17. August 2012

Wie es zur Liebe kommt und was dann daraus wird

Kennen Sie das auch: Je öfter wir einer Person wieder begegnen, desto mehr mögen wir diese Person. Wir finden sie sogar attraktiver und das beruht auf Gegenseitigkeit. Nicht immer funkt es gleich, manchmal schwelt es länger und dann brennt es um so doller. Das funktioniert allerdings nur, wenn die erste Begegnung nicht gleich negativ war, denn sonst wird nur die Abneigung stärker. Man nennt das den Mere-Exposure-Effekt, auf Deutsch also etwa: Effekt durch bloßen Kontakt. Geprägt wurde diese Idee 1968 von Robert Zajonc, der den Effekt evolutionspsychologisch* als Konditionierung über Sicherheitsreize erklärt.

Wir lernen lieben, wen wir kennen (Bild bei sloth unleashed gefunden)

Die Liebe als Lerneffekt
Das funktioniert sogar bei Menschen, mit denen wir bisher nie Kontakt hatten, z.B. weil wir sie bloß jeden Morgen in der Straßenbahn sehen. Der nett lächelnde Mann mit der verwuschelten Frisur könnte durchaus ein Psychopath sein, aber wir mögen ihn, trauen ihm bald, weil wir ihn immer wieder sehen und bisher nichts Schlimmes passiert ist. Wir lernen also die schätzen, die offenbar keine Gefahr für uns darstellen. Das kann in unserer modernen Welt auch schiefgehen - wir täuschen uns in der vermeintlichen Vertrautheit - und ist doch eine Basis für jede soziale Organisationsform mindestens unter Menschen und führt nicht selten zur Liebe. Ich selbst bin ein gutes Beispiel: Meine Frau und ich haben uns auf der Arbeit kennen gelernt. Ohne miteinander reden zu müssen, wurden wir uns sympatisch, einfach weil wir uns immer wieder über den Weg liefen. Das erste gegenseitige Angrinsen über den Bildschirm hinweg, dann die ersten gemeinsamen Pausen, die Kinobesuche und sechs Jahre später ist es schon eine süße Ewigkeit.

Auf hirnphysiologischer Ebene kommt es durch die zunehmende Bekanntheit der anderen Person dazu, dass wir ihr Verhalten einfacher entschlüsseln, die Reizverarbeitung geht schneller, eine Selbstverständlichkeit stellt sich ein und wir fühlen uns in dieser Leichtigkeit wohl. Insofern ist das jetzt etwas unromantisch, aber den Anfang nimmt die Liebe oft durch Gewöhnung, sie ist ein Lerneffekt. Dieser Effekt des bloßen Kontakts dürfte nicht nur dafür verantwortlich sein, dass wir uns in Kommilitonen und Kollegen verlieben, sondern auch dafür, dass Werbung - egal ob wir es wahr haben wollen oder nicht - funktioniert oder meine Oma schon seit Jahrzehnten keinen Tatort mehr verpasst.

Die Komponenten der Liebe
Aber diese erste Vertrautheit ist ja nur der Anfang. Was dann daraus wird, muss sich erweisen. Der Psychologe Robert Sternberg hat das Dreieck der Liebe entwickelt. Demnach sind drei Komponenten für die Liebe entscheidend: Intimität (Verbundenheit und Nähe), Bekenntnis (Commitment) und Leidenschaft (Verliebtheit und sexuelle Anziehung). Je nach dem, wo die momentanen Stärken einer Beziehung liegen, ergeben sich unterschiedliche Typen aber auch Entwicklungsstadien der Liebe:
  1. Die Idealform wäre die Vollendete Liebe, in der sich Intimität, Commitment und Leidenschaft in einer beinahe heiligen Dreifaltigkeit treffen. 
  2. Ihr Gegenteil wäre die Nicht-Liebe, ein Fehlen aller Komponenten, ein Vakuum wie die Hölle. 
  3. Ein bloßes Mögen, eine Freundschaft ist die Liebe, die von bloßer Intimität lebt, aber keine Leidenschaft kennt und kein Bekenntnis zur Treue.
  4. Die Betörende Liebe kennt zwar die leidenschaftliche Hingebung, aber ihr fehlt es an Intimität und Treue. Glücklicherweise können aber die anderen Komponenten im Laufe der Zeit nachwachsen.
  5. Die Leere Liebe besteht lediglich aus dem Versprechen zur Treue, ohne dass Leidenschaft oder Intimität die Liebe mit Leben erfüllen. Oft ist das ein Endstadium der Partnerschaft, wenn sie nicht gepflegt wurde.
  6. In der Romantischen Liebe kommen Leidenschaft und Intimität zusammen, aber das Bekenntnis fehlt oder ist nicht von Dauer. Aber auch aus ihr kann sich eine vollendete Liebe entwickeln.
  7. Die Kameradschaftliche Liebe kennt Intimität und - anders als die freundschaftliche Liebe - auch das Bekenntnis zur Treue. Es fehlt aber die Leidenschaft. Auch das kann eine Spätform der Liebe sein oder eine familiäre Beziehung.
  8. Die Illusorische Liebe kommt aus einem Bekenntnis (zum Beispiel der Ehe), dass sich auf einem temporären Gefühl der Leidenschaft gründet, ohne dass eine wirkliche Intimität die Beziehung dauerhaft stabilisiert. 
Ich glaube, ich habe das alles auf die eine oder andere Art schon mal durch. Dabei fällt mir auch auf, wie wichtig nicht nur die Anwesenheit der Komponenten ist, sondern auch ihre jeweilige Intensität. Wenn ein Bisschen Intimität, Leidenschaft und Verbindlichkeit zusammen kommen, dann kann das noch lange nicht die vollendete Liebe sein. Wie jede Typologie ist das hier eine stark vereinfachte Hilfe, um komplexe und oft undurchdringliche Phänomene unseres Lebens verständlich zu machen. Manchmal müssen wir stark vereinfachen, um Umrisse sehen zu können. Dann können wir auch getrost wieder differenzieren, um all die Schatten und Details zu verstehen.

Und, haben Sie sich oder ein früheres Selbst in den acht Typen wieder erkannt? Helfen Ihnen solche Typologien, um eventuelle Defizite aufzudecken und daraus eventuell nächste Schritte abzuleiten? Lassen Sie mich bitte in den Kommentaren wissen, was Sie denken!



*Wir wissen natürlich, dass die evolutionäre Psychologie ihre Grenzen hat, auch wenn ihre Vertreter das nicht immer laut sagen. Es ist sicher mehr in unserm Geist und Herzen, als nur der blinde Wille des Lebens. Eine umgreifendere philosophische und doch sehr verständliche Analyse der Liebe, findet sich in Richard David Prechts Liebe: Ein unordentliches Gefühl.

Dieser Artikel ist über den Hinweis von Psychologie News auf My Favorite Unromantic Theories of Love von Juliana Breines inspiriert. Vielen Dank dafür!

5 Kommentare:

  1. Von Stigma, Schubladendenken, Stereotypen, Bias, Ausgrenzung der uns nicht so ähnlichen....

    We do like the uncomfortable innovators
    - if they are similar to us at least.

    http://ed.iiQii.de/gallery/Science-TheOnlyNews/AnneKrendl_ambadylab_stanford_edu

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  2. Habe lange überlegt, hege aber Schwiergkeiten, mich in dieser Typisierung wiederzufinden. Das liegt vermutlich an den Begrifflichkeiten, beispielsweise versteht jeder unter "Verbundenheit" oder "Nähe" etwa anders. Insbesondere die KÖRPERLICHE NÄHE sollte man nicht unterschätzen, die in meinen Augen wenig mit sexueller Anziehung (= Leidenschaft) gemeinsam hat. Ich spreche von so etwas wie Kuscheln und Umarmungen (OHNE sex. Hintergedanken), was einen NÄHE spüren lässt, die nicht auf Gemeinsamkeiten oder Worten ("Verbundenheit") begründet ist, aber auch nicht auf das Sexuelle.
    Abgesehen davon, fällt es mir schwer, mir etwas unter der Kategorie "Bekenntnisse" vorzustellen. Hier ist nur von "Treue" die Rede, beinahe so, als sei Monogamie die einzig existierende Beziehungsform.

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  3. nice try - jedoch: Werden wir jemals restlose Klarheit über Dinge erlangen die integrale Bestandteile unserer Selbst sind - und gesetzt es wäre so - würde uns das der Entität der Liebe tatsächlich näher bringen?

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  4. Entstehende Liebe kann man nicht kategorisieren. Ich habe auch gerne alles durchdacht und analysiert,aber mittlerweile bemerke ich, dass ich es nicht hinterfragen will.

    Sympathie durch mehrmaligem Wiedersehen erlebe ich momentan.

    Sehr unspektakulär, ich sehe einen Mann zweimal pro Woche in dem Verein. Anfangs habe ich ihn nicht bemerkt, doch habe mit ihm geredet und man findet sich sympathisch.

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