23. Dezember 2016

Warum brauchen wir in einer aufgeklärten Welt Feiertage?

Ein kleiner Gedanke zu Weihnachten

Alle Religionen haben ihre Feiertage, an denen heiligen Personen, natürlichen Erscheinungen und Zyklen gedacht oder etwa für eine reiche Ernte gedankt wurde. Heute handelt es sich für viele nur noch um arbeitsfreie Tage mit einem verkaufsoffenen Sonntag davor. Wozu brauchen wir diese Momente des Gedenkens heute noch, wenn im Supermarkt immer Ernte ist, wenn wir vielleicht an keine Heiligen mehr glauben und meinen, für unseren Erfolg auf Wunder verzichten zu können?

Wem oder was gedenken wir heute, wenn alles nur Physik ist? (Navicore, CC BY 3.0)

Das Bestaunen der Natur, das Erinnern an große Geschehnisse, das Gedenken wichtiger Personen bindet uns zurück an ein großes Ganzes, das im Kleinklein des Alltags, in unserer individualisierten Lebensweise, in den niemals endenden Besorgungen und den Zumutungen des Arbeitszwanges erst unsichtbar und schließlich unwirklich wird.

Nun ist es ja nicht so, dass wir nicht auch ohne diese Kalendertage unsere Aufmerksamkeit auf solche Zusammenhänge richten könnten. Wir tun es aber nicht, eben weil wir abgelenkt oder eingespannt sind, weil immer irgend etwas wichtiger oder attraktiver ist. Es ist schwer für uns, aufmerksam und achtsam zu sein. Oft füllen wir unsere Nahrung doch nur noch in uns hinein oder wann haben wir zuletzt mal der Natur, den Bauern oder dem Meer für unseren meistens reich gedeckten Tisch gedankt? Feiertage können uns daran erinnern, unsere Aufmerksamkeit wenigstens hin und wieder dem großen Ganzen zuzuwenden und der Welt, der Natur und unseren Mitmenschen und Ahnen in Achtsamkeit zu begegnen.

Zeiten wie Weihnachten helfen uns auch, überhaupt noch ein bisschen Tradition in die neue Zeit hinüber zu retten. Das ist wichtig, weil das Vergessen der Tradition uns blind für eine lohnende und sinnerfüllte Zukunft macht und uns zu einer Gegenwart hinreißen könnte, die die nur noch dem Leitspruch "Nach uns die Sintflut" folgt. Im Sinne einer Ethik der Bewahrung hilft uns die Kenntnis der Vergangenheit, eine lebenswerte Zukunft zu entwerfen.

Zum wirklichen Erinnern, Gedenken und Danken brauchen wir Feiertage und Rituale, Momente also, an denen die Geschäftigkeit zum Erliegen kommt. Damit wünsche ich uns allen ein frohes und besinnliches Fest und einen gelungenen Übergang ins neue Jahr!



Das passt dazu:

19 Kommentare:

  1. Eine Ethik des Bewahrens.
    Ich empfinde es als eine untugend, riten über bord zu werfen, bloß weil sie schon geraume Zeit bestehen.
    Sicher verändert sich unsere umwelt ständig, manche Gewohnheiten verlieren so ihren Sinn. Dennoch glaube ich, dass manches hinubergerettet werdenvsollte, wennauch in oft angepasster form.
    Ich denke hier an das vereinswesen, an familienzusammenkunfte oder feiern mit Kollegen in privatem Rahmen.
    Gerhard

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  2. Ich bin Schach Spieler und wie viele spiele ich online gegen leute aus aller welt. Seit ein paar Monaten gehe ich wieder in den verein, weil ich das hochhalten möchte. Ich betrachte es als Verarmung, dass etwas was früher deutlich Sinn ergab, nun als sinnfrei angesehen wird.
    Familienzusammenkünfte dienten nach dem Krieg dem Zusammenhalt. Heute würde ich eher die gemeinsamen (genetischen) Wurzeln als etwas ansehen, das Bedeutung hat neben dem personlichen treffen. Ich war noch jemand, der die Tante nach den grosseltern und urgrosseltern befragte.
    Kollegentreffen in kleinem privaten rahmen können durchaus heilsam auf das berufl. Zusammensein zuruckwirken. Leider sind die heute internationalen abteilungen zu solchen Treffs nicht mehr in der lage.
    Gerhard

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    1. Sehe ich wie du! Ich habe sogar Ende der 90er Jahre meine Uroma per Video zu ihrem Leben befragt. Sie ist jetzt schon länger tot, aber in dem Video lebt etwas weiter.

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  3. Frohe und besinnliche Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2017.

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  4. Gern lese ich deine Beiträge, die mich oft zu vielen weiteren Gedanken anregen. Ich hoffe, du siehst es mir nach, wenn ich hier eine Bemerkung zu etwas eher Profanem anfüge. Irgendwie paßt doch zu brillanten Gedanken am besten ein korrekter Sprachgebrauch, wie der richtige Gebrauch des Genitivs (sprang mir oben ins Auge). Dazu ein Link: http://m.abendblatt.de/meinung/article108724883/Wir-gedenken-dem-Genitiv.htm
    Nichts für ungut, klar gibt es bewegendere Dinge :-)
    Auch von mir schöne Feiertage, ein gutes 2017, ein Dank für deine Arbeit - und noch viele anspruchsvolle Beiträge!
    EF

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    1. Absolut korrekt. Es wird aber schwer, den Genitiv vor dem Dativ zu retten, denn Sprache ist ihr Gebrauch und der ist im Wandel. Im Alltagsgebrauch kann der Genitiv schon lange nicht mehr mithalten und seine Ablösung hier und da gilt deswegen auch grammatisch nicht als falsch, sondern als akzeptiert.

      Dir auch einen tollen Start ins Neue Jahr!

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  5. Ich würde dem obigen Artikel gerne zustimmen, wenn es sich beim Christentum nicht um eine groß angelegte Geschichtsfälschung handeln würde. Was wir jedoch feiern, sind zum Einen die vom Christentum verursachten Verunstaltungen einer sehr viel älteren heidnischen Tradition. Zum Anderen feiern wir mit dem Weihnachtsbaum und dem Weihnachtsmann den puren Kommerz. Den Weihnachtsbaum gibt es seit dem 17. Jahrhundert, weil die damalig beginnende Forstwirtschaft Einnahmequellen suchte und die jungen Bäume, die ausgeschlagen werden mussten, nicht als Bauholz, sondern nur als Brennholz verkaufen konnte. Der Weihnachtsmann in rot und weiß erinnert uns daran, dass wir mal wieder ein paar Kisten Coca Cola kaufen sollten.

    Ich finde, bevor wir feiern und bewahren, sollten wir uns doch erstmal fragen, WAS wir da eigentlich feiern und bewahren. Und das sind eben Lügen. Mich stimmt es eher melancholisch, dass wir auf Lügen zurückgreifen, um unser Menschsein zu feiern. Da kriege ich den Weihnachts-Blues.

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    1. Die christliche Religion und ihre Feste hat immer ganz clever heidnische Traditionen aufgegriffen. Warum ist ja auch klar: Du kannst das Volk (z.B. die Alemannen oder andere Germanen) von deiner Religion nur überzeugen, wenn du ihm genug eigenes lässt, dass es in die neue Zeit hinüberretten kann. Das ist identifikationsstiftend. Ich würde das gar nicht "Lüge" nennen, sondern "Politik" (was ja oft nicht klar von einander zu trennen ist).

      Ansonsten könnte ich nur wiederholen, was ich unten gemeinsam mit Gast feststelle: Es geht mir an dieser Stelle nicht um Religion, sondern um Funktion.

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    2. Gut gebrüllt, Löwe, wenn Du sagst, dass Lüge und Politik nicht (immer) voneinander zu trennen sind :-). Dann frage ich mich aber, wozu wir Politik brauchen. Das heißt doch, dass wir belogen sein wollen.

      Wenn man zyklische Feiertage wie Weihnachten wegen der Familie braucht, wie Du behauptest, dann wirft das aber ein ziemliches armseliges Bild auf das, was Familie ist. Für mich gehört gutes Essen und friedliches Zusammensein zum normal gelebten Alltag. Also mal ehrlich: wozu braucht man eine Familie, wenn ein gutes Miteinander nicht der Alltag ist? Dann kann man die liebe Familie doch gleich in den Mond schießen. Oder anders: wer nicht zu einem guten Miteinander fähig ist, gehört halt nicht zur Familie resp. nicht zum engen Kreis der Familie.

      Rituale und Feiertage kann doch jede Familie für sich entwerfen. Es ist doch viel schöner, man erinnert sich an etwas, das die Familie konkret betrifft, als dass man ein vorgegebenes Datum feiert, mit dessen Hintergrund (Religion) man gar nichts am Hut hat.

      Wenn man Feiertage wie Weihnachten braucht, um sich daran zu erinnern, dass man eigentlich zu einer Familie gehört, ist das Konzept "Familie" für mich gescheitert.

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    3. OK, dann gehörst du mit deiner Familie zu den ganz wenigen gesegneten Menschen, die nicht durch Rituale, Einüben, Kalenderereignisse etc. die Beziehungen pflegen und weiter entwickeln müssen, weil sie das auch ganz eigengetrieben und ohne äußere Anlässe tun. Funktioniert das so, ja?

      Mal ganz ehrlich, das glaubst du doch selbst nicht. Hier ein ganz einfaches Beispiel (egal, ob Weihnachten oder Chabad, Ramadan oder was man sonst dazu nimmt): Meine Familie kommt aus allen Ecken Deutschlands und Frankreichs zu solch einem Fest zusammen und sieht sich, spricht mit einander, lernt neue Mitglieder kennen etc. Ist das nichts? Hat das keinen Wert? Ist es nicht ok, dass das an einem kulturell tradiertem Feiertag passiert? Ich finde das durchaus erhaltenswert und alles andere als "armselig" oder "gescheitert".

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    4. Familie ist für mich das Konglomerat, das in Notfällen gegenseitig für sich einsteht. Das tun Verwandte nicht, die man bloß einmal im Jahr an Weihnachten trifft. Im Grunde bleiben es Fremde. Man trifft sich im großen Kreis, um hinterher im engeren Kreis übereinander zu reden: A und B sind aber alt geworden, und C und D haben es auch nicht leicht und X und Y hätten mal lieber ...
      Das ist meine Erfahrung mit solchen Festen. Deshalb mache ich das schon lange nicht mehr mit und setze "Familie" nicht mit "Blutsverwandtschaft" gleich.

      Eine meiner Erfahrungen besteht darin, dass "Beziehungen" sich entweder frei entwickeln oder gar nicht. Beziehungen kann ich nicht machen, da kann ich so lange pflegen und entwickeln, wie ich will, ich habe das nicht im Griff. Schon gar nicht kann und will ich mich dazu zwingen, Verwandte und andere Menschen zu mögen und diesbezüglich an mir "arbeiten". Entweder mag ich sie oder ich mag sie nicht. Fertig.

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    5. Ja, ok - das ist wirklich ein ganz anderes Verständnis als meins. Familie ist nicht immer nur leicht und das was ich mag. Sie bringt auch Konflikte, hat Ecken und Kanten und Dimensionen, gegen die ich mich abgrenzen möchte. Sie ist für mich Teil des richtigen Lebens mit Licht und Schatten und nicht nur ein idealisiertes Biotop, das ich mir in meinem eigenen Terrarium so zusammenstelle, wie es mir am besten gefällt. Leben ist auch Akzeptanz des nicht immer ganz Einfachen. Erst daraus erwächst für mich das Ganze der Erfahrung. Nur "frei entwickeln" reicht da nicht, Kultivieren ist ein wichtiger Bestandteil von erwachsenen menschlichen Beziehungen, ohne dass ich mich da für andere verbiege, im Gegenteil, auch ich biete Ecken und Kanten zur Genüge.

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    6. Ich habe nicht behauptet, dass Familie immer nur leicht ist. Auch kein idealisiertes Biotop. Willst du oder kannst du mich nicht verstehen? Es geht ganz einfach um die Tiefe der Beziehungen. Mit Menschen, die man einmal im Jahr an einem vorgegebenen Feiertag trifft und sonst das ganze Jahr über nicht, sind keine tiefen Beziehungen möglich, sondern nur oberflächliche. Und darauf gebe ich nichts. Familie bedeutet für mich tiefe Beziehungen und die sind weiß Gott nicht immer einfach.

      Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass ich nur Menschen ohne Ecken und Kanten mag. Das ist eine Fehlinterpretation deinerseits.

      Kultivieren kann ich Beziehungen zu Menschen, von denen ich etwas will, mir einen Vorteil erhoffe. Beziehungen kultiviert man, wenn sie einem zweckdienlich sind. Ich kann auch Beziehungen mit Menschen kultivieren, die ich in Wahrheit für Idioten halte. Kultivieren muss man, wo sich Menschen in Wahrheit nicht besonders mögen. Wenn eine Beziehung stimmt, muss man nichts kultivieren.

      "Geht der große Sinn zugrunde, so gibt es Sittlichkeit und Pflicht. Kommen Klugheit und Wissen auf, so gibt es die großen Lügen. Werden die Verwandten uneins, so gibt es Kindespflicht und Liebe. Geraten die Staaten in Verwirrung, so gibt es die treuen Beamten." (Laotse)


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    7. OK, ich verstehe das. Ich glaube, was mir einfach misfällt, ist dein implizites Urteil über andere Beziehungen, die nicht dem ähneln, was du hier "tief" nennst. Wenn ich deinen letzten Kommentar auf meinen letzten beziehe, dann könnte ich da raus lesen, dass in der von mir geschilderten Familienbeziehung (wir wohnen eben einige Tausend Kilometer auseinander und sehen uns nicht so oft) keine "tiefen" Beziehungen, sondern nur "oberflächliche" möglich sind. Das finde ich eine unzulässige Beurteilung deinerseits. Wenn du über Verwandte generalisierst, dass sie nicht für einander einstünden, dann kannst du das vielleicht für deine Verwandten sagen, aber eben nicht für meine. Du schreibst zwar, dass es deine Erfahrung sei, aber du scheinst nicht bereit, den Erfahrungen anderer genauso viel Gewicht beizumessen. Ein bisschen mehr Offenheit täte deinem Denken gut. Die Erfahrungen und Beziehungen anderer Menschen sind ebenso real und wertvoll wie deine.

      Auch, was das Kultivieren angeht: Ich weiß nicht, wie viel und welche Lebenserfahrung du hast, aber ich kann dir sagen, dass man gerade auch tiefe und enge Beziehungen kultivieren muss (nicht, weil man sich einen Vorteil erhofft – so ein Quatsch!). Ich lebe seit zehn Jahren in einer exklusiven Beziehung und bin nun gerade darin Vater geworden. Wenn ich diese Beziehungen einfach nur "frei entwickeln" lassen würde, dann würden wir uns auseinander leben. Du würdest jetzt sicher sagen: Das ist dann eben besser, wenn es sich auseinander lebt. Ich dagegen denke, dass bei allen Unterschieden und Reibereien diese Beziehungen es Wert sind, gepflegt und erhalten zu werden und auch Krisen zu überstehen. Das meine ich mit Kultivieren: Man wird zusammen besser, kann sich aufeinander verlassen, reift. Ob das "Tiefe" ist, weiß ich nicht, aber "Tiefe" ist ansich auch nichts wertvolles. Das Kultivieren der entfernteren Verwandschaftsbeziehungen bringt mir ebenfalls viel Qualität fürs Leben, das musst du nicht nachvollziehen können, aber es wäre schön, wenn du das nicht einfach vor dem Hintergrund deiner limitierten Erfahrungen beurteilst. Sittlichkeit, Pflicht... Kultur ist unsere Natur, lieber Fingerphilosoph. Nur die Freiheit in allem zu suchen oder zu erwarten, setzt eine extreme Frusttoleranz und unmenschliche Härte gegen sich selbst und andere voraus. Vielleicht hast du das ja.

      "Der Mensch kann zu sich und seinesgleichen ein dauerndes Verhältnis nur indirekt festhalten, er muß sich auf einem Umwege, sich entäußernd, wiederfinden, und da liegen die Institutionen." (Arnold Gehlen)

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  6. Traditionen werden leider viel zu häufig als Todschlagargument genutzt, daher stehe ich diesen generell immer eher skeptisch gegenüber. Immer wenn sich gewisse Sachverhalte nicht mehr vernünftig erklären lassen kommt dann halt "Wir machen das halt aus Tradition!" Das nervt.

    Bsp. Kravatten im Businessdress. Nur weil das kroatische Militär vor ein paar hundert Jahren so komische Halstücher getragen hat soll ich mich heute als "Businessmen" diesem uniformierten Konformitätsdruck unterwerfen!? Aus Tradition!? Sorry, ich find das ist Bullshit. Nicht das ich jemanden davon abhalten oder es jemandem verbieten würde, sicher nicht. Es nervt nur unheimlich wenn Gruppenzwang und Anpassungsdruck in dem "schönen" Wort Tradition verpackt werden.

    Bitte nicht falsch verstehen, ich schätze vieles an Festen wie Weihnachten sehr (obwohl ich konfessionsloser Agnostiker bin). Das friedliche familiäre miteinander, gutes essen, Zuneigung, usw. ... ob jetzt mit Weihnachtsmann und Baum ist eigentlich egal (bin auch eher ein Konsum-kritischer Mensch und schenke schon lange nichts mehr und lass mir auch nichts mehr schenken). Nur geht es mir geben genau darum: das friedliche respektierende schätzende Miteinander. Dafür brauche ich keinen "heiligen" Grund oder Märchen und Legenden. Lebenswerte Tugenden und Verhaltensweisen sind nichts, auf das Religonen ein Copyright haben.

    Feiertage schätze ich eher im Bezug auf politisch gesellschaftliche Ereignisse, wie bsp. die Wiedervereinigung in Deutschland. Religiöse Feiertage sind für mich eben freie Tage ohne weitere Bedeutung. Ob die Gesellschaft diese braucht oder nicht ... da bin ich einfach neutral.

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    1. Sicher, das ist völlig richtig und hat selbst Tradition: Man nennt das, woran man ohne Sinn und Verstand festhalten will (weil man Angst vor Veränderung hat oder so) einfach Tradition und schon braucht es keine andere Rechtfertigung. So ist eben das Leben - nichts ist entweder so oder so, immer muss man wieder bewerten, ob es jetzt "wertvolle" Tradition im eigentlichen Wortsinne ist (die Vermittlung der immer auch geschichtlichen Konstitution unseres heutigen Seins) oder ob es nur ein Totschlagargument ist. Man könnte sich sogar einen Test vorstellen, z.B.: Versprich die Weiterführung dieser Tradition die beste Zukunft für alle Beteiligten?

      Was ich in meinem Artikel sagen will, ist aber etwas anderes. Und zwar dass all das, was du sehr schätzt ("Das friedliche familiäre miteinander, gutes essen, Zuneigung, usw.") einen Anker braucht, an dem es statt finden kann. Wir würden schlicht vergessen, friedlich in der Familie zusammen zu kommen, wenn wir nicht diese zyklischen "Reminder" hätten, wie z.B. Weihnachtstage oder Ostern. Konfession oder nicht ist dabei eigentlich egal.

      PS: Als wahrer Agnostiker weißt du ja auch, dass - sollte es hinreichende Gründe geben - deine mangelnde Überzeugung (hinsichtlich der Existenz oder Nichtexistenz Gottes) nur Vorläufig sein könnte. Vielleicht bist du eines Tages Atheist oder Theist und dann würde sich auch dein Verhältnis zu den Feiertagen zu entweder strikter Ablehnung oder zu praktizierender Huldigung ändern.

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    2. "Konfession oder nicht ist dabei eigentlich egal."

      Genau, da sind wir einer Meinung. Es gibt ja auch weltliche oder humanistische Feiern. Natürlich eben auch politische gesellschaftliche Ereignisse die immer ein Jubiläum haben das man feiern kann.

      Mich stört es nur, das viele religöse Menschen, alles für sich beanspruchen: Religion als Bedingung oder Voraussetzung für gute Werte und Tugenden. Aber nicht nur Religion, auch Nationalismus und Patriotismus wird ja häufig ähnlich angewendet.

      "Gute" Verhaltensweisen stehen für sich selbst und benötigen keine "höhere" Legitimation in meinem Weltbild. Ich muss nicht heilig sein, um mitmenschlich zu sein. Ich muss kein Patriot sein, um eine gewisse Heimatverbundenheit zu haben. Sonst wären ja konfessions- und staatenlose ja quasi Walking Dead ;)

      Kurz gesagt bin ich einfach der Meinung das wir Menschen keinen Grund brauchen um friedlich, mitmenschlich, tugendhaft und zivilisiert miteinander zu leben. Das alles steht für sich selbst.

      "Versprich die Weiterführung dieser Tradition die beste Zukunft für alle Beteiligten?" Ja, auch Traditionen und Bräuche sollten sich quasi dem kategorischen Imperativ stellen. Es gibt so viele Beispiele dafür im täglichen Altag: bsp. die Betriebsblindheit in manchen Unternehmen ("Das haben wir schon immer so gemacht!") usw.
      Und wenn manche einfach nicht von Ihren Traditionen lassen können, sollen diese wie die Amish einfach Ihr leben leben und andere Ihr leben so leben lassen wie dieses es wollen. Ich finde diesen Traditionszwang einfach fürchterlich.

      Ich bin empirischer Agnostiker. Sollte es tatsächlich mal "hinreichende Gründe" geben, überdenke ich meine Ansicht. Allerdings halte ich einfach die menschliche Erkenntnisfähigkeit für zu begrenzt um die Frage nach etwas Gottähnlichem zu beantworten. Weder ein Ja noch ein Nein scheint mir schlüssig zu sein, daher ist die Frage einfach nicht (objektiv) zu beantworten.

      Für alle noch fröhliche Feiertage und einen guten Übergang ins neue Jahr! ;)

      PS: Auch ein Dankeschön an Gilbert für diese tolle Homepage hier. Lese hier immer wieder sehr gerne und bin sehr froh das es diese Seite gibt. Weiter so und vielen Dank für die ganze Arbeit die du hier machst.


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    3. Da sind wir also tatsächlich nicht weit von einander entfernt, denn ich sehe das ganz genauso: Wir brauchen keine religiöse Grundierung, um anständig zu sein. Nur denke ich, es macht es vielleicht einfacher, besonders auf der über-individuellen Ebene.

      Danke für deine anerkennenden Worte, das fühlt sich gut an :) Wünsche einen guten Start ins Neue Jahr.

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