New York City: Hart aber schön
Wenn morgens um 6 Uhr das Heulen der Sirenen zunimmt und das laute
Geratter der Baumaschinen bis ins Bett im 20. Stock meines Hotelzimmer
vordringt, suche ich tastend nach meinen Kopfhörern, damit ich
einigermaßen human mit Naturgeräuschen
aufwachen kann. New York ist eine harte Stadt. Und das liegt nicht nur
an dem Blizzard, der gerade überall zerfetzte Plastikplanen durch die
eisigkalten Häuserschluchten treibt. Es liegt auch nicht nur an den
langen scharfen Schatten, die die Wolkenkratzer in die Schluchten
werfen, in denen die Menschen zur Arbeit eilen. Es liegt auch nicht nur
an den hohen Preisen überall – ein Frühstück kriege ich hier nicht mehr
unter 20 Dollar und ein bescheidenes Abendessen liegt schnell bei 40
Dollar.
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Interstate 495 W nach NYC: Man hat Glück, wenn man abends in die City will (G. Dietrich CC BY-SA 2.0) |
Die Mieten sind exorbitant. Ein Kollege zahlt über 700 Dollar pro Monat für ein Zimmer einer Wohnung, die er sich mit drei anderen in Brooklyn teilt. In Manhattan, wo sich das Büro befindet, wären es 1000 Dollar oder mehr für ein Zimmer. Man sieht entsprechend viele Obdachlose und eigentlich kann sich niemand in der City leisten, dort zu leben, wo er auch arbeitet. Lange Pendelzeiten und Dauerstaus morgens und abends sind nur die offensichtlichste Folge.
Die Härte kommt auch aus einem sehr individualistischen Dahinhetzen. Kopfhörer auf, Augen auf dem Smartphone, ständig in Eile, immer den direkten Weg durch die Menschenmassen und die hupenden Autos. Für rote Ampeln ist keine Zeit, allein auf dem Weg schnell ein Stück Pizza reinschieben, weiter laufen. Never stop! Interessanterweise schaffen es die New Yorker dann aber meistens doch, freundlich zu bleiben, wenn man mal aneinander rempelt oder jemanden mit einer Frage aufhält. Als Besucher genieße ich New York, die Energie und Vielfalt der Stadt, die Aufregung und die Freundlichkeit in den Gesprächen. Aber würde ich hier leben wollen? Eher nicht.