27. Oktober 2019

Impeachment erklärt: Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump

Trumps Ende und der Neoliberalismus

Impeachment ist das Amtsenthebungsverfahren, dem Trump sich in Kürze wird stellen müssen. Dieses Verfahren hat noch nie funktioniert (wenn die Amtsenthebung des Präsidenten das Erfolgkriterium ist) und es wird auch diesesmal nicht ohne Weiteres funktionieren, obwohl Trump und sein Staabschef Mulvaney vor Kameras die Vorwürfe glassklar und für jeden nachvollziehbar bestätigt haben: Trump wiederholte vor Kameras, die Aufforderung an die Ukraine (und sogar China), Biden zu untersuchen und Mulvaney sagte vor Kameras, auf die Frage hin, ob Militärhilfen als Druckmittel für persönliche politische Zwecke zurückgehalten wurden: "So etwas machen wir ständig. Gewöhnt euch dran!"

Womens March 2018 von Ted Eytan (CC BY-SA 2.0)

Worum geht es genau?

Ganz schnell erklärt: Trump forderte im Sommer 2019 den gerade eingesetzten ukrainischen Präsidenten auf, eine Untersuchung gegen Joe Biden, Trumps wahrscheinlichen Konkurrenten in der US-Präsidentenwahl 2020, aufzunehmen, um im Gegenzug die versprochenen Militärhilfen und ein Treffen mit Trump zu bekommen. Der Vorwurf gegen Trump ist, er nutze die militärische Abhängigkeit der Ukraine im Widerstand gegen Russland und die Institution seines Amtes, um seine eigene Wiederwahl zu befördern. In den USA ist es untersagt, Wahlkampfhilfe von außerhalb der Staaten einzufordern. Außerdem grenzt der Amtsmissbrauch an Erpressung der relativ kleinen Ukraine, die sich von Russland, dem bisherigen großen weltpolitischen Gegenspieler der USA, bedroht sehen. Das ist ein Amtsmissmbrauch, weil die finanziellen Militärhilfen vom Kongress beschlossen wurden, ein gleichberechtigter und unabhängiger politischer Arm, über den der Präsident keine Verfügungsgewalt hat. Viele weitere Aspekte, zum Beispiel die stümperhafte Einflussnahme auf die Außenpolitik durch Trumps Freunde wie Rudolph Guilliani, werden im Verfahren auch eine Rolle spielen, weil sie gegen die sicherheitspolitischen Interessen der USA verstoßen, den Amtsmissbrauch und die Verschleierung von Gesetzesverstößen zu belegen scheinen.

Der politische Vorwurf geht über den rechtlichen Vorwurf hinaus: Trump unterstütze den Erzfeind Russland, indem er die Ukraine unter Druck setze, anstatt geopolitische Interessen der USA zu verfolgen, wie es der Job des Präsidenten ist. Ein Verdacht, der unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen Trump und Russland nicht von der Hand zu weisen ist und wieder Bestätigung in der Entscheidung findet, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen und damit vor allem Russland das geopolitisch wichtige Feld im nahen Osten zu überlassen. Überhaupt ist die Liebe zu und das politische Entegenkommen Trumps gegenüber anderen Diktatoren das Alleinstellungsmerkmal dieses US-Präsidenten, das ihm letztlich das Genick brechen könnte. Darauf kommen wir noch einmal zurück, wenn es um die möglichen Szenarien des Fortgangs des Amtsenthebungsverfahrens geht. In der Zwischenzeit dürfte sich Putin jedoch in seiner Unterstützung der Wahl Trumps bestätigt sehen, denn so viel nationales Chaos und internationale Machtlosigkeit der USA gab es seit 1930 nicht mehr.

Die Verteidungung Trumps

Trump sagte zu den Vorwürfen erst: Ich habe das nicht getan. Dann sagte er: Ja, ich habe es getan. Und dann – als alle Fakten unleugbar sichtbar wurden – sagte er: Natürlich habe ich es gatan und ich würde es wieder tun und übrigens soll bitte auch China gegen Biden ermitteln. Neben der Taktik der Verwirrung (widersprüchliche Aussagen), sieht man hier ganz deutlich eine Taktik der Normalisierung, die er immer dann verfolgt, wenn er keinen Ausweg sieht. Die ungefilterte Normalisierung solcher undemokratischen und ungesetzlichen Vorgehensweisen durch einen Präsidenten vor seinem Volk ist die vielleicht gefährlichste und erfolgreichste Taktik. Langfristig gefährlich, denn sie unterminiert die Institutionen, die solche Gesetze beschließen und durchsetzen und sie kann erfolgreich sein, weil die Unterstützer Trumps damit jegliche Anklage des Präsidenten im Angsicht dieser Institutionen als illegitim torpedieren können. Trumps gesamte Verteidigung stützt sich auf das eine Prinzip, dass ein im Amt befindlicher Präsident nicht angeklagt werden kann. Auf die Spitze getrieben durch seine eigene Proklamation, er könne am hellichten Tage jemanden auf der Fith Avenue erschießen, ohne dass ihm jemand etwas anhaben könne.

Aus den Reihen der moderaten Unterstützer Trumps hört man, dass das Verhalten vielleicht nicht präsidial war, aber dass man auf dieser Grundlage keinen Präsidenten aus dem Amt nehmen könne. (Nebenbemerkung: Man vergleiche einmal die Gründe des jetzt laufenden und die des Amtsenthebungsverfahrens gegen Bill Clinton, weil er vor dem Kongress über seine Beziehung zu Monica Lewinsky gelogen hatte.) Was ist an dieser Position der Republikaner, die sich in der Zwickmühle zwischen dem eigenen Profit jetzt und dem Urteil der Geschichte später befinden, so gefährlich? Es setzt ein Beispiel, dem andere Präsidenten in der Zukunft nun folgen könnten, ohne sich dafür in solch einem Verfahren verantworten zu müssen. Das wäre das Ende einer Demokratie, in der niemand über dem Gesetz steht und in der Gewaltenteilung herrscht.

Weitere Taktiken des Trump-Camps, zu dem inzwischen leider auch das Justizministerium gehört, dessen Chef (also der Justizminnister) William Barr die Gewaltenteilung bereits aufgegeben hat, sind Nebelraketen wie eine eigene Strafverfolgung gegen unliebsame Informanten, das zum Glück nicht beachtete Verbot der Aussage von Staatsbeamten vor dem Untersuchungsausschuss des Kongresses, maximaler Druck auf die eigene Partei (Republikaner), um die Unterstützung zu sichern oder einfach nur der ständig selbst verursachte Schock und das Chaos auf der innen- und außenpolitischen Bühne, um von den Verstößen abzulenken.

Die möglichen Szenarien

Wie schon eingangs gesagt, ist es unwahrscheinlich, dass Trump durch das Verfahren selbst aus dem Amt gejagt wird. Der einfache Grund: Es bedarf dazu einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Senates, der derzeit von den Republikanern, die den Präsidenten Trump stellen, kontrolliert wird und der als letzte Instanz über die Beweisführung aus den senatskontrollierten Untersuchungsausschüssen urteilt.

Es gab deswegen innerhalb der Demokratischen Partei lange Debatten, wie sinnvoll ein solches Verfahren ist, wenn es letztlich zu einer Situation führt, von der Trump lautstark behaupten kann, dass er vom Senat gegen die Vorwürfe der Demokraten freigesprochen wurde. Das würde Trump in seiner Wiederwahl sogar helfen.

Daher war es parteipolitisch richtig, auf ganz starke und für jeden einfach nachvollziehbare Beweise zu warten, bevor man das Verfahren eröffnete. Mit der Ukraine-Situation war genau das eingetreten: eine für jeden verständliche Erpressung einer kleinen Nation durch den amerikanischen Präsidenten. Zum einen hat der Senat die Pflicht, sich gegen Amtsverstöße des Präsidenten zur Wehr zu setzen. Wie will man vor der Geschichte rechtfertigen, dass man das eigene Land in eine Diktatur habe abgleiten lassen? Zum anderen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch republikanische Wähler das Verhalten angesichts der Beweislast für inakzeptabel halten und somit ihre republikanischen Vertreter im Senat zwingen, Farbe zu bekennen. Hier sind drei wahrscheinlichere Szenarien zum weiteren Vorgang in den USA:

  1. Das Amtenthebungsverfahren wird gestartet und Trump wird im Zuge der Abstimmung über die einzelnen Vergehen durch die republikanische Mehrheit im Senat freigesprochen. Trump nutzt das und der Wähler muss im November 2020 entscheiden, ob Trump im Amt bleibt oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass er wiedergewählt wird, ist schwer einzuschätzen, weil ihm der Sieg im Verfahren bei der Mobilisierung seiner Basis enorm helfen wird, aber die Basis insgesamt immer kleiner wird, wenn er weiter die Unterstützung der Landwirte und Industriearbeiter durch seine katastrophale Wirtschaftspolitik verliert. Den Rückhalt all seiner Staatsbeamten hat er bereits komplett eingebüßt, hier schaut jeder nur noch auf sein eigenes Überleben, anstatt ihre lebenslange politische Karriere für Trump zu opfern.
  2. Die Solidarität der republikanischen Mehrheit bröckelt, weil der Rückhalt der republikanischen Wählerbasis einbricht, die Außenpolitik immer unrepublikanischer wird und die Senatoren sich fragen müssen, ob es ihnen langfristig im Angesicht ihrer Wähler und der Geschichte nicht eher schadet, Trump im Amt zu halten, der durch katastrophale Wirtschafts- und Außenpolitik inzwischen alle republikanischen Überzeugungen über Bord geworfen hat, außer die ganz extremen Partikularinteressen, die sich zum Beispiel gegen Immigration richten. Auch hier hat Trump inzwischen ein Problem, denn er redet viel, macht aber nichts, wenn es beispielsweise darum geht, eine Mauer zu bauen. Viele reaktionäre Unterstützer kritisieren ihn inzwischen, weil er nicht weit genug geht und wankelmütig bis widersprüchlich regiert. Als mögliche Konsequenz könnte dieses Verfahren das erste von insgesamt nur drei Amtsenthebungsverfsahren in den USA werden, das auch zur Amtsenthebung führt.
  3. Möglich wenn auch noch unwahrscheinlicher ist, dass Trump angesichts erdrückender Beweise und schwindender Unterstützung in der Basis und im Senat zurücktritt, noch bevor es zur Abstimmung im Senat kommt, so wie es Richard Nixon im Zuge des Watergate Scandals machte. Wer Trumps Narzzismus, seine intelektuelle Impotenz und seine Unbelehrbarkeit kennt, ahnt wie unwahrscheinlich solch eine Einsicht in die Notwendigkeit wäre.
Das Szenario unter 1. ist das allerwahrscheinlichste. Sender wie FOX News sorgen dafür, dass Trumps Basis und die Senatoren weiterhin erklären können, dass sie ihn unterstützen werden, egal was er tut. Trotzdem, wie man es auch dreht und wendet, es wird eine Zeit nach der regulären Präsidentschaft Trumps kommen und hier sehe ich die interessantesten historischen Aspekte:

Wenn Trump das Amt verlässt, erlischt seine Immunität und es ist sehr wahrscheinlich, dass er sofort wegen zahlreicher Vergehen angeklat und sogar verurteilt wird. Genau das ist der allergrößte Anreiz aller ehemals demokratisch gewählter (Proto-)Despoten, einen Weg zu finden, im Amt zu bleiben und damit eine Demokratie in eine Diktatur zu verwandeln. Putin, Netanyahu, Erdogan – alle haben aus verschiedenen Gründen genau diese Herausforderung zu meistern. In den USA gibt es die weise Tradition, politische Vorgänger zu begnadigen und so vor Strafverfolgung zu bewahren. Das mag erst einmal ungerecht klingen, kann aber dabei helfen, einen Amtsträger ohne viel Gewese zurücktreten zu lassen, weil er die Strafverfolgung nicht fürchten muss. Trump allerdings, hat es sehr weit getrieben und ich weiß nicht, ob sich je eine Demokrat oder auch ein Republikaner als Nachvolger leicht tun wird, ihn zu begnadigen.

Das wirft die Frage auf, was er tun wird, wenn er das White House am Ende verlassen muss und sich damit wieder dem Gesetz in ganzer Breite unterwerfen muss. Wird man ihn raustragen müssen? Wird er versuchen, alle und alles in seinen persönlichen Untergang hineinzureißen? Wird er gar versuchen, widerrechtlich im Amt zu bleiben? Wird er zu einem Bürgerkrieg gegen das politische Establishment aufrufen? Es gibt einige Schreckensszenarien, die denkbar erscheinen.

Trump als Hoffnung

Naomi Klein sagt in ihrem Buch No Is Not Enough, dass Trump, der für sie die logische Konsequenz des Neoliberalismus ist, auch Anlass zu großem Optimismus gäbe, denn er hätte es so weit getrieben, dass er eine Front des zivilen Anstands gegen sich und das wirkliche Establishment, die sich allmächtig wähnenden Milliardäre dieser Welt, provoziere:

Wir haben bereits gesehen, dass das neue Regime in Washington viele Leute dazu motiviert, ihre eigenen unhinterfragten Annahmen und Vorurteile, die uns in der Vergangenheit auseinanderdividiert haben, zu verstehen und zu überwinden. Diese innere Arbeit eines jeden ist entscheidend, um im Widerstand und gemeinsamen Wandel zusammen zu kommen. (No Is Not Enough: Defeating the New Shock Politics, S. 259)

Der Zauber des Neoliberalismus ist gebrochen, schreibt Klein, entlarvt von seinen Folgen, die wir täglich auszubaden haben. Daher komme es zu immer mehr Bewegungen, die nicht mehr nur ihre Patrtikularinteressen im Auge haben, sondern die verstehen, dass alles von Obdachlosigkeit bis Klimawandel im Kontext der Ideologie des Neoliberalismus verstanden und bekämpft werden muss. Solche Bewegungen (siehe global auch Future for Fridays) und die offensichtliche Inkompetenz aller reaktionären Populisten, ihren Unterstützern im einfachen Volk tatsächliche Ergebnisse zu liefern, die zu nachhaltigen Verbesserungen ihrer Leben führt, lässt mich hoffen, das es sich um ein vorerst letztes Auflodern der reaktionären Rechten handelt, das wir bald überwinden können.

Das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wird auf das Schicksal des Neoliberalismus und seiner Gegenbewegungen vielleicht keinen großen Einfluss haben. Eine erfolgreiche Enthebung oder eine Abwahl wäre lediglich ein starkes Zeichen dafür, dass sich die alte Demokratie USA auch gegen Sabotage auf höchster Ebene zu wehren weiß. Und das wäre doch schon etwas.



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