29. April 2018

Der Mensch ist das Tier, das lügen kann

Wie entfesseltes Lügen unsere Zivilisation bedroht

Sich gegenseitig der Lüge zu bezichtigen ist eine altbekannte Kampfhandlung oder ging und geht zumindest vielen Konflikten, Duellen und Kriegen voraus. Heute bezeichnet Donald Trump alle, die nicht seiner Meinung sind, als Lügner. Und er selbst wird ebenso gern als Lügner bezeichnet (allein diese Symmetrie sagt eigentlich alles darüber aus, was man über das Präsidentenamt der heutigen Zeit, der Nach-Obama-Ära, wissen muss). Oder denken wir an das neue polnische Gesetz, das die vermeintliche Lüge, es hätte Polen gegeben, die beim Mord an Juden mit den deutschen Nazis kollaborierten, unter Strafe stellt und damit selbst in einer offensichtlichen Lüge gründet.

Karikatur von DonkeyHotey (Lizenz: CC BY-SA 2.0)

15. April 2018

Wenn immer gleich alles übergriffig ist

Denken braucht spontane Zumutungen

Ich halte es durchaus für eine zivilisatorische Leistung, freundlich, diplomatisch und rücksichtsvoll zu kommunizieren. Gleichzeitig halte ich es für unabdingbar, dass man offen sprechen kann und auch mal kontroverse Thesen zur Debatte stellen kann, ohne sich gleich innerlich zu zensieren oder gar von anderen per Totschlagargument zensiert zu werden.

Weder ist das dumm-dreiste "Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-Dürfen" eine Entschuldigung für Rassismen, Sexismen oder sonstige plumpe Angriffe auf den zivilisierten Umgang unter Menschen, noch sind die "safe spaces" eine diskursive Option, wie sie jetz in manchen amerikanischen Unis gefordert werden und wo nichts mehr gesagt werden darf, das irgend eine/n Anwesende/n vor den Kopf stößt. Solche Zensur im Namen der "political corectness" schafft nicht nur das Denken und Argumentieren ab, es ist auch mitverantwortlich für die Blüte des politischen Populismus, der sich zurecht gegen einen vorauseilenden Konsens im Austausch wehrt.


Wer nicht spricht, wird nicht gewürgt... Mal richgtig übergriffig

8. April 2018

Gegen die Leichtigkeit des Seins

Das einfache Leben – ein navier Traum

Minimalismus, Askese, Authentizität: das seien die Zutaten zu einem einfachen Leben, steht im Philosophie Magazin (Nr. 3 / 2018). Man könnte auch sagen: Lebensflucht, Sinnesfeindlichkeit und Egozentrik. Wie man es auch nennt, der zeitgeistige Trend zur Einfachheit beginnt mit einem Überforderungsgefühl, dem bei priviligierten Zeitgenossen Umstände wie diese drei zugrunde liegen:

  1. Zu viele Dinge umgeben uns und verlangen unsere Aufmerksamkeit und unser tägliches Management.
  2. Wir sind in einem Zeitalter angekommen, in dem unsere Begierden jederzeit erfüllt werden können. Das ist sehr anstrengend, denn es erfordert ständige Organisation, Evaluation und Investition.
  3. Wir spielen zu viele Rollen jeden Tag: Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, Lebens- oder Ehepartner, Elternteil, Autor, Künstler, Bandmitglied, Bodybuilder oder Vereinsmitglied – das grenzt an Persönlichkeitsspaltung und frisst jede Menge Energie.

Das sind Überforderungszenarien, deren Kombinationen eine wohlhabene, mitteleuropäische Existenz heute beinahe dauernd ausgesetzt ist. Das ist immer noch besser, als Hunger zu leiden oder von Krankheiten und Kriegen bedroht zu sein, aber das haben wir schon lange vergessen, deswegen kommt uns unser Leid auf hohem Niveau nicht weniger furchtbar vor.

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