Der autokratische Versuch, die Medien unter Kontrolle zu bringen
Zu wenig Lob für des Königs fragiles Ego
In den USA sehen wir gerade die historisch größten Zensurbemühungen gegen die Medien. Ich konnte mir das bisher nicht vorstellen, in einem Land, in dem man sogar den Holocaust leugnen darf oder frei mit Hakenkreuzen kommunizieren kann, wenn man will.
Die Regierung und setzt mithilfe ihrer Behörden Fernsehsender und Medienhäuser unter Druck, Comedians zu feuern, wenn sie sich über Trump lustig machen oder verklagt Zeitungen wie die New York Times oder das Wallstreet Journal, wenn sie z.B. unliebsame Fakten über Trump und seinen "long time buddy" Epstein veröffentlichen.
Natürlich ist das furchtbar, denn selbst wenn das nicht erfolgreich ist, macht es immer Druck und Medien versuchen, diesem Druck durch vorauseilendem Gehorsam zu entgehen. Aber es ist auch echt komisch, denn wie bei allem, was diese Regierung macht, ist es stümperhaft. Denken wir an die unausgegorenen Zölle; an eine Mauer, die gebaut und von Mexiko bezahlt werden sollte oder an den Versuch, Trumps Freundschaft zum Sexualstraftäter Epstein zu vertuschen... das alles ist echtes Comedy-Gold.
Wenn der König nicht gelobt wird, lobt er sich selbst
So wie auch die Abweisung der Klage Trumps gegen die New York Times durch den republikanisch berufenen Richter Steven Merryday – echtes Comedy Gold. Das PDF der Abweisung der Klage findet sich hier und eine Übersetzung unten unter diesem Artikel.
Trumps Anwälte reichten eine Klageschrift ein, die eigentlich nur zwei schnöde Verleumdungsansprüche enthält. Zwei! Aber statt auf den Punkt zu kommen, mussten sie 85 Seiten mit allem füllen, was Trumps Ego schon immer einmal in amtliches Englisch gegossen sehen wollte: den "historischen Wahlsieg", die "einzigartige Brillanz" im Umgang mit dem Zeitgeist, das Immobilienimperium von Papa, und natürlich – wie könnte es anders sein – die kulturelle Weltbedeutung der TV-Show The Apprentice.
Merryday, der Bundesrichter in Florida, hat darauf so reagiert, wie ein genervter Lehrer bei einem 20-seitigen Aufsatz über "Was ich in den Sommerferien gemacht habe": Thema verfehlt, zu lang, Zeitverschwendung. Eine Klageschrift, so erinnerte der Richter, sei kein Wahlkampfauftritt, kein Twitter-Thread und schon gar kein lobhudelndes Selbstporträt in Überlänge.
Trump wollte die ohnehin aussichtslose Klage offenbar nutzen, um die New York Times zu verunglimpfen und sich gleichzeitig selbst als ein von ihr verkanntes kulturelles Phänomen zu inszenieren. Das Gericht machte kurzen Prozess mit der Selbstinszenierung: Abgewiesen! Und bitte noch einmal versuchen, wenn ernst gemeint.
Man kann fast Mitleid haben mit Trumps Anwälten. Statt nüchterne Fakten zur angeblichen Verleumdung vorzulegen, mussten sie offenbar eine Art Heldensaga abliefern – inklusive hymnischer Auflistungen von gemanagten Immobilien, Fernsehauftritten und der Familiengeschichte. Das Gericht kommentierte trocken: Eine Klageschrift ist kein Megafon für politische Öffentlichkeitsarbeit.
Richter beklagt blumige und ermüdende Details
Der unten zu lesende Beschluss des Gerichts liest sich wirklich wie eine Belehrung im Proseminar vor dem ersten Staatsexamen: Wie eine Klageschrift geschrieben wird. Nach Ansichten des Richters jedenfalls nicht im "überreichlichem, blumigem und ermüdendem Detail":
Die Klageschrift geht weiter mit Behauptungen zur Verteidigung von Präsident Trumps Vater und dem Erwerb des Trump-Vermögens; mit einer ausgedehnten Auflistung der vielen Immobilien, die The Trump Organization besitzt, baut oder verwaltet; einer Liste von Präsident Trumps vielen Büchern; einer langen Darstellung der Geschichte von The Apprentice; einer umfangreichen Aufzählung seiner Medienauftritte; einer detaillierten Schilderung anderer Rechtsverfahren, sowohl von Präsident Trump angestrengt als auch gegen ihn geführt, einschließlich der Behauptung einer „Russland-Kollusions-Posse“ und Vorfällen mutmaßlicher „lawfare“ gegen Präsident Trump; und mit vielem mehr, beharrlich behauptet in überreichlichem, blumigem und ermüdendem Detail.
Das wäre so lustig, wenn es nicht so erschütternd wäre, dass der angfeblich mächtigste Mann der Welt so ein fragiles Ego hat, dass er seine Anwälte zwingt, solch ein peinliches Geschwurbel zu verfassen. Und wer gern wie ich Rechtsprechunng liest, der kann nun den gesamten übersetzten Beschluss unten oder sein Original hier lesen.
VEREINIGTE STAATEN BUNDESBEZIRKSGERICHT
Middle District of Florida
Tampa DivisionPRESIDENT DONALD J. TRUMP
gegen
NEW YORK TIMES COMPANY, eine Corporation aus New York, und andereAktenzeichen: 8:25-cv-2487-SDM-NHA
BESCHLUSS
Wie jedem Mitglied der Anwaltschaft vor jedem Bundesgericht bekannt ist (oder bekannt sein sollte), verlangt Regel 8(a) der Federal Rules of Civil Procedure, dass eine Klageschrift (“complaint”) „eine kurze und einfache Darstellung des Anspruchs [sein muss], aus der hervorgeht, dass der Kläger Anspruch auf Gewährung von Rechtsbehelfen hat.“ Regel 8(e)(1) fügt hinzu, dass „jede Behauptung in einer Klageschrift einfach, knapp und direkt sein soll.“ Manche Klagen sind notwendigerweise länger als andere. Der Unterschied hängt wahrscheinlich ab von der Zahl der Parteien und Ansprüche, der Komplexität der zugrunde liegenden Tatsachen und der Dauer sowie dem Umfang der relevanten Ereignisse. Aber sowohl eine kürzere als auch eine längere Klageschrift müssen „einfache, knappe und direkte“ Behauptungen enthalten, die eine „kurze und einfache Darstellung des Anspruchs“ bieten.
Regel 8 gilt für jede Klageschrift vor einem Bundesgericht, unabhängig vom Streitwert, der Identität der Parteien, dem Ansehen oder der Erfahrung des Anwalts, der Dringlichkeit oder Wichtigkeit (real oder vermeintlich) des Rechtsstreits oder dem öffentlichen Interesse an der Streitfrage.
In dieser Sache erhebt eine prominente amerikanische Persönlichkeit (vielleicht die prominenteste amerikanische Persönlichkeit) Vorwürfe der Verleumdung gegen einen ebenso prominenten amerikanischen Zeitungsverlag (vielleicht den prominentesten amerikanischen Verlag) und gegen mehrere weitere juristische und natürliche Personen. Obwohl nur zwei einfache Verleumdungsansprüche erhoben werden, umfasst die Klageschrift fünfundachtzig Seiten. Anspruch I erscheint auf Seite achtzig, Anspruch II auf Seite dreiundachtzig. Seiten eins bis neunundsiebzig sowie ein Teil von Seite achtzig enthalten Behauptungen, die beiden Ansprüchen und allen Beklagten gemeinsam sind. Jeder Anspruch richtet sich gegen jeden Beklagten, und offenbar wird gegen jeden Beklagten dasselbe Rechtsmittel verlangt.
Selbst unter großzügigster und nachsichtigster Auslegung von Regel 8 ist die Klage entschieden unzulässig und untragbar. Der Kläger behauptet zunächst einen Wahlsieg von Präsident Trump „in historischer Weise“ — indem er den Gegner „vernichtete“ — und verweist auf „andauernde Einmischung in die Wahl durch die traditionellen Medien, hauptsächlich angeführt von der New York Times.“ Der Kläger spricht von den „glorreichen Tagen“ der Zeitung, beklagt jedoch, dass die Zeitung zu einem „vollen Sprachrohr der Demokratischen Partei“ geworden sei, was angeblich in der „verrückten Unterstützung“ des Hauptgegners von Präsident Trump bei der letzten Präsidentschaftswahl resultierte. Der Leser der Klageschrift muss sich durch Behauptungen wie „ein neuer journalistischer Tiefpunkt für die hoffnungslos kompromittierte und befleckte ‚Graue Dame‘“ arbeiten. Der Leser muss eine Behauptung ertragen, dass „die verzweifelte Notwendigkeit, mit einer parteiischen Lanze zu verleumden, statt mit einem authentisch aussehenden Spiegel zu berichten“ bestehe, und dass „die falsche Erzählung über ‚The Apprentice‘ nur die Spitze von des Beklagten schmelzenden Eisbergs von Falschheiten“ sei. Ebenso enthält die Klageschrift viele, oft sich wiederholende und lobpreisende, aber überflüssige Behauptungen: etwa „‚The Apprentice‘ habe das kulturelle Ausmaß von Präsident Trumps einzigartiger Brillanz repräsentiert, die den Zeitgeist unserer Zeit erfasste.“
Die Klageschrift führt weiter aus Behauptungen zur Verteidigung von Präsident Trumps Vater und dem Erwerb des Trump-Vermögens; mit einer ausgedehnten Auflistung der vielen Immobilien, die The Trump Organization besitzt, entwickelt oder verwaltet; einer Liste von Präsident Trumps vielen Büchern; einer langen Darstellung der Geschichte von The Apprentice; einer umfangreichen Aufzählung seiner Medienauftritte; einer detaillierten Schilderung anderer Rechtsverfahren, sowohl von Präsident Trump angestrengt als auch gegen ihn geführt, einschließlich der Behauptung einer „Russland-Kollusions-Posse“ und Vorfällen mutmaßlicher „lawfare“ gegen Präsident Trump; und mit vielem mehr, beharrlich behauptet in überreichlichem, blumigem und ermüdendem Detail.
Selbst wenn jede Behauptung in der Klage wahr wäre (natürlich ist das Sache einer Jury und hier nicht relevant; dieser Beschluss macht keinerlei Aussage über die Wahrheit der Behauptungen oder die Gültigkeit der Ansprüche, sondern behandelt nur die Form der Darlegung der Behauptungen); selbst wenn der Kläger bei einem Prozess Beweise für jede Behauptung der Klage vorlegen würde und die Jury diese als Tatsachen akzeptieren würde; und selbst wenn der Kläger schließlich nach dem Schmelzen des angeblichen „Eisbergs von Falschheiten“ der Beklagten in jedem der in der Klage behaupteten Gründe obsiegt — selbst unter all diesen Annahmen — bleibt eine Klageschrift ein unzulässiger Ort für die ermüdende und belastende Ansammlung potentieller Beweise, für das Vorsetzen parteiischer Argumente oder für die ausgedehnte Wiedergabe und Erklärung rechtlicher Autoritäten, die angeblich den Anspruch stützen.
Wie jeder Anwalt weiß (oder wissen sollte), ist eine Klageschrift kein öffentliches Forum für Schmähkritik und Beschimpfungen — kein geschütztes Podium, um gegen einen Gegner zu wettern. Eine Klageschrift ist kein Megafon für Öffentlichkeitsarbeit oder eine Kanzel einer politischen Kundgebung oder das funktionale Äquivalent der Hyde Park Speakers’ Corner.
Eine Klageschrift ist ein Mechanismus, um die Beklagten auf faire, präzise, direkte, nüchterne und wirtschaftliche Weise — in einer professionell zurückgenommenen Form, die der Würde des adversarischen Verfahrens vor einem Art-III-Gericht der Vereinigten Staaten entspricht — über die Natur und den Inhalt der Ansprüche zu informieren. Eine Klageschrift ist eine kurze, einfache, direkte Darlegung von Tatsachenbehauptungen, die hinreichend sind, um einen mit Anschein plausiblen Anspruch auf Rechtsbehelf darzulegen und die es ermöglichen, eine informierte Erwiderung zu formulieren. Obwohl Anwälte einen gewissen Spielraum in der Ausformulierung der Ansprüche für ihren Klienten haben, geht die Klageschrift in dieser Sache weit über die äußerste Grenze dieses Spielraums hinaus.
Diese Klageschrift steht unmissverständlich und inakzeptabel im Widerspruch zu den Anforderungen von Regel 8. Die Klageschrift wird verworfen, mit der Möglichkeit zur Überarbeitung innerhalb von achtundzwanzig Tagen. Die überarbeitete Klageschrift darf vierzig Seiten nicht überschreiten, wobei nur das Kopfblatt (Titel), die Unterschrift und eventuelle Anhänge ausgenommen sind.
Angeordnet in Tampa, Florida, am 19. September 2025.
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