Pause machen und in die Natur schauen. Mal nicht nachdenken, sondern ein Blatt, einen Grashalm oder ein bisschen Erde in die Hand nehmen, anschauen und in unser Bewusstsein aufnehmen. Mit ganz gezielter Aufmerksamkeit tastet unser Auge die Miniaturlandschaft in unserer Hand Millimeter für Millimeter ab, wir tauchen ein ins Detail. Vergessen wir mal alles, was wir je gelernt haben, jedes Wort, dass wir je gesagt haben und versuchen wir, nur zu schauen. Als Spezies, so Goethe, ist der Mensch sehr gut im Sehen. Und wenn wir dem Schauen Zeit und Platz einrichten, geduldig und ohne Ablenkung, dann kann Seen eine Form des Seins werden.

Philosophen und deskriptive Wissenschaftler nennen das "exakte Sinneswahrnehmung", "unmittelbares Bewusstseinserleben" (in der Phänomenologie) oder, um noch einmal ein Wort Goethes zu nutzen: Morphologie als das Studieren der Form, das mit unserer bewussten und gezielten Wahrnehmung beginnt. Um es weiter zu fassen und auf unsere heutige Situation anzuwenden: Das dramatische Problem - so der Goethe Spezialist Jeremy Naydler - mit unserer Natur und Umwelt besteht nicht nur in ihrem Verfall, sondern bereits im Verfall unserer Wahrnehmung von Natur.

Unser Gefühl von Naturdefizit ernst zu nehmen und unsere Entfremdung von der natürlichen Umwelt zu lindern, ist keine Frage der Expertise, sondern eine Frage der Technik, der Methode. Mehr über die Tiere, Berge und Pflanzen zu wissen, ist an dieser Stelle nicht der Punkt. Der Punkt ist, sich darüber klar zu werden, wie wir die Dinge wahrnehmen und uns dann ganz bewusst unserer Aufmerksamkeit den Dingen gegenüber hinzugeben.

Wir müssen nicht noch mehr wissen, sondern nur mehr schauen, langsamer sehen, mit Mut und Bewunderung. Das Blatt, der Grashalm oder das bisschen Erde in deiner Hand sind schließlich Teile dieses Kosmos. Gib ihnen Zeit und Raum in deiner bewussten Wahrnehmung und lass die Natur ins Auge deines Geistes. Man könnte es kognitive Gastfreundschaft nennen, oder eben einfach nur Schauen!


17. Dezember 2013

Sind wir böse? Sind wir dumm? Ist das dasselbe?

Was ist das Böse? Ich denke, darauf erst einmal beispielhafte Antworten zu finden, fällt uns nicht schwer. Denken wir an Serienmörder, Terroristen, den Holocaust oder vielleicht auch an Überschwemmungen, Krankheiten und menschenfressende Tiere. Die Welt ist voll von Bosheit, meistens sind es die Menschen, die böses tun. Böse ist das Gegenteil von gut, die beiden Begriffe sind die Antagonisten unserer Moralvorstellungen. Wenn etwas moralisch richtig ist, dann ist es gut, wenn etwas moralisch falsch ist, ist es böse. So unser modernes Verständnis vom Bösen. Aber wie ist es z.B. mit Naturkatastrophen, die jetzt vermehrt über uns hereinbrechen und wahllos Menschen in den Tod reißen?

Immer wieder in unserer Geschichte, besonders nach ganz großen Katastrophen, stand die Frage im Raum, ob die Welt, so wie sie ist, nicht eigentlich böse sei. Leid und Sterben waren in der Vergangenheit vergleichbar allgegenwärtig, während es heute eher Ausnahmesituationen sind. Wir sind heute, nach der Aufklärung, auch weniger geneigt, Erdbeben, Dürren, Fluten, Tiere oder sonstige Naturphänomene böse zu nennen. Vielmehr machen wir die oben genannte moralische Unterscheidung. Nur wer oder was selbst Entscheidungen treffen kann, kann auch moralisch falsche Entscheidungen treffen und damit böse sein. In früheren Epochen, als die Menschen eine magische Vorstellung von der Welt und ihrer Schöpfung hatten, gab es diesen Unterschied nicht. Das Erdbeben von Lissabon im November 1755 spitzte die Frage zu, wie ein gütiger Gott Tausende Menschen ohne Unterschied in den Tod reißen kann. Es war zuerst undenkbar, dass hier einfach völlig gleichgültige Naturkräfte am Werk waren, die in keinen intentionalen Zusammenhang zu Menschen zu bringen waren. Leibnitz fand darauf die vorläufige Antwort, dass Gott die beste aller möglichen Welten geschaffen hat und dass uns die unendliche Weisheit fehlt, das in seiner Gänze zu durchschauen. Aber auch heute gibt es nach jeder Naturkatastrophe Schlagzeilen wie "Die Natur schlägt zurück". Dabei steht hier gar nicht zur Diskussion, ob unser Umgang mit der Natur auch solche Folgen wie Erderwärmung inklusive Anstieg des Meeresspiegels hat, sondern der Gedanke, dass die Natur sich rächt. Rache kann in unserem naturwissenschaftlichen Verständnis nur von etwas beseeltem ausgehen, aber nicht von Plattentektonik, Eisbergen oder Vulkanen.

14. Dezember 2013

100 Jahre im Spiegel großer Denker

Die erste Sonderausgabe des Philosophie Magazins

Eine Besprechung inklusive einiger ausgesuchter und manchmal philosophischer Gedanken zu Themen wie Krieg, Diktatur, Demokratie, Ernährung, Terrorismus, Finanzkrise und Informationszeitalter.

Die Redaktion des von mir sehr geschätzten Philosophie Magazins hat eine Sonderausgabe heraus gebracht: 1914 - 2014: Das Jahrhundert im Spiegel seiner großen Denker. Schon der plakative schwarz-rot-weiße Umschlag drückt aus, worum es vor allem gehen wird: um Politik und Geschichte. Der Beginn des ersten Weltkrieges, der Faschismus, die "Stunde Null", die Studentenbewegung, der RAF-Terrorismus, Tschernobyl, Aids, der Fall der Mauer, 9/11, der Drohnenkrieg, Eurokrise und Wikileaks markieren einige der Fixpunkte, an denen sich das Heft entlang bewegt. Für den Leser, der ein Kaleidoskop unsystematisch zusammengestellter intellektueller Blitzlichter der letzten 100 Jahre schätzt, ist das ein empfehlenswertes Heft. Man erlangt durchaus ein Verständnis für die Wahrnehmung der Intellektuellen in ihrer jeweils gegenwärtigen geschichtlichen Verortung. Aber wo ist die Philosophie?

8. Dezember 2013

Willkommen in der Entfremdung

Wenn die Beziehung zur Lebenswelt abreißt


Während meines Philosophiestudiums ging ich durch eine tiefe Krise. Ich hatte ganz plötzlich große Schwierigkeiten, mich selbst in Beziehung zu meiner Umwelt und meinen Mitmenschen zu sehen. Alles um mich herum schien mir ziemlich sinnlos und abstoßend. Ich wusste nicht mehr, was ich selbst tun konnte, um irgendwie sinnvoll an der Welt teilzuhaben.

Ich konnte auch kaum mit jemandem drüber reden, denn niemand verstand, wie es mir ging. Wurde ich doch mal gefragt wie ich das beschreiben würde, was ich erlebte, dann sagte ich, dass ich mich von allen Menschen und den Objekten um mich herum vollkommen entfremdet fühlte.

Damit hatte ich zumindest ein Wort. Dieses Wort war wie der Anfang eines Fadens in einem verknoteten Knäuel. Hier konnte ich ansetzen und langsam versuchen, den Knoten zu lösen, in dem ich den Anfang des Fadens in den Fingern behielt und durch das Knäuel zog, um es zu entwirren. Der Faden, den ich so aufnahm, wurde immer länger und das Knäuel langsam kleiner. Die Dinge fingen wieder an, Sinn zu machen.


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Willkommen in der Entfremdung: Was hat diese Welt mit mir zu tun? (Foto: Vincepal via Flickr)


1. Dezember 2013

Optimismus und Okzidentalismus

Von der Utopie des gesellschaftlichen Fortschritts

"Ich gehe davon aus, dass es den europäischen Theoretikern von Nutzen wäre, ihre koloniale, eurozentristische Einstellung beiseitezulegen und den globalen Kapitalismus in seiner Gänze und in allen seinen Regionen zu betrachten." Nadja Tolokonnikova (Pussy Riot)*

"Nadezhda Tolokonnikova" by Dan Witz, London
"Nadezhda Tolokonnikova" von Dan Witz, London (via Flickr)

Ich liebe den Westen, unsere Demokratie, die Meinungsfreiheit und die immer weiter fortschreitende technologische Entwicklung, die unsere Möglichkeiten erweitert, die Lebensstandards verbessert, uns länger und gesünder leben lässt und unseren luxuriösen Lebenswandel zunehmend nachhaltiger gestaltet (Solar- und Windkraft, Elektroautos, ökologische Landwirtschaft etc.).

Der pragmatische Optimismus

Nachdem der eiserne Vorhang aus meinem Leben verschwand und mir völlig neue Möglichkeiten der Entfaltung gab, machte ich mich nach Westen auf. Erst besuchte ich Nordamerika nur, verliebte mich in die unbegrenzten Möglichkeiten und zog schließlich hin, um an der Ostküste zu leben und zu studieren. Anschließend arbeitete ich für Google, den größten, innovativsten und auch international erfolgreichsten amerikanischen Internet-Giganten und lernte dort, die Welt als freundliche, offene und immer wieder positive Herausforderung für den Fortschritt der Menschheit kennen. Diese optimistische Perspektive und die daraus resultierende Pragmatik (alles ist machbar) sind zu einem Teil von mir geworden, den ich nicht mehr missen möchte.

20. November 2013

Menschen sind einfach netter als Schimpansen

Wo kommt unser moralisches Verhalten her?

Auf Edge.org schreibt der besonders an Moral und kognitiver Entwicklung interessierte Psychologe Paul Bloom über die Frage, warum Menschen, selbst unter widrigen Umständen oder wenn sie nichts zu gewinnen haben, nett zueinander sind. Wo kommt die Moral her und wie werden wir immer toleranter? (Dank an Erich Feldmeier für den Tipp!)

plane folk
Ein Glück keine Schimpansen (Foto von Chris via Flickr)

Sie sind sicher schon einmal geflogen, oder? Im Grunde werden sie mit unerträglich vielen anderen Menschen für einige Stunden ganz eng in eine metallische Röhre eingesperrt. Der Sitznachbar neben ihnen kann aus Platzmangel nicht einmal die kulturell geprägte körperliche Distanz zu ihnen aufrecht erhalten. Dicht hinter ihnen riecht einer unangenehm, ein anderer redet zu laut oder lacht dauernd und Kleinkinder fangen an zu schreien. Jemand drängelt sich durch, tritt ihnen auf den Fuß und die Flugbegleiter fahren den Getränkewagen gegen ihr Knie. Stress setzt ein, ihr Aggressionspotential wird aktiviert und dennoch benehmen sie sich in der Regel zivilisiert. Jetzt stellen sie sich vor, statt Menschen wären es Schimpansen, die dort eingesperrt wären. "Chaos würde herrschen. Spätestens wenn das Flugzeug landet, würden Körperteile in den Gängen verstreut liegen und die Babys würden wohl nicht überlebt haben." Menschen sind einfach netter als Schimpansen.

Selbst wenn wir nichts durch unseren Altruismus zu gewinnen haben, tun wir "das Richtige": Wir geben Fundsachen zurück, wir spenden Flutopfern, wir hinterlassen selbst dort Trinkgelder, wo wir nie wieder hingehen werden und in Experimenten in den USA kamen mehr als 50% von wahllos in der Stadt verstreuten Briefen bei den Empfängern an. Die Finder haben sich also kurz zu Postboten gemacht, einfach nur, weil sie nett sind. Aber warum sind wir nett?

17. November 2013

Was ich von Leistungssportlern für mein Leben lerne

Tim ist Student aus Berlin. Als Man Of Action und bei Du bist genug! schreibt er über das Selbstwertgefühl und möchte nichts weniger, als "das Leben von Menschen zum Besseren verändern". Außerdem schaut er gerne Profisport im Fernsehen, redet mit Spitzensportlern über Motivation und lernt daraus für das eigene Leben. Was genau? Lest selbst...

10. November 2013

Lebenswege: Job gekündigt, losgelaufen und täglich ankommen

"Wenn du unzufrieden bist mit dem, was du gerade tust, dann verändere etwas!" Das ist der so fundamental einfache und unausweichliche Kerngedanke eines gelungenen Lebens, mit dem uns Katrin Linzbach vertraut macht. Klar, was verändern klingt gut. Aber was denn? Das muss wohl jeder selbst herausfinden, aber eines ist sicher: Man sollte dabei nicht zu klein und bescheiden denken. Kleine erste Schritte machen ist wichtig, aber irgend wann muss auch mal ein Sprung ins Ungewisse kommen. Katrin Linzbach erzählt, wie sie sich nicht von trügerischer Sicherheit und Angst zurückhalten ließ, sondern sich konequent auf die Suche nach ihrem Weg gemacht hat. Dabei scheint die Bewegung für sie das Wichtigste zu sein und nicht irgend ein fixes Ziel.


Warum es sich lohnt, seinen eigenen Weg zu gehen

So manches Mal habe ich mich gefragt, warum ich nicht ein "ganz normales" Leben führen kann, wie so viele andere Menschen. Ein sicherer Job, ein geregelter Tagesablauf, einen konkreten Plan vom Leben. Heute weiß ich – das passt einfach nicht zu mir. Und ich bin sehr froh, dass ich den Mut aufgebracht habe, mich für mein Leben zu entscheiden und nicht das der anderen: Vor vier Jahren hat mich mein Drang nach Selbstbestimmung dazu gebracht, meine sichere Festanstellung zu verlassen.

Einen langen Weg gegangen: Katrin Linzbach auf dem Jakobsweg

Ich bin lange einen Weg gegangen, von dem ich dachte, es sei meiner. Ich habe Abitur gemacht, bin im Ausland gewesen und habe BWL studiert. Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht, ob ich das eigentlich will. Wenn ich heute zurückblicke, dann gab es damals schon diese inneren Stimmen, die mich davon abhalten wollten. Doch ich habe sie getrost ignoriert. Im Studium hat mich der Ehrgeiz gepackt und eins war klar: Wenn jemand Karriere macht, dann ja wohl Katrin. Also habe ich mich auf den Karriereweg gestürzt – mit dem Ziel vor Augen, irgendwann mal im Top Management zu landen. Doch die leisen Stimmen der Unzufriedenheit wurden immer lauter. Ich habe immer öfter hinterfragt, was ich tue und wollte kündigen.

3. November 2013

Wiedergeburt, Pessimismus und westlicher Buddhismus

"Es ist besser, wenn jeder Mensch seiner eigenen Tradition folgt. Sie im Westen haben einen jüdisch-christlichen Hintergrund, es ist besser, wenn Sie bei Ihren Wurzeln bleiben." Dalai Lama im Interview

Die Idee von Karma und Wiedergeburt, die im Westen zusammen mit dem Buddhismus aus noch zu klärenden Gründen irgendwie in Mode gekommen ist, interessiert mich schon seit einer Weile. Im Artikel Warum wir vom Buddhismus fasziniert sind und was da nicht passt habe ich versucht, mir selbst erste Erklärungen für die Attraktivität des Buddhismus zu geben. Nicht erklären konnte ich mir jedoch, wie es zu dieser geradezu märchenhaften und tragischen Idee der Wiedergeburt oder Reinkarnation kam. Tragisch ist die Idee, weil der Buddhist die ewige Wiederkehr des immer Gleichen nicht bejaht, nie würde er zum Augenblick sagen: Verweile doch, du bist so schön. In ihr finden wir also das Gegenteil zur Achtsamkeit, die doch den westlichen Mode-Buddhisten eigentlich heilig ist.

Fakire und Sadhus sind die Künstler der Selbstauslöschung (Herbert Ponting, 1907)

Im Rad der unerwünschten Wiedergeburten kann man eine Parallele zur christlichen Erbsünde sehen und das buddhistische Streben gegen die Wiedergeburt hat in seinem Motiv etwas mit dem Zölibat der katholischen Priester gemein. Von vornherein scheint hier klar: Das Leben und seine Reproduktion ist unbedingt zu vermeiden. Wenn man schon das Pech hatte, geboren zu werden, dann hat man nun die Pflicht, an weiteren Geburten zumindest unbeteiligt zu sein.

2. November 2013

Magnetische Menschen

Die zauberhaften Ursprünge der Hypnose

Dass Menschen mit wenigen Armbewegungen zu Handlungen verführt werden können, denen sie sich nicht mehr zu entziehen wissen, kollidiert mit der weit verbreiteten Vorstellung des selbstbestimmten Individuums. Das fantastische Kunststück der Hypnose führt vor Augen, dass das Bewusstsein stets mit inneren und äußeren Einflüssen um die Kontrolle seines Trägers ringen muss...

Planking Arnhem
Hypnotisiert oder nur "planking"? (Foto von Marco Derksen via Flickr)

Maybrit Hillnhagen ist nicht besonders magnetisch veranlagt. Das ergab zumindest eine spontane Versuchsreihe mit Büroklammern und Heftzwecken. Trotzdem hat sie diesen wunderbaren Text zur Geschichte der Hypnose geschrieben, der gerade in der neuen Epilog erschien. Die Epilog ist eine kleine ambitionierte Zeitschrift, deren zweite Ausgabe diese Woche mit dem wunderbaren Titel "Die Wiederverzauberung der Welt" am Bahnhof liegt und überall sonst, wo es gute Zeitschriften gibt. Natürlich kann man sie auch online bestellen oder ebendort erst mal darin rumblättern. Lesen Sie heute schon hier, über die Entwicklung der Hypnose vom Magnetismus in Leipziger Privatwohnungen über die Psychoanalyse bis hin zum leistungssteigernden Managercoaching:

1. November 2013

Erfindet euch neu!

"Keine Angst vor der Leere! Nur Mut." Michel Serres


In der intellektuellen Öffentlichkeit scheint eine neue Zeit des Imperativs angebrochen zu sein. Die Zeit des "anything goes", wo alles außer ein Imperativ akzeptabel war, ist vorbei. Peter Sloterdijk sagt uns: "Du musst dein Leben ändern", Stéphane Hessel ruft "Empört euch!", Alain de Botton gibt ein Manifest heraus, nach dem er uns zu leben empfiehlt und jetzt kommt Michel Serres und meint: Erfindet euch neu! Und er verbindet das mit einer Liebeserklärung an die vernetzte Generation.

Um ehrlich zu sein: Mir gefällt der Imperativ, am meisten natürlich der, den man an sich selbst richtet. Denn er macht einen Anspruch an uns kenntlich: Wir wollen im Leben mehr als nur vegetieren, wir wollen zumindest das Beste draus machen. Und das scheint mir auch das, worum es Serres geht: Das Beste aus einer Entwicklung machen, die alle nur beklagen.

Typewriter Hammers
Zwischen gestern und heute: Typewriter Hammers (von Sara via Flickr.com)

30. Oktober 2013

Wie (un)bewusst lebst Du eigentlich?

Mit mehr Bewusstsein zu einer höheren Lebensqualität

Erkennt sich jemand darin wieder? "Jeden Morgen als erstes den Computer anschalten. Nach der Arbeit sofort die Fernbedienung in die Hand nehmen und den Fernseher anmachen. Jedes Jahr der selbe Urlaubsort. Das selbe Essen. Der gleiche Sex. Alles verkommt zu einer einzigen großen Routine. Dein Gefühl für Entscheidungen geht verloren und Du hörst auf nachzudenken." Stephan Wießler, Trainer und Coach für Charisma und Motivation, erklärt in diesem Artikel, welche Vorteile ein bewusstes Leben für uns hat. Er zeigt uns einige Techniken, mit denen wir uns vergegenwärtigen können, wie unbewusst unser Alltag oft abläuft und andere, mit denen wir nach und nach bewusster leben können.

Bewusstsein, Selbstbewusstsein – was bedeutet das eigentlich? Überleg Dir mal, wie viele Aktionen Du am Tag unbewusst ausführst. Wie viele Handlungen finden automatisiert statt?

27. Oktober 2013

Das ewige Hinausschieben: Was hilft gegen Prokrastination?

Ziele, Planung und Verbindlichkeit, das sind Lars Lorber zufolge die Mittel zur Heilung von latenter Aufschieberitis. Und unser Autor muss es wissen, schließlich hat er Monate lang und mit vollem Erfolg an seinem Buch Menschenkenntnis geschrieben. Eine Rezension des Buches erschien vor drei Tagen auf Geist und Gegenwart. Lesen Sie nun, wie Lars Lorber der ständig lockenden Ablenkung widerstehen konnte und sein Ziel erreichte.

Procrastination (2012)
Abgelenkt? "Procrastination" (Bild von Yvette Wohn via Flickr)

Unter Prokrastination versteht man zwanghaftes aufschieben und nicht-erledigen notwendiger Dinge. Jeder von uns prokrastiniert einmal, wenn es um den Zahnarztbesuch oder die Steuererklärung geht. Das ist ganz normal. Für manche Menschen bringt das ewige Verschieben allerdings erhebliche Probleme mit sich, z.B. wenn sie jahrelang nicht zum Zahnarzt gehen, viel zu spät für eine Prüfung lernen oder die Zeilen ihres geplanten Buches nicht rechtzeitig zu Papier bringen - so wie bei mir.

24. Oktober 2013

Persönlichkeitspsychologie: Stärken und Schwächen entschlüsseln

Eine Lektüre von Lars Lorbers Menschenkenntnis

Wer Geist und Gegenwart kennt, weiß auch, dass ich selbst eine Menge von Persönlichkeitstests halte. Dabei geht es gar nicht darum, möglichst alle Menschen und deren persönliche Eigenschaften in irgendwelche Schubladen zu packen und dann zu glauben, wir hätten diese Persönlichkeiten komplett erfasst. Das können und wollen Persönlichkeitstests gar nicht leisten. Persönlichkeitstests zeigen vielmehr die relativ konstanten Charaktereigenschaften, die uns bereits bei der Geburt mitgegeben werden und die uns ein Leben lang begleiten. Viele Einflüsse, wie die Erziehung, die Kultur, unser Geschlecht (das in großen Teilen auch wieder kulturell definiert wird), soziale Rollen, unsere Bildung und natürlich die Ereignisse, die unserem Leben neue Richtungen geben, bestimmen letztendlich, wie unsere sich Persönlichkeitseigenschaften im Leben ganz individuell manifestieren. Und auch in ihrem jeweils Zusammenspiel bringen Persönlichkeitsmerkmale unsere jeweils ganz individuellen Eigenschaften hervor:

13. Oktober 2013

Von der Notwendigkeit, sich Zeit für sich selbst zu nehmen

Ein gutes Leben braucht mehr als einen Autopiloten

Zeit mit sich selbst zu verbringen ist für manche von uns eine Selbstverständlichkeit, für andere ist es ein schwieriges Unterfangen. Nicht nur, weil sie keine Zeit für sich allein finden, sondern vielleicht auch, weil es nur noch schwer auszuhalten ist. Was soll ich tun, wenn ich allein mit mir bin? Fernsehen, lesen, trinken, spazieren gehen, in der Sauna entspannen? Zeit mit sich selbst zu verbringen, sei es lesend, schreibend, malend, laufend oder schwitzend, ist nicht nur gut für den Körper und die Seele, sagt der Philosoph Damon Young. Es kann auch unseren Charakter, unsere Fähigkeiten und Tugenden, unsere ganze Persönlichkeit formen und festigen.


In der Zeit mit sich allein formt sich das ich

Freizeit und Muße formen die Persönlichkeit

Für viele hat "Zeit allein" auch einen Hauch von Verschwendung. Wenn die Zeit, die wir der Arbeit und unseren Pflichten widmen, wertvoll ist, dann ist die Zeit, die davon übrig und ungenutzt bleibt doch ziemlich wertlos. Oder "Zeit allein" ist dann eben Luxus: Aroma-Massage, Sonnenbank, Mani- und Pediküre.

"Zeit allein" ist aber eben auch einfach nur Freizeit oder Muße und das muss weder Verschwendung noch Luxus sein. Schon bei den Römern war Freizeit nicht einfach Faulenzen oder Prassen, sondern die Zeit, in der man sich selbst verfeinerte, seinen Charakter formte und verjüngte.

Der Naturforscher, Künstler und Staatsmann Seneca befasste sich in seiner Freizeit zum Beispiel mit der Philosophie. "Ich befasse mich nicht deswegen mit der Philosophie, um den Tag möglichst unterhaltsam zu verbringen oder die Langeweile aus der Freizeit zu vertreiben", schrieb er in einem Brief an seinen Freund, den Dichter Lucilius. "Es formt und bildet die Persönlichkeit, ordnet das Leben und reguliert das eigene Verhalten."

Für Seneca war Zeit allein eine Notwendigkeit für das gute Leben. Es war die Zeit, Maß zu nehmen, über sich selbst und die Welt nachzudenken und den eigenen Geist im Studium und in Gesprächen zu üben. "Was unseren Charakter wirklich ruiniert, ist wenn wir nicht auf unser Leben zurückblicken", sagt Seneca. Der Charakter, so könnte man Seneca übersetzen, benötigt mehr als einen Autopiloten, er benötigt einen aufmerksamen Kapitän. Die Zeit für sich allein ist deshalb so wertvoll, weil das Ich nicht einfach nur ist, sondern in der Reflexion geformt werden muss.

Sport: Ausdauer, Mut und Problemlösung

Wertvolle Zeit allein muss natürlich nicht zwangsläufig der Philosophie gewidmet sein. Auch Sport und körperliche Anstrengung gehören dazu. Nicht nur, weil es uns entspannt, sondern weil wir uns dabei üben und noch besser in dem werden, was wir gut können wollen. Auch regelmäßiges Joggen verbessert die Ausdauer und nicht nur körperlich: Weniger launisch sein und mehr Ausdauer an den Tag legen können, steht auch unserer Persönlichkeit gut zu Gesicht. Kampfkunst wie Judo oder Boxen kann unseren Mut fördern und die Fähigkeit verbessern, mit Schmerz umzugehen. Ein Spaziergang oder das deutsche Wandern sind nicht nur für Herz und Kreislauf gut: Abstand von den Alltagsproblemen zu gewinnen, hilft uns, neue Ideen zu entwickeln und die Probleme zu meistern. Bergsteigen kann uns helfen, uns selbst und den ganzen Zirkus des Lebens auf die rechte Größe herunter zu schrumpfen.

Allein etwas neues hervorbringen

Kreative Arbeiten in unserer Freizeit helfen uns, unsere Interpretation von Leben und Welt für uns selbst und andere begreifbar zu machen. Durch kreative Arbeit "objektivieren" wir unser Selbst, wie Karl Marx sagen würde, in Sprache und Musik, im Gärtnern oder Basteln. Während solcher Tätigkeiten fällt uns das Reflektieren leichter und vielleicht werden wir ehrlicher mit uns selbst, wenn wir im Flow etwas neues hervorbringen.

Geglücktes Leben ist Sorge um sich selbst

Die Zeit mit sich allein ist also kein Luxus oder irgend eine Verschwendung. Sie ist existentiell wichtig, denn es ist die Zeit, die wir brauchen, um für unser rundum gesundes Selbst Sorge zu tragen. Das ist vielleicht erst mal sehr egozentrisch und eigennützig, aber nicht, weil wir anderen etwas wegnehmen, sondern weil es das Selbst als ein Abenteuer und einen Auftrag versteht: Das Ich als etwas, das man immer mal wieder unter die Lupe nimmt und dann verfeinert. Im besten Fall ist es ganz das Gegenteil von egoistisch, denn wer sich selbst weiterentwickelt, formt und bildet, kann am Ende seinen Mitmenschen mehr geben. Mit mehr Zeit allein können wir widerstandsfähiger, bewusster und wissender werden, wir können unseren Mut entwickeln und unsere eigenen Schattenseiten kennen lernen. Mindestens aber wird es uns mit etwas mehr und ganz bewusst allein verbrachter Zeit einfach besser gehen.

Apropos... Zeit für einen Tee!



Der größte Teil des Textes beruht als Übersetzung auf Damon Youngs Text The Importance of Taking Time Out, der bei der School of Life erschienen ist. Young widmet sich in seinen Büchern wie zum Beispiel Distraction: A Philosopher's Guide To Being Free (bisher nur auf Englisch erschienen, deutsch etwa: Ablenkung: Eine philosophische Anleitung zum Freisein) Alltagsphänomenen unter einem philosophischen Blickwinkel und hilft so, die Zutaten für ein gutes Leben zusammen zu tragen.







Das sollte Sie auch interessieren:

8. Oktober 2013

Atme es weg!

Auf der Website The School of Life meines Lieblingsphilosophen Alain de Botton habe ich einen wirklich inspirierenden kleinen Text gefunden. Der kurze Auszug ist aus Cheryl Strayeds Buch Tiny Beautiful Things, das es leider bisher nicht auf Deutsch gibt. Ich habe den Auszug deswegen unten übersetzt. Ich denke, von ihm können wir einiges lernen. Er geht von der Erkenntnis aus, dass viele negative Gefühle wie Angst, Wut, Verzagtheit und Kummer mit einer gewissen Atemnot einhergehen. Man sieht das schon am Wort Angst, das vom lateinischen angustia kommt, was so viel wie "Enge, Beengung, Bedrängnis" heißt und von angor für "Würgen". Es ist ein bekanntes Phänomen, dass man diese negativen Gefühle nährt, wenn man nicht ausreichend atmet. Beobachten Sie das mal! Und umgekehrt können diese Gefühle beim bewussten und tiefen Atmen nicht fortbestehen. Das können Sie beim nächsten Mal versuchen. Aber jetzt lassen Sie sich erst mal von Cheryl Strayeds Gedanken inspirieren...


Mit jedem Atemzug spürst du, wie es besser wird...


Scared Girl
Scared Girl (von Victor Bezrukov via Wikipedia)

...buchstäblich! Und das ist genau der Anfang, zu dem ich dir rate. Jedesmal wenn du denkst "Ich hasse diesen verdammten Mist", kannst du diesen Gedanken mit einem Atemzug neutralisieren. Beruhige deine Seele. Atme tief und ganz bewusst ein und dann atme aus. Denke nicht "Ich hasse diesen verdammten Mist", wenn du atmest. Gönne dir diese Pause. Puste diesen Mist aus deinen Lungen in den Wind. Und dann mach mit etwas anderem weiter.

Ich habe mich durch so viele Leute geatmet, von denen ich mich unfair behandelt fühlte. Und ich habe mich durch so viele Situationen geatmet, die ich nicht ändern konnte. Manchmal habe ich in völliger Akzeptanz geatmet und was ich ausatmete, war Liebe. Manchmal habe ich in Dankbarkeit geatmet und was ich ausatmete, war Vergebung. Manchmal konnte ich nichts weiter, als einfach nur atmen, zu keinem anderen Gedanken und keinem anderen Gefühl fähig, als dem Verlangen, ohne Kummer und Wut zu sein.

Es funktioniert. Und es funktioniert, weil die Medizin direkt auf die Wunde aufgetragen wird. Es ist kein Zufall, dass du spürst, wie der Schmerz in deiner Brust festsitzt. Wenn du ruhig und bestimmt atmest, dann triffst du das weiße Monster genau dort, wo es wohnt. Du nimmst ihm die Luft und gibst dir selbst neue Gedanken, die dich nähren, anstatt dich zu quälen. Das ist mentale Selbstdisziplin. Ich rate dir nicht, deine negativen Gefühle runterzuschlucken, sondern sie zu akzeptieren und sie mit eigener Kraft zu überwinden, anstatt einen Sog entstehen zu lassen, der dich mitreißt und nur runterzieht.

Das ist natürlich harte Arbeit. Und das ist wichtige Arbeit. Ich glaube, dass so etwas wie Versöhnung auf dieser anderen Seite ist. Versuchs nur!

Herzlichst,

Sugar

29. September 2013

Das Paradox unserer Freiheit

Worin besteht unsere Freiheit heute und wodurch ist sie bedroht?


Es ist ganz klar, dass wir politisch-gesellschaftlich gesehen in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte hin zu freiheitlichen Gesellschaften gemacht haben. Das gilt besonders für Europa und Nordamerika, aber in der Tendenz auch auf der ganzen Welt. Nicht zuletzt durch technologische Entwicklungen, wird es in einem globalen Dorf für totalitäre Regime und Despoten immer schwerer, den Austausch von Informationen zu kontrollieren und die Völker dumm und beherrschbar zu halten. Solche globalen Entwicklungen dauern aus der Perspektive eines Menschenlebens sehr lange; man erinnere sich, wie viel Zeit zwischen dem Beginn des Buchdrucks und Kants aufklärerischem Aufruf, die selbstverschuldete Unmündigkeit endlich abzulegen, vergehen musste. Also sollten wir vielleicht nicht allzu ungeduldig werden und erwarten, dass aus einer sogenannten Facebook-Revolution gleich eine freiheitliche Demokratie per Gefällt-mir-Button wird. Die wahren Fronten müssen über lange Jahre hin verhandelt und überwunden werden. Und wie ist es mit unserer individuellen Freiheit? Sind wir frei, weil uns niemand beherrscht und wir in jeder Hinsicht eine endlose Auswahl an Möglichkeiten haben?

The New Fred Meyer on Interstate on Lombard
Endlose Auswahl: Die Freiheit des Bürgers als Konsument (von Lyza via Flickr)

23. September 2013

Der ewige Gärtner und die endlose Kultivierung unserer Umwelt

Mögen Sie Bienen, Schmetterlinge, Igel und Füchse?

Meine Frau und ich sind gerade umgezogen. Aus dem durchmodernisierten und schicken Gohlis mit seinen Parklandschaften in Leipzigs Norden in den Süden beim Völkerschlachtdenkmal, wo alles noch etwas runtergekommen aussieht. Schon eine Weile hatten wir nach etwas gesucht, das etwas grüner war, vielleicht mit einem kleinen Garten dran. Gefunden hatten wir dann dieses alte alleinstehende Mehrfamilienhaus aus den dreißiger Jahren mit ganz verwilderten Gärten, Brombeersträuchern und alten Obstbäumen drum herum. Vor dem Haus eine Wiese mit Gras, Kräutern, kleinen Blumen und Brennesseln an den Rändern. Perfekt. Es wimmelte von Schmetterlingen, Libellen, Vögeln, Igeln und sogar die Füchse kamen hier am hellerlichten Tag aus dem Unterholz, um die runterfallenden Pflaumen zu verspeisen.

15. September 2013

Auch zur Bundestagswahl 2013 wieder: Dem Urnenpöbel ekelts!

Ich habe heute beim Wahlomat den Test gemacht und in jeder Frage gegen meine Überzeugung gestimmt. Es war schon etwas eklig, aber das Ergebnis hat überzeugt. Mir wurde empfohlen, die FDP zu wählen, die CDU kam auf Platz zwei.

Und wer könnte einem verübeln, wenn man die SPD nicht ins Herz schließen kann? Wer weiß denn nach Schröder, Hartz und deren Nachgeburt Steinmeier noch, wofür die überhaupt stehen? Soziale Kahlschlagpartei mit rotem Lippenstift? Oder erst die große Koalition: Wer könnte so ein gefesseltes und von allen Seiten vergewaltigtes Gebilde ernsthaft wollen? Was sonst? Rot-Rot-Grün, Schwarz-Gelb-Grün, Rot-Gelb-Grün? Da wird einem ja speiübel. Oder wie Georg Schramm die Stimmung der Wähler beschreibt: »Eine Melange aus Ekel, Überdruss und langer Weile.« Und das war bereits vor der vorletzten Bundestagswahl. Manche Dinge ändern sich einfach nicht.

Den ganzen Text - bereits aus dem Jahr 2009 - können Sie auf Kolumnen.de lesen >>

12. September 2013

Resonante Führung: Sich gegenseitig zum Klingen bringen

Die wirksamste Vorraussetzung effizienter Zussammenarbeit


Wissen Sie, was der Körper einer Geige oder eines Klaviers macht? Er schwingt mit und sorgt dafür, dass die auf den Saiten erzeugten Klänge widerhallen, latainisch: resonare. Hätte der Körper eines Instruments keine Resonanzfähigkeit, würde er also nicht schwingen, dann wären die Töne, die dort rauskämen, ziemlich dürftig. Dieses Bild kann man wunnderbar auf die Führung von Teams übertragen. In ihrem Buch Primal Leadership (Emotionale Führung) haben die Psychologen Richard Boyatzis, Daniel Goleman und Annie McKee eine Führung, die mit positiven emotionalen Signalen und Offenheit ein Team motiviert und mitreißt als resonant und jene Führung, die von Angst, Ärger und Unzugänglichkeit geprägt ist, als dissonant bezeichnet.

Auch negative Gefühle sind ansteckend

Resonante und dissonante Führung haben eines gemeinsam: Sie transportieren und übertragen die Grundhaltung der Führungskraft auf die Mitarbeiter. Als soziale Wesen neigen wir alle mehr oder weniger dazu, die Emotionen um uns herum zu spiegeln. Werden vor allem Gefühle wie Ärger, Misstrauen, Wut und Angst transportiert, dann entsteht Stress bei den Mitarbeitern. Wer zum Beispiel angebrüllt, bloß gestellt oder von der E-Mail seines Chefs runtergeputzt wird, der bekommt es mit einer Schwemme von Stresshormonen zu tun. Dieser Mechanismmus hatte im Laufe der Evolution nur einen Zweck: Zur Flucht oder zum Kampf bereit machen.

9. September 2013

Gefühle im Büro? Ohne geht's nicht!

Gedanken zur Psychologie der Emotionen am Arbeitsplatz


An was denkt man, wenn man von Gefühlen im Büro redet? An Liebe auf dem Schreibtisch etwa? Oder an Wutausbrüche des cholerischen Chefs? Oder an die gängigen Vorurteile, wie Frauen sind hysterisch und Männer gefühlskalt? An den gezielten Einsatz von Gefühlen in der Interaktion mit Kollegen denkt man dabei wohl nicht als erstes. Obwohl ja klar ist, dass ohne Emotionen auch auf der Arbeit gar nichts geht. Das steckt schon im Wort selbst, denn aus dem Lateinischen übersetzt, heißt emovere soviel wie etwas heraus bewegen. Der Gedanke liegt also nahe, dass man Emotionen braucht, um ein Unternehmen, ein Team oder auch nur sich selbst von einer Situation zur nächsten zu führen.

28. August 2013

Segen oder Fluch? Diagnosen von Persönlichkeitsstörungen

Monika Löttken
Auf Geist und Gegenwart geht es oft um Themen der Psychologie und der Selbsterkenntnis. Was für ein Mensch bin ich und wie ticke ich? Habe ich vielleicht ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal wie eine extreme Introversion oder grenzen Aspekte meiner Persönichkeit sogar an eine z.B. schizoide Störung? Ich glaube, dass solche Selbsterkenntnis ein wichtiger Schritt zum Lebensglück ist. Als Geschäftsführerin und Dozentin der Heilpraktikerschule hpp-24 kommt die Physiotherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie Monika Löttgen im Unterricht immer wieder auf das Thema Diagnose zu sprechen und was solche psychologischen Zuschreibungen und Identifikationen mit uns machen. Wann ist eine Diagnose hilfreich und wann ist sie eher ein Fluch?

21. August 2013

Meine Tränen im Meer der endlosen Möglichkeiten

Die Tücken der Offenheit und die Tragik der Sucht nach dem Neuen


Ich bin, was man einen Hysteriker nennen könnte: Ich brauche Abwechslung, immer wieder etwas neues, Stillstand langweilt mich und wenn ich schlecht träume, dann davon, dass ich nicht vom Fleck komme. Sogar auf der Arbeit liebe ich die turbulenten Zeiten, in denen sich die Umstände ändern und das Unterste zu Oberst gekehrt wird. In der Persönlichkeitspsychologie würde man von großer Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen sprechen. Personen mit einer solchen großen Offenheit sind eher unkonventionell und aufgeschlossen, während Personen mit niedrigen Offenheitswerten eher zu bewahrendem Verhalten und zu konservativen Einstellungen neigen (siehe Wikipedia).

Klingt doch ganz gut, oder? In solch einer dynamischen Welt, wo immer alles schneller, instabiler, dynamischer und unvorhersehbarer wird und die Möglichkeiten des Erlebens ins Unermessliche wachsen, haben es die Hysteriker deutlich einfacher als diejenigen, die Konstanz und Verlässlichkeit bevorzugen und deshalb nicht so leicht mit Veränderungen umgehen können. Ich stelle aber auch fest, dass diese Offenheit einige Probleme mit sich bringt, auf die ich hier eingehen möchte.

Das  Meer der endlosen Möglichkeiten: Wie viele Leben kann man haben? (Bild via Tumblr von Carefree)

11. August 2013

Serendipität oder die in die Wege geleiteten Zufälle

Wie kommt es zu einer geglückten Biographie?


"Die meisten Menschen sind im Grundverhältnis zu sich selbst Erzähler.
Sie lieben nicht die Lyrik, oder nur für Augenblicke, und wenn in den Faden
des Lebens auch ein wenig 'weil' und 'damit' hineingeknüpft wird, so verabscheuen
sie doch alle Besinnung, die darüber hinausgreift: sie lieben das ordentliche Nacheinander
von Tatsachen, weil es einer Notwendigkeit gleichsieht, und fühlen sich durch den
Eindruck, daß ihr Leben einen 'Lauf' habe, irgendwie im Chaos geborgen."
Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften

In der Rückschau mag unser bisheriges Leben eine Art Sinn ergeben. Meine imaginäre Freundin Sabine zum Beispiel: Als Kind hat sie sich für Tiere interessiert, dann war sie in der Schule gut in Naturwissenschaften, hat später Meeresbiologie studiert, dann ein Auslandssemester an der University of Southampton verbracht, wo sie ihren Partner kennengelernt hat. Dann Karriere, Familie, Haus und Garten. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Das sieht doch aus wie geplant. Da führt eines zum anderen. Ein schöner Lebenslauf.

Freedom of the 'New Press' ~ The Internet was the Battlefield
An jedem Tag kann ein Zufall das ganze Leben ändern (Bild von Viewminder via Flickr CC)

6. August 2013

Erfolg ist, wenn man die eigenen Schiffe in Brand setzt und kämpft

Genies werden nicht geboren, sondern gemacht


Die schlechte Nachricht ist: Erfolg ist harte Arbeit und erfordert unbequeme Entscheidungen. Die gute Nachricht ist: Jeder kann für sich selbst definieren, was Erfolg ist und seine eigenen Wege einschlagen, um dahin zu kommen. Sebastian Klein zeigt uns im folgenden Artikel die Wege zum Erfolg auf und hat dafür nicht weniger als fünf Bücher gelesen und für uns zusammengefasst. Aber lesen Sie selbst...

Elefanten essen? Verstehen Sie es bildlich, wenn Sie Vegetarier sind oder vom WWF


4. August 2013

Ein Lebenslauf ist noch kein Leben

Wie wir unser Leben interpretieren und für die Zukunft offen halten können


Als jemand, der sich täglich professionell mit Lebensläufen beschäftigt, stelle ich mir oft diese Frage: Welches Leben verbirgt sich wirklich hinter dieser linearen Abfolge von Schule, Studium, Praktikum, Job X, Job Y und "Englisch verhandlungssicher"? Das wird doch niemandem gerecht! Man muss vereinfachen, na klar. Aber tragisch wird es, wenn wir uns über diese strahlenförmigen Lebensläufe und die gleichsam linearen Facebook-Profile so definieren, dass wir letztlich diese vereinfachten und zweidiemensionalen Aufzeichnungen für unser Leben halten. Der Artikel How do you Map a Life? von Cathy Haynes und der School of Life kommt da gerade Recht, dieses eindimensionale Lebensbild auf den Prüfstand zu stellen und zu demontieren. Am Ende finden wir vielleicht zu einer Dartstellung unseres Lebens, dass auch die Vergangenheit in Gänze würdigt und eine Zukunft der Entfaltung ermöglicht. Aber lesen Sie selbst...


world of experience
Unsere Erfahrungen als Landkarte (eingebunden via Flickr.com)

23. Juli 2013

Jeder Mensch ist eine Fiktion

Von der Freiheit der Selbsterfindung


Als Nietzsche erklärte: "Gott ist tot", sprach er nicht wirklich von Gott, das ist keine theologische Behauptung. Um diesen Satz oder vielmehr diesen Aufschrei zu verstehen, darf man sich nicht Gott vorstellen, sondern muss an die Stelle dieser Vokabel die gesamte Kultur des Humanismus stellen, innerhalb derer wir es gewohnt waren, bestimmte Aussagen als Wahrheiten anzusehen. Wenn ein solcher Rahmen aus den Angeln gehoben wird, was bleibt dann?*

Imre Kertész fotografiert von Csaba Segesvári (via Wikimedia Commons)

8. Juli 2013

Hin zu einem Wandel in Führung und Management

Eine cholerische Führungskraft kann man sich nicht mehr leisten


Wie ist der Chef drauf? Illustration: Martin Rathscheck (Typologie der Bosse)

In dem Interview Philosophie und Führungsverantwortung, das Michael Blochberger mit mir führte, stellte er folgende Frage: "Wie stehst du zu der Aussage von Peter Drucker 'Nur wenige Führungskräfte sehen ein, dass sie letztendlich nur eine einzige Person führen können und auch müssen. Diese Person sind sie selbst'?" Das ist eine spannende Frage, die man gar nicht so knapp in einem Interview beantworten möchte. Daher hat sich daraus ein Gespräch entwickelt, dass wir jetzt hier veröffentlichen wollen.

3. Juli 2013

Die Macht des Selbstbilds

Wer glaubt, seine Zukunft gestalten zu können, ist erfolgreicher und glücklicher


Im folgenden Text von Sebastian Klein lernen wir, wie das Selbstbild Erfolg und Glück im Leben beeinflussst. Außerdem: Was tun, wenn man den Bus verpasst? Dabei lernen wir nicht weniger als vier neue Bücher kennen. 


Bus verpasst - schrecklich! Oder? (Bild von Sebastian Klein von Blinkist)

Die Psychologin Carol Dweck widmet ihr Buch Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt einer wichtigen Frage: Inwiefern unterscheiden sich Menschen darin, wie sehr sie daran glauben, sich selbst durch Übung und Training verändern zu können? Ihre Antwort: Gewaltig.

29. Juni 2013

Asoziale Medien und dummes Internet?

Digitale Demenz und andere zurückgebliebene Missverständnisse

Wir erinnern uns an Manfred Spitzers Warnung, dass das Internet uns dumm mache. Digitale Demenz ist das alarmierende Schlagwort. Seine These: Die "Auslagerung des Denkens auf Maschinen schadet dem Gehirn." Studien belegen angeblich, "dass jemand gegoogelte Inhalte mit geringerer Wahrscheinlichkeit im Gehirn abspeichert als jemand, der sie auf andere Weise sucht" (Pressetext). Außerdem fällt es uns angeblich immer schwerer, uns zu konzentrieren. Hinzu kommt, dass wir ja nur noch Facebook Friends und keine wahren Freunde mehr haben, oder?

In Allain de Bottons School of Life war kürzlich der Psychologe und Kognitionswissenschaftler Tom Stafford zu Besuch, um daüber zu reden, wie die offensichtlich immer noch neuen Internet-Technologien unser Gehirn beeinflussen.

Homo Aplatanadus - Impreso
Wie  verändert uns die Technik? Der schlappe Mensch. (Juan Cieri via Flickr)

Können wir uns Bewerbungsgespräche ganz sparen?

Googles Erkenntnisse über gute Vorstellungsgespräche

In meinen sechs Jahren beim Internet-Giganten Google habe ich zahllose Vorstellungsgespräche geführt. In mehreren Hinsichten sind solche Gespräche bei Google anders, als in den meisten Firmen. Das fängt damit an, dass die Teamleiter und Mitarbeiter der Teams selbst die Gespräche führen und die HR-Abteilung nach der Vorauswahl eigentlich nur eine koordinierende Rolle hat. Ich finde das auch richtig, denn schließlich muss später nicht HR mit den neuen Kollegen arbeiten, sondern die Teams. Für den Bewerber heißt das, dass er ganz leicht mal vier bis fünf Gespräche hinter einander hat.

Unbenannt
Wie aussagekräftig sind Bewerbungsgespräche? (AliceOnTheRainbow via Flickr)

16. Juni 2013

Ist der Osten Schuld am Niedergang der gesamtdeutschen Kultur?

Von strategischer Unaufrichtigkeit und seelischer Aushöhlung

In der Frankfurter Allgemeinen am Sonntag schreibt der Soziologe Tilman Allert vom Verkümmern der Institutionen im "neuen Deutschland". Mit Institutionen meint er nicht Kindergärten, Krankenhäuser und Universitäten, sondern das was Soziologen unter "Institutionen der Lebensführung" verstehen, etwa Ehe, Vertrauen, Solidarität, Takt oder Diskretion.

Konservative bis rechte Soziologen finden übrigens schon mindestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts, dass die Institutionen verkümmern. Letztlich ist es die gute alte Paranoia vor dem gesellschaftlichen Wandel, die dem Konservativismus eigen ist. Ihre eigenen Zerstörungsleistungen - wir kommen später noch zu Guttenberg und Friends - bleiben dabei eigenartig unerwähnt.


Sozialistischer Holzschnitt: der Autor als DDR-Jungpionier (eigenes Foto)

Ein grober Holzschnitt des DDR-Alltags

Trotzdem ist es ein interessantes Thema, das der westdeutsche Autor und Professor - studiert und gelehrt in Freiburg, Tübingen und Frankfurt am Main - dort anspricht und ich will mich keinesfalls auf die Seite derer stellen, die gar keine Probleme im Verschwinden des Bürgerlichen in unserer Gesellschaft sehen. Allerdings versucht Allert den diagnotizierten Untergang mit ganz groben historischen Holzschnitten ostdeutscher Herkunft herzuleiten, die man so sonst nur aus Film und Comedy kennt. Zum Beispiel schreibt er:

12. Juni 2013

Von der Gnade, die eigenen Freunde nicht zu verstehen

Alleinsein, Freundsein und die Qualität von Gefühlen

Die Introversion ist eines meiner Lieblingsthemen. Nicht nur, weil ich darin einen Kern meiner Persönlichkeit gefunden habe, der viele andere Persönlichkeitsaspekte beeinflusst. Introversion interessiert mich auch deshalb, weil es eine existenzielle Grundsituation eines jeden Menschen zuspitzt und greifbar macht: Alleinsein. Introvertierte haben eine besondere lebensphilosophische Gabe im Umgang mit dem Alleinsein. Sie spüren sogar einen inneren Zwang zum Alleinsein. Das ist schon spannend. Ein anderer Aspekt, der selten beleuchtet wird, ist das Recht auf Privatheit, das Recht auf ein Geheimnis, das Recht, auch mal unverstanden zu bleiben. Dieses Recht ist für unsere Identität entscheidend und Introvertierte gestehen sich selbst und anderen dieses Recht meistens ganz intuitiv zu. Sie drängen sich nicht auf, nehmen sich eher zurück, behalten Dinge gern für sich. Alleinsein ist für sie auch eine Frage des Respekts: Jeder Mensch hat das Recht, auch mal für sich zu sein.

Wir sind immer allein

Wir alle - egal ob intro- oder extrovertiert - kommen nicht umhin, uns mit dem Alleinsein auseinanderzusetzen. Im ganz banalen Sinne schon ganz früh in der Kindheit und später, wenn wir uns beim Alleinsein erst ängstigen und dann langweilen. Aber auf eine Art sind wir immer allein, auch und gerade wenn wir  unter Freunden sind: Jedes Missverständnis, jede etwas andere Interpretation einer gemeinsam erlebten Situation, selbst verschiedene Vorlieben zeigen uns, dass wir in einem existenzialistischen Sinne allein sind. Wir können uns zwar verständigen, werden aber nie dieselben Bewusstseinsinhalte haben, die etwa unser bester Freund hat. Wir können uns gegenseitig nicht verstehen, sondern nur interpretieren. Wer das nicht begreift, kann es schwer haben im Leben, denn Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten lassen uns dann verzweifeln, wir nehmen sie persönlich oder denken, dass andere einfach blöd sind.

Sind Introvertierte bessere Freunde?

Wie ich schon sagte, haben Introvertierte eine besondere Gabe, wenn es ums Alleinsein geht. Sie sind gern allein und finden in sich selbst häufig ein ganz reiches emotionales Leben, das nicht darauf angewiesen ist, dass es mit anderen geteilt wird. Diese Gabe allein reicht noch nicht, man muss sie auch "anwenden" können. Dazu zählt auch eine gewisse Balance, sich selbst verstehen und sich selbst auch mal aus dem Versteck wagen, um dann wieder das Alleinsein bewusst genießen zu können. Dazu gehört sicher auch, andere in sein Leben zu lassen, Freunde zum Beispiel und vor dem Hintergrund der eigenen Introversion den anderen ihre Identität zu lassen. Introvertierten wird auch immer wieder bescheinigt, dass sie sehr loyal sind und die ganz wenigen Freunde, die sie in ihr Leben lassen, eng an sich binden können. Eine treue Leserin meines Blogs schrieb mir dazu neulich folgende Zeilen:

Dadurch, dass man nur zu wenigen Leuten Zuneigung empfindet, ist diese dafür aber stärker ausgeprägt und ganz besonders wenn die Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht. Dadurch erwartet man vielleicht eine Art "Exklusivität" die andere nicht unbedingt zurück geben können, erst recht nicht, wenn es sich bei ihnen um Extrovertierte handelt.

Diese Beobachtungen werfen interessante psychologische und auch philosophische Fragen auf. Erst einmal kann es natürlich so aussehen, dass die Zuneigung, die Introvertierte empfinden, stärker ausgeprägt ist. Vielleicht, weil wir ganz allein mit dieser einen Person viel Zeit verbringen und sie deswegen die einzige Empfängerin unserer Zuneigung ist. Aber ist die Zuneigung deswegen stärker? Und stärker, als was eigentlich? Wir werden es kaum beurteilen können, ob andere (meinetwegen Extrovertierte) eine weniger starke Zuneigung empfinden. Wie könnten wir das im Alltag testen? 

Die Qualität von Gefühlen

Ich glaube, wir können die Stärke unserer Gefühle nicht ohne Weiteres mit der anderer Menschen vergleichen. Wir haben ja keinen Zugang zum Empfinden der anderen und können unser Urteil nur auf unsere Beobachtungen als Indiz für ihre Gefühle stützen. Als Beispiel: Nur weil jemand stärker unter seinen Zahnschmerzen stöhnt, als ein anderer, können wir daraus noch nicht schließen, dass er auch wirklich stärkere Schmerzen hat. Es ist ein Indiz, aber kein Beweis. 

Man könnte auch sagen, dass für einen Vergleich von Gefühlen oder Schmerzen ein objektiver Referenzpunkt fehlt. Man kann Schmerzen und andere Gefühle nicht wie ein Erdbeben auf einer Richterskala messen. Ohne diesen objektiven Referenzpunkt ist dann das Reden von mehr oder weniger Schmerzen oder Gefühlem nicht sehr sinnvoll. Zuneigung und Gefühle sind dann eben jeweils individuelle Qualitäten und nicht Quantitäten.

Die Exklusivität unserer Zuneigung, die wir als Introvertierte vielleicht nur einem Freund schenken, lässt es so erscheinen, als würden wir viel stärker für ihn empfinden, als jemand, der seine Zuneigung auf fünf Freunde, statt auf einen "verteilt". Zuneigung ist aber nicht unbedingt wie ein Liter Wasser, der eine einzelne Person ganz durchnässt, während er verteilt auf fünf Personen diese nur etwas bespritzt. Zuneigung ist eine Qualität unseres Bewusstsein, ein Gefühl und das muss nicht geringer ausfallen, nur weil man es auf mehrere "Projektionsflächen" (sprich: Freunde) verteilt.

Diese Erkenntnis kann uns auch dann helfen, wenn wir die Exklusivität, die wir anderen geben, nicht gespiegelt bekommen. Nur, weil ein guter Freund noch vier weitere gute Freunde hat, heißt das nicht, dass er weniger Zuneigung für mich empfindet, als ich ihn für ihn.

Den anderen nicht verstehen ist OK

Vielleicht steckt hinter der Enttäuschung über die mangelnde Exklusivität einfach ein Missverständnis. Nämlich das, dass der andere doch genauso sein muss wie ich. Ich kann nur für einen ganz viel empfinden. Dann muss doch die Zuneigung zu vielen geheuchelt sein.

Hier sind wir wieder am Ausgangspunkt dieses Artikels: Wir sind fundamental allein in unserem Bewusstsein. Um dieses Alleinsein überbrücken zu können, müssen wir es erst einmal verstehen. Nur dann, wenn wir dem anderen Menschen neben uns und uns selbst zugestehen, dass wir ihn in seinem Anderssein nicht vollends begreifen können, können wir die Toleranz und das Verständnis für die Welt dieses anderen aufbringen. Auf das volle Verständnis des anderen verzichten zu können, heißt auch, ihm oder ihr einige Geheimnisse zu lassen, die Person nicht voll zu durchdringen und das Recht auf Identität und Privatheit zuzugestehen. Gerade den introvertierten unter uns wird das gefallen. Wir müssen sagen können: Ich verstehe dich nicht ganz, aber genug, um dein Freund zu sein. Dann können wir auch ertragen, wenn dieser Freund seine Zuneigung anders zum Ausdruck bringt und auf mehr Leute verteilt, als wir selbst es tun würden.

9. Juni 2013

Fühl dich keiner Sache absolut gewiss!

Bertrand Russells Grundsätze für ein Leben in Mut und Weisheit

Der liberale Phiosoph des 20. Jahrhunderts schlechthin ist sicherlich Bertrand Russell. Die modernen Liberalen seit dem 17. Jahrhundert waren einst die fortschrittlichsten Revolutionäre, mit einer Bandbreite ihrer Ansichten, die von der Freiheit und Gleichheit aller bis hin zur Anarchie reichte. Diesen Liberalen ging es jedoch weniger darum, einer kleinen Speckschicht der Gesellschaft zu ermöglichen, weniger Steuern zu zahlen, wofür die Liberalen heute in Deutschland bekannt sind.

Der politisch-philosophische Liberalismus wandte sich gegen vererbte Rechte und Privilegien, gegen Staatsreligion und Monarchie. Kaum einer lebte diesen Liberalismus so konsequent und aktiv wie Bertrand Russell, der damit auch zu einem Vorbild für gesellschaftliche Intellektuelle wie zum Beispiel Jean Paul Sartre wurde. Mich hat Russells Aufrichtigkeit, Mut und Weisheit immer fasziniert. In seiner Autobiographie gibt er zehn Regeln für solch ein exemplarisches Leben, an deren Anfang der Satz steht: Fühle dich keiner Sache absolut gewiss.

Keine Angst vor verrückten Meinungen: Bertrand Russell (Quelle: Wikimedia)

3. Juni 2013

Blogstöckchen: This is how I work

Kettenblog, auch mal eine Idee! Heißt jetzt Blogstöckchen, also so wie beim Staffellauf oder Apportieren. In Gang gesetzt von Isabella Donnerhall. Man erfährt dabei, wie es andere machen. Find ich gut. Das Stöckchen zugeworfen hat mir Svenja Hofert. Vielen Dank dafür, ich nehme es gerne auf und reiche es am Ende weiter. Mal sehen, was daraus wird. Aber jetzt zu den Fragen: Was für ein Blogger bin ich, wie arbeite ich, was sind meine Werkzeuge, wo kommen die Ideen her, was treibt mich an und was ist der beste Rat, den ich je bekommen habe?

I keeel you!
Bloggerstöckchen-Tipp: Hundebilder funktionieren immer! (CC 2.0: I keel you!)

Blogger-Typ

Besessener Blogger, Philosoph. So lange ich zurückdenken kann, habe ich gekrakelt und dann geschrieben und das Internet war ein Segen für mich, all das rauszulassen. Ab 2000 hatte ich meine erste Literaturwebsite und meine eigenen Log-Bücher (wie ich sie damals noch nannte) online. Seit 2010 dann Geist und Gegenwart mit jetzt 300 Artikeln. Das sind im Schnitt 2,14 pro Woche.

30. Mai 2013

Sei nicht einfach du selbst!

Über Widersprüche, Spannungen und Konflikte, von Leben und Tod

Joss Whedon, Drehbuchautor von Alien - Die Wiedergeburt und Regisseur von Buffy - Im Bann der Dämonen, begann seine Ansprache an amerikanische Uni-Absolventen dieses Jahr mit den Worten:

Ihr alle werdet sterben... Im Grunde habt ihr alle schon angefangen zu sterben. Ihr seht gut aus. Versteht mich nicht falsch. Ihr seid jung und auf dem Höhepunkt eurer Physis. Aber nun gehts abwärts und das Komische ist, eure Körper wollen sterben. Auf einem zellulären Level ist es das, was eure Körper wollen. Aber wahrscheinlich ist es nicht das, was ihr wollt. Ihr habt alle große Ambitionen, wollt Politiker, Sozialarbeiter oder Künstler werden. Eure Körper aber wollen Babys kriegen und dann unter die Erde und das Unkraut düngen. Das ist es und es ist ziemlich widersprüchlich und überhaupt nicht fair.

Whedon versucht, den Absolventen eines auf den Weg zu geben: Dieser Widerspruch zwischen Ambition und biologischem Verfall, diese existentialistische Zumutung und die Spannung, die daraus entsteht, ist das Größte, das wir Menschen besitzen. Diese Spannung macht unsere Identität aus, wenn wir die Spannung annehmen und damit arbeiten. Wie genau sollen wir uns das vorstellen?

Joss Whedons ungewöhnliche Rede auf Englisch

Identität gibt es nicht ohne Konflikt

Der erste Schritt ist, diese Spannungen und Widersprüche zu erkennen, sie nicht auszublenden, sondern aktiv ins Leben einzubinden, mit ihnen zu arbeiten. Die eigenen inneren Konflikte anzunehmen, sie zu tolerieren, zu beobachten und zu untersuchen, ohne sie zu verurteilen, ist der Schlüssel zu einer größeren Bewusstwerdung unseres Selbsts und damit der Ausgangspunkt eines jeden Wachstums der Persönlichkeit.

Innere Widersprüche zu akzeptieren, bedeutet, sich die eigene Identität zu erarbeiten. Identität muss stetig erarbeitet werden. Sie ist nicht einfach, was du bist, sondern ein Prozess, den du aktiv vorantreiben musst.

Wir müssen uns daran gewöhnen, mit inneren Widersprüchen zu leben und wir tun gut daran, sie lieben zu lernen, anstatt sie zu verdrängen. Sie werden uns nicht in Ruhe lassen. Wenn wir sie zu nehmen verstehen, machen sie uns zu interessanten Menschen, sie öffnen den Weg zur Weisheit.

Wenn ihr denkt, das Lebensglück findet ihr im inneren Frieden, dann werdet ihr nie glücklich werden. So etwas wie inneren Frieden findet ihr, wenn ihr das in euch akzeptieren lernt, was niemals zur Ruhe kommen wird. Diesen Konflikt der Widersprüche wird es immer in euch geben. Wenn ihr das akzeptieren könnt, wird alles andere ein ganzes Stück besser. 

Zauderer wurden einfach gefressen

Warum ist es so schwer, mit diesen inneren Spannungen zu leben, sie sogar lieben zu lernen? Weil es einfacher ist, zu allem eine klare Meinung zu haben. Es hilft uns dabei, schnelle Entscheidungen zu treffen, wenn wir die Dinge vorher sauber in schwarz und weiß, in gut und böse, in rechts und links eingeordnet haben. Das ist auch verständlich und gibt den Menschen einer Jäger- und Sammlerkultur einen gehörigen evolutionären Vorteil: Die, die schnell entscheiden können, wer oder was Beute oder Feind ist, die überleben. Für unsere heutige überkomplexe Wirklichkeit ist diese Effizienz nicht mehr so ausschlaggebend. Wir überleben auch, wenn wir zaudern und mal etwas grübeln müssen und nicht gleich sicher sind, ob etwas gut oder schlecht ist. Wir haben den Luxus, dass wir uns die Zeit nehmen können zu warten, Geduld aufzubringen, zu beobachten und unterscheidlichstes in unser Leben zu integrieren.

Die Welt geht duch dich hindurch

Wir können es uns jetzt leisten, interessante Persönlichkeiten mit inneren Konflikten und Spannungen zu sein. Es macht uns sogar erfolgreicher, weil wir mit den Komplexitäten der Moderne besser umgehen können, weil wir sie zulassen können und dadurch mehr lernen, mehr tolerieren und offener auf die Welt zugehen und unsere Chancen nutzen können. Diese Offenheit gepaart mit etwas Mut ist es, die es uns ermöglicht, Dinge positiv zu verändern, durch diese Offenheit sind wir die Veränderung selbst. Und so schließt Joss Whedon mit den wunderschönen Worten:

Ihr geht nicht durch diese Welt hindurch, sondern diese Welt geht durch euch hindurch. Ihr erlebt sie, interpretiert sie, handelt entsprechend und schon ist sie anders geworden. Ihr werdet diese kaputte Welt sein und die Veränderung dieser kaputten Welt. Ihr werdet so viele Dinge sein und die eine Sache, die ich gern früher gewusst hätte und die ich euch mitgeben will ist: Seid nicht einfach ihr selbst! Seid die Summe aller um euch herum. Lebt nicht einfach, sondern seid das Seil, das an den Tod geknüpft ist. Seid das Leben. Lebt euer ganzes Leben. Seht es, versteht es, liebt es und habt Spaß!

Für mich ist Whedons Aufruf eine Erinnerung daran, dass ich das hier und jetzt nutzen muss. So weit ich weiß, habe ich nur dieses eine Leben. Und eigentlich habe ich gar nichts zu verlieren, wenn ich es ausschöpfe, offen auf die Chancen und Gefahren, auf die Kämpfe und die Liebe, auf die Lebenslust und den Tod zugehe. Wenn man sich das vor Augen hält, dann kann man höchstens noch davor Angst bekommen, dass man sein Leben verplempert, indem man immer vorsichtig ist, Konflikten aus dem Weg geht, überall nach Stabilität und Sicherheit sucht und dadurch das Leben vermeidet. Besser, ich verstehe das jetzt, als später, wenn ich erst mal auf der Bahre liege.



Alle Zitate übersetzt von Whedon ’87 Delivers 181st Commencement Address

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22. Mai 2013

Zehn Tugenden für das moderne Leben

Das letzte Buch des Atheisten und Philosophen Alain de Botton mit dem Titel Religion für Atheisten: Vom Nutzen der Religion für das Leben legte den Finger in eine Wunde unserer Gesellschaft: Ein guter Mensch zu sein, ist heute - da die Religionen ihre prägende Rolle verloren haben - eine für viele von uns bizarre und sogar deprimierende Idee, während Boshaftigkeit und Verruchtheit ein eigenartiger Glanz anhaftet. Aus diesen Erkenntnissen heraus entstand das "Projekt Tugend", das de Botton mit seiner School of Life in Großbritannien gestartet hat. Es geht darum, Weisheit, Ethik und Würde auch jenseits von Religionen zu finden und in konkreten täglichen Beispielen zu leben. Ich finde dieses Projekt großartig und habe Alain de Botton gefragt, ob ich die Texte dazu ins Deutsche übersetzen könnte und so das Projekt auch hier unterstützen kann. Natürlich fand er, das sei eine gute Idee. Wörtlich sagte er, als ich ihm den Artikel und das Poster dazu zeigte: "I am delighted, thank you so much, what an honour."


Das Poster und die Karten können hier klein und groß heruntergeladen werden

Wenn wir in unserer modernen Welt hören, jemand versuche, ein guter Mensch zu sein, kommen uns alle möglichen negativen Assoziationen: Wir denken an Frömmigkeit, Pathos, Blutlosigkeit und sexuelle Abkehr. Es ist, als sei Tugend etwas, das man nur dann ins Auge fasst, wenn alle anderen Optionen bereits ausgreizt sind.

Durch die gesamte Menschheitsgeschichte haben Gesellschaften ihre Tugenden gepflegt, indem Menschen sich darin geübt haben, tugendhafter zu sein. Wir sind eine der ersten Generationen, die gar kein Interesse an solcherart Training zu haben scheint. Du kannst zwar deinen Körper trainieren, aber erkläre mal, dass du trainieren möchtest, ein besserer Mensch zu werden und die Leute um dich herum werden dich für verrückt halten.

Es klingt vielleicht ziemlich schräg, vielleicht sogar etwas verrückt. Es sollte aber etwas ganz normales sein und darum geht es in diesem Manifest der zehn Tugenden für das moderne Leben.

Es gibt keinen wissenschaftlich gesicherten Weg, tugendhaft zu sein, aber der Schlüssel dazu scheint eine Liste zu sein, an der man seine ethischen Muskeln trainieren kann. So eine Liste erinnert uns daran, dass wir alle immer daran arbeiten müssen, tugendhaft zu sein. So, wie wir auch an allem anderen, das von Bedeutung für uns ist, konstant arbeiten.