Geist und Gegenwart

Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

18. April 2025

Wie die Taube spricht

Säkulare und moralische Ostergedanken

Unsere Ringeltauben verhalten sich komisch in diesem Frühjahr. Jedes Jahr haben wir ein Pärchen dieser großen und ziemlich scheuen Vögel in unserem Garten im Hinterhof des Pankower Mietshauses. Sie brüten immer in der hohen dichten Fichte, die alles andere im Hof überragt. Nicht dieses Frühjahr. Eigentlich sind es Waldtauben, aber sie lieben den Menschenhof, denn hier gibt es keinen Habicht. Obwohl sie auch uns Menschen gegenüber äußerst mistrauisch sind. 


Columba palumbus, fliehend
 
Unsere Columba-palumbus-Exemplare scheinen sich nicht ganz entscheiden zu können, ob sie jetzt Wild-, Wald- oder Hoftauben sein wollen. Sie haben sich die vernachlässigte Hecke zum Parkplatz als Nistplatz auserwählt. Das ist ganz komisch: die Hecke ist dünn und schwankt im Wind. Sie ist auch viel zu nah am Boden, von dem aus Waschbären und Katzen das Nest erreichen können. Außerdem laufen wir ständig an der Hecke vorbei, was die scheuen Vögel regelmäßig zu einem geräuschvollen und aufwendig anmutendem Abbheben veranlasst. Was hat sie dazu gebracht, ihre Kiefer aufzugeben? Ist es die frühe Hitze in diesem Jahr, die harte Sonne, der die Kiefer schattenlos ausgesetzt ist? Sind es die Krähen oder Elstern, die in der Höhe immer wieder neugierig nach schutzlosen Eiern und Kücken schauen? Ich bin gespannt und habe wenig Hoffnung, dass dieses Jahr erfolgreich gebrütet wird.

14. Februar 2025

Demokratie, Absurdität und Depression

Und das Leben für sein Teil? War
es vielleicht nur eine infektiöse
Erkrankung der Materie...?

Das geht vorüber!

Das Jahr 2024 war gesellschaftlich gesehen aus meiner Perspektive überraschend (Faschismus ist plötzlich "weird" und "cringe"), tragisch (Der Präsident ist jetzt ein König) bis katastrophal (Warum der Populismus immer siegt). 

 

"Es ist mit der Selbstverständlichkeit der Demokratie in aller Welt eine zweifelhafte Sache geworden." (Thomas Mann 1938)
 

Viele von uns, um Demokratie und Frieden besorgte Menschen, schauen mit Grausen zurück in die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dazu wird dann Thomas Manns hundertjähriger Roman Der Zauberberg gelesen, aus dem die oben zitierte nihilistische Frage stammt und schon sehen wir die gespenstischen Wiedergänger der Apokalypse, wie sie uns aus den zwei Weltkriegen bekannt sind. Wir merken ja auch, wie die als garantiert gefühlten Rahmenbedingungen wie Demokratie, Sozialstaat, NGOs oder die Garantie auf territoriale Unversehrtheit souveräner Staaten plötzlich bröckeln. Das kann schon Angst machen. Fragen, die sich stellen sind z.B.:

25. November 2024

Warum der Populismus (immer) siegt

Ein Artikel von Erich Feldmeier

Prolog 

"Zugleich tragen viele Demokraten ihre vermeintliche moralische Überlegenheit in unerträglicher Arroganz vor sich her. Ihre Selbstgerechtigkeit ist oft atemberaubend, und dass die Demokraten in der Mitte des Landes kein Bein auf den Boden kriegen, liegt daran, dass sie absolut keine Ahnung haben, was die Menschen dort bewegt“ (Trump wird zurückkommen, SZ, 12.12.2021)

2. Oktober 2024

Warum die Demokratie demontieren?

Was wollen reaktionäre Populisten letztlich eigentlich erreichen?

In seinem Buch „Why Liberalism Failed“ aus dem Jahr 2018 argumentiert der katholische und erzkonservative Philosoph Patrick Deneen, dass der Liberalismus, also die freiheitliche moderne Demokratie, zwangsläufig selbstzerstörerisch sei. Ein politisches System, das auf der Ausweitung individueller Rechte und Autonomie beruhe, werde letztlich die kollektiven Institutionen – wie Familie, organisierte Religion und lokale Gemeinschaften – untergraben, die das politische Leben überhaupt erst ermöglichen.

Diese Analyse ist ja erst einmal ganz eingängig und intuitiv. Das ist eben ein konservativer Gedanke, der auch der Skepsis vieler konservativer Politiker und deren Wählern zugrunde liegen könnte. Die sich anschließende Frage wäre, wie kommt man zu einer Balance durch Austarieren "individueller Rechte und Autonomie" gegenüber den "kollektiven Institutionen – wie Familie, organisierte Religion und lokale Gemeinschaften [...] die das politische Leben überhaupt erst ermöglichen"?

10. August 2024

Faschismus ist plötzlich "weird" und "cringe"

Nachdem sich Joe Biden monatelang an Trumps Faschismus erfolglos die Dritten/Zähne ausgebissen hat, indem er raunte, es gehe in der nächsten Wahl darum, die Demokratie zu retten, kommt der bisher weithin unbekannte Gouverneur von Minnesota Tim Walz und nennt die Republikanischen Amtsanwärter Donald Trump und JD Vance einfach "weird". Das klingt milde, leicht lustig und gar nicht so gefährlich... Und es verfängt! Die Republikaner stehen plötzlich – obwohl dieser Platz historisch den Demokraten zukam – als übergriffig und damit inkompatibel zum Bevölkerungswillen da. Warum?

Crazy/Childless Catlady – eine Obsession der Rechten im US-Kulturkampf (© The Simpsons)
 

Weird ist ein Wort, dass im Deutschen so etwas wie "seltsam", "schräg" bis hin zu "unheimlich" bedeuten kann. Ursprünglich kommt es aus dem Germanischen und bedeutet so etwas wie "unheimliches Schicksal". Es gibt "good weird" und "bad weird". Commedians beispielsweise müssen "weird" sein, damit sie nicht einfach nur lustig, sondern auch originell und provokant sind. Wenn Politiker oder ihre Programme "weird" sind, dann geht das eindeutig in die Richtung "creepy", also "seltsam", "unheimlich" bis "verstörend". In Deutschland fällt einem vielleicht Armin Laschet ein, der als Politiker in seiner 60-jährigen Unreife irgendwie harmlos seltsam war. Unheimlich seltsam sind dann für mich so Leute wie Björn Höcke mit seinem rechtwinkligen HJ-Scharm oder Beatrix von Storch mit ihrer seltsamen Fixierung auf Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen und Identitäten.

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