3. Juli 2025

Die Brutalität der Kettensäge

Wenn sich das Böse selbst ganz schamlos zeigt 

Auf der Fête de la Musique sprach ich mit einem Freund aus Frankreich, der sich beeindruckt zeigte, dass ich im Osten Deutschlands aufgewachsen war und dennoch irgendwie ein normaler Mensch geworden zu sein schien. Er meinte, dass doch das DDR-Regime nicht viel besser gewesen sein konnte, als das sogenannte "Dritte Reich" zuvor. Dazu gäbe es einiges zu sagen, das einen Vergleich generell disqualifizieren würde, aber meinem französischen Freund ging es um die Frage, was eigentlich der große Unterschied war.  

Foto von Gage Skidmore (CC BY-SA 2.0)
 

Nach etwas Nachdenken sagte ich, dass es tatsächlich viel Leid, Zensur, staatliche Übergriffe und wenig Freiheit – weder für die Körper, noch für die Geister – gab. Also aus der Perspektive einer konsequentialistischen Ethik, die die moralische Wertigkeit von Politik an ihren Konsequenzen misst, war die DDR der totale Reinfall. Sicher mit weniger Toten in der Konsequenz, als es Hitlers Deutschland hervorgebracht hatte, aber ein erwiesener "Loser der Geschichte" allemal. 

Aus der Perspektive einer intentionalen Ethik, die die moralische Wertigkeit an inhärenten moralischen Regeln oder Pflichten und unabhängig von ihren Konsequenzen bewertet, bekommen wir ein anderes Bild: Am Anfang des Nazi-Regimes standen Ideen der Auslöschung, der Vernichtung und der Rache. Am Anfang des DDR-Regimes standen Ideen der Humanität, der Solidarität und einer weltweit im Fortschritt verbundenen Menschheit. 

Wie naiv der Glaube an diese Art von Sozialismus letztlich war und dass es immer wieder in Grausamkeit und Brutalität umschlug, ist auch evident. Hinterher sind wir klüger. Aber selbst am Ende der DDR, als es auch eine militante Katastrophe hätte werden können, stand auf eine skurile Weise immer noch der Humanismus als das da, was die DDR überlebte. Nachdem Erich Mielke als Stasi-Chef zurückgetreten war und sein "Lebenswerk" zerstört vor allen sichtbar lag, sagte er vor der DDR Volkskammer: "Ich liebe – Ich liebe doch alle – alle Menschen – Na ich liebe doch – Ich setze mich doch dafür ein..." 

Und auch an der Mauer selbst wurde, als sie letztlich gestürmt und überrannt wurde, nicht geschossen, weil es Menschen gab, die sich der Barbarei entgegenstellten. Man kann also sagen, der Funke Humanismus, der am Anfang der Idee stand, glimmte selbst an ihrem Ende noch. 

Die Brutalisten sind zurück, jetzt mit Kettensäge 

Wenn ich heute sehe, wie Politik schon von ihren Intentionen her brutal, gemein und unmenschlich ist, wie auf der Bühne Kettensägen geschwungen werden, wie damit geprahlt wird, dass man Menschen deportiert, Familien trennt oder den Sozialstaat, auf den die Schwachen angewiesen sind, abschaffen wird, damit man den Reichen das Steuerzahlen ersparen kann, dann lässt mich das eher an die Mentalität Nazideutschlands denken. Humanistisch ist diese schamlos vorgeführte Brutalität jedenfalls nicht.

Sollten wir wieder einmal vor der Frage stehen, wen man eigentlich noch wählen kann, dann könnte man sich ganz intuitiv fragen:

Wer sorgt sich um Mitmenschen? Wer zeigt Empathie? Wer möchte Solidarität und wer propagiert auch Rücksicht auf Wesen ohne Stimme (Tiere, Kinder, Kranke)?

Wer schwingt Kettensägen? Wer droht dem politischen Gegner? Wer sinnt auf Rache? Wer degradiert Menschen zu Ungeziefer? Wer lehnt offen Empatie und Solidarität (mit andern Ländern und im eigenen Land) ab?

"Wenn Politiker, Influencer, Medien oder wer auch immer in ihrer Sprache zeigen, dass sie Lust auf Grausamkeit haben, dass sie andere "jagen" wollen oder ihren Tod in Kauf nehmen, wenn sie so von Menschen reden, als seien sie keine Menschen, sondern Ungeziefer oder Monster, dann ist das schon alles, was man von ihnen wissen muss. Sie sind schlecht, man darf sie nicht unterstützen und wer sie dennoch unterstützt und zwar nicht aus Naivität, sondern aus Überzeugung, der ist ebenfalls einfach ein schlechter Mensch." (Wie die Taube spricht)
Die Unterschiede zwischen Brutalisten und Humanisten sind sehr einfach schon in Sprache und Auftreten zu sehen. Dazu muss man nicht die Konsequenzen der jeweiligen noch zukünftigen Politik kennen. Man kann sich einfach fragen: Will ich ein guter Mensch sein oder bin ich ein Arschloch?


Das passt dazu:

Top 5 der meist gelesenen Artikel dieser Woche