8. September 2011

Drei Prinzipien meines Minimalismus

Ich bin kein Minimalist, aber ich lebe nach meinen drei minimalistischen Prinzipien Bewusstwerdung, Konzentration und Ordnung. Einfach, weil sie funktionieren, weil sie einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen bedeuten und mein Leben vereinfachen. Am Schluss wird noch die Frage stehen, ob ich Preuße oder Buddhist bin...

1. Bewusstwerdung
Immer dann, wenn es um Persönlichkeitsentwicklung geht, geht es auch darum, sich seiner Situation bzw. seiner Selbst bewusst zu werden. Dabei können Fragen helfen wie z.B.: Wer bin ich? Was ist mir wichtig? Wie kann ich helfen? Um sich minimalistisch aufs Wesentliche zu konzentrieren, kann man sich ganz praktische Fragen stellen wie:

  • Was sind die drei Sachen, die ich in dieser Woche unbedingt erledigen möchte?
  • Welche sind die Dinge, die ich wirklich benötige, um mein Ziel zu erreichen?
  • Was sind die Umstände, die mich oft davon abhalten, die wichtigen Sachen zu machen?

Die Antworten auf diese Fragen können schon ganz konkrete Handlungsanweisungen für das Erreichen meiner Ziele geben. Wenn ich weiß, welche drei Dinge ich erledigen will, kann ich ganz fokussiert ans Werk gehen. Wenn ich weiß, was ich zum Erreichen meiner Ziele benötige, dann spare ich mir den ganzen anderen Kram, der nur Zeit und Geld kostet. Und wenn ich weiß, dass mich das Radio oder die E-Mails und Anrufe immer wieder ablenken, dann kann ich diese Empfangsgeräte ausschalten. Vielleicht entdecke ich aber auch, dass mir die Motivation fehlt, meine drei Dinge zu erledigen. Das wäre auch eine wichtige Erkenntnis, die dann weiteres Nachfragen in Gang setzen muss, z. B.: Muss ich diese Dinge dann wirklich erledigen oder gibt es vielleicht Sachen, die mir wichtiger sind und für die ich deswegen die nötige Motivation aufbringe?

2. Konzentration
Mich auf das zu konzentrieren, was mir wirklich wichtig ist, kann schon der Durchbruch zu mehr Produktivität und Lebensfreude sein. Denn ich spare mir viel Energie für Unwichtiges und kann diese Energie in Enthusiasmus für das umwandeln, was wirklich zählt. Es hilft mir, wenn ich nur eine Sache mache, die aber ganz konzentriert. Es bringt einfach mehr Freude, wenn man sich ganz einer Sache widmet, ohne sich ablenken zu lassen. Ich schließe Facebook, Twitter und mein E-Mail-Fenster, wenn ich einen Artikel oder einen Projektbericht fertigstellen möchte. Ich schalte Radio und Fernseher aus, wenn ich mit Freude und Gewinn lesen möchte. Bei allem, was ich tue, richte ich mich nach folgenden drei Punkten:

  • Was ich jetzt mache, ist das, was ich wirklich machen möchte, weil es mir wichtig ist.
  • Das, was ich jetzt tue, hat meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
  • Wenn ich 1. oder 2. nicht garantieren kann, überlege ich, worauf ich mich jetzt stattdessen konzentrieren sollte.

Probieren Sie es: Konzentrieren Sie sich auf das im Moment Wesentliche und vielleicht werden Sie entdecken, wie viel mehr Freude es macht, wie viel schneller Sie ans Ziel kommen und wie viel besser die Resultate sein werden.

3. Ordnung
Kreatives Chaos? Warum nicht! Aber wenn ich klare Gedanken fassen möchte, dann muss mein Schreibtisch übersichtlich sein. Es sollten keine Zeitschriften, überflüssige Zettel oder Briefe rumliegen. Das lenkt mich alles ab. Natürlich brauche ich meine Notizen und vielleicht auch visuell inspirierende Hilfen. Kreative Ordnung sozusagen. Wenn ich handwerklich an etwas arbeite, möchte ich wissen, wo meine Werkzeuge liegen, wo die fertigen Teile hinkommen und wo die Abfälle bleiben. Zur Ordnung kann auch gehören, alle Dinge, die so rumliegen, einmal kritisch in Augenschein zu nehmen und mich zu fragen:

  • Wann habe ich das das letzte Mal benutzt?
  • Habe ich es in den letzten Wochen vermisst?
  • Benötige ich es wirklich noch für irgendetwas?

Wenn meine Antwort ist: „Nein, aber das kann ich sicher noch mal irgendwann gebrauchen“, dann überwinde ich mich und gebe die Sachen weg. Bücher in die Bibliothek, Kleider an bedürftige Freunde oder Fremde, Krimskrams in den Müll. Probieren Sie es einmal aus, erst mit kleinen Dingen, die wirklich nichts wert sind. Wenn Sie daran Gefallen finden, dann nehmen Sie die größeren Dinge in Angriff. Sie werden sehen, wie befreit Sie sich fühlen werden.

Preußischer Protestant oder asiatischer Buddhist?
Der daran anschließende Gedanke ist natürlich, erst gar nicht wieder so viel Zeugs anzusammeln. Und hier gehts dann vom Persönlichen ins Politische über: Der bewusste Verzicht als ein Weg zum individuell glücklicheren Leben und zum propagiert sparsamen Umgang mit den Ressourcen unserer Welt. Mit Ordnung und Sparsamkeit fühle ich mich gut. Überfluss und barockes Chaos stören meine Ruhe und Konzentration aufs Wesentliche. Ist das jetzt was protestantisch-preußisches oder eher was asiatisches?

4 Kommentare:

  1. Schöner Artikel!

    Komisch, aber Barock steht bei mir eher für Üppigkeit, Opulenz, für die Verherrlichung der Komplexität. Für Chaos steht es gerade in der Architektur oder der Kunst bei mir keineswegs. Wenn ich mir die Gärten und Anwesen absolutistischer Herrscher ansehe oder die Kunst der Fuge bei Bach anhöre, dann ist das alles andere als Chaos. Im Gegenteil: vermutlich können wir vom Barock die Verwaltung und strukturierende Domestizierung des Chaos erlernen. Aber das ist nur eine Petitesse und eine Vermutung, die man kunstgeschichtlich weiter fundieren müsste...
    Noch eine Frage: Warum entscheiden zwischen protestantisch-preußisch und asiatisch? Das Interessante ist doch, dass beide Richtungen es einem erlauben, die jeweils andere zu integrieren. Beide sind m.E. in ihren Grundansätzen sehr tolerant und flexibel.

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  2. Eine interessante Beobachtung zu einem kleinen, vielleicht wirklich eher unbedacht eingesetzten Adjektiv. Ich müsste das vielleicht so formulieren: Diese geordnete Üppigkeit und Opulenz sorgt bei mir für eine Überstimulierung, sodass da etwas chaotisches bei mir selbst geschieht, z.B. plötzliche Aufwallungen von Gefühlen und kinästhetische Sensationen. Minimale Stimulanz hingegen, bewirkt bei mir einen Zustand der inneren KLarheit und des Aufgeräumtseins. Also: das Chaos liegt nicht im Barock (ganz im Gegenteil), sondern in meinem ZNS.

    Du hast Recht, und das hat mich eben so fasziniert: Die Parallelität in einigen Aspekten dieser zwei Geisteshaltungen ist verblüffend. Da würde ich mich auch nicht entscheiden wollen. Allerdings weiß ich natürlich, dass ich durch meine Sozialisation eher preußisch protestantisch geprägt bin.

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  3. Auch auf die Gefahr hin, daß ich von diesem sehr lesenswerten Artikel ein wenig abweiche und mich auf Preußentum vs. Buddhismus beziehe:

    Wer wirklich tief einsteigt in die großen Wissenstraditionen, der wird feststellen, daß alle viel mehr Gemeinsames als Trennendes haben.

    Allerdings hat uns der Protestantismus wohl den Kapitalismus gebracht, was ich dem Buddhismus nicht zutrauen würde ;-)

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  4. ... "Protestantismus wohl den Kapitalismus gebracht" - das halte ich für eine ziemliche verkürzung.

    die ist heute auch total überflüssig: wir haben ja das internet und unsere gehirne...

    irgenwelche -ismen dürften eigentlich keine rolle mehr spielen - höchstens in der historischen betrachtung...

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