18. November 2017

#YouToo! Sind diese Männer einfach krank?

Es ist nicht das Monster in dir, sondern wie du es zähmst!

Ich will nicht groß über den Social-Media-Aufschrei #MeToo reden, der mir schon in seinem Setup als zu einfach erscheint, als dass er nicht auch nach hinten losgehen würde. Wenn man Menschen wie kleine Kinder dazu aufruft zu sagen "ich auch, ich auch, ich auch" dann zeigt sich darin bereits jegliche Abkehr vom Gebot der Begründbarkeit von Ansprüchen oder Vorwürfen. Das heißt nicht, dass wir nicht barrierefreie Wege finden müssen, über die sich Opfer von sexueller Gewalt und Verbrechen so Gehör verschaffen können, dass ihnen Gerechtigkeit widerfahren wird. Und es heißt auch nicht, dass ich es nicht gut fände, dass Taboos wie eben sexuelle Übergriffe auch endlich öffentlich als Taboos und mithin Straftaten thematisiert werden. Im Gegenteil und deswegen schreibe ich diesen Artikel. Aber ich finde nicht, dass ein Hashtag das richtige Werkzeug dafür sein kann.

#HeToo: Louis C.K. hat die Kontrolle verloren (Foto: Stephanie Moreno, cc-by-sa-2.0)

Auch über die Opfer kann ich hier jetzt nicht reden. Es muss sich von selbst verstehen, dass ihnen Dinge widerfahren sind, die furchtbar sind und die ich nicht beginnen kann einzuschätzen oder gar zu beschreiben. Vielmehr will ich über "die Männer" reden, die ja allesamt keine kranken Monster sind, sondern erst einmal Menschen – oder in dem Fall Männer – wie du und ich. Warum sage ich, dass sie keine Monster sind? Warum ist "das Böse" auch hier "banal" wie Hannah Arendt sagte? Zwei Gründe:

  1. Wir bezeichnen andere als Monster, um einfach zu sagen, dass sie nicht zu unserer menschlichen Zivilisation gehören und dass wir als zivilisierte Menschen deren Problem gar nicht haben. Wir lagern das Problem aus in eine monströse Sphäre, mit der wir uns nicht identifizieren müssen. Das macht uns aber auch eine Lösung des Problems unzugänglich, weil sie dann eben nicht in unserer zivilisierten Sphäre zu finden ist. Übrigens gilt das nicht nur für Sexualstraftäter, sondern auch für Mörder, Terroristen und Diktatoren.
  2. Menschen haben eben Triebe und die äußern sich nicht immer nur durch gute Verhaltensweisen. Menschen sind Diebe, sie können zu Abhängigen werden, zu Mördern, Grapschern, Exhibitionisten oder Vergewaltigern. Klar gibt es unter solchen Dieben, Mördern und Vergewaltigern auch psychisch kranke Menschen, aber die Mehrzahl dieser Menschen ist nicht krank. Sie sind durchschnittlich und das ist die eigentliche Gefahr dabei.

Der Sexualtrieb ist aus guten und natürlichen Gründen ein besonders starker Trieb. Das kann man auch gar nicht verurteilen oder krank nennen. Das Fortbestehen des Lebens gründet darin und leider (aus ganz vielen Gründen) muss man wohl sagen ist dieser Trieb im Schnitt zwischen Frauen und Männern ungleich gewichtet und drängt sich zu jeweils anderen Zeiten und in anderen Zeiträumen auf. Allein durch diese Inkongruenz schon ist jede sexuelle Beziehung in aufgeklärten Zeiten ein Mienenfeld für alle Beteiligten, dem man im Extrem versucht dadurch beizukommen, dass man sich am besten unterschreiben lässt, dass über die gleich stattfindende Intimität beiderseitiges Einvernehmen herrscht.

Wenn diese Männer nun nicht krank sind, was fehlt ihnen? 

Man könnte sagen, sie haben einfach die Kontrolle über sich verloren und dadurch anderen Schaden zugefügt. Dafür kann es charakterliche Gründe geben wie Willensschwäche oder Labilität. Dafür gibt es aber immer auch gesellschaftliche Gründe, wie z.B. eine latente Akzeptanz von offenem Sexismus, wie man es ganz stark in Donald Trumps Äußerungen sehen kann oder Toleranz gegenüber dem Ausüben von Gewalt gegen Abhängige. Es ist kein großes Geheimnis, dass es in Ausnahmesituationen wie in Heimen, in Gefängnissen oder im Krieg zu vermehrten Übergriffen solcher Art kommt. Wenn man es runterbricht, ist es einfach zu verstehen: Dort ist der dünne Lack der Zivilisation einfach angekratzt oder ganz ab.

Louis C.K., einer meiner absoluten Lieblings-Comedians, ist in dieser Hinsicht ein ganz besonders interessanter Fall, denn er war sich auch laut auf der Bühne immer der Gefahr bewusst, die dieser dünne zivilisatorische Lack bedeutet. Die Inkompatibilität eines durchschnittlichen männlichen Sexualtriebs mit den Normen der Gesellschaft und wie man trotzdem die Kontrolle behält, war in seinen Stücken ein Hauptthema. Seine Stand-Ups waren berühmt und berüchtig dafür, dass er seine eigenen zuweilen extrem unangenehmen und sexistischen Fantasien, Gedanken und Wünsche kaum als Komik maskiert aussprach, ohne sich selbst groß davon zu distanzieren. Viel mehr war sein Anspruch, solche triebgesteuerten psychischen Events nicht zu unterdrücken (denn ganz nach Freud werden sie gerade dann erst zu Monstern), sondern sich ihnen zu stellen, sie in all ihrer Unangemessenheit zuzulassen, auszusprechen und dadurch den Fluch zu bändigen, damit er sich eben nicht in Wirklichkeit verwandelt.

Auch nach der Desillusionierung im Fall Louis C.K. glaube ich, dass das der richtige Weg ist. Wir müssen offen und schonungslos mit uns selbst sein, anstatt mit schnell getippten Hashtags und dem Auslagern des Problems ins Monströse einen schnellen Fluchtweg zu finden.

Seien wir ehrlich: Wir alle haben unsere inneren Dämonen, also die in unseren Trieben gründenden Gedanken, Wünsche und Fantasien, die wir besser für uns behalten oder sublimieren und eben nicht 1:1 in Taten übersetzen. Kunst, Musik, Literatur und Filme leben zu einem Gutteil genau davon. Sie sind Ventile, aber das reicht nicht. Wir haben zudem gesellschaftliche Taboos und Gesetze, auch die reichen nicht immer aus, um all die Energie zu deckeln. Am Ende kommt es auf jeden selbst, auf mich und auf dich an.

Es kommt darauf an, deine Empathiefähigkeit weiter zu entwickeln, darauf, deine möglichen Taten in all ihren Konsequenzen für andere und dich selbst zu durchdenken. Und es kommt darauf an, eigene Werte zu pflegen, von denen man sich wünschen kann, dass alle Menschen sich an sie hielten. Es kommt darauf an, mit deinen gezähmten Dämonen und Monstern eine moralische Person zu sein, die einer zuweilen unmoralischen Welt und den eigenen unmoralischen Trieben standhalten kann. Man nennt das Zivilisation.



Das passt dazu:

19 Kommentare:

  1. Macht korrumpiert - und Gelegenheit macht Diebe. Beide Volksweisheiten treffen auf die sexualisierte Gewalt/Nötigung/Erpressung verschiedenster Täter zu.
    Frauen sind da auch nicht ganz außen vor: es gibt durchaus Frauen, die ihre "Qualitäten" als potenzielles Sexobjekt für ihren Aufstieg oder andere Benefits einsetzen. Ihr Verhalten ermuntert wiederum Männer, auch dort übergriffig zu werden, wo es völlig unangebracht und unerwünscht ist - womit ich NICHT sagen will, dass diese Männer irgenwie entschuldigt seien!!!

    Letzlich wird man all das nie ganz wegbekommen, solange es machtvolle Männer gibt, die alleine über Aufstieg / Einkommen / Jobs entscheiden. Indem mehr Frauen in Machtpositionen kommen und andrerseits Strukturen geändert werden, WIE Macht ausgeübt wird kann man aber auf Verbesserungen hoffen.

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    1. Das stimmt natürlich. Trotzdem frage ich mich: Warum kann man(n) auch in Machtposition nicht so etwas wie eine "ethische Kontrolle über sich selbst" wahren?

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  2. Die Frage stellt sich auch bei vielen anderen Vergehen, Verbrechen, und bei (gefühlt immer häufiger werdendem) asozialen Verhalten.

    Von einer Gesellschaft aus Individuen, die ihr Handeln durch internalisierte Werte steuern, entwickeln wir uns grade rasend schnell hin zu einer Gesellschaft, die nurmehr durch Überwachung im Zaum zu halten ist. (Die Tür zum Büro muss offen bleiben, wenn ein Mann mit einer Frau allein rein geht...)

    Einschüchterung, Angst vor dem öffentlichen Pranger bei Gefahr existenzieller Verluste tritt an die Stelle der Selbsbezähmung, die du einforderst.

    Das wundert auch nicht, da der allgemeine Trend in der Neolib-Welt ja komplett entsolidarisierend ist und egozentrisches Verhalten als das einzig Normale/Vernünftige feiert. Selbstbereicherung um jeden Preis wird eher bewundert als kritisiert - lies nur mal, wie viele Kommentierende nach Veröffentlichung der letzten Mega-Leaks die ganzen Steuervermeider verteidigen! Ihnen ist jede Steuer Diebstahl und der Satz "Was habe ich mit irgendwelchen Anderen zu tun, ich sorge für mich und meine Familie, der Rest ist mir egal!" unwidersprochen bleibt und sogar geliked wird.

    Wir leben in grusligen Zeiten, kein Wunder, dass auch die häusliche Gewalt steigt!

    (und typisch auch, dass dein Artikel NICHT kommentiert wird, außer von mir, die ich es als Frau leichter habe. Da ist sie, die ANGST, etwas Falsches zum Thema zu schreiben...)

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    1. Das ist gut beobachtet und sehr erschreckend, wenn du das so diagnostizierst. Gibt es kein Zurück? Was sollen wir tun?

      Das mit der Angst, etwas Falsches zum Thema zu schreiben, merkt man vielleicht auch dem Artikel selbst an, denn diese Angst schrieb mit daran. Z.B. habe ich widerstanden, den Punkt rund um "Seien wir ehrlich: Wir alle haben unsere inneren Dämonen, also die in unseren Trieben gründenden Gedanken, Wünsche und Fantasien..." weiter auszuführen, obwohl der wirklich interessant ist. Aber man kommt schnell in den Verdacht, andere für ihre Taten zu entschuldigen.

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  3. Zur Gesellschaft allgemein:

    Ob es ein Zurück gibt? Einerseits besinnen sich die Menschen auf Solidarität vor allem dann, wenn Katastrophen passiert sind. Nach Kriegen, wenn wir auf unsere Geschichte schauen, und in Situationen des Mangels.
    Daher auch die Rede der Altvorderen "es hat wohl schon zu lange keinen Krieg mehr gegeben", was natürlich keine schöne Perspektive anspricht.

    Andrerseits gibt es ja das Ding mit dem Pendel, das immer wieder zurück schwingt - was man ebenfalls beobachten kann. Demnach könnte man hoffen, dass der entfesselte Kapitalismus bzw. dessen Folgeschäden immer mehr Menschen davon überzeugt, dass es DAS nicht sein kann. Manchmel meine ich, dafür Anzeigen zu sehen.

    Individuell bleibt nichts übrig, als immer wieder gegen zu halten - und sich nicht zu schade zu sein, immer wieder auch die Basics zu erklären und zu begründen.

    Zum Geschlechterthema: ich hab ja extra eine gemischte (Geschlechter-)Blogroll und lese da auch häufig, beteilige mich sogar gelegentlich, weil ich es für falsch halte, dass man immer nur in seinen eigenen "Safe Spaces" bleibt und sich nicht mehr traut, beim (vermeintlichen oder echten) Gegner die eigene Sicht der Dinge zu vertreten.

    Ich sehe aber ein, dass ich es als Frau zur Zeit einfacher habe, quer durchs Meinungsspektrum zu tanzen, als es Männer haben. Gelegentlich nutze ich jedoch auch mal ein geschlechtsneutrales oder männliches Pseudo, wenn ich z.B. keinen Bock habe, zur Projektionsfläche zu werden (was regelmäßig in Männerblogs geschieht und vom jeweiligen Thema nervig ablenkt). Auf Femiblogs werd ich zwar nicht angepflaumt, dafür aber des öfteren gar nicht erst frei geschaltet - wegen anderer Meinung, nicht etwa wegen irgendwelcher Unsachlichkeiten.

    Auch poste ich gelegentlicht unter nicht nachverfolgbarem Pseudo, wenn ich keine Lust habe, irgendwelchen Ärger auf mich zu ziehen bzw. in ganz anderen Angelegenheiten wegen "unpassender" Meinungen Nachteile zu erleiden.

    Ich beobachte hier und da, dass es Andere wohl ähnlich halten. "Gastautoren/Autorinnen" sind auch ein Mittel der Wahl.... :-)

    Das heißt jetzt nicht, dass ich davon abrate, unter eigenem Namen mit offenem Visir bis an die Schmerzgrenze zu gehen. Mache ich auch gelegentlich (siehe das Thema "alte weiße Männer" u.ä.) - man muss sich das aber auch leisten können, z.B. indem man nicht viel zu verlieren hat, unwichtig ist, und/oder ein recht unabhängiges Leben führt (bzw. s.o.: als Frau ist es derzeit einfacher).

    Mit deinem Verweis auf die "inneren Dämonen" hast du völlig recht. Das Thema ist aus der Psycho- und Spiri-Szene seit Jahrzehnten bekannt und akzeptiert - Stichwort "Schattenintegration".

    Im Politischen werden wir aber wohl nie eine Gesellschaft sehen, die in dieser Hinsicht der Wahrheit die Ehre gibt. Die große Mehrheit mag einfach die Illusion nicht fallen lassen, dass wir selber "immer bei den Guten" und das Böse bei den Anderen sei. Die ignoriert Freud et al bis ans Ende aller Tage - und verzichtet gerne auf echte Selbsterkenntnis.


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    1. Es sollte im 2. Absatz natürlich heißen:

      "Manchmel meine ich, dafür Anzeichen zu sehen. "

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  4. Sexualisierte Gewalt hat nichts mit dem Sexualtrieb zu tun.
    Sondern einzig und allein mit Macht.

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    1. Danke für Ihren Kommentar, Frau Heller!

      Es ist allerdings eine gewagte These, dass sexualisiertes Verhalten nichts mit dem Sexualtrieb zu tun hat. Können Sie dazu Ihre Quellen angeben, die das belegen? Das wäre interessant. Ich vermute vielmehr, dass alles, was irgendwie mit Sex zu tun hat auch etwas mit dem Sexualtrieb zu tun hat. IUnd da bin ich schon konservativ. Die klassische Psychoanalyse sagt ja sogar, dass all unser Verhalten mit diesem Trieb zu tun hat.

      Wie gesagt: Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre These irgendwie belegen wollten.

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  5. Ich glaube, sie meint etwas anderes. Der Trieb alleine lässt niemanden gewalttätig werden. Bei sexualisierter Gewalt geht es nicht primär um Triebauslebung, sondern um Macht. Der Trieb ist dort nur Mittel zum Zweck. Allerdings so ganz ohne Trieb kann Gewalt nicht sexualisiert ausgelebt werden.

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  6. Interessant dazu und sehr wahr fand ich:
    https://courtneycasto.com/why-women-are-morbid/

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    1. Wow, einfaches Gedankenexperiment mit großer Wirkung. Stimmt mich in der Tat nachdenklich.

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    2. Meines Erachtens, macht es sich der Referent aus dem Facebook Post "zu einfach". Dass Frauen häufiger Opfer von Sexualverbrechen sind (zumindest außerhalb des Gefängnisses), ist eine statistische Tatsache, weswegen zu erwarten ist, dass sich Frauen eher als Männer gegen Sexualverbrechen schützen. Hätte man die Männer im Raum gefragt, was sie tagtäglich tun, um sich gegen Gewaltverbrechen zu schützen, hätten sich die meisten Antworten auf beide Fragen überschnitten.

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    3. Auch ein guter Punkt! Sexualverbrechen sind eine besondewre Form der Gewaltverbrechen (mit besonders schwer zu Verarbeitenden Folgen). Vielleicht verdienen sie es deshalb auch, gesondert betrachtet zu werden?

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    4. Meiner Meinung nach verdient es jeder Fall von Kriminalität gesondert betrachtet zu werden; ansonsten hätten wir eine ganz schnelle Justiz, die nach folgendem Prinzip verfährt: "Der Graf wurde ermordet? Im letzten Fall war es der Butler, buchtet ihn ein!"

      Außerdem finde ich es bedenklich zu sagen, dass bestimmte Verbrechen eine "besondere Form" oder von einer "besonderen Art" sind. Damit finden wir uns nämlich ganz schnell in einer Verbrechens-Hierarchie wieder, wenn wir z.B. aus der Menge der Gewaltverbrechen die Untermengen "Gewaltverbrechen mit Messer", "Gewaltverbrechen mit Schusswaffe" oder "Gewaltverbrechen ohne Waffen" abspalten, um dann noch herausfinden zu müssen, welches Opfer am meisten unter dem Verbrechen leidet. Das wäre ein Schlag ins Gesicht für alle Opfer etwaiger Gewaltverbrechen!

      Eben darum ist mir der FB-Post so sauer aufgestoßen. Unterschwellig wurde vermittelt: "Männer stellt euch nicht so dran, Frauen müssen mehr Angst haben als ihr." Und im Hinblick auf Sexualverbrechen mag das auch stimmen, aber ich brächte es nicht übers Herz einem ins Krankenhaus geschlagenen Patienten zu sagen "Stellen sie sich nicht so an, tagtäglich werden X Frauen Opfer von Sexualverbrechen"

      Anstatt also zu sagen, dass eine bestimmte Kategorie Verbrechen ein besonderes Augenmerk benötigt (was in besagtem FB-Post erreicht werden wollte), sollte man sich auf die Flächendeckende Prävention aller Arten von Kriminalität fokussieren.

      Wir können auch noch zehn Jahre lang weiter diskutieren, wer in unserer Gesellschaft die größere Opfergruppe darstellt, werden damit aber nichts erreichen, außer ein ewiges Hin- und Herschieben des schwarzen Peters.

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    5. Ich würde auch niemandem sagen, "stell dich nicht so an..." Jedes Leid ust einzigartig und bedarf keiner Rechtfertigung. Trotzdem anerkennt auch die Justiz, dass Sexualverbrechen eben eine besondere Kategorie der Gewaltverbrechen ist. Das fängt schon bei besonders strikten Anonymisierungsgebot der Betroffenen an. Insofern sollte es möglich sein, es als eine besondere Form zu verstehen, ohne dabei andere Opfer abzuwerten.

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  7. Unsere „westliche Gesellschaft“ hat ja auch ein auf eigene Art besonderes Verhältnis zur Sexualität. Sie ist kein Tabu mehr. Eigentlich darf alles gezeigt und besprochen werden. Das hat Vor- und Nachteile.

    Es gibt kein Recht auf Sex, genauso wenig gibt es ein Recht auf Liebe. Sonst müsste es umgekehrt eine Pflicht zum Sex und eine Pflicht zu lieben geben. (Ja, das hatten wir quasi schon, die Pflicht zum Sex, wobei sie nur der Frau auferlag, nicht dem Mann.)

    Gleichzeitig gibt es oft selbst im Tatort mehr Sex als im Leben eines durchschnittlichen Single-Mannes. (Im Tatort sind dafür die Leute auch öfter tot.) Entsteht daraus nicht das Gefühl, dass immer alle anderen Sex haben, nur man(n) selbst nicht? Was, wenn man irgendwann auf das schmale Brett kommt, daraus ein Recht auf Sex generell abzuleiten?

    Besonders die vielgenannte „Generation Y“ scheint betroffen. Sie hat, böse gesagt, mehr Interaktion mit Social Media als mit Sexualpartnern...

    Wer in das Themenspektrum eintauchen möchte, kann einfach mal nach folgendem Googeln: oversexed and underfucked


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    1. Danke für deine Gedanken!

      Dass wir mehr andere Interaktionen (ob jetzt Social Media oder Briefkontakt) haben, als Sex, ist sicher kein neues Phänomen. Was aber spätestens seit der (so schön zum Kapitalismus passenden) 68er-Bewegung neu ist, ist das Wegbrechen der Tabus und damit ein sichtbares Vordringen nackter Haut in die Öffentlichkeit. Das kann sicher zu einem "Oversexed" führen, ohne dass man deshalb schon weiß, ob es auch ein "Underfucked" ist. Das wird ja immer auch individuell sehr verschieden wahrgenommen. Mancher fühlt sich vielleicht underfucked, wenn es "nur" einmal pro Woche passiert. Für andere wäre das der blanke Sex-Stress.

      Vielleicht ändert sich aber die Wahrnehmung durch das "Oversexed" und eine früher durchaus zufriedenstellende Frequenz kommt manchem heute schon als underfucked vor?

      Ich weiß nicht, ob Menschen statistisch heute weniger Sex haben als zuvor. Gibt es dazu empirische Ergebnisse?

      Deine Gedanken könnten z.T. als Erklärung für die Zunahme der bekanntgewordenen Übergriffe gedeutet werden. War das so gemeint?

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    2. Ich tue mir schwer mit Erklärungen, außerdem werden die oft als Entschuldigungen missverstanden. Da gibt es aber nichts zu entschuldigen. Dennoch handeln Menschen immer aus einer Motivation heraus, egal ob sie ihnen bewusst ist oder nicht. Ich denke daher, dass man sexuelle Übergriffigkeit erst besser bekämpfen kann, wenn man sie versteht. (Genau das wird verweigert, wenn man die Täter als Monster deklariert und damit das ganze als „nicht unser Problem“ deklariert.)

      „Tatsächlich haben junge Menschen heute weniger Sex als noch vor 25 Jahren – zumindest behaupten das Studien aus den USA.“
      „Der Bildschirm gibt supranormale sexuelle Stimulation und will nichts.“
      http://www.zeit.de/campus/2017-05/generation-y-sex-sexualtherapie-bzga

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    3. Danke für den Link, habe ich gelesen und bin gleich ganz froh gewesen, dass ich zwischen 1990 und 2005 meine Abi-, Ausbildungs- und Studentenzet hatte :)

      Du hast absolut Recht: Verteufeln bringt gar nichts, aber erklären ist den meisten unangenehm, weil sie sich darin selbst erkennen und dann Angst bekommen, dass auch sie die Kontrolle verlieren könnten. Das ist ja meine These: Wir sind alle nicht besonders anders, haben dieselben Bedürfnisse und Dämonen in uns. Aber wie wir damit umgehen, darum geht es.

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