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3. Juli 2025

Die Brutalität der Kettensäge

Wenn sich das Böse selbst ganz schamlos zeigt 

Auf der Fête de la Musique sprach ich mit einem Freund aus Frankreich, der sich beeindruckt zeigte, dass ich im Osten Deutschlands aufgewachsen war und dennoch irgendwie ein normaler Mensch geworden zu sein schien. Er meinte, dass doch das DDR-Regime nicht viel besser gewesen sein konnte, als das sogenannte "Dritte Reich" zuvor. Dazu gäbe es einiges zu sagen, das einen Vergleich generell disqualifizieren würde, aber meinem französischen Freund ging es um die Frage, was eigentlich der große Unterschied war.  

Gesten der Brutalität in der Politik. Foto von Gage Skidmore (CC BY-SA 2.0)

9. Juli 2022

Maschinen, denken, Tod

Individuen, fühlen, Leben

Dies ist ein Update zum Artikel Von der Sorge und vom Denken vom 22. Mai 2022. Dort beschrieb ich u.a., wie Hannah Arendt das Denken als eine Art ethischen Imperativ sah, denn das Denken ist Voraussetzung für das gelingende Ringen um richtig oder falsch im Individuum. Wer nicht denkt, kann nicht moralisch fundiert handeln.

Beispielhaft wurde das für sie in der Figur Eichmanns, dessen Prozess in Jerusalem sie begleitete. Hier war ein durchschnittlicher Mensch von normaler Intelligenz, der das Zwiegespräch über richtig und falsch in sich selbst abgebrochen hatte und sich so zu einem gut geölten Rädchen in der Holocaustmaschine der Nazis hat machen lassen. (Von der Sorge und vom Denken)

Apropos Maschine

Die Maschine hat dem Individuum hier das Denken gewissermaßen abgenommen. Sie entlastet, wie Arnold Gehlen sagt, den Menschen vom Denken und das gebiert mitunter grausame Unmenschlichkeiten, wie wir z.B. am Holocaust sehen. 

Auf eine paradoxe Art führt uns das zu einem weiteren Grund, warum das Denken so unpopulär geworden ist. In seiner Vorlesung Einführung in die Systemtheorie (siehe oben: original Tonaufnahme aus dem Wintersemester 1991/92 an der Universität Bielefeld) geht Niklas Luhmann (ungefähr ab Minute 50 in der Aufnahme, siehe Markierung oben im Player) darauf ein, dass das rationale Denken im Westen – obschon im Aufschwung befindlich – spätestens seit und mit der Romantik immer auch deskreditiert wird.

15. November 2021

Freiheit vs. Lockdown: Impfpflicht durch die Hintertür?

Ein philosophischer Rant

Wie oft hört man so etwas wie: Jetzt kommen sie mit 2G und führen die Impfpflicht durch die Hintertür ein? Ist es das? Werden im kommenden Lockdown bald die bestraft, die sich aus persönlichen und nicht medizinischen Gründen gegen eine Impfung entscheiden?

4. Oktober 2020

Das Schicksal und sein Lauf

Aufklärung, Überheblichkeit, Corona und der faktische Fatalismus

Das Schicksal war einmal die Versicherung des Menschen, in einem Geflecht von sinnhaften Zusammenhängen zu existieren. Es war tröstend, eine Art Vorsehung zu erfüllen, einem Lauf unterworfen zu sein, der einer höheren Weisheit folgt. Die antiken Griechen hatten die Schicksalsgötting Tyche und die Römer hatten ihre Fortuna. Deren Wege waren unergründlich und schon deswegen musste man an seinem eigenen schlimmen Schicksal nicht zerbrechen, so unbegreiflich es auch war. Es war zu groß, um es zu begreifen, also konnte man sich darauf verlassen, dass es richtig war. Nichts von dem trifft heute noch zu. Machbarkeitswahn und Trostlosigkeit gehen Hand in Hand. Schlimmer als früher, ist das nicht. Es ist anders.

Taddeo Kuntze: Fortuna, 1754 (gemeinfrei)

9. Juni 2019

Das große Andere

Shoshana Zuboff: Es will uns lediglich automatisieren!

Wie Jonathan Franzen in "Purity" (auf Deutsch: "Unschuld") warnt die Sozialpsychologin und Philosophin Shoshana Zuboff vor einem technischen Totalitarismus, der uns längst schon konsumiere. Orwell habe – so wie wir alle – in die falsche Richtung geschaut, als er in 1984 vor einem neuen Totalitarismus in Form eines Big Brothers warnte. Der Totalitarismus, vor dem wir Westler uns fürchteten, ist der altbekannte Staatsterror mit Überwachen und Strafen, so wie wir das vielleicht von Nord Korea annehmen und in China sehen können. Zuboff meint in ihrem neuen Buch Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, dass die auf den Staatsterror fokussierte Angst eine offene Flanke gegenüber einer ganz neuen Bedrohung gelassen habe, der wir nun beinahe ungeschützt ausgeliefert sind: dem Überwachungskapitalismus, wie sie das nennt.

19. März 2019

Reich ist, wer viel ... hat

Eine kleine Umwertung unserer Werte

Nietzsche betonte schon im 19. Jahrhundert, dass Werte immer auf Herrschaftsstrukturen ausgerichtet und damit relativ, perspektivisch und zeitlich sind. Reich und glücklich sein, vielleicht auch noch schön … das sind heute die höchsten Werte vieler Menschen in so vielen Gesellschaften. Philosophisch gehören diese Eigenschaften in die Kategorien von Ästhetik und Ethik des Lebens. Was "schön sein" bedeutet, ist jeweils sehr von den gesellschaftlichen Übereinkünften, von Überlieferungen, Moden und Trends abhängig. "Glücklich sein" ist so individuell, dass eine einheitliche psychologische und philosophische Praxis dazu nicht möglich ist. Umstände, die den einen Menschen glücklich machen, können einen anderen unglücklich machen oder keinen Einfluss auf dessen Glückserleben haben.

"Reich sein" aber, scheint uns eine objektive Kategorie zu sein, man kann das an Zahlen ablesen: Was auch immer das Zahlungsmittel in einer Gesellschaft ist, man ist reich, wenn man viel davon hat. Egal ob es Gold ist, ob es Muscheln sind oder Gewürze – wenn es als Zahlungsmittel taugt, weil alle sich über die Stabilität des Werts dieses Mittels einig sind, dann ist derjenige reich, der viel davon hat. Bei uns sind diese Mittel lange schon im Geld abstrahiert. Geld ist in dieser Hinsicht nahezu magisch, denn wir können mit Geld alle anderen Mittel und noch vieles mehr erwerben. Kein Wunder also, dass bei uns derjenige als reich gilt, der viel Geld hat.

Luft, Raum, Familie, Zeit: Von dem viel haben, das einem wichtig ist... (Gilbert Dietrich, CC BY-SA 2.0)

27. Juni 2018

FOMO, die Suche nach der besten aller möglichen Welten

Ein Artikel von Keyvan Haghighat Mehr

Marcus Tullius Cicero ließ sich Briefe aus Rom schicken, wenn er mal nicht zugegen war, um über jegliche Geschehnisse informiert zu werden. Gute zwei Jahrtausende später fragt man nicht mehr nach Briefen, sondern bekommt sie einfach – rund um die Uhr, wenn man das möchte – und auch nicht nur dann, wenn man gerade nicht da ist.

Wofür sich Cicero entschied, war, an zwei Orten gleichzeitig zu sein – psychisch in Rom, physisch wo auch immer er gerade hin verreist war, denn er hatte wohl Angst, etwas zu verpassen. Angst davor, nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Dinge zu sein, wenn er wieder zurückkehrte, denn das nicht informiert Sein resultierte vielleicht in schlechtem Ansehen, verschlechtertem zwischenmenschlichen Dasein.

Die Menschen des zweiten Millenniums würden bei ihm wahrscheinlich FOMO diagnostizieren – die fear of missing out – die Angst davor, etwas nicht zu erleben und vor den dadurch auftretenden Konsequenzen. 

15. April 2018

Wenn immer gleich alles übergriffig ist

Denken braucht spontane Zumutungen

Ich halte es durchaus für eine zivilisatorische Leistung, freundlich, diplomatisch und rücksichtsvoll zu kommunizieren. Gleichzeitig halte ich es für unabdingbar, dass man offen sprechen kann und auch mal kontroverse Thesen zur Debatte stellen kann, ohne sich gleich innerlich zu zensieren oder gar von anderen per Totschlagargument zensiert zu werden.

Weder ist das dumm-dreiste "Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-Dürfen" eine Entschuldigung für Rassismen, Sexismen oder sonstige plumpe Angriffe auf den zivilisierten Umgang unter Menschen, noch sind die "safe spaces" eine diskursive Option, wie sie jetz in manchen amerikanischen Unis gefordert werden und wo nichts mehr gesagt werden darf, das irgend eine/n Anwesende/n vor den Kopf stößt. Solche Zensur im Namen der "political corectness" schafft nicht nur das Denken und Argumentieren ab, es ist auch mitverantwortlich für die Blüte des politischen Populismus, der sich zurecht gegen einen vorauseilenden Konsens im Austausch wehrt.


Wer nicht spricht, wird nicht gewürgt... Mal richgtig übergriffig

21. Mai 2017

Das regelmäßige Versagen unserer Demokratien

Tyrannei ist immer möglich

Die Zeit, da man als Verfechter von Institutionen als politisch rechts galt (wie z.B. Arnold Gehlen im Gegensatz zu T. W. Adorno), ist ein Glück vorbei. Dabei ist sowieso das Gegenteil wahr: Die Rechte zeichnet sich schon immer durch einen romantischen Impuls aus, die Institutionen zu zerstören oder, um es in den Worten Donald Trumps zu sagen: "den Sumpf trocken zu legen". Ein großer intellektueller Kritiker dieser rechten populistischen Politik heute ist der US-Historiker Timothy Snyder, den das Philosophie Magazin für seine neueste Ausgabe interviewt hat. Snyder ist bekannt für den Gedanken, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass die Institutionen (Parlamente, Universitäten, Gerichte, Polizei) uns im Angesicht der Tyrannei retten werden, vielmehr – so Snyder in Über Tyrannei: Zwanzig Lektionen für den Widerstand – müssten wir die Institutionen retten.

"Mit Tyrannei meine ich eine Situation, in der ein Einzelner oder eine Gruppe genug Macht erlangt hat, um den Rechtsstaat zu umgehen." (Snyder, Philosophie Magazin Nr. 04/2017, S. 33.)

Die Demokratien sollen eben diesen Fall ausschließen, jedoch haben sie mit "historischer Regelmäßigkeit" (ebd.) in dieser Sache immer wieder versagt. Die nahe liegende und heute wieder sehr drängende Frage ist also: Warum versagen unsere Demokratien?

10. Mai 2017

Wut macht uns kaputt, aber es gibt eine Alternative

Martha Nussbaum zu Zorn, Vergebung und Weisheit in der Beziehung

Das Zusammenleben zweier Menschen ist immer wieder schwierig und das wird auch so bleiben. Die Philosophin Martha Nussbaum hat die romantische Zweierbeziehung als das unmögliche Projekt beschrieben, die Autonomie zweier Persönlichkeiten mit den gegenseitigen Abhängigkeiten in dieser Beziehung überein zu bringen. Aus diesem gelebten Widerspruch ergeben sich jede Menge Spannungen und potentielle Bruchstellen. Wenn noch ein Kind hinzukommt, wird die Sache keinesfalls einfacher, aber dazu an anderer Stelle mehr (Die Unmöglichkeit der Liebe mit Kind). Nicht selten äußert sich diese Schwierigkeit der Spannung zwischen Autonomie und Zweisamkeit in Verdruss, Groll, sogar Zorn und Wut. Manchmal knallen Türen, es fliegen schnelle Worte, ja bei manch einem Paar sollen sogar Teller fliegen. Die extreme Ausprägung wäre dann körperliche Gewalt im Affekt gegeneinander.

Martha Craven Nussbaum (Foto: Jerry Bauer, Lizenz: CC-BY-SA-3.0)

Alle, die Zorn in der Beziehung schon einmal erlebt haben, wissen: solche Wut bringt nichts und schadet höchstens. Das hält uns aber nicht davon ab, bei der nächsten Gelegenheit wieder wütend zu werden. Was aber ist Wut, woher kommt sie in der Zweisamkeit und was können wir tun, anstatt Zorn und Wut ihren freien und zersetzenden Lauf zu lassen?

19. Dezember 2016

Im Zeitalter der vollendeten Sinnlosigkeit

Die Suche im Durchschnittlichen, im Alltag, auf der Oberfläche

Der Sinn des Lebens? Haben wir längst als eine naive Floskel erkannt! Und doch oder gerade deshalb finden wir uns heute in einer Zeit, wo die Sinnsuche wieder ganz hoch im Kurs steht. Wobei ich ja immer wieder gern darauf hinweise, dass ich die Suche nach Sinn für aussichtslos halte. Wer es ernst meint, muss Sinn schaffen und dafür gibt es einige naheliegende Möglichkeiten. Dazu später mehr.

Wir alle haben heroische und eher pragmatische oder auch melancholische Seiten in uns und so ist es auch in der Philosophie. Es gibt eine heroische Tradition, die das Oberflächliche, den Alltag und das Durchschnittliche des Menschseins nicht erträgt. Ihre melancholischen Gegenspieler sagen aber, dass gerade in diesem Ertragen und trotzdem Weitermachen die eigentliche Leistung des Menschseins läge. Die pragmatischen Gegenspieler der heroischen Philosophie finden hingegen, dass die Oberfläche ohnehin der einzige Ort sei, an dem wir leben können. Das Wühlen in den metaphysischen Tiefen halte uns nur davon ab, ein wenn auch nicht immer erfülltes, so doch wenigstens erträgliches Leben zu führen. Das ist in etwa die Bandbreite der Philosophie zwischen Heroin und Vitamingetränk.

Leerer Raum? Was gibt's denn da draußen noch, außer der Physik? (Flammarion Holzstich, 1888)

20. März 2016

Was könnte das sein, ein wahres Selbst?

Oder wie man sein Tattoo nach innen trägt

Das neue Philosophie Magazin macht mit der Frage auf: "Wer ist mein wahres Selbst?" (Und einem Cover, das diesmal in seiner Offensichtlichkeit jeglichen Witz vermissen lässt.) Mein Professor pflegte bei solchen Anlässen immer zu sagen: "Das ist die falsche Frage!" Wörter wie "wahr" und "das Selbst" sind sehr tückische Wörter, weil sie es zwar in sich haben, aber jeder aus seinem Alltagsverständnis heraus meint, ganz genau zu wissen, was sie bedeuten. Im gemeinsamen Zusammenhang sind solche Wörter natürlich noch tückischer. Ob die Frage, wer mein wahres Selbst sei, überhaupt sinnvoll ist, können wir nur klären, wenn wir wissen, ob es so etwas wie ein wahres Selbst gibt und wenn ja, ob es ein Subjekt gibt (zum Beispiel "ich"), dem dieses "wahre Selbst" zugeschrieben werden kann.

Wahr will in diesem Zusammenhang auf eine Art Kern verweisen, der einem Selbst innewohnt. Was soll dieser Kern sein? Ist es die jeweils eigenartige Weise, auf die jeder Körper mit seinen Organen bis hin zu seinen Fingerabdrücken zusammengestellt ist? Das reicht wahrscheinlich nicht, denn hat solch ein bloßer Körper schon ein Selbst? Und bin ich nicht mehr "ich selbst", wenn ich eine Niere abgebe oder neue Fingerabdrücke transplantiert bekomme? Nein. Ist es mein Erleben, meine Persönlichkeit, die Art und Weise, wie ich denke und mich verhalte? Schon eher ist das gemeint. Und so stoßen wir im Philosophie Magazin auf Begriffe wie "Authentizität" und "Aufrichtigkeit".

20. Februar 2016

Glück ist kein Ego-Trip und hat mit Erfolg nichts zu tun

Es gibt sieben Milliarden Wege zum Glücklichsein

Ich rege mich ja immer wieder mal gern über Ratgeber, Esoterik, New Age und anderen Bullshit auf, mit dem man uns das Leben erklären will. Um so begeisterter war ich, als ich im Philosophischen Radio des WDR ein Gespräch mit dem Psychiater, Theologen und Philosophen Manfred Lütz (Autor von Irre! - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen) hörte, der einen "Anti-Ratgeber" geschrieben haben will. In diesem Buch erklärt er zum einen, warum Ratgeber vor allem eine "Anleitung zum Unglücklichsein" sind und zum anderen erzählt er eine inspirierende Philosophiegeschichte des Glücks, aus der hervorgeht, dass es um ein je individuelles Gelingen des Lebens geht und nicht um Erfolg oder die Suche nach Glück als Ego-Trip.

Warum uns Gurus und Ratgeber unglücklich machen

Noch schlimmer als bloße Ratgeber sind die Leute, die Lütz "Glücksgurus" nennt, also Autoren oder Trainer, die meinen, die allgemeingültige Antwort auf die Frage nach dem Glück gefunden zu haben und die Glück außerdem oft mit Erfolg verwechseln. Die armen Seelen, die solchen oft sehr überzeugenden Gurus aufsitzen, bezweifeln nach und nach, dass das, was sie bisher in ihrem Leben gemacht haben und was sie und andere vielleicht sogar gut fanden, irgend einen Wert hatte, denn es entspricht nicht dem, was der Guru als Glück oder Weg zum Glück "entdeckt" und offenbart hat. Wer solchen Rattenfängern folgt, hat die eigene Suche für das Versprechen einer Instant-Lösung aufgegeben. Dabei - so könnte man mit einem Lieblingssatz der Gurus kontern - ist doch der Weg das Ziel. Wer gleich am Ziel ankommen möchte, der kann sich auch Heroin spritzen, denn das löst sofort Glücksgefühle aus.

17. Januar 2016

Darum sind Selbsthilfe-Ratgeber einfach nur Mist

Du musst es nur doll genug wollen, du Loser!

Die sogenannte Ratgeberliteratur boomt sowohl im Buchhandel als auch im Internet. Welcher Blog rund um Psychologie, Coaching, Erfolg in Arbeit und Leben wartet heutzutage nicht mit E-Books auf, die uns mit vermeintlich einfachen Schritten helfen wollen, unsere innere Ruhe durch Meditation und Yoga zu finden, die uns sagen, wie wir erfolgreiche Gründer unserer kleinen Unternehmen werden oder wie wir uns anderweitig durch spezielle Ernährung, Achtsamkeit und Selbstmanagement optimieren können. Im Internet nerven uns die massenhaften Kärtchen mit kurzen Weisheiten, die dann massenhaft "geteilt" und "gemocht" werden und doch in niemandem die kleinste Veränderung hervorrufen. Wie originell: Man holt sich per Copy und Paste von eine der Millionen Zitatseiten irgend etwas motivierendes, knallt es auf ein Bildchen mit einem Mönch und stellt es bei Facebook rein. Wen soll das zu wirklicher Veränderung inspirieren?

Bob aus dem Film "Alles Routine"

24. Dezember 2015

Die Gesellschaft hat nicht immer recht

Ein Gastartikel von Benedikt Ahlfeld

Benedikt coacht und trainiert seit 10 Jahren Menschen aus Wirtschaft, Sport und Medizin für besseres Management, das Treffen von Entscheidungen und eine größere Umsetzungskompetenz. Auf Geist und Gegenwart bittet er uns heute, anhand von sechs Denkanstößen einmal unsere Beziehung zur Gesellschaft und ihren oft subtilen Einflüsterungen und Erwartungshaltungen zu hinterfragen. Dieser Artikel lehnt sich an ein Kapitel aus seinem E-Book Überwinde die Angst, du selbst zu sein an. Auf seinem Blog schreibt Benedikt mehr darüber, wie man besser entscheiden und mehr umsetzen kann.

Führst du dein Leben so, wie man es sich in unserer Gesellschaft vorstellt? Mit einem guten Job, einem tollen Eigenheim und einem harmonischen Familienleben. Gratuliere, dann bist du genauso, wie es die Gesellschaft von dir verlangt und erwartet. Von außen betrachtet verkörperst du das Bild des glücklichen Menschen. Doch hast du dir schon einmal den Spiegel vor die Nase gehalten? Bist du mit deiner Gesamtsituation wirklich zufrieden? Oder hast du einfach dem großen Druck der Gesellschaft nach gegeben?

So wie hier beschrieben geht es vielen Menschen. Sie sind auf der Suche nach einem Leben in absoluter Sicherheit, einem Leben, wie es andere Vorbilder vorleben und es auch von ihnen erwartet wird. Doch wirf einen Blick in dein Umfeld. Wenn du es genauer betrachtest, ist es eine Scheinwelt: Nach außen hin wird die heile Welt vorgetäuscht und im Inneren spielen sich oft ernsthafte Tragödien ab. Grund dafür ist der gesellschaftliche Druck, der für viele Menschen einfach zu groß ist, um eine Veränderung in ihrem Leben zu wagen. Das ist eine Aufforderung, über dein Leben nachzudenken. Ist es wirklich so, wie du es willst, oder ist es jetzt Zeit, etwas daran zu ändern?

23. August 2015

Vom Leben, das wir nicht gelebt haben

Das, was wir nicht werden konnten, macht uns zu dem, was wir sind

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich blicke schon öfter auf mein Leben, auf mich heute und bedaure, wie durchschnittlich das alles ist. Ich bin nichts besonderes. Es ist sicher irgendwie kindisch, aber ich wäre gern ein Rockstar geworden oder der berühmteste Maler unserer Zeit oder Literaturnobelpreisträger. Statt dessen arbeite ich jeden Tag in einer Firma irgendwo in Berlin. Aber noch quälender und daher auch viel wichtiger als meine Berühmtheitsfantasien ist die Frage, was eigentlich gewesen wäre, wenn...

Egal wie bunt und aufregend, es geht immer nur im Kreis... (Creative Commons C00)

An einem Punkt in meinem Leben stand ich vor der Entscheidung, entweder das Abitur zu machen oder eine Stelle in der Prignitz anzutreten, wo ich im Naturschutz arbeiten und zunächst Horste von Fischadlern observieren und schützen sollte. Oft denke ich daran und bedaure, dass ich kein Leben näher an der Natur führe, es fehlt mir. Oder: Wer wäre ich jetzt, wenn ich damals vor 12 Jahren nicht aus den USA zurückgekehrt wäre, sondern dort eine Doktorandenstelle angetreten hätte? Oder warum habe ich damals nach den vielversprechenden Anfängen im Studium nicht alles gegeben, um es zu Erfolg in der Fotografie oder der Schriftstellerei zu bringen?

18. August 2015

Wo Leistungsträger sich Scheiße fühlen

Nicht das Amazon, das wir kennen?

In der New York Times erschien nun gerade der Artikel, auf den doch schon alle gewartet haben: Amazon als großer feuchter Traum des Konsumbürgers ist ein Alptraum (Stern.de) für alle anderen, insbesondere für die, die dort arbeiten müssen. Vom Verheizen und von Ausbeutung (Süddeutsche) ist die Rede. Und dabei geht es mal nicht "nur" um die Logistik-Angestellten, sondern um die sogenannten Wissensarbeiter in der IT, im Marketing und Vertrieb.

Arbeitgeber-Image und Realität sind verschiedene Dinge (Quelle: Amazon)

1. Dezember 2014

Verantwortung fürs eigene Leben? Was denn noch alles?

Wie zwei Prinzipien zum Gelingen unseres Lebens beitragen

Ein lebensphilosophisches Dilemma ist für mich die Notwendigkeit der Entlastung im Angesicht der Notwendigkeit der Entfaltung:

  1. Entlastung: Wir alle spüren immer wieder diesen Druck irgend etwas zu tun, erfolgreich zu sein, den Normen zu entsprechen. Er kommt teils aus der Gesellschaft, aus unserer Erziehung und schließlich dann von uns selbst. Ich denke immer wieder, dass wir alle es bitter nötig haben, uns von diesem Druck zu befreien. Sind wir nicht oft viel zu verkrampft, werden aggressiv und stehen unter Stress? Wir haben es doch verdient, ein Leben zu führen, in dem wir uns wohl fühlen, ohne diesen ständigen Druck, in einer Welt des gegenseitigen Verständnisses und der Liebe. Das ist die eine Seite, hier brauchen wir Entlastung.
  2. Entfaltung: Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass das Leben ein ständiges Weiterentwickeln ist, ein Besser-Werden, ein Entfalten. "Werde, der du bist", sagt Nietzsche und verbindet damit einen Anspruch an den Einzelnen, der für seine eigene Entfaltung, die nicht ohne Arbeit an ihm selbst vollzogen werden kann, verantwortlich ist. Sloterdijk nennt das in seinem Buch Du musst dein Leben ändern die Vertikalspannung, unter der wir alle stehen. In diesem Anspruch ist also doch wieder solch ein Druck zu erkennen, der potenziell zu Stress führen kann. Eine Vertikalspannung ist eben alles andere, als eine Entspannung. 

Aber wie können wir Verantwortung für unser Leben übernehmen, wie entfalten wir uns als moderne Menschen zielgerichtet, ohne den ständigen Druck zu haben, für alles Glück und Unglück im Leben verantwortlich zu sein? Diese zwei Prinzipien halte ich für zwar sehr wichtig für das moderne Leben und finde sie doch schwer in Übereinstimmung zu bringen.

Wenn ich einmal groß bin... Wer möchtest du sein? (Bildlizenz: CC0 Public Domain)

26. November 2014

Wir können nicht endlos hin- und hergebogen werden

Catherine Malabou empfiehlt Plastizität, anstatt Flexibilität


"Das Problem liegt darin, dass der Kapitalismus
den Begriff der Plastizität pervertiert, indem
er ihn mit der Flexibilität verwechselt."
(Catherine Malabou, Philosophie Magazin)

Eine Eigenschaft, die von uns als modernen Menschen offenbar mehr als jede andere erwartet wird, ist die Flexibilität. Wir sollen anpassbar sein an die Gegebenheiten, mit denen uns die moderne Gesellschaft, insbesondere im Arbeitsleben konfrontiert. Wir sollen "Ja" sagen zu Veränderungen, die oft Zumutungen sein können. Wenn Firmen von sich sagen, sie seien "flexible Unternehmen" verbirgt sich dahinter oft einfach ein Mangel an Strategie und Planung. Aber auch epochale Veränderungen wie sich global aufschaukelnden Systeme in Technik, Gesellschaft und Wirtschaft verlangen von uns eine immer größere Agilität angesichts schwindender Planungssicherheit. Als Belohnung für unsere Bereitschaft, auf Sicherheiten und Annehmlichkeiten zu verzichten, gibt es neue Chancen, Karrieren und vielleicht sogar flexible Arbeitszeiten.

"Menschen können nicht endlos hin- und hergebogen werden" (Bildlizenz: CC0 Public Domain)

Was beim Nachdenken darüber stören muss, ist die Einseitigkeit des Konzepts Flexibilität: Wir sollen auf eine sich ständig ändernde Umwelt mit Anpassung (z.B. durch neu Lernen, Verzicht oder Umzug) reagieren. Da kriegt man schon beim bloßen Zuhören ein Gefühl von ausgeliefert sein: Entweder wir reagieren flexibel auf die Anforderungen wie ein junger Grashalm auf den Wind oder sie brechen uns wie der Sturm einen alten trockenen Strohhalm. Das sind eigentlich keine akzeptablen Alternativen. Wie können wir den Wandel und unseren souveränen Umgang damit neu denken?

30. Oktober 2014

Richtig kündigen als wichtiger Karriereschritt

Street Art von MIR* (Foto von Jacob Bøtter via CC BY 2.0)

Trennungskultur: Wie man eine Firma (nicht) verlässt

In meinem mehr als 20-jährigen Arbeitsleben habe ich bisher dreimal gekündigt, einmal habe ich alles falsch gemacht. Aber dazu später. Als Personalmanager habe ich einiges an Kündigungen gesehen und in den meisten Fällen geht das in den Umständen entsprechend zivilisiert über die Bühne. Wenn nicht, dann ist es oft eine Führungskraft, nicht selten eine ganz oben, die den guten Stil vermissen lässt wenn Mitarbeiter gehen. Seltener sind es die Mitarbeiter selbst, die durch Kündigungen Probleme verursachen. Das liegt natürlich vor allem an der Asymetrie der Macht- und Zahlenverhältnisse und daran, dass manch Vorgesetzter es persönlich nimmt, wenn jemand "sein" Team oder "seine Firma" verlässt.

Trennungskultur ist ein großes, schweres Thema, das in vielen Firmen vernachlässigt wird. Da kann man glücklich sein, wenn es zum Onboarding noch klappt, über Offboarding machen sich die wenigsten Gedanken. Wie man sich trennt, wird wesentlich von der Unternehmenskultur bestimmt, die von oben getragen werden muss. Leider herrscht in vielen Firmen ein archaisches Konkurrenzdenken, getrieben von Neid und Missgunst gegenüber den Wettbewerbern, die nun auch noch um die Mitarbeiter konkurrieren. Anstatt sich davon inspirieren zu lassen, die Produkte und das Unternehmen weiter zu entwickeln, kommt es zu urmenschlichen Reaktionen zwischen Angst, Trotz und Aggression, wenn jemand zur Konkurrenz geht.

In solchen Umfeldern wundert es dann nicht, dass die Kollegen, die sich entscheiden zu gehen, ihren Abgang vermasseln. Und ich selbst habe bei meiner ersten Kündigung einfach den Mittelfinger gezogen, dem Chef das Werkzeug vor die Füße geschmissen und gesagt, dass ich ab morgen einfach nicht mehr komme. Damals war ich sehr jung und konnte von Glück sagen, dass der Personalleiter - ich weiß es noch wie heute: er war blind und hatte einen für die 90er Jahre ziemlich abgefahrenen PC mit Braille-Tastatur - dass also der blinde Personalleiter durch mich hindurchschaute und sagte: "Mein Junge, ich kann dich gut verstehen, aber lass uns doch die Sache ordentlich beenden." Dann setzte er einen Aufhebungsvertrag mit mir auf. An dem Tag hatte ich einiges gelernt und meine zwei nächsten Kündigungen waren stilsicher. Hier sind ein paar häufig zu beobachtende Fehler und meine Tipps, wie man statt dessen vorgehen kann:

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