3. Juli 2013

Die Macht des Selbstbilds

Wer glaubt, seine Zukunft gestalten zu können, ist erfolgreicher und glücklicher


Im folgenden Text von Sebastian Klein lernen wir, wie das Selbstbild Erfolg und Glück im Leben beeinflussst. Außerdem: Was tun, wenn man den Bus verpasst? Dabei lernen wir nicht weniger als vier neue Bücher kennen. 


Bus verpasst - schrecklich! Oder? (Bild von Sebastian Klein von Blinkist)

Die Psychologin Carol Dweck widmet ihr Buch Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt einer wichtigen Frage: Inwiefern unterscheiden sich Menschen darin, wie sehr sie daran glauben, sich selbst durch Übung und Training verändern zu können? Ihre Antwort: Gewaltig.


Das statische Selbstbild: von Schubladen und Schuhen

Menschen mit einem statischen Selbstbild glauben daran, jeder komme mit bestimmten Fähigkeiten zur Welt, die unveränderlich seien. Daher stecken sie alle Menschen in Schubladen: gut und böse, schnell und langsam, begabt und unbegabt. Da sie selbst in der besseren Schublade sitzen möchten, sind sie beständig bemüht, sich und anderen zu beweisen, dass sie etwas wert sind. Doch dafür hart zu arbeiten, dazu sind sie nicht bereit, denn Übung birgt die Gefahr von Fehlern und Misserfolgen, und diese sind für sie unverzeihlich: Jeder Fehlschlag beweist, dass sie nichts wert sind, und wenn ihnen einer unterläuft, strecken sie die Waffen oder schieben ihn auf andere:

Wenn Menschen mit statischem Selbstbild scheitern, hat das dramatische Auswirkungen: Als beispielsweise der Golfspieler Sergio García in ein Leistungsloch fiel, entließ er wütend einen Caddy nach dem anderen, schob das Scheitern auf seine Schuhe, zog sie aus und warf sie frustriert nach einer Anzeigetafel.

Das dynamische Selbstbild: von Wachstum und Fehlern

Menschen mit dynamischem Selbstbild hingegen denken anders: Sie glauben daran, dass Wachstum möglich ist, Fehler gehören für sie zum Leben und sind nichts anderes als neue Herausforderungen. Sie stellen sich ihnen, und durch harte Arbeit und Übung werden sie immer besser. Sie lernen bereitwillig von anderen und fordern sie auf, sie zu kritisieren, denn auch Kritik ermöglicht, sich selbst weiter zu verbessern. Auch die herbsten Rückschläge lassen sie nur umso härter an sich arbeiten.

Der Basketballspieler Michael Jordan hatte in seiner Karriere Phasen, in denen er nicht jeden Ball versenkte. Ganze 26-mal versiebte er einen möglichen Siegwurf. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, probte er die misslungenen Würfe bis zum Exzess. Am Ende seiner Karriere beherrschte er alle Wurftechniken wie kein Zweiter.

Die Ursache: die üblichen Verdächtigen

Laut Carol Dweck kommen alle Kinder mit einem dynamischen Selbstbild zur Welt; sie wollen lernen, sich weiterentwickeln, haben keine Angst davor, Dinge auszuprobieren und zu scheitern. Und haben die Kinder Eltern mit dynamischem Selbstbild, so behalten sie ihres auch bei, denn sie werden von den Eltern darin bestärkt, sich weiter zu entwickeln und sich von Fehlschlägen nicht entmutigen zu lassen.

Anders hingegen bei Kindern, deren Eltern ein rigides, statisches Selbstbild vorleben und ihnen eintrichtern, es gebe immer ein Richtig und ein Falsch, und Fehler seien nicht mehr gutzumachen. Diese Kinder übernehmen mit der Zeit das statische Selbstbild der Eltern und verlieren das Interesse, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen.

Doch auch den Kindern mit dynamischen Eltern droht eine weitere Gefahr: die Schule. Spätestens hier wird den meisten Kinder eingebläut, dass es begabte und weniger begabte Kinder gibt – Wachstum unmöglich, wer einmal eine schlechte Note hat, wird immer schlechte Noten haben. Nur die wenigsten Lehrer leben ein dynamisches Selbstbild vor und vermitteln ihren Schülern, dass jeder besser werden und an sich arbeiten kann. Nur wenige loben ein Kind, das sich von einer Fünf auf eine Vier verbessert, für dessen tolle Leistung und spornen es an, weiter an sich zu arbeiten.

Warum dynamische Menschen erfolgreicher sind

Wieso sind nun Menschen mit dynamischem Selbstbild erfolgreicher als solche mit statischem? Carol Dweck deutet es bereits an: Dynamische Menschen stellen sich Herausforderungen und arbeiten hart an sich, während statische vor jeder Anstrengung zurückschrecken. Letztere sehen nur die Möglichkeit des Scheiterns und glauben nicht daran, dass jeder sich entwickeln oder gar über sich hinauswachsen kann; als Genie ist man geboren – oder eben nicht.

Malcolm Gladwell widmet sich dieser Frage in seinem Buch Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind - und andere nicht, und er kommt zu dem Schluss, dass diese statische Art zu denken Unfug ist: Es gibt zwar Menschen, die mit einem besonders hohen IQ gesegnet, oder solche, die sehr groß sind und daher zum Astrophysiker oder Basketballspieler geboren scheinen. Doch diese angeborenen Fähigkeiten bilden nur den Rahmen, in dem sich jeder entwickeln kann. Ab einem gewissen IQ bestimmen ganz andere Dinge, ob man es zum Nobelpreisträger bringt oder nicht, und wer groß ist, wird nicht zwangsläufig ein Profi-Basketballer.

Die 10.000-Stunden-Regel – oder: Was hat das nun mit Erfolg zu tun?

Gladwells Botschaft lässt sich leicht auf den Punkt bringen: "Übung macht den Meister." Laut ihm zeichnen sich alle vermeintlichen Genies dadurch aus, dass sie mindestens 10.000 Stunden mit der Tätigkeit zugebracht haben, in der sie es später zur Meisterschaft gebracht haben. Das betrifft nicht nur Komponisten wie Mozart oder Maler wie Picasso, sondern auch Bill Gates, der in einer Zeit, als wenige Menschen überhaupt Zugang zu Computern hatten, ungewöhnlich viel Zeit an einem Rechner verbringen konnte, um das Programmieren zu lernen.

Andere Bücher, wie beispielsweise Robert I. Suttons Der Querdenker-Faktor: Mit unkonventionellen Ideen zum Erfolg ergänzen: Die vermeintlichen Genies haben nicht nur viel geübt, sondern vor allem auch viele Fehler gemacht. Sie haben viele verschiedene Dinge ausprobiert, haben sich vom Scheitern nicht entmutigen lassen und einfach über die schiere Masse irgendwann Geniales geschaffen.

Wer nicht an die Macht der Masse glaubt, sollte sich das Schaffen berühmter Genies wie Mozart oder Picasso genauer ansehen. Sie sind zwar in erster Linie bekannt für ihre großartigen Werke und herausragenden Einfälle. Was den meisten Menschen dabei nicht bekannt ist: Diese Genies hatten nicht nur sehr gute Einfälle, sondern auch sehr viele weniger gute.

Was wir gemeinhin als Genies bezeichnen, müssen also allesamt Menschen mit einem ausgeprägten dynamischen Selbstbild gewesen sein: Sie haben hart und sich gearbeitet und hatten keinen Angst vor Fehlern.

Und das Glück?

Offen bleibt noch die Frage danach, was das alles nun mit dem Glücklichsein zu tun hat. Antwort geben uns unter anderem Die Regeln des Glücks: Ein Handbuch zum Leben des Dalai Lama. Laut ihm sind insbesondere in der westlichen Welt viele Menschen unglücklich, weil sie sich als Spielbälle des Schicksals sehen, als hilflose Opfer, die weder sich selbst noch ihre Umwelt verändern können. Zu den Regeln des Glücks gehöre aber, stetigen Wandel und die Fähigkeit zur Veränderung als etwas Normales zu begreifen.

Für den Dalai Lama sind beispielsweise negative Emotionen, insbesondere Hass und Wut, absolute Feinde des Glücks. Doch mit dynamischem Selbstbild, also dem Glauben daran, sich selbst verändern zu können, ist es möglich, sich diese Emotionen Stück für Stück abzutrainieren und sie durch positive, wie Mitgefühl und Dankbarkeit zu ersetzen. Laut dem Dalai Lama neigen wir Westler dazu, in einer negativen Situation immer nur das Negative zu sehen. Kommt der Bus zu spät, ist das schrecklich, die Kollegen werden mir nicht verzeihen, dass ich zu spät zum Meeting komme, und meinem eigenen Perfektionismus werde ich erst recht nicht gerecht.

Warum nicht stattdessen: Der Bus kommt zu spät – endlich mal Zeit, durchzuatmen und ein bisschen an die hübsche Verkäuferin zu denken, die mir eben den Kaffee verkauft hat. Die Kollegen kommen auch ohne mich zurecht, wahrscheinlich sind sie sogar froh, dass das Meeting ohne mich schneller zuende geht. Und nächstes Mal nehme ich einfach den früheren Bus.



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4 Kommentare:

  1. Klasse. Ich recherchiere gerade zu eine Arbeit über das Selbstbild und da taucht der Artikel auf. Wunderbar.

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  2. Der Dalai Lama ist ein schlauer Kerl, aber zumindest nach dieser Zusammenfassung möchte ich ihm widersprechen: Wut ist nützlich. Sich ärgern ist sehr brauchbar. Denn wenn man unzufrieden ist, dann gibt das Kraft, um etwas zum Positiven zu ändern. Nicht nützlich sind Wut und Ärger, wenn der Bus schon davon ist - dann kann man die freigesetzte Kraft nicht nutzen, außer gegen sich selbst. Ich finde also, dass man sich Wut nicht pauschal abtrainieren sollte. Hass ist eine andere Baustelle.

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  3. Nach meinem Empfinden ist fast alles richtig, was hier steht.
    Allerdings halte ich es mit Typ1 und finde es grundfalsch, sich negative Gefühle abzutrainieren. Auf sie achten, sie wahrnehmen und für positive Reaktionen zu nutzen ist der viel bessere Weg!

    Außerdem möchte zwei höchst einseitigen Ansichten von Frau Carol Dweck widersprechen:

    1. Ich glaube nicht, dass Kinder alle mit dem dynamischen Selbstbild zur Welt kommen. Wir alle waren unterschiedlich bei unserer Geburt. Haar- und Augenfarbe, Körperbau, Neigung zum Schwitzen oder zu Fehlsichtigkeit, und und und. Ich sehe keinen Grund zur Annahme, warum das bei charakterlichen Dingen nicht genauso sein sollte. Es gibt lebhafte und stille Babies, glückliche und schreiende, anhängliche und selbstständigere, und und und. Auch den Hang zur Statik oder Dynamik bringen wir bei der Geburt mit.
    2. Kinder übernehmen das vorgelebte Selbstbild der Eltern? Das ist doch völlig unterschiedlich. Manche Kinder übernehmen so ziemlich alles ihrer Eltern, andere lehnen sich konsequent gegen all das auf, schon von klein an. Manche übernehmen diese Eigenschaft und verwerfen jene, andere genau umgekehrt. Viele Eltern können doch zu Recht sagen: "Von mir hat er das nicht."

    Meine Überzeugung ist, dass der menschliche Charakter eine Mischung ist aus Ererbtem und Erlerntem, in welcher Gewichtung auch immer.
    Und wenn das so ist, dann bricht dieses moderne, schönfärbende Gedankenmodell zusammen, in dem jeder alles aus sich machen kann. Ja, vieles bestimmt, sehr vieles vielleicht sogar, aber lange nicht alles! Und auch nicht jeder.

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