17. Januar 2011

Hochstaplern und über den Schatten springen

Wdzydze strach
Hilft nicht immer: so tun als ob
Man kennt das von Hochstaplern: Vom Erscheinen her, also das, was "Ahnungslose" sehen, ist es erst einmal dasselbe, ob jemand wie ein Arzt aussieht oder tatsächlich ein Arzt ist. Man könnte sogar noch extremer argumentieren: Solange jemand die Erscheinung eines Arztes auch in seinem Verhalten, in seinen Techniken und Funktionen perfekt imitiert, ist es nicht ohne Weiteres auszumachen, ob er ein Arzt ist oder nicht. Das ist genau das Prinzip der Hochstapelei: So tun als ob. Dieses Prinzip ist äußerst erfolgreich, soweit sogar, dass Hochstapler unentdeckt bleiben, operieren und letztendlich erfolgreiche Ärzte werden. In der Natur ist "so tun als ob" ein Überlebensprinzip - denken wir nur an Schwebefliegen, die wie Wespen aussehen.

Ich rufe hier natürlich nicht zur Hochstapelei auf, sondern meine, dass man sich hier etwas abgucken kann. Denn besonders, wenn wir im Leben mit etwas neuem anfangen, gut sein wollen, aber eben noch keine Erfahrung haben, stellt sich die Frage: Wie erlange ich das Vertrauen meiner Mitmenschen, wenn ich doch selber weiß, dass ich die Erwartungen kaum erfüllen kann?


Man muss dazu einen Sprung machen, sprichwörtlich über seinen Schatten springen und die Rolle annehmen, in die man hineinwachsen möchte. Damit legt man die Grundlagen, dass sich die Qualitäten, die man anfangs nur spielt, so manifestieren, dass sie ein Teil der Persönlichkeit werden. Wie so oft funktioniert es leider auch umgekehrt. Wenn ich mich so verhalte, als ob ich dieses oder jenes nie lerne, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass diese Prophezeiung war wird. Negative Glaubenssätze, die wir über uns selbst pflegen, stehen uns im Weg, solange wir sie nicht bewusst machen und den Sprung darüber hinweg wagen.

In meinem Leben war ich bereits einiges, unter anderem Fahrradkurier in Berlin, Reitlehrer auf dem Ferienhof und Türsteher in Musikclubs. Besonders bei den letzten zwei Jobs war es alles etwas heikel, denn ich kann weder gut reiten, noch bin ich außerordentlich kräftig. Als Lehrer und besonders als Türsteher muss man Selbstbewusstsein ausstrahlen, sonst geht es einem an den Kragen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten würde, wenn es Probleme geben würde. Als es dann soweit war, habe ich mich einfach so verhalten, wie ich es bei Kollegen gesehen habe. Und das klappte. Die angetrunkenen Großmäuler bekamen Respekt. Beim Coaching ist es so ähnlich: Ich war vor meinen ersten Coaching-Sessions furchtbar aufgeregt. Als ich dann aber mit dem Klienten zusammen saß, habe ich einfach so getan, als ob ich das schon immer mache. Ich habe sogar an Therapeuten-Figuren aus Filmen gedacht und sie etwas in meinem Gestus imitiert. Das hat dem Klienten Vertrauen gegeben und mir Selbstvertrauen. Chirurg traue ich mir jedoch noch nicht zu.

7 Kommentare:

  1. Das kann ich glauben. "...die Rolle annehemen, in die man hineinwachsen möchte." Es gibt doch immerhin noch das persönliche ICH, was nicht unbedingt angeknüpft an ETWAS existiert. Individuen und soziale Interaktionen beinhalten vielseitige Ausdrucksformen der jeweils Kommunizierenden. Eine Rolle ist nichts anderes als ein Bündel von Verhaltensformen die uns in eine Position verweisen. Sie machen es möglich Verknüpfungen zu schaffen, die man als Individuum an sich, nicht unbeding für notwendig erachtet. Wenn es keine Distanze zwischen Rolle (also der wer ich werden will, in dieser oder jener Position) und dem ICH gibt, dann befindet man sich ja erst in dem Zustand der Erfassung. Dieser Zustand macht es nicht unbedingt leicht, die Rolle an sich zu beleuchten. Erst die Distanz zwischen Rollen-Ich und dem eigenen ICH könnten eine Vermutung schaffen, wie das Rollen-ICH auszusehen hat. Erst dann kann man doch eine innere Bindung zur Rolle finden. Nicht die ICHaufgabe führt zur Rolle und auch nicht die beobachtete Nachahmung bestimmt, was von mir in diese Rolle einfließt. Die Distanz und das Wissen zwischen Rollen-Ich Ich machen einen souveränen Umgang möglich. Die Leistung dessen, was ICH imstande bin zu wagen, wird natürlich auch das Rollen-ICH beeinflussen. Ich denke diese Distanz ist wichtig,um für weitere Rollen in unserem kommunikationsreichen Leben platz zu schaffen.

    AntwortenLöschen
  2. Enschuldigung! DAS KANN ICH "NICHT" glauben!

    AntwortenLöschen
  3. Was mir auffiel, wahr einfach das: Wenn ich ein guter Lehrer werden will, dem die Schüler vertrauen und vor dem sie Respekt haben, dann muss ich schon bevor ich ein guter Lehrer bin, so tun, als wäre ich ein guter Lehrer. Ansonsten sind die Aussichten geringer, dass ich es je werde. Ich nehme also eine Rolle an, in die ich hineinwachsen möchte. Das heißt natürlich nicht, dass nicht noch etwas hinzukommen muss und dass ich nicht mehr und mehr meine individuellen Eigenarten ausprobieren und in die Rolle einarbeiten werde. Und es ist sehr schön ausgedrückt: Distanz zur Rolle ist wichtig, um nicht ganz in Erfassung aufzugehen. Ich denke aber auch, dass man diese Distanz mitbringt, wenn man bewusst eine Rolle einnimmt (siehe z.B. der Hochstapler, der die Rolle analysieren muss, bevor er sie einnehmen kann).

    Ich verstehe nicht, was dieser Satz meint: "Es gibt doch immerhin noch das persönliche ICH, was nicht unbedingt angeknüpft an ETWAS existiert." Das kann ich mir nicht vorstellen, dass es ein Ich gibt, dass NICHT an irgendetwas angeknüpft existiert. Wir sind ja als Individuen stets an alle möglichen Punkte und Flächen der Gesellschaft angeknüft und sei es nur durch die Erziehung, wo es ganz besonders um Imitation und Rollen geht.

    Du hast jedenfalls Recht: Die von mir im Text nicht angesprochene Distanz zur Rolle ist enorm wichtig. Eine Ich-Aufgabe würde das Spannungsverhältnis, das Surplus verschwinden lassen, das aus der Individualität kommt, die wir mit in die Rolle bringen. Abgesehen davon, dass wir sonst nur seelenlose Puppen oder Roboter wären, wenn wir die Rolle unter Ich-Aufgabe einnähmen.

    AntwortenLöschen
  4. Nein, man "muss" kein guter Lehrer sein, nicht bevor man diese Tätigkeit ( nicht in dieser und in gar keiner) beginnt. Ein Gespühr muss man besitzen, ein Gespür für menschliche Neigungen. Schluss mit den Vorstellungen über ETWAS und WIE ETWAS auszusehen hat. Man ist im höchsten Falle, nach Beendigung einer Tätigkeit Spezialist in DIESEM oder JENEM THEMENBEREICH. Was stellt man sich denn vor, dazuzulernen - wenn man sich schon als Vollkommendes in den Anfang setzt? Und wirkt man dann nicht erst "nichtvollkommen", aufgesetzt, wenn etwas zu sehr gespielt, das Eigene (hier würde ich von einigermaßen intuitiv reden) zu sehr unterdrückt?
    Natürlich, alles ist antrainiert - aber einige Verhaltensweisen sind so in unserem persönlichen EGO gelandet, dass sie mehr (nie?)oder weniger mehr angefochten zu uns selbst gehören. Das glauben wir nur nicht und sagen so oft "so bin ich eben", des öfteren hören wir gesagt "so bin ich eben". So ist es aber nicht! Das ist nur die halbe Wahrheit! Wir finden uns auf jedem Wege zurecht - der Weg lehrt uns, nicht wir werden den Weg belehren - er wird zwangsweise Barrieren mit sich bringen, die wir vorher noch nicht in der Lage waren zu beachten. Auch gut! Wir werden wiederum daraus lernen - eine flexiblere Umgehensweise, mit unserem Gegenüber einzustudieren.
    Nun - nicht an ETWAS angeknüpft bedeutet nicht gleich - GAR NICHTS - es bedeutet in dieser Beziehung zur Arbeit eine Art Auskoppelung und natürlich immer an ETWAS geknüpft.

    S.Z.
    ( dies war auch mein Geschriebenes)

    AntwortenLöschen
  5. Von "vollkommen" würde ich auch nicht reden. Es ist ja im Leben nichts entweder/oder. Natürlich wird man kein Spezialist einfach nur durch Nachahmung. Mein Punkt ist einfach nur, dass man manchmal etwas wagen muss, einen Sprung machen muss und so tun als ob man etwas schon kann, selbst wenn man noch kein Spezialist darin ist.

    Stimmt: "So bin ich eben" ist bequem und beliebt. Neue Wege gehen ist schwer. Aber ein Glück möglich, eine Entwicklungspotenz ist in uns, ohne die alles ein ganz schöner Mist wäre.

    AntwortenLöschen
  6. Wenn nun die Erkenntnis der Entwicklungspotenz vohanden ist, warum sollte man dann "so tun als ob", also dann doch entweder/oder - das leuchtet mir nicht ein! Was ist das Ziel, die Anpassung (?) an das gesellschaftlich Vorhandene? Das, was zu bedienen ist - das was man sich ausmalt bedienen zu können?
    Die Kausalkette aufrecht erhalten? - O.K. - das kann ich verstehen, würde ich aber nicht betreiben. Finde ich nicht gut, dass Menschen mit Intellekt diese Sache verfolgen. Was meinst du? Worin bewegst du dich?

    S.Z.

    AntwortenLöschen
  7. Hm, vielleicht liest du hier mehr hinein, als ich ursprünglich beabsichtigt hatte.

    Mein Ausgangspunkt war lediglich die oft gefühlte Unsicherheit bei neuen Aufgaben zu überkommen. Ein So-tun-als-ob kann dabei anfänglich helfen. Mir hilft es jedenfalls. Dabei ist das sicher nur ein mögliches Hilfsmittel von vielen. Und wem das eine oder andere Hilfsmittel nicht liegt, der kann es ja getrost links liegen lassen. Ein darüber (die erste Unsicherheit zu überkommen) hinausgehendes Ziel hatte ich nicht angedacht.

    Wenn so eine Unsicherheit erst gar nicht da ist, sondern man sich stark und entwicklungspotent fühlt,
    dann braucht man evtl gar keine Hilfsmittel, sondern kann sich vollkommen auf die Intuition und Erfahrung - oder was auch immer man an Ressourcen hat - verlassen.

    AntwortenLöschen

Top 5 der meist gelesenen Artikel dieser Woche