19. November 2016

Wie gefährlich sind Trump und Konsorten?

Was ist Faschismus und ist er heute wieder möglich?

Ich wuchs in den 70er und 80er Jahren in Ost-Berlin, der Hauptstadt der DDR auf. Es verging kein Tag, an dem wir nicht irgendwie in der Schule oder durch die Medien vom Kampf des Kommunismus gegen den Faschismus hörten. In den 90ern hatten wir dann in Berlin, nun die Hauptstadt des vereinigten Deutschlands, die sogenannten Faschos: gewalttätige Dummköpfe mit Glatzen und Baseballschlägern. Faschismus war für mich immer ein Wort des Verbrechens, der Grausamkeit und vor allem der Unmöglichkeit. Ausgeschlossen, dass der Faschismus in der Gegenwart oder Zukunft irgendwie gesellschaftlich wieder relevant werden könnte. Nun hat Jakob Augstein in einer Kolumne auf Spiegel.de im Zusammenhang mit Trump die Rückkehr des Faschismus in die Politik ausgerufen. Mein erster Gedanke und der von Freunden war: Trump ein Faschist? Das ist dann wohl doch etwas weit hergeholt.

Ein Präsident Trump ist nicht normal (Poster von Act now to stop war and racism, San Francisco)

Aber dann erschien mir die Charakterisierung immer zutreffender, je länger ich darüber nachdachte. Nicht nur, weil Trump jetzt mit dem durchgeknallten Michael Flynn und dem bekennenden Antisemiten Steven Bannon tatsächlich extreme, verrückte und bekennend rassistische Vertreter vom rechten Rand ins Weiße Haus holt. Das muss man sich mal klar machen, dass nach dem ersten schwarzen amerikanischen Präsidenten jetzt Freunde des Ku-Klux-Klans in der Regierung sitzen. Es kommt mir auch deshalb plausibel vor, weil es tatsächlich eine populistische Aufschwungsbewegung ist, wie wir sie aus dem Europa des letzten Jahrhunderts kennen. Und wie damals, setzten sich nun machtgeile Egomanen an die Spitze dieser Bewegungen, denen das Schicksal des Volkes (derer, die ihnen folgen) am Ende vollkommen egal ist.

Definitionen des Faschismus

Was aber ist Faschismus eigentlich? Kann der Populismus, den wir heute im Aufschwung sehen, tatsächlich faschistisch sein oder werden? Der Begriff Faschismus ist ziemlich leer, denn er weist lediglich auf einen Bund, einen Zusammenschluss hin, sagt aber darüber hinaus nichts zum Charakter dieses Zusammenschlusses aus und wurde auch von den heute als faschistisch bezeichneten Bewegungen keinesfalls zur Selbstbezeichnung genutzt. Der eigentliche und in der Selbstbezeichnung bekennende Faschismus war die national-proletarische und zum Teil anarchistische Bewegung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Italien. In meinem Deutschen Universalwörterbuch steht nur, Faschismus sei eine "...nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, antidemokratische, rechtsradikale Bewegung, Ideologie." Andere Definitionen sagen zum Teil "undemokratisch", statt "antidemokratisch" oder "rassistisch" anstatt "rechtsradikal".

Historiker bemängeln, dass die als faschistisch beschriebenen Regime wie in Italien, Japan und Deutschland zu verschieden waren, um sie unter einen Gattungsbegriff "Faschismus" zu fassen. Die Bewegungen hingegen, die zu diesen jeweiligen Staatsformen geführt hatten, die seien mit "faschistisch" gut beschrieben. Eine umfassendere Beschreibung kommt vom Historiker und Faschismusforscher Robert Paxton:

"Faschismus ist eine Form des politischen Verhaltens, die durch Zwangsvorstellungen vom Niedergang der Gemeinschaft, Demütigung oder einer Opferrolle geprägt ist und diese durch einen Kult der Gemeinschaft, Kraft und Reinheit kompensiert, indem Gruppen von kämpferischen Nationalisten eine unbehagliche aber effektive Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten eingehen, um demokratische Freiheiten abzuschaffen und mit erlösender Gewalt, frei von ethischen oder rechtlichen Beschränkungen, Ziele von interner Säuberung und externer Ausdehnung verfolgen." (meine Übersetzung eines Auszuges von Robert Paxtons The Anatomy of Fascism)

Faschistische Elemente bei Erdogan und Trump

Beim Lesen dieser Beschreibung fiel mir zuallererst das derzeitige Geschehen in der Türkei unter Erdogan ein. Da trifft alles zu: Besessene Angst vor einem inneren Feind, der Aufruf dagegen zusammenzustehen und die handfesten und erfolgreichen Aktionen, die Gemeinschaft von feindlichen Subjekten zu säubern. Die externe Ausdehnung nach Syrien hinein und auf einige griechische Inseln im Mittelmeer hat sich Erdogan in Anlehnung an Putins Krim-Invasion auch schon überlegt. Hier scheint der Faschismus, wie ihn Paxton beschreibt, also schon über die Form einer Bewegung hinaus als Staatsgewalt aktiv geworden zu sein.

Augstein hat in der Tat einige Parallelen der heutigen populistischen Bewegungen zum Faschismus aufgezeigt:

Der Hass auf das Fremde, die Furcht vor Veränderung, die Erniedrigung von Frauen, die Verachtung der Schwachen, die Verherrlichung der Starken, die Wut auf die Eliten, die man angeblich hinwegfegen will, denen man sich aber in Wahrheit andient – all das ist Faschismus, die Drohung nach Washington, nach Brüssel, nach Berlin, den Sumpf trocken zu legen. Auch der Mythos von der herrlichen Vergangenheit, die aus der Dekadenz der Gegenwart wiedererstehen soll, ist Faschismus. Palingenese nennt man dieses Muster. Trumps "Let's make America great again" ist ein typisches palingenetisches Motto. (Trump beim Namen nennen)

All diese faschistischen Merkmale kann man tatsächlich in den heutigen Bewegungen wiederfinden. Als der Populist Adolf Hitler, wie Trump mit einem derangierten Charisma ausgestattet, das dafür sorgte, dass er von den Eliten unterschätzt wurde, durch demokratische Mechanismen an die Macht kam, dachten auch alle, der politische Apparat werde Hitler zähmen. Dann kam alles anders. Und an der Türkei sehen wir, dass faschistisch geprägte Politik auch innerhalb von Staaten auch heute wieder möglich ist. Ich kann mir beim besten Willen kein Abgleiten der USA in einen undemokratischen Totalitarismus vorstellen, bin aber gespannt, was passiert. Denn mit der begrenzten Vorstellungskraft ist es immer dasselbe – sie wird von einer verrückten Realität am Ende eingeholt.



Das passt dazu:

16 Kommentare:

  1. "... in dem Sinne will dieser Blog hier eigentlich einladen zum Denken, zur Kreativität und nicht zur rigiden und systemischen philosophischen Untersuchung dessen, was richtig und was falsch ist. Das ist natürlich ein Balance-Akt. Wenn alles nur noch lose und assoziativ ist, dann hat es nichts mit Philosophie zu tun. Wenn es aber zu theoretisch und exakt ist, hört es für mich auf, Spaß zu machen.

    In dem Sinne sind mir auch Kommentare immer sehr lieb, die erst einmal offen mit dem Text umgehen, denn man muss nicht immer gleich ein Urteil über alles haben, sondern kann sich auch erst mal einlassen und wohlwollend sehen, was zu einem passt und was nicht. Offene und wohlwollende Kritik ist als Kunst des Drahtseilaktes natürlich auch wichtig."

    Hallo Gilbert,

    das ist ein Kommentar von Dir aus dem letzten Beitrag.
    Ich bin kein Freund von Trump & Co., aber ich finde schon, dass Du im obigen Artikel sehr schnell mit Urteilen zur Hand bist und Dich nicht gerade wohlwollend auf "Trump & Konsorten" einlässt.

    Gilt für die Kommentare auf Deinem Blog denn was Anderes als für die Artikel, die Du veröffentlichst oder für reale Situationen, Personen usw.? Nichts für ungut, aber ich finde, ein Artikel wie dieser strahlt genau dasselbe aus wie das, was er bei seinen "Gegnern" (Trump & Co) diagnostiziert und anprangert.

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    1. Das kannst du natürlich nicht wissen, aber natürlich habe ich mich anfänglich wohlwollend auf "Trump & Konsorten" eingelassen, dazu war ja im Vorwahl- und Wahlprozess wirklich lange genug Zeit. Sich wohlwollend auf etwas einlassen, heißt ja nicht, dass man am Ende oder im Laufe eines solchen Prozesses nicht sehr starke Standpunkte und Urteile dazu gewinnt. Und das habe ich in der Tat und zu meiner Überzeugung gehört, für solche Standpunkte auch einzutreten, was ich im Artikel hier mache.

      Ja, natürlich gilt für Kommentare in denen man aufeinander eingeht etwas anderes als für Artikel, in denen man auf prominente Figuren des Zeitgeschehens eingeht.

      Was genau meinst du mit "ein Artikel wie dieser strahlt genau dasselbe aus wie das, was er bei seinen "Gegnern" (Trump & Co) diagnostiziert und anprangert"? Ich hoffe, dass mein Artikel weder rassistische, noch antisemitische oder faschistische Elemente enthält. Aber du meinst sicher etwas anderes?

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    2. "Ja, natürlich gilt für Kommentare in denen man aufeinander eingeht etwas anderes als für Artikel, in denen man auf prominente Figuren des Zeitgeschehens eingeht."

      Heißt das, Du würdest anders über Trump, Erdogan oder Putin reden (denken) und anders mit ihnen umgehen, wenn die auf Deinem Blog Kommentare schreiben würden? Das entspricht nicht meiner Denke/Haltung. Ich sehe keinen Grund, warum ich mit Trump et alii anders umgehen sollte als mit dem Gerhard, der ja Deinen obigen Kommentar ausgelöst hat. Zumal ein Blog ja durchaus eine öffentliche Sache ist.

      Was ich meine, ist, dass Du Trump bewusst ein falsches Etikett umhängst, indem Du ihn mit Erdogan in einen Pott schmeißt, der ja, wenn die Zeitungsmeldungen stimmen, tatsächlich zu einem Diktator mutiert. Was man von Trump sagen kann, ist, dass er es versteht, sich mit allerhand Großsprech in Szene zu setzen, wozu auch sein Flugzeug und sein Trump-Turm gehören. Trump ist politisch noch gar nicht aktiv geworden, deshalb kann man über seine Politik auch noch nichts sagen. Der obige Artikel ist deshalb eine Vorverurteilung.

      Was an Trump ist rassistisch oder faschistisch? Dass er illegale Einwanderer ausweisen und eine Mauer bauen will? Wenn jemand ungefragt in Dein Haus kommt, und Du schmeißt diesen Eindringling wieder hinaus, heißt das, dass Du deshalb ein Rassist oder ein Faschist bist? Wenn Du jemanden nicht in Dein Haus einlädst, weil Du ihn aufgrund seiner Religion für gewalttätig hältst, bist Du deshalb schon ein Rassist oder Faschist? Trump hat gesagt, dass er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen will, was ist daran antisemitisch?

      Siehst Du, das ist ein Spiel mit falschen Etiketten, und dieses Spiel spielen u.a. eben Populisten. Du trittst mit diesem Artikel als Populist auf, und das ist es ja, was Du in einem anderen Artikel Trump vorgeworfen hast.

      Meiner Ansicht nach entlarvt Trump derzeit bloß, wie die politischen Machtspielchen funktionieren. Das ist der Hauptgrund, warum manche so empört sind. Weil dieses Spielchen sonst hinter den Kulissen abläuft und eben nicht zur Belustigung der Zuschauer auf der Bühne aufgeführt wird.

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    3. Flüchtlinge = Einbrecher? Oh man, was ist denn das für ein Niveau? Der Vergleich zwischen Heim und Land ist doch kategorial gar nicht zulässig. Und ja, wenn ich eine ganze Religion und alle ihre Anhänger vorverurteile, dann ist das falsch.

      "Heißt das, Du würdest anders über Trump, Erdogan oder Putin reden (denken) und anders mit ihnen umgehen, wenn die auf Deinem Blog Kommentare schreiben würden?"

      Ja, natürlich – jede Kommunikation ist doch abhängig von ihrem Kontext. Wenn jemand hier kommentieren würde und sich an meine Mindestanforderungen an Anstand hält, dann kann die Person noch so krude Ideen haben, ich würde auf jeden Fall versuchen, mich respektvoll mit ihnen auseinanderzusetzen. Und auch hier im Text oben sehe ich nicht, dass ich mich unredlich gegenüber ihnen verhalte (wie in meinem letzten Kommentar schon gesagt, hatten sie ja lange ihre Chance).

      "Was ich meine, ist, dass Du Trump bewusst ein falsches Etikett umhängst..."

      Da hast du nicht richtig gelesen, ich habe Trump diese Etiketten nicht zugeschrieben. Im Text steht: "weil Trump jetzt mit dem durchgeknallten Michael Flynn und dem bekennenden Antisemiten Steven Bannon tatsächlich extreme, verrückte und bekennend rassistische Vertreter vom rechten Rand ins Weiße Haus holt. Das muss man sich mal klar machen, dass nach dem ersten schwarzen amerikanischen Präsidenten jetzt Freunde des Ku-Klux-Klans in der Regierung sitzen."

      Ich nenne also nicht Trump einen Rassisten, sondern Leute, die er jetzt in seinen Stab berufen hat und denen muss ich das gar nicht anhängen, weil sie sich selbst diese Etiketten deutlich zu eigen machen. Ich weiß nicht, ob Trump rassistisch und/oder faschistisch ist (wahrscheinlich nicht, so wie er eigentlich gar nichts wirklich ernst meint und wenn er doch Rassist oder Faschist ist, dann nicht wegen seiner von dir genannten idiotischen Ideen), aber die Leute, mit denen er sich umgibt bekennen sich zu und verbreiten gezielt rassistische Ideen.

      Und auch schmeiße ich nicht Erdogan und Trump in einen Topf, sondern ja gerade nicht, wenn ich sage, dass mir bei der Faschismus-Definition Erdogan einfällt. Trump kann man ja an seinen politischen Erfolgen nicht messen, weil es sie noch nicht gibt (und hoffentlich nie geben wird).

      Und zuletzt schreibe ich sogar noch: "Ich kann mir beim besten Willen kein Abgleiten der USA in einen undemokratischen Totalitarismus vorstellen, bin aber gespannt, was passiert."

      Also, ich habe deine Kritik gerne (und überlege mir, wie populistisch ich vielleicht selber gerade bin oder sein sollte – lies auch den Artikel zum Thema Stimmung machen, denn vielleicht sollten wir eben von Populisten auch lernen), aber bitte lies vorher sorgfältig, sonst trifft deine Kritik wie in deinem letzten Kommentar ja nicht.

      Ich hoffe, du hast Recht und er entlarvt nur die Spielchen, ohne dabei sein eigenes Land mit globalem Kollateralschaden vor die Wand zu fahren. Übrigens unterliegst du da einem Missverständnis, dass "Machtspielchen" der Politik entlarvt gehörten. Machtspielchen sind ja an sich nichts schlimmes. Politik hat ihre eigenen "Spielregeln" und vieles unserer westlichen Zivilisation funktioniert nur deswegen, weil nicht alles auf dem Marktplatz öffentlich diskutiert wird (so schön antik-romantisch das auch wäre). Und einiges hat Trump bereits jetzt kaputt gemacht: Wer sich offen sexistisch und fremdenfeindlich äußert und sich von Rassisten und Rechtsextremen beraten lässt, erodiert aktiv gesellschaftliche Standards, die lange erkämpft wurden.

      Es ist toll, dass du eine ironische Distanz zu Entwicklungen aufbauen kannst, die gefährlich sind (siehe auch deine Kommentare zu ökologischen Themen), aber ich möchte dafür eintreten, dass gesellschaftlicher Fortschritt nicht wieder zunichte gemacht wird. Und das steht nun einmal zu befürchten.

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    4. Dein erster Gedanke war doch, die Aussage, dass Trump Faschist ist, wäre etwas weit hergeholt. Aber dann erschien Dir diese Charakterisierung immer zutreffender. - Diese beiden Sätze interpretiere ich schon so, dass Du Trump nach anfänglichem Stutzen inzwischen für einen Faschisten hältst. Wie soll ich das denn sonst lesen?

      Ja, Stimmung machen. Ich bin nicht der Ansicht, dass der Zweck die Mittel heiligt. Worin unterscheidest Du Dich denn dann noch von Trump, wenn Du die Trump'schen Methoden übernimmst? Dann bist Du doch nichts anderes als eine Trump'sche Kopie und keinen Deut besser als der.

      Der Zweck beweist seinen Wert darin, welche Mittel er zur Anwendung bringt. Wenn die Mittel nichts taugen, taugt auch der Zweck nichts. Im Grunde sind Mittel und Zweck identisch. Man tritt nicht für Ehrlichkeit ein, indem man über Ehrlichkeit was zusammenlügt, sondern indem man ehrlich IST. Frieden lässt sich nicht mit den Mitteln der Gewalt herstellen usw.

      Trump wurde in freier Wahl gewählt. Das heißt, die Mehrheit der amerikanischen Bürger hat mit Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und rassistischen Beratern offensichtlich kein Problem, dafür aber mit der Politik von Obama, denn sonst wäre Trump nicht gewählt worden. Statt Trump müsste man also Obama hinterfragen. Und ja: Trump wurde gewählt, nicht weil sie dumm, alt und weiß sind, wie Trumps Wählern rassistischerweise unterstellt wird, sondern weil sie von Obama & Konsorten maßlos enttäuscht wurden.

      Leben besteht in der Verknüpfung gegenläufiger Tendenzen. Deshalb verdankt sich Fortschritt auf der einen Seite immer Rückschritten auf der anderen. Outsourcing bspw. bedeutet zwar einerseits Entlastung, aber gleichzeitig auch der Verlust von früher mal erworbenen Fähigkeiten. Fortschreitende Technisierung wird mit fortschreitendem Artensterben bezahlt. Fortschreitende Globalisierung mit dem Verlust von Identität.
      Fortschritt als solcher ist eine Illusion.

      Die Tendenz zu globalisieren, Unterschiede aufzulösen, zu vereinheitlichen ist gleich gefährlich wie die Tendenz, auf Nationalismus zu machen, Unterschiede zu setzen, zu differenzieren. Zur Veranschaulichung ein physikalisches Bild: Ob das Univerum entropisch zerfällt, weil alle Bindungen (also Materie) sich auflösen, oder ob es sich in einem Schwarzen Loch verdichtet, weil jede Distanz zwischen Teilchen verschwindet, ist im Ergebnis wurscht. Beide Tendenzen führen im Extrem das Ende herbei.


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    5. "Machtspielchen sind ja an sich nichts Schlimmes..."
      Dann empfehle ich Dir doch mal "House of Cards". Vielleicht könnenb wir uns danach noch mal über das Thema "Machtspielchen" unterhalten.

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    6. Hab ich jede einzelne Folge gesehen. Faszinierend. Aber eben auch Fiktion. Gut gemacht und sicher gut recherchiert. Wenn die Clintons so gut gewesen wären, hätten sie es auch diesmal geschafft. Aber es passt in unsere Zeit (#postfaktisch), dass versucht wird, den Realitäten mit Fiktionen aus TV-Shows beizukommen. Wir können also gern darüber reden, ich fürchte nur, dass du mich nicht von der Relevanz einer TV-Show in Bezug auf Donald Trumps Wahl überzeugen kannst, selbst wenn ich zugeben muss, dass diese Wahl selber eher fiktionalen Charakter hat.

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    7. Gut recherchiert? Nun ja, kann man so sagen. Michael Dobbs, der Verfasser der englischen Version von House of Cards war Stabschef unter Thatcher. Wenn ein halbwegs gebildeter Lord wie Dobbs sich, wie geschehen, für willkürliches Chassen revanchieren will, wie trifft er am besten: indem er bösartig lauter Lügen erzählt oder möglichst nah an der Wahrheit dran bleibt und das politische Machtspiel demaskiert? Ich denke Letzteres, also indem er im Gewand der Fiktion Wahres erzählt. Habe ich übrigens auch so gemacht und meine Erfahrungen in der Realwirtschaft und im Gesundheitswesen in Romane verpackt. (Nicht "Jezreel", das ist aus einem Traumbild heraus entstanden).

      Mir leuchtet ein, dass Politiker summa summarum wie die Underwoods ticken. Anders sind die politischen Entscheidungen, mit denen wir es zu tun haben, nämlich nicht zu erklären.
      Was ist es denn, wenn der Stab im Weißen Haus die Ermordung Bin Ladens via TV beobachtet? Zynisch, ist noch milde ausgedrückt. Ich denke, der Unterschied zu den Underwoods besteht im Wesentlichen bloß darin, dass ein Politiker sich seine Machtgier selbst nicht eingesteht. Das ist die dichterische Freiheit, die in diesem Fall die Maske runterreißt.

      Glaubst Du etwa, was in den vorpostfaktischen Geschichtsbüchern steht, ist die Wahrheit, bloß weil es in Fakten verkleidet ist? So naiv kannst Du doch nicht sein. Im MA bspw. hat der Deutschritterorden als verlängerter militärischer Arm vom Vatikan eine mächtige Rolle gespielt. Man muss aber schon suchen, um darüber was zu finden. Oder steht das dritte Gebäude, das am 11.09.2001 in Schutt und Asche zerfallen ist, etwa noch, bloß weil im offiziellen staatlichen Bericht nichts über dieses dritte Gebäude steht? Neulich habe ich eine interessante Abhandlung drüber gelesen, dass die berühmten "Confessiones" von Augustinus gar nicht von Augustinus sind, sondern viel später verfasst wurden. Das Alte Testament ist eine Propagandaschrift für einen zum Messias aufgebauschten König (Josias), ja, derselbe, unter dem dann die Israeliten in babylonische Gefangenschaft geraten sind. Wohin man sieht, nur Fälschung, Umschreibung, Fiktionen in Fiktionen in Fiktionen.

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    8. Arnold Gehlen hat mal gesagt, "daß an jeder Krone Blut und Schmutz und Lüge" hängen müsse, "denn die im Palast des Staates residierenden Tugenden sind nicht die des Eigenheims".

      Und du hast Recht, Geschichtsschreibung ist immer auch Fiktion. Bei der Bibel verhält es sich etwas komplexer, denn sie ist ja nicht in einem Ruck von einem Autoren geschrieben worden, sondern hat selbst eine lange Entstehungsgeschichte. Tendenziell aber plättet sie die zuvor üblichen "Geschichtsschreibungen" aus polytheistischen Kulturen. Insofern würde ich sie auch nicht als Versuch authentischer Geschichtsschreibung werten. Erstaunlicherweise hat sie es aber geschafft, der Moderne ein Geschichtsbild und einen Modus der Geschichtsschreibung mit Beginn und Ende der Geschichte zu vererben. Daran halten wir uns heute immer noch und das hat es vorher nicht gegeben.

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    9. Ende des 7. vorchristlichen Jhs. setzten sich Schreiber, Hofbeamte und Priester zusammen, um das Alte Testament zu verfassen. Das AT hat gar keine so lange Entstehungsgeschichte, sondern ist ein Kompendium aus Sagen, Anekdoten, Propaganda, Erinnerungen und historischen Schriften/Erzählungen.

      Das Verfahren entspricht etwa dem, wenn heute mehrere Schriftsteller zusammen eine Mittelalter-Saga verfassen würden. Die Saga selber entsteht in kurzer Zeit, während sie inhaltlich eine längere Periode umfasst.

      Vom Neuen Testament nimmt man Ähnliches an, nämlich dass es im 2. nachchristlichen Jh. von Gnostikern verfasst wurde, die die bekannten Sagen, Mythen, historischen Ereignisse mit gnostischem Gedankengut übermalt haben. Es wird zwar offiziell gesagt, das älteste Evangelium wäre um die 70 n. Chr. verfasst worden, das jüngste um 100 n. Chr., aber es gibt keine Handschriften aus dieser Zeit, sondern erst aus dem 2.Jh., und es spricht vieles dafür, dass es gar keine angeblich "verlorengegangenen" Originale gibt. Die Kirche muss natürlich auf Schriften möglichst nah an Jesus beharren, weil sich sonst herausstellen würde, dass es den historischen Jesus gar nicht gegeben hat, sondern dass es sich bloß um eine Erzähltradition handelt, nicht anders als bspw. "Herr der Ringe", dessen Universum heute vielen Nachfolge-Autoren Raum bietet, um ihre Fantasie darin auszubreiten.

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  2. Wie gefährlich sind Trump und Konsorten?
    Was ist Faschismus und ist er heute wieder möglich?

    Um erste Frage zu beantworten, muss man erst die zweite geklärt haben.
    Faschismus geht nach meiner Kenntnis auf die Römer zurück (siehe Liktoren mit fasces etc.).
    Dazu steht etwa in Wikipedia folgendes:

    "Im 20. Jahrhundert wurde das Rutenbündel mit Beil (= 'fascis' - Anm.d.Komm.) unter anderem zum Symbol des italienischen Faschismus, taucht aber auch im französischen Staatswappen, im Wappen des Schweizer Kantons St. Gallen und im Siegel des Senats der Vereinigten Staaten auf."

    Die Fascis gilt als Machtsymbol, als Symbol der Macht, die auch mit Gewalt ihren Herrschaftsanspruch zu festigen bereit ist.
    Faschisten wären demnach also nichts anderes als Macht/in/haber, die auch zu Gewalt greifen werden, wenn ihre Macht zur Disposition gestellt würde.

    Da fast alle Staaten der Welt inclusive ihrer jeweiligen Machtrepräsentanten gewaltbereit sind (sie haben dazu ein Militär, eine Justiz, eine Polizei z.B.), sind sie per definitionem 'faschistisch'.

    Trump wäre demnach nicht faschistischer als fast jeder seiner Vorgänger inclusive Obama!
    Seitdem die USA ihre Indianerkriege führten waren sie 'faschistisch', spätestens aber beim Tripolitanischen Krieg (1801-05), wo die USA ihre eigenen überseeischen Interessen mit Waffengewalt konsolidierten.

    Nur weil die alle nicht mit rechtem erhobenen Arm und Armbinden rumlaufen, sind sie noch lange KEINE Faschisten ;-)
    Es ist die Bereitschaft die eigenen Interessen über die anderer zu stellen und diesen Interessen mit Waffen/Gewalt Geltung auf Kosten anderer zu verschaffen.

    Es wäre völlig ahistorisch aus Trump bezüglich Machtfaschismus' einen Präzedenzfall konstruieren zu wollen.
    Trump ist als ausgewiesener Hedonist sogar potentiell erst einmal weniger eine Gefahr als etliche seiner ach so 'seriös-humanistischen' Vorgänger.

    Der Faschismus kann gar nicht kommen, er war schon immer da und nie weg.

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    1. Danke für die Ausführungen. Einen Hinweis zu deinem "per definitionem": Machtanspruch notfalls mit Gewalt zu behaupten, kann natürlich nicht als Definition für Faschismus ausreichen. Denn, wie du selber darlegst, führt das zu der Absurdität, dass jeglicher Staat dann als faschistisch zu bezeichnen wäre. Das kann vielleicht irgendein verwirrter Anarchist so für sich befinden, aber es wäre keine Position, die in einem informierten Diskurs (sagen wir von Historikern und Politikwissenschaftlern) ernst genommen werden kann.

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    2. "...führt das zu der Absurdität, dass jeglicher Staat dann als faschistisch zu bezeichnen wäre. Das kann vielleicht irgendein verwirrter Anarchist so für sich befinden, aber es wäre keine Position, die in einem informierten Diskurs (sagen wir von Historikern und Politikwissenschaftlern) ernst genommen werden kann."

      Das nenne ich einen gewagten Standpunkt ;-)

      1.Warum ist es absurd jede gewaltgestützte Staatlichkeit als prinzipiell (mit Abstufungen) 'faschistisch' zu bezeichnen?
      Dann wäre es auch absurd, den Menschen grundsätzlich als Parasit zu bezeichnen, obwohl er es de facto ist, denn er gibt, im Gegensatz zu jedem anderen natürlichen Bestandteil, der Natur NICHTS (Positives) zurück und nimmt dafür alles :-)

      2. warum wird hier ein 'Anarchist' (wobei hier noch eine eindeutigere Definition vonnöten wäre, was das denn nun sein soll) als verwirrt bezeichnet, nur weil ein Anarchist eventuell andere Formen des Zusammenlebens befürwortet und manche Ideen dazu keineswegs verwirrt oder absurd sind, jedenfallls nicht verwirrter oder absurder als die apodiktische Behauptung: es geht nur mit staatlicher Gewalt? Gewaltanwendung bzw- -androhung, denn nichts anderes ist staatliches Wirken, sei alternativlos?
      Dazu nur mal ein paar Stichworte wie:
      - Selbstorganisation - Luzifereffekt - positive Rückkopplung etc.

      3. ich kann Historiker und Politikwissenschaftler nicht ernst nehmen, die den Diskurs unter dieser willkürlichen Paradigmensetzung verweigern ;-)
      Hätte man in der 150Millionen Jahre währenden Saurierordnung die Möglichkeit der Säugetierherrschaft angedacht, hättten die wohl auch gelacht.
      Wir haben gerade mal 10.000 Jahre der aktuell dominierenden Ordnung auf dem Buckel und sind genauso arrogant?
      Ein Paradigmenwechsel ist nicht nur möglich, er ist wahrscheinlich und evident notwendig.

      4. entkräftet das nicht meine Eimnschätzung, dass Trump diesen Nimbus gar nicht verdient hat, den man ihm anhängen möchte.
      Mir ist das letztlich wurscht, denn die USA sind seit langem faschistisch und bleiben es auch auf absehbare Zeit und welcher Knilch da im Weißen Haus sitzt juckt das System, dem er dient, gar nicht.
      Es ist ja auch ziemlich egal, wer gerade Papst ist - das Dogma wird nicht angetastet.

      Die bisherigen Definitionen von Faschismus kranken m.E. daran, dass sie herumeiern und sich auf den 'rein nationalsozialistischen T/Error' beschränken wollen, weil offenkundig ist, dass mit einer klitzekleinen Aufweichung plötzlich auch ganz andere auf der Anklagebank stünden 'faschistisch' zu sein und das geht natürlich gar nicht.
      Alles, was man Trump vorwirft, kann man in der Historie Europas etwa oder unter den aktuellen Machthabern auch antreffen - der ist doch nichts Besonderes???
      Nur weil etwa ein Giscard d'Estaing seine Ehefrau und Kinder ihn siezen lässt und weil er diplomatischer verklausliert Drohungen ausspricht bzw. seine politischen Schweinereien besser unterm Deckmäntelchen hält ist der also weniger faschistisch, mehr Demokrat etc??? (Kann man auf beliebige andere Personen ausweiten - ja, auch Merkel!) Da mag doch der Historiker mal etwas ehrlicher mit seiner Geschichte umgehen und der Politikwissenschaftler maL besser sein aus Zerrspiegeln bestehendes 'akademisches' Kabinett verlassen.

      Und selbst FALLS Sie mit Ihrer Haltung uneingeschränkt recht haben sollten:
      Was nützt all das Heulen und Zähneklappern, wenn dann doch der gefürchtete Gottseibeiuns schalten und walten kann wie er will?

      Ein System, das solche Phänomene erzeugen kann und zwar relativ zuverlässig, wie die Geschichte ja nun mal zeigt, sollte mehr hinterfragt werden als seine Protagonisten.


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    3. Gut, noch einmal mein Argument: Eine Definition, die alles beschreibt, ist keine Definition. Der Begriff "Faschismus" wird leer, wenn er auf jegliche Staatsform angewandt wird. Aber, wenn Sie sowieso nicht ernst genommen werden wollen, von denen, die sich wissenschaftlich auf solche Themen spezialisieren, dann ist das auch egal. Nur dann brauchen wir nicht weiter diskutieren, denn wir benötigen für ein erkenntnisreiches Gespräch einen gemeinsamen Referenzrahmen, auf den wir uns einigen können, ansonsten reden wir nur aneinander vorbei. Als Beispiel: Ein Kreationist wird sich nicht sinnvoll mit einem Evolutionsbiologen austauschen können, weil der Kreationist den gesamten wissenschaftlichen Rahmen gar nicht anerkennt.

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    4. Sie wollen partout eine Diskussion vermeiden, dennSie widerlegen nichts und Sie belegen auch nichts - das Einzige was ich hier für mich feststellen kann ist, dass Sie mich in die Ecke eines Indiskutablen etikettieren wollen, ohne auch dies nur ansatzweise argumentativ unterfüttern zu können.
      Schade, von Ihnen hätte man mehr erwarten dürfen als eitle Selbstbehauptung ;-)
      Aber wie sagte schon jemand, der ein bißchen mehr Ahnung hatte:

      "Ich sah, dass den meisten die Wissenschaft nur etwas ist, insofern sie davon leben, und dass sie sogar den Irrtum vergöttern, wenn sie davon ihre Existenz haben."

      Johann Wolfgang von Goethe

      Damit bin ich wieder weg.

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    5. Nein, ich will nicht unbedingt eine Diskussion vermeiden, aber wenn Sie sagen, jeder Staat ist faschistisch... was soll ich dazu noch sagen? Mein Diskussionsbeitrag zu ihrer Meinung besteht darin zu sagen, dass ich dieses Diktum nicht teile und dass Ihr Diktum alles sei Faschismus jegliche Diskussion über Faschismus unmöglich macht.

      Und noch eins: Ich bin immer viel eher bereit, mich auf Diskussionen einzulassen, wenn Kommentatoren hier sich nicht hinter Anonymität verstecken. Das ist Ihr gutes Recht, aber es bringt in der Regel unfruchtbaren Austausch, weil anonyme Kommentatoren nicht für das einstehen möchten, was sie sagen. (PS: Man kann auch anonym posten und mit Namen unterschreiben, wie es einige treue Leser und Kommentatoren tun.)

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