30. Oktober 2014

Richtig kündigen als wichtiger Karriereschritt

Street Art von MIR* (Foto von Jacob Bøtter via CC BY 2.0)

Trennungskultur: Wie man eine Firma (nicht) verlässt

In meinem mehr als 20-jährigen Arbeitsleben habe ich bisher dreimal gekündigt, einmal habe ich alles falsch gemacht. Aber dazu später. Als Personalmanager habe ich einiges an Kündigungen gesehen und in den meisten Fällen geht das in den Umständen entsprechend zivilisiert über die Bühne. Wenn nicht, dann ist es oft eine Führungskraft, nicht selten eine ganz oben, die den guten Stil vermissen lässt wenn Mitarbeiter gehen. Seltener sind es die Mitarbeiter selbst, die durch Kündigungen Probleme verursachen. Das liegt natürlich vor allem an der Asymetrie der Macht- und Zahlenverhältnisse und daran, dass manch Vorgesetzter es persönlich nimmt, wenn jemand "sein" Team oder "seine Firma" verlässt.

Trennungskultur ist ein großes, schweres Thema, das in vielen Firmen vernachlässigt wird. Da kann man glücklich sein, wenn es zum Onboarding noch klappt, über Offboarding machen sich die wenigsten Gedanken. Wie man sich trennt, wird wesentlich von der Unternehmenskultur bestimmt, die von oben getragen werden muss. Leider herrscht in vielen Firmen ein archaisches Konkurrenzdenken, getrieben von Neid und Missgunst gegenüber den Wettbewerbern, die nun auch noch um die Mitarbeiter konkurrieren. Anstatt sich davon inspirieren zu lassen, die Produkte und das Unternehmen weiter zu entwickeln, kommt es zu urmenschlichen Reaktionen zwischen Angst, Trotz und Aggression, wenn jemand zur Konkurrenz geht.

In solchen Umfeldern wundert es dann nicht, dass die Kollegen, die sich entscheiden zu gehen, ihren Abgang vermasseln. Und ich selbst habe bei meiner ersten Kündigung einfach den Mittelfinger gezogen, dem Chef das Werkzeug vor die Füße geschmissen und gesagt, dass ich ab morgen einfach nicht mehr komme. Damals war ich sehr jung und konnte von Glück sagen, dass der Personalleiter - ich weiß es noch wie heute: er war blind und hatte einen für die 90er Jahre ziemlich abgefahrenen PC mit Braille-Tastatur - dass also der blinde Personalleiter durch mich hindurchschaute und sagte: "Mein Junge, ich kann dich gut verstehen, aber lass uns doch die Sache ordentlich beenden." Dann setzte er einen Aufhebungsvertrag mit mir auf. An dem Tag hatte ich einiges gelernt und meine zwei nächsten Kündigungen waren stilsicher. Hier sind ein paar häufig zu beobachtende Fehler und meine Tipps, wie man statt dessen vorgehen kann:


1. Den Arbeitgeber um einen Deal bitten

Ich habe immer wieder gesehen, wie Mitarbeiter gehen wollten, sich aber nicht trauten zu kündigen und deswegen ein oft würdeloses Feilschen um einen Aufhebungsvertrag begannen. Ich finde das immer schade, denn es nimmt dem Arbeitnehmer bei diesem recht großen Karriereschritt die souveräne Entscheidungsmacht aus den Händen und läuft am Ende meist auf einen doofen Kompromiss hinaus, mit dem keiner der Parteien wirklich glücklich ist. Oft trennt man sich dann mit gegenseitigem Stirnrunzeln, weil jeder dem anderen noch im Trennungsprozess irgend etwas aus den Rippen leiern wollte, sei es Zeit auf der einen oder Geld auf der anderen Seite.

Offenbar sind viele Arbeitnehmer besorgt, dass sie Nachteile erleiden, wenn sie selbst kündigen. Vor allem das Gespenst der Sperrzeit für Arbeitslosengeld schreckt viele ab. Dabei ist eine Sperrzeit gar nicht daran gebunden, wer wem gekündigt hat, sondern daran, was die Kündigungsgründe sind. Als ich 2014 bei einem großen E-Commerce-Unternehmen gekündigt hatte, habe ich der Arbeitsagentur meine Kündigungsgründe dargelegt und bekam keinerlei Sperre, weil die Weiterarbeit als unzumutbar eingeschätzt wurde. Da das nicht die Regel sein wird, hat man idealerweise bereits vor der Kündigung eine feste Aussicht auf die nächste Anstellung. Und selbst wenn das nicht der Fall ist und sogar eine Sperrzeit verhängt wird, muss diese ja nicht 12 Wochen betragen.

Kündige selbst! Neben den kleinen Panikattacken und der Zukunftsangst, die das vielleicht wegen der drohenden Unsicherheit hervorruft, gibt es uns Souveränität und vielleicht ein Hochgefühl wegen der plötzlichen Offenheit der Zukunft und damit Motivation für neues. Man wird uns auch beim alten und neuen Arbeitgeber mit Respekt begegnen, weil wir gezeigt haben, dass wir wissen, was wir wollen und was wir wert sind und weil wir keine Angst vor einem Neubeginn haben. Kündigen sollte ein souveräner Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt sein, den man sich nicht durch irgend welche Deals oder Kompromisse aus den Händen nehmen lassen sollte.

2. Alles dransetzen, dass der Arbeitgeber kündigt

Nachdem gerade gesagten, versteht es sich von selbst, dass vorstellbare Versuche, sich kündigen zu lassen, meiner Meinung nach noch unwürdiger sind. Nicht nur gibt man hier seine Kontrolle und Souveränität völlig in fremde Hände, man riskiert auch, dass der eigene Ruf Schaden nimmt oder dass man gar wegen Gesetzesverstößen zur Rechenschaft gezogen wird. Mithin ist es meiner Meinung nach ein Zeichen von einem geringem Charakter: Egal wie doof der Arbeitgeber ist, man kann doch nicht ernsthaft durch eigenes Fehlverhalten versuchen, noch schlechter zu sein. Am traurigsten ist vielleicht die ewige Krankschreibung (wenn nicht erforderlich), die einen auch noch daran hindert, die Zukunft offen und unbelastet anzugehen. Gib deine Souveränität nicht her, sie ist das größte, was du als Mensch hast. Kündige einfach, wenn es soweit ist!

3. Die Form der Kündigung vernachlässigen

Kündige anständig und halte dich an gesetzliche Standards bei der Kündigung, auch um dich selbst zu schützen. Kündige rechtzeitig (die im Vertrag festgehaltene Kündigungsfrist gilt auch für dich), schriftlich und schnörkellos (es gibt einfache und gute Muster im Internet), unterschreibe mit deinem vollen Namen und lass dir den Eingang der Kündigung am besten durch deine/n Chef/in oder die Personalabteilung mit Datum bestätigen. Idealerweise bereitest du das Schreiben vor und gibst es deinem Chef in einem persönlichen Treffen in seinem Büro. Plane genug Zeit ein, dein Chef will sicherlich wissen, warum du gehen willst, was die nächsten Schritte sind und er oder sie will dir vielleicht auch zu diesem nächsten Schritt gratulieren.

4. So tun, als ob der letzte Tag nicht kommt

Bereite deinen Weggang so vor, dass die Kollegen, die zurückbleiben, nicht darunter leiden müssen. So ehrenhaft es ist, dass man bis zum letzten Tag durchzieht und seinen Job macht, so schädlich kann das für die Kollegen sein, wenn dann vom einen auf den anderen Tag dein Beitrag weg fällt. Besser ist es, die eigene Tätigkeit in den letzten Wochen etwas zurück zu fahren und damit schon einmal den Ernstfall zu simulieren. Schließlich muss auch nach dem Abschied alles im Team weiterlaufen. Sei nicht beleidigt, wenn dich dein Chef in den letzten Tagen umgeht und dir kaum noch Informationen zukommen lässt. Das ist normal und sogar gut so. Nutze die plötzlich freiwerdende Zeit, deine Übergabe an die Kollegen zu dokumentieren und deinen Schreibtisch und die Festplatte aufzuräumen.

5. Etwas Illegales tun

Während wir uns auf den Weggang und möglicherweise auf den neuen Job vorbereiten, werden wir uns unweigerlich die Frage stellen, ob wir nicht das eine oder andere Dokument oder eine Liste von Kundendaten in Zukunft gebrauchen könnten. Verwirf diesen kleinlichen Gedanken! Alles, was du wirklich geleistet hast, kannst du reproduzieren, wenn nötig. Wichtiger noch: Im nächsten Job wirst du darauf aufbauen, etwas besseres daraus machen und die alten Dokumente helfen dir dabei gar nicht. Im Gegenteil, sie halten dich in deiner alten Denkweise gefangen und es wird dir schwerer fallen, kreativ zu sein, wenn du dich an alte Pläne klammerst. Denk dran: Es ist ein Aufbruch in eine neue Ära, den du am besten mit leichtem Gepäck meisterst. Das Gleiche gilt für Kunden- und Kontaktlisten: Die wirklich wichtigen Kontakte, auf die es ankommt, bleiben ohnehin über persönliche Netzwerke mit dir in Verbindung. Die kalt gewordenen Kontaktleichen in den bekannten Listen sind Zombies, die du nicht brauchst. Alles zusammengenommen ist es das Risiko und die Unanständigkeit nicht wert, irgend etwas Illegales zu tun. Bleib sauber, dann bittet man dich auch an der nächsten anständigen Tür viel lieber herein.

6. Die Tür zu schmeißen und Kommunikation vernachlässigen

Je nach dem, was der Grund unseres Weggangs ist, hegen wir manchmal mehr oder weniger starke ungute Gefühle gegenüber unserem bisherigen Arbeitgeber. Ich habe gesehen, wie Kollegen noch am letzten Tag eine saftige Ohrfeige per E-Mail an ihre Chefs (natürlich mit allen Kollegen im CC) geschickt haben. Mal abgesehen davon, dass es besser und aussichtsreicher ist, per Kritik Einfluss zu nehmen, so lange man noch da ist und weiter arbeitet, ist es auch den Kollegen gegenüber unfair, die ja schließlich bleiben und weiter arbeiten wollen. Sie werden sich schlecht und zur Rechtfertigung gezwungen fühlen. In Konsequenz werden sie damit auch keine guten Gefühle gegenüber dem hegen, der gerade den Laden mit einem lauten Türenknall verlassen hat. Ich frage mich auch immer, warum die Leute dann auf Arbeitgeberbewertungsportalen wie Glassdoor oder Kununu die angehaltene Luft rauslassen, wenn sie gegangen sind. Viel wichtiger wäre das Feedback doch gewesen, als man noch da war. Hinterher kann jeder, ich finde das feige und ungerecht.

Mir war es wichtig, meine Chefs die Gründe meines Weggangs wissen zu lassen. Und bisher wollten sie diese Gründe auch kennen. Schließlich haben sie einen etwas größeren Hebel, Dinge zu verändern. Noch wichtiger war mir das Feedback nach oben aber in meiner aktiven Zeit, bevor ich überhaupt über einen Weggang nachdachte. Schließlich kann so ein Weggang dann ja auch verständlicher werden, wenn man sein Feedback erfolglos weitergegeben hat.

7. Einfach verschwinden

Am Ende der Zeit finde ich es dann auch angebracht, die unmittelbaren und liebsten Kollegen zu einem Ausstand einzuladen und den weiteren Kreis vielleicht per E-Mail zu informieren. Ich nutze bei großen Empfängerkreisen gern die BCC-Funktion, nicht um geheimniskrämerisch zu sein, sondern um auch zu verhindern, dass bei eventuellen Antworten gleich alle alles mitlesen müssen. Auch beim Ausstand und bei der Abschieds-Mail finde ich es anständig, keine schmutzige Wäsche zu waschen, sondern alles Gute zu wünschen, vielleicht zu erklären, wie es weiter geht und ansonsten auch mal Dankbarkeit für eine gute gemeinsame und vielleicht sogar erfolgreiche Zeit zu zeigen. Wenn angebracht und möglich, schadet es auch nichts, mal in der obersten Etage vorbeizugehen und die Hände dort zu schütteln. Das kann sich komisch anfühlen, aber gerade die Führungsriege sollte eigentlich nicht vom Weggang von Fach- und Führungskräften isoliert werden.

Wer solche Kommunikation zur Trennung ernst nimmt, stellt damit sicher, dass er eben keine Türen hinter sich zuschlägt, sondern sich Optionen offen hält, die ihm später helfen können. Außerdem ist es einfach guter Stil.

Der größte Fehler von allen...

Der größte Fehler aber ist: gar nicht kündigen. Schaut man sich die Studien wie den Engagement Index von Gallup an, dann fragt man sich, warum die Leute nicht mit den Füßen abstimmen. Alle nörgeln und jammern, aber nur wenige ziehen daraus auch die Konsequenz und gehen zu einem besseren Arbeitgeber oder machen etwas ganz anderes. Ich weiß, dass das nicht immer und für jeden ohne weiteres möglich ist, aber in der Welt der Knowledge-Work, die ich am besten kenne, gibt es fast nur sehr gut ausgebildete Leute, die meistens flexibel sind, mal was zur Seite legen können, auch mal umziehen oder gar ins Ausland gehen könnten. Trotzdem bevorzugen offenbar viele am Stuhl zu kleben, selbst wenn sie mies behandelt werden. Heutzutage ist es für gut ausgebildete Leute fast unmöglich, keine Arbeit zu finden. Und auch den gradlinigen Lebenslauf will doch heute keiner mehr sehen. Man kann zwischendrin immer mal was ausgefallenes – oder auch mal gar nichts – machen, ohne dass man beim nächsten Vorstellungsgespräch vorwurfsvoll angesehen wird.

Ich sage: Verschiebt die innere Kündigung nach außen. Ängstigt euch nicht, sondern kündigt richtig. Oft ist das der beste denkbare Karriereschritt.





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2 Kommentare:

  1. Georg Christoph Lichtenberg hat das für viele Menschen oft unangenehme Thema "Veränderungen" mal zusammengefasst:

    "Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber soviel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es besser werden soll."

    In diesem Sinne sollte man auch mal vom Weg abkommen, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

    Liebe Grüße!
    J. Marposnel

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    1. Tolle Sprüche, liebe Frau Marposnel! Danke dafür, die kommen ins Poesiealbum. Liebe Grüße!

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