27. Oktober 2013

Das ewige Hinausschieben: Was hilft gegen Prokrastination?

Ziele, Planung und Verbindlichkeit, das sind Lars Lorber zufolge die Mittel zur Heilung von latenter Aufschieberitis. Und unser Autor muss es wissen, schließlich hat er Monate lang und mit vollem Erfolg an seinem Buch Menschenkenntnis geschrieben. Eine Rezension des Buches erschien vor drei Tagen auf Geist und Gegenwart. Lesen Sie nun, wie Lars Lorber der ständig lockenden Ablenkung widerstehen konnte und sein Ziel erreichte.

Procrastination (2012)
Abgelenkt? "Procrastination" (Bild von Yvette Wohn via Flickr)

Unter Prokrastination versteht man zwanghaftes aufschieben und nicht-erledigen notwendiger Dinge. Jeder von uns prokrastiniert einmal, wenn es um den Zahnarztbesuch oder die Steuererklärung geht. Das ist ganz normal. Für manche Menschen bringt das ewige Verschieben allerdings erhebliche Probleme mit sich, z.B. wenn sie jahrelang nicht zum Zahnarzt gehen, viel zu spät für eine Prüfung lernen oder die Zeilen ihres geplanten Buches nicht rechtzeitig zu Papier bringen - so wie bei mir.

Die sofortige Belohnung lockt

Ich gebe es zu, auch ich bin einer von jenen Menschen, die sich viel leichter von kurzfristigen Verlockungen ablenken lassen, als immer zielstrebig am Ball zu bleiben. Beim Schreiben meines Buches hatte ich gegen unzählige solcher Ablenkungen zu kämpfen, die mir stets verlockender erschienen, als weiter zu arbeiten: nur "kurz" etwas im Internet ansehen oder an meiner Webseite machen - was im Gegensatz zum Buchschreiben ein direktes Erfolgserlebnis bringt. Nur mal eben eine kleine Pause einlegen und derweil etwas anderes erledigen - was sich dann plötzliche mehrere Stunden hinzieht. Gleichzeitig machte sich bei mir aber auch öfters das Gegenteil dieses Charakterzuges bemerkbar - nämlich der Wunsch nach Perfektion. Danach, alles möglichst richtig, korrekt und genau zu machen. Manchmal habe ich stundenlang Studien durchforstet, nur um sicher zu gehen, dass ein bestimmter Satz oder eine bestimmte Aussage ihre Richtigkeit haben. Das zeigt, wie wir in unserem situationsbezogenem Verhalten auch stark von unserer eigentlichen Natur abweichen können und das man verschiedene Verhaltensweisen erlernen kann. Beide Extreme - das Aufschieben und die Perfektion - können auf ihre jeweils eigene Art sehr hinderlich beim vollenden einer Arbeit sein.

Doch aktuell möchte ich auf das Aufschieben eingehen. Geht es nur um Kleinigkeiten - das Geschirr abwaschen oder den Müll herunterbringen - so lässt es sich mit einem beherzten Aufraffen überwinden.

Was allerdings bei langfristigen Projekten? Wenn für das Studium gelernt, mehr Sport gemacht, das Haus renoviert oder wie in meinem Fall ein Buch geschrieben werden will. Wenn man sich regelmäßig oder jeden Tag aufraffen muss. Dann kann die Prokrastination zu einem echten Hindernis werden, das den Fortschritt im eigenen Leben ganz konkret behindern kann. Bei mir gab es z.B. während dem Schreiben eine zweiwöchige Phase, in der ich fast gar nichts zu Papier gebracht habe. Zwar bin ich kein notorischer Aufschieber (war es allerdings früher zeitweise), aber das langfristige Projekt des Buchschreibens stellte mich dennoch vor Hindernisse. Da kommen dann Phasen des Zweifelns, des Keine-Lust-habens oder einfach des erschöpft sein von der vielen Arbeit. Dann sind plötzlich selbst ungeliebte Aktivitäten wie Putzen oder der Zahnarztbesuch verlockender als die eigentliche Arbeit.

Das Ziel vor Augen, Planung und Verbindlichkeit

Wie kann man also langfristige Projekte anpacken, ohne irgendwann im Sumpf der Aufschieberei zu versickern? Meiner persönlichen Erfahrung nach, ist das Ziel vor Augen am Wichtigsten. Warum will ich das erreichen, was ich mir vorgenommen habe? Was ist damit verbunden, was habe ich davon, weshalb habe ich mich dafür entschieden? Was wird besser, dadurch, dass ich es mache? An diese Gründe muss man sich immer wieder erinnern. Gibt es kein konkretes oder lohnenswertes Ziel, sieht es auch mit der Motivation schlecht aus. Manchen Menschen fällt es von Natur aus leichter, auch ohne große Motivation langfristig bei der Sache zu bleiben, anderen aber eben nicht - das ist Typsache und einer der vielen Persönlichkeitsunterschiede zwischen Menschen. Für jene von uns, denen dies schwerer fällt - so wie mir - ist dann mehr Arbeit an der Motivation nötig, um dranzubleiben.

Eine gute Zeitplanung (die geschätzte Zeit am besten verdoppeln oder verdreifachen; Zwischenziele setzen; usw.) ist ebenfalls sehr hilfreich. Genauso das Einbeziehen von anderen Menschen, wenn es um einsame Projekte wie das Schreiben oder das abendliche Workout geht: erzählen Sie anderen Menschen davon, was Sie sich vorgenommen haben. Das schafft eine gewisse Verbindlichkeit Ihren Zielen gegenüber. Auch sollten Sie bereits im voraus Pausen einplanen, wenn das Projekt viel Arbeit am Stück beinhaltet.

Prokrastination kann vielfältige und bei jedem Menschen andere, teils tief greifende Ursachen haben. Da helfen dann auch wohlgemeinte Ratschläge nicht weiter, sondern es muss konkret an den entsprechenden Ursachen gearbeitet werden. So lange das Aufschieben allerdings keine extremen Ausmaße annimmt, hilft eine vernünftige Zeitplanung, Zielsetzung und die Unterstützung von Anderen erheblich. Am Schluss habe ich es dann doch geschafft, termingerecht mein Buch fertig zu stellen. Dazu musste ich einige Perfektionsgedanken loslassen und diverse Aufschiebephasen überwinden. Das gelang hauptsächlich durch das Ziel vor Augen: das Buch in Händen zu halten. Bevor Sie jetzt stur auf Ihre Ziele hinarbeiten, vergessen Sie aber nicht: halten Sie sich ebenfalls vor Augen, warum sie diese erreichen wollen. Das kann ein ganz simpler Gedanke oder eine komplexe Kombination aus Gründen sein. Was ist Ihr persönlicher Grund? Diese Motivation ist viel stärker als das Bild des Zieles alleine.



Dieser Artikel beinhaltet einen Auszug aus Menschenkenntnis: Der große Typentest von Lars Lorber, so wie einige persönliche Ergänzungen des Autors. Sollten Sie noch mehr zum Thema Persönlichkeitspsychologie lernen wollen oder ganz einfach eine gesunde Neugier zum Thema haben und suchen einen leicht verständlichen und dennoch fundierten Einstieg, dann kann ich Menschenkenntnis: Der große Typentest: So entschlüsseln Sie die Stärken und Schwächen absolut empfehlen.

Lars Lorber unterhält auch einen informativen Blog zu seinem Persönlickeitstest auf Typentest.de. Auf Geist und Gegenwart erschienen von ihm bereits die Artikel Die (un)durchschnittliche Persönlichkeit und Wie wir uns täuschen lassen: Pillen Horoskope und Persönlichkeitstests.

4 Kommentare:

  1. Müll herunterbringen aufschieben und das Schreiben eines Buches hinauszögern - i.o.g.Text werden diese Dinge unterschieden. Das ist, so glaube ich ein Fehler. Wer diese Dinge unterscheidet und ihnen eine Wichtigkeit zuordnen kann, ist meines Erachtens nicht vom Aufschiebewahn - oder wie sich diese Krankheiten heute schimpfen betroffen.
    " Das Buch in den Händen halten bedeutet natürlich für einen Autor Geld verdienen und das hat natürlich Priorität - um zu überleben. Ein Student/in, der/die seinen /ihren Abschluss macht, weil er oder in diesem oder jenem Grade des akademischen Abschlusses arbeiten möchte ist doch ziehmlich unbedacht, da wissen doch die viele Menschen noch nicht, was auf sie zukommt. Man hat noch nicht die große Knete und keinen großen Anspruch - monetär gesehen.
    Ich denke, gerade wenn es um das Aufschieben kleinerer Situationen geht hat man ein Problem - der Alltag ist doch das Leben - und wenn Alltag nicht funktioniert, funktionieren auch meist die Außnahmesituationen schlecht.

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  2. Hey,

    also bei mir wirkt das "Ziel vor Augen halten" meistens wirklich Wunder. Ich gehe dabei wirklich intensiv in das Gefühl hinein. "Wie fühle ich mich, wenn ich mein Ziel erreicht habe?" "Was wird dann alles besser in meinem Leben?"

    Dann kann ich wieder mit neuer Energie und Elan an meine Projekte herangehen!

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  3. Nur in einer Überschrift versteckt ist es, eines der wichtigsten Wörtchen: "Belohnung". Ich finde, man braucht gar keine Bonbons. Man braucht das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Hinzu kommt noch die Sicherheit, das Anstehende mit Erfolg bewältigen zu können. Das unliebsame Putzen des WG-Badezimmers ist genau das: Ich weiß, ich kann es und ich weiß, in einer halben Stunde sieht es top aus. Das Lernen auf eine Prüfung ist genau das nicht: Ich weiß nicht, ob ich bestehen werde und/oder ob ich in den gewünschten Notenbereich kommen werde und ich kann nur eingeschränkt sicher sein, ob meine Lernstrategie die richtige ist.

    Ich denke, das hat viel mit unserer sehr abstrakten Welt zu tun. Die Zeiten zwischen Sähen und Ernten sind lang und Erfolg (im nüchternen Sinn von: Mein eigenes gesetztes Ziel erreichen) ist gar nicht immer so einfach emotional erfahrbar.

    Prokrastination, Stress, Burnout - am Ende werden die Ursachen medial immer gerne beim Einzelnen verortet. Man könnte es natürlich auch als gemeinsames Problem mit unserer modernen Welt auffassen, an das man gemeinsam rangehen sollte.

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  4. Ein erster Schritt ist ja schon, die Eigenschaften bei sich selbst überhaupt wahrzunehmen. Genau dazu ist das Buch schon eine wertvolle Hilfe. Leider ist es nur so, dass gerade die Menschen, die es nötig hätten, so ein Buch gar nicht erst in die Hand nehmen.

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