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29. Dezember 2018

Demokratie, Wirtschaft, Ökosystem: Wo geht es lang?

Philosophische Gespräche zum gesellschaftlichen Wandel

"Orientierung heißt zunächst: Klärung des Terrains.
Wir müssen nach moralischen und ethischen Anknüpfungspunkten
suchen und dann Situationen herstellen, von denen alle Beteiligten profitieren.
Das Problem ist unsere Phantasielosigkeit und dass zu wenig in größeren
Zusammenhängen gedacht wird." (Gesine Schwan, S. 58)

Zum Ende des Jahres 2018 scheinen wir desorientiert zu sein und es stellt sich in verschiedenster und immer drängenster Hinsicht die Frage, wie es weitergehen soll. Wo geht es hin mit dieser Demokratie, mit unserem Wirtschafts- oder gar mit dem gesamten Ökosystem. Das philosophische Wirtschaftsmagazin agora42 hat ganz passend eine Sonderausgabe zum Januar 2019 herausgegeben: Gesellschaftlicher Wandel? Sprechen wir darüber! In dieser Ausgabe sind Interviews mit 19 gesellschaftlichen Akteuren unserer Zeit gesammelt, in denen es um den gesellschaftlich-wirtschaftlichen Wandel geht, in dem wir uns befinden. Das ist immer heikel, denn wer versteht schon genau die Zeit, in die er selbst eingebettet ist? Aber Interviews bieten durch das Hinterfragen und den Dialogcharakter immer eine ganz besondere philosophische Handhabe von Gedanken. Solche Dialoge taugen besonders zur Orientierung, zur Anregung unserer Phantasie und zum Denken in größeren Zusammenhänge. Es ist also aus meiner Perspektive für ein philosophisches Magazin eine ganz besonders brilliante Idee, einmal nur Interviews zu veröffentlichen.

Ich habe hier neun Zitate, die besonders zu mir sprechen, herausgegriffen und kurz in meinem eigenen Bedeutungshorizont beleuchtet. Vielleicht spricht da auch das eine oder andere Zitat zu euch?

21. September 2018

Emma und das bisschen Haushalt

Mentale Last nur für Frauen?

Die französische Feministin und Zeichnerin Emma hat mit ihrem etwas schwierigen Begriff "mentale Last" oder "charge mentale" (franz.) / "mental load" (engl.) ziemliches Aufsehen erregt. Den Begriff hat sie für Frauen und vor allem Mütter geprägt, die das Gefühl haben, ihre Männer hülfen nicht im Haushalt oder nur dann, wenn man ihnen sagt, was zu tun sei. Männer kennten diese mentale Last nicht. Die allgemeine Aussage, dass das regelmäßig auf heterosexuelle Paare zutreffe, gehört dabei zum Kern ihrer Botschaft, mit der sie um die Welt zieht. Muss man ihr nicht völlig Recht geben, dass es inakzeptabel ist, wenn ihr Mann Hausarbeiten nur dann ausführt, wenn er darum gebeten wird, aber insgesamt erwartet, dass sie zuständig ist und sich im Wesentlichen darum kümmern wird?

"Die mentale Last bezeichnet die Tatsache, immer an alles denken zu müssen. Daran denken, dass die Q-Tipps auf den Einkaufszettel müssen, dass heute der letzte Tag ist, den wöchentlichen Gemüsekorb zu bestellen [...] dass die nächste Impfung ansteht oder dass der Mann kein einziges sauberes Hemd mehr hat."

Ich empfehle, die deutsche Version einmal hier zu lesen: Du hättest doch bloß fragen müssen! Auf den ersten Blick, ist das in der Tat skandalös. Und auch auf den zweiten Blick würde ich sagen, dass beide Partner offenbar etwas völlig falsch verstanden haben müssen, wenn sie sich um seine Hemden kümmert. Und da sind wir schon beim ersten Punkt, der mich an Emmas vorgeblich allgemeingültigen Diagnose der mentalen Last in Paarbeziehungen stört.

13. Januar 2018

Good News, Bad News: Was willst du lesen?

Warum uns der mediale Pessimismus lähmt

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass du lieber schlechte Nachrichten liest. Wir haben uns auch lange schon dran gewöhnt. Außerdem ist es sowieso zu schwer, Optimist zu sein oder Optimisten ernst zu nehmen. Zum einen, weil die kolportierte Realität der Welt um uns herum ein ständiger Ansturm schlechter Nachrichten auf die Hoffnung in uns ist, dass wir ein gutes Leben haben können. Zum anderen, weil es schick ist und als intelligent gilt, wenn man schlechte Laune verbreitet. Optimisten werden von Pessimisten schnell als "naiv" bezeichnet, Pessimisten selbst hingegen, verstehen sich als Realisten. Es gibt für diese Neigung ganz archaische und tiefe psychlogische Gründe.

Beispiel eines Titelbildes (Quelle: Stiftung Deutsches Historisches Museum)

Ich wurde kürzlich in einer Diskussion als naiv bezeichnet, weil ich meinte, dass es neben den ganzen vermeintlich schlechten Menschen einer Berufsgruppe auch viele gute gäbe. Das finde ich absurd, denn der Pessimist kann einfach so pauschalisieren und sagen "alles ist schlecht" und sich damit als Realisten rühmen. Während der Optimist herabgewürdigt wird, wenn er sagt: "Moment mal, nicht alles ist schlecht, manches ist auch gut." Ist das nicht viel realistischer und vor allem wahrscheinlicher? Pessimisten haben Dank der negativity bias, also der menschlichen Tendenz, die Dinge im Zweifel negativ zu sehen, einen Realitätsbonus auf ihrer Seite.

1. Oktober 2017

Von der Würde im Alltag

Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt 

Ein Artikel von Thomas Marti

Für jeden Menschen ist es wichtig, dass er selber Entscheidungen treffen kann. Abhängigkeit von anderen Menschen fühlt sich unangenehm an. Menschen haben grundsätzlich das Bestreben, solche Situationen zu vermeiden, oder ihnen aus dem Weg zu gehen. Unabhängigkeit und Selbstständigkeit ist ein hohes Gut. Wenn der Schweizer Philosoph Peter Bieri in seinem Buch Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde (Amazon-Link) von Würde spricht, so meint er Würde als einen Lebensentwurf. Er beschreibt Würde als ein "Muster des Denkens, Erlebens und Tuns" (Ebd., S. 10), als "innerer Kompass unseres Lebens" (Ebd., S. 15). Bieri unterscheidet drei Dimensionen von Würde: Erstens geht es um die Art und Weise, wie andere mich behandeln, zweitens geht es um die Frage, wie ich andere behandle und drittens steht mein Selbstbild, und damit die Frage, wie ich mich selbst behandle, im Vordergrund.

 
Wichtig für diesen Zusammenhang ist auch Bieris Argumentation, wie und unter welchen Bedingungen Würde verloren gehen kann. Werden Menschen als Subjekte missachtet, so entsteht ein Gefühl von Demütigung. Bieri beschreibt Demütigung als eine Erfahrung von Ohnmacht. Ohnmacht ist dann gegeben, wenn eine bestimmte Macht fehlt: die Macht einen für das eigene Leben entscheidenden Wunsch zu erfüllen. Um noch einmal Peter Bieri zu zitieren; "Demütigung ist demonstrierte Ohnmacht" (Ebd., S. 13). Auch Willkür als das bewusste Auslassen von Handlungsoptionen, fällt damit unter Ohnmacht, die mit Demütigung verbunden ist. In dieser Situation ist die Würde stark in Gefahr oder geht verloren.

16. September 2017

Arbeit und das Recht auf die eigene Persönlichkeit

Zur Insel-Sensibilität für das Thema Introversion

Gestern erschien in der Zeitung Die Welt der Artikel So starten introvertierte Mitarbeiter im Job richtig durch, für den man mich interviewt hatte. Leider war die Zeitung weder in der Lage, mir ein Belegexemplar zur Verfügung zu stellen, noch mir wenigstens rechtszeitig ein PDF zuzusenden. Meinen Versuch, ein Online-Abo abzuschließen habe ich an dem Punkt abgebrochen, als ich las, dass ich einen Brief schreiben und in die Post geben muss, um das Abo wieder zu kündigen. Einen Vertrag online abschließen, den man nur offline kündigen kann? Das ist "Digitalisierung made in Germany" und absolut unseriös. Die Logik ist durchsichtig: Einen Brief zu schreiben, bedeutet eine größere Hürde, als im Online-Konto das Abo zu kündigen. Man rechnet einfach damit, dass Abonnenten den Aufwand scheuen und so wider Willen zahlende Kunden bleiben.

Der vielleicht schönste Arbeitsplatz für Intorvertierte (Swativ28 - CC BY-SA 4.0)

Aber kommen wir zurück zum Thema Introversion und Arbeit. Der Artikel zitiert mich natürlich nur in einigen ausgewählten Sätzen und kann dem Thema aus meiner Perspektive nicht ganz gerecht werden. Da unterliegt jeder Journalismus der Tagespresse ganz verständlichen Beschränkungen wie Kürze und Lesbarkeit für ein breites Publikum. Deshalb könnt ihr hier meine ungekürzten Antworten zu den Interviewfragen lesen, wenn ihr möchtet.

19. August 2017

Schönheit und Arbeit

Fantasie ist der größte Freund der Möglichkeit

Der irische Dichter und Philosoph John O'Donohue sagte kurz vor seinem Tod im Jahr 2008, dass die sichtbare Landschaft gleichtzeitig ein Tor zum Unsichtbaren sei. Deshalb war die Schönheit der Landschaft für ihn so wichtig, weil sie ein Tor zur Schönheit in uns ist, zu einer Vorstellungskraft, einer Fantasie, die Gutes schaffen kann. Im Altgriechischen, so O'Donohue weiter, stehe das Wort für Schönheit in enger Verwandtschaft mit dem Wort "Ruf" im Sinne einer Aufforderung: Schönheit ruft uns dazu auf, Gutes zu tun.

Surreal, schön: The Burren (Foto vom Autor, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Als Philosoph kann man nicht die Augen davor verschließen, dass wir rund ein Drittel unseres erwachsenen Lebens mit Arbeit verbingen. Warum sollten dieses Drittel weniger schön sein, als unsere anderen Erlebnisse? Gleichzeitig assoziieren wir Begriffe wie Schönheit und Fantasie nur in einigen beruflichen Nischen wie Kunstrestaurateur oder Ausstellungskurator mit unserer Arbeit. Die Vorstellungskraft auf der Arbeit ist oft eine sehr praktische Vorstellungskraft, auf Prozesse und Effizienz gerichtet. Das ist auch nicht verkehrt, aber es ist eben nur ein kleiner Teil dessen, zu dem wir fähig sind. Vorstellungskraft und Fantasie lassen wir ja nicht zu Hause, wenn wir zur Arbeit gehen. Wir haben sie immer bei uns, aber wir können nicht immer ganz leicht einen Zugang zu ihr herstellen. Wir brauchen günstige Bedingungen, um das Gute in uns anzapfen zu können.

5. Mai 2017

Das Büro als Irrenhaus

Alain de Botton über Emotionale Intelligenz und Sinn

"Ein Büro ist ein Irrenhaus ohne Psychotherapeut."

Die School of Life Berlin hatte mich eingeladen, an einem Event mit Alain der Botton teilzunehmen: Emotional Intelligence at Work. Ich bin ohnehin ein langjähriger Fan von Alain de Botton und heute habe ich noch einmal ganz hautnah erlebt, warum.

Alain de Botton fragt nach dem Wahnsinn im Job (Foto: Gilbert Dietrich CC BY-SA 4.0)

5. Februar 2017

Introversion und Beruf

Ein kurzes Interview dazu, wie stille Menschen im Büro überleben




In diesem kurzen Interview spreche ich mit Marc Röösli vom Berufungskongress für Hochsensible darüber, wie introvertierte Menschen den Arbeitsalltag überleben und dabei auch erfolgreich sein können. Insbesondere reden wir über drei relativ einfach einsetzbare Strategien:

  1. Plane deinen Tag, damit du durchhältst
  2. Manage deine Energie, iss und trink ausreichend
  3. Suche dir Tätigkeiten, die dir Rückzug und Ruhe ermöglichen

Mit solchen grundlegenden Maßnahmen wird es auch introvertierten Menschen leichter fallen, erfolgreich zu sein und in einer oft für stille Menschen zu laut erscheinenden Arbeitswelt mit Spaß bei der Sache zu bleiben.



Hier gibt es mehr dazu:

12. November 2016

Was ist Künstliche Intelligenz und was heißt das für uns?

Wenn Utopie und Dystopie in der Technik zusammenkommen

Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Robotik werden die meisten von uns arbeitslos machen und den Rest von uns in extreme Gering- und extreme Hochverdiener spalten.

Nein, das ist nur die vierte Stufe einer industriellen Revolution, von der wir alle in ungeahntem Ausmaß profitieren werden.

Das waren in etwa die zu erwartenden Positionen auf der Littler Konferenz in Berlin letzte Woche zur Frage, welche Herausforderungen Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Robotik an unsere Gesellschafts- und speziell die Arbeitsorganisation und Legislative stellen. Wer hat nun Recht, der Pessimist mit seinem Szenario von Arbeitslosigkeit und weiterer gesellschaftlicher Spaltung oder der Fortschrittsoptimist? Nun, die Antwort lautet wie immer: Es kommt darauf an. 

Ganz so harmlos wird die Zukunft wohl nicht aussehen

29. August 2016

Die Vermessung des Angestellten

Welche Daten zukünftig über uns erhoben werden

Secrets are Lies
Sharing is Caring
Privacy is Theft
The Circle

Mein berufliches Spezialgebiet ist derzeit, was man auf Business-Deutsch People Analytics nennt. Einige von euch kennen noch den Vorgänger aus der BWL, Fachrichtung Personalwesen, als "Kennzahlen-Reporting" oder so. Geschäftsführer wollten damals wissen, wie viele Leute eigentlich im Betrieb arbeiten (es gibt immer noch Unternehmen, die das nicht wissen), wie viele im letzten Monat krank waren und was der ganze Spaß gekostet hat.


Big Data als Fetisch in HR, hier Visualisierung einer Netzwerkanalyse (Wikipedia)

Heute ist das oft schon ein bisschen weiter. Die am weitesten verbreitete Frage der People Analytics ist heute die nach der sogenannten Attrition. Das ist ein Begriff aus dem Militär und bedeutet so viel wie Abrieb, Verschleiß – Schwund also. Bei den sich sorgenden Arbeitgebern ist das der Teil der Mitarbeiter, die das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen. Unter uns Personalern ist das so ein typischer Fetisch: Sag mir deine Attritionrate und ich sage dir, was für ein Arbeitgeber du bist. Dahinter steht die Annahme, dass Arbeitgeber mit guten Bedingungen, interessanten Aufgaben, einer transparenten Geschäftsführung und angemessenen Vergütung relativ geringen Schwund haben.

6. August 2016

10 Dinge, die ich in der Elternzeit gelernt habe

Elternzeit für Väter ist ein Muss, aber nicht ganz ungefährlich...

Als mein Sohn M. geboren wurde, entschloss ich mich, einen Monat zusammen mit ihm und seiner Mutter zu Hause zu bleiben und dann zwei Monate nur 50% zu arbeiten. Im ersten Monat war ich nicht einen Tag arbeiten, habe keine E-Mails gelesen oder geschrieben und habe meinem Team nur einen kurzen Überraschungsbesuch abgestattet. Diese Zeit zu Hause war schön und anstrengend und auch nötig. Hier sind 10 Dinge, die ich in der Elternzeit gelernt habe. Durch die ersten 8 Punkte habe ich mich persönlich sehr weiter entwickelt und die Punkte 9. und 10. muss man wirklich berücksichtigen, wenn man Elternzeit und Karriere vereinen möchte. Auch Firmen können aus solchen Erfahrungen lernen...


13. April 2016

Eine Lebensphilosophie der Stärken und Schwächen

Von hinten gehetzt oder von oben gezogen?

Stärken werden verständlicherweise oft im Kontext von Arbeit und Karriere diskutiert, vor allem mit dem Fokus, ob jemand die entsprechenden Stärken für einen Job mitbringe oder wie man solche Stärken entwickeln könne. Oder die Frage wird umgedreht und man sucht den Job, der zu den vermeintlich schon vorhandenen Stärken passt. Ich würde die Perspektive gern einmal insgesamt ändern und behaupten, dass wir Stärken überhaupt zum Leben und ganz dringend auch im Privatleben brauchen und dass sich der Job dazu eignet, Potenziale zu erkennen und Stärken auszubilden.


7. April 2016

Was machen Geisteswissenschaftler nach dem Studium?

Interview mit der Universität Leipzig

Macht, was euch Spaß macht und worin ihr gut seid!

Gerade fragte das Human Resources Manager Magazin, ob wir im Beruf auch Philosophen sein müssten (siehe Bild). Leipziger Studenten hingegen trieb die Frage um, was Philosophen eigentlich überhaupt für Berufsaussichten hätten. Claudia Schoder vom Career-Service der Universität meint, die "Verzweiflung" unter den Studierenden sei recht groß, weil ihnen zum einen ein konkretes Bild von dem fehle, was nach dem Studium kommen könnte und ihnen zum anderen das Bewusstsein über das eigene Können und Wollen fehle. Also hat sie mich dazu befragt und um ein paar Tipps gebeten...

Claudia Schoder: Was machst Du in Deiner derzeitigen Position genau?

Im Wesentlichen manage ich ein Team. Das Team sorgt dafür, dass in einer internationalen Technologie-Firma solche Prozesse wie Bezahlung, Weiterbildung, Übersiedlung aus dem Ausland, das Erlangen und Verlängern von Visa, Personal-Kennzahlenreporting usw. funktionieren und weiter entwickelt werden. Es handelt sich also um Personalwirtschaft, aber ich habe zuvor bereits Marketing- und Support-Teams geleitet, denn das Managen von Teams ist leicht übertragbar und ich als Manager muss nicht unbedingt alle Details selber kennen.

HRM Magazin, "Kompetenzen", April 2016, S. 10

7. Februar 2016

Warum wir so erschöpft sind

Tagträume und andere Rezepte zum Überleben

Im letzten Flow (siehe Bild links) las ich im Interview mit dem Neurowissenschaftler Daniel Levitin, dass ein erwachsener Mensch heute fünfmal mehr Informationen aufnimmt, als noch vor 30 Jahren (Flow Nr. 12, S. 59). Ob in der Freizeit oder auf der Arbeit, die Dichte, die Schlagfrequenz an Informationen ist enorm angewachsen. Nicht verwunderlich, dass sich ein allgemeiner Erschöpfungszustand breit macht, den viele dann gern damit verbringen, ihr Hirn noch mehr zuzumüllen, mit dem was das Internet so bietet. Denn größer als die Erschöpfung ist nur noch das sogenannte FOMO (fear of missing out), die Angst, etwas zu verpassen. Ich setze dem zunehmend das JOMO entgegen: joy of missing out. Das ist dann in Unterhaltungen immer wieder lustig, wenn Freunde sagen: "Was, davon hast du nichts gehört? Das war doch überall auf Facebook!" Ich freue mich dann heimlich an meiner Unwissenheit.

Neulich hatten wir einen Coach im Unternehmen, der sich auf Themen wie Stress und Burn Out konzentriert. Ich habe ihn eine Stunde gebucht und er schloss mich mit Kabeln an einen Computer an, der meine Stresslevel visualisierte. Wir machten ein paar Experimente, um meine Level durch tückische Fragen hochzutreiben und mit Durchatmen wieder abzubauen. So naheliegend es klingt, so sehr vernachlässigen wir es täglich: Das bewusste Atmen ist eine der Tätigkeiten, die uns schnell helfen können, Stress abzubauen. Seine Diagnose des heutigen Arbeitsumfeldes war klar: Das kann nur im Stress enden, wenn man nicht auf sich aufpasst.

Schlafen auf der Arbeit? Klar, bei SoundCloud in Berlin (Photo: Geist und Gegenwart, CC BY-SA 2.0)

14. November 2015

Die drei Lebenspartnerschaften eines jeden Menschen

Oder warum Work-Life-Balance keinen Sinn macht

Immer wieder, wenn ich über die sogenannte Work-Life-Balance hörte oder las, hatte ich das Gefühl, dass da was nicht stimmt. Das Konzept passt nicht zu mir und irgendwie auch zu niemand anderen, den ich kenne. Mal abgesehen von der sich neu entwickelnden Flexibilität, durch die am Ende weder das Privatleben noch die Arbeit an jeweils zwei entgegengesetzten Enden einer in Balance zu bringenden Schwebe, die wir Leben nennen, zu lokalisieren wäre. Auf eine noch viel fundamentalere Art macht das keinen Sinn. Dieser Artikel will zeigen, wie uns eine alternative, integrative Denkweise auf dem Weg, ein Leben im Einklang von Anforderungen und Bedürfnissen zu führen, helfen kann.

Sind wir alle ewige Seiltänzer? Bild von Tom A La Rue (CC BY-SA 2.0)

28. September 2015

Wann ist unsere Arbeit sinnvoll?

Warum der Arbeitsplatz für uns an Bedeutung gewinnt

Allerorten werden Sinnkrisen ausgemacht: Im Privatleben, im gesellschaftlichen Miteinander, in der Politik und natürlich in der Arbeitswelt. Wir haben uns an düstere Bilder gewöhnt und ein Gefühl gewonnen, dass man da nichts machen kann. Das Verschwinden Gottes, all der Rituale und der Religion als Bindemittel zwischen Individuen und Gruppen ist ein naheliegender Grund für einen zunehmend gefühlten Sinnverlust. Eine Reduzierung unserer Lebenswelt auf Datenoberflächen und virtuelle Freunde ist ein anderer. Und im Philosophie Magazin können wir nun lesen, wie der Sinn auch aus der Arbeit zu fliehen scheint. Ich glaube, dass das nicht so ist oder wenigstens nicht so sein muss. Wenn man weiß, wie Menschen "Sinn" erleben, nämlich im Eingespanntsein von Beziehungen und Zusammenhängen, dann kann es wirklich nicht verwundern, dass ein Verschwinden und eine Virtualisierung solcher Beziehungen dazu führen kann, dass wir unsere Welt als weniger sinnvoll erleben. Gerade unsere Arbeit kann aber starke Beziehungen zu anderen Menschen und Zusammenhänge zu übergeordneten Zielen herstellen. Ein Arbeitsplatz heute, so könnte man argumentieren, ersetzt gewissermaßen andere soziale Räume, die uns zuvor mit Sinnbeziehungen versehen haben.

Soweit muss es doch nicht kommen...

29. August 2015

Zurück auf den Baum: Alle machen alles

HR abschaffen oder mitnehmen oder was?

Hiermit beteilige ich mich an der Blogparade #BeyondDigitalHR. Ich mag solch Ketten-Bloggen nicht besonders, aber nach der Lektüre einiger Beiträge fühle ich mich doch herausgefordert.

18. August 2015

Wo Leistungsträger sich Scheiße fühlen

Nicht das Amazon, das wir kennen?

In der New York Times erschien nun gerade der Artikel, auf den doch schon alle gewartet haben: Amazon als großer feuchter Traum des Konsumbürgers ist ein Alptraum (Stern.de) für alle anderen, insbesondere für die, die dort arbeiten müssen. Vom Verheizen und von Ausbeutung (Süddeutsche) ist die Rede. Und dabei geht es mal nicht "nur" um die Logistik-Angestellten, sondern um die sogenannten Wissensarbeiter in der IT, im Marketing und Vertrieb.

Arbeitgeber-Image und Realität sind verschiedene Dinge (Quelle: Amazon)

28. Juni 2015

E-Mail-Machtspiele: Was unser Schreibstil über uns verrät

Die Macht, die keine Macht mehr nötig hat

E-Mails sind überall, besonders auf der Arbeit. Und sie sind nicht der einfachste Weg zu kommunizieren. Die E-Mail hat alle Nachteile der schriftlichen Kommunikation - man kann beispielsweise die Stimmung nicht hören oder in der Mimik sehen - andererseits grenzt sie eng an Kurzmitteilungen, wie wir sie aus SMS, ICs und ähnlichen Formaten kennen. Diese Kurzmitteilungen wiederum sind eher dem mündlichen Austausch verwandt, als zum Beispiel dem Briefeschreiben. Daher auch die Smilies und die kurze Dialogform (jeder kennt inzwischen das manchmal endlose What's App Ping Pong mit Emoticons).

Ich selbst habe meine Schwierigkeiten mit der Ambivalenz der E-Mail. Lange Zeit widerstrebten mir Smilies, ich empfand sie als kindisch. Inzwischen finde ich, dass sie helfen können, die fehlenden non-verbalen Signale wie Stimmlage oder Gesichtsausdruck zu kompensieren. Ich bin nicht immer ganz sicher, ob meine E-Mail eine Anrede haben soll und ob ich sie mit "MFG" oder "Mit freundlichen Grüßen" oder gar nicht unterschreiben soll. Und dann die Zeichensetzung...?! Ich bin ein Freund von Punkt. Fragezeichen finde ich manchmal auch sinnvoll, aber Ausrufezeichen versuche ich zu vermeiden.

7. Juni 2015

Unconscious Bias: Vorurteile in einer aufgeklärten Welt

Wie uns unbewusste stereotype Entscheidungen täglich behindern

Es scheint, dass unsere psychologische Geschichte vor allem ein Zurückdrängen des Unbewussten ist und damit ein Ausweiten von Bewusstsein. Wir sind inzwischen darüber aufgeklärt, dass man Menschen nicht wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer Hautfarbe, ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes oder ihres Geschlechts benachteiligen oder gar unterdrücken darf. Das Verb "darf" ist in diesem Zusammenhang wichtig. Denn diese Aufklärung ist nicht zurückführbar auf unsere Natur oder unsere eigenen Interessen und Vorlieben, sondern sie ist eine Übereinkunft, ein gesellschaftliches Gesetz, dem wir uns "trotz allem" unterwerfen.

Egal wo du arbeitest, was deine Hautfarbe, dein Geschlecht ist? Nein, nicht egal!

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