18. Januar 2020

Impeachment II – Donald J. Trump auf der Anklagebank

Ein Versuch, die Demokratie durch ihre Institutionen zu retten

Nachdem Präsident Trump nun im Senat angeklagt wurde und das eigentliche Verfahren beginnt, will ich dem ersten Artikel Impeachment erklärt: Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump diesen zweiten hinzufügen, in dem ich noch mehr politischen Kontext beschreibe, der in den deutschen Nachrichten nicht vorkommt und der sich genauer mit den nun im Verfahren abzeichnenden Vorgängen und ihren Folgen befasst.

Abstimmung über die Einleitung des Verfahrens gegen Trump (Quelle: Wikipedia, Public Domain)

Erinnern wir uns an 2016, als fassungslose Demokraten nach Trumps gewonnener Wahl sagten: Wie schlimm kann es schon werden? Wir haben doch unsere "check and balances", also die Gewaltenteilung, um jemanden wie Trump, der von Politik nichts versteht, in Schach zu halten. Wer hätte damals geahnt, wie dringend nötig diese von einander getrennten Gewalten einmal werden und wie anfällig sie auch sind, wie wir z.B. am US Justizministerium sehen können (dazu gleich mehr). Die USA befinden sich jedenfalls im politischen GAU – in einer Verfassungskrise – und können jetzt endlich einmal die Nothaltesysteme der Demokratie in Form des Amtsendhebungsverfahrens gegen Donald John Trump in Aktion sehen.

Die eine wesentliche hier zum Tragen kommende Machtteilung ist die zwischen dem demokratisch dominierten Kongress und dem republikanisch dominierten Senat auf der einen Seite und dem Präsidenten bzw. dem White House auf der anderen Seite. Eine andere Macht, die ein Gegengewicht sein müsste, das Justizministerium, hat Trump bereits ausgeschaltet, weil er den Generalstaatsanwalt William Barr, dem das Ministerium ungterstellt ist, vom Staatsanwalt zu seinem persönlichen Anwalt gemacht hat. Barr verteidigt unter großem Klagen der Demokraten Donald Trump persönlich und seine eigenen Vorstellungen von präsidialer Macht, aber nicht mehr die demokratische Auslegung der Verfassung. Hier sehen wir, wie fragil die Institutionen sind, wenn sie mit ideologisch korumpierten Personen besetzt werden. Es gilt die bekannte politische Asymetrie, dass man ziemlich leicht eine Diktatur mithilfe von demokratischen Prozessen errichten kann, aber nicht umgekehrt.

Und auch der repubkikanisch dominierte Senat scheint nicht mehr seiner Funktion, die Regierung zu kontrollieren, nachkommen zu können, seit dem der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell ankündigte, er würde gerade nicht ein unparteiisches Amtsenthebungsverfahren durchführen lassen, sondern sich eng mit dem Präsidenten abstimmen und das tun, was dieser wolle. Das ist natürlich haarsträubend (fanden sogar einige Republikaner), denn seit wann erklären die, die über einen Angeklagten richten sollen, dass sie das nur insoweit tun werden, wie ihnen es der Angeklagte gestattet. Mit anderen Worten: Es ist nicht zu erwarten, dass Donald Trump schuldig gesprochen wird.

Das Ergebnis steht doch fest! Was soll das Ganze also?

Es mag sein, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass Trump trotz republikanischer Mehrheit im Senat, der letztlich das Urteil fällt, seines Amtes enthoben wird. Dennoch ist das Impeachement Verfahren wichtig, richtig und absolut notwendig. Die Demokraten sträubten sich lange, überhaupt ein Verfahren gegen diesen "unkonventionellen" Präsidenten zu eröffnen, haben nun aber keine Wahl. Denn eröffneten sie angesichts der so offensichtlichen Demontage der Demokratie dieses Verfahren gegen Trump nicht, dann wären die Dämme gebrochen und für den nächsten Präsidenten wäre klar, dass Missbrauch des Amtes und Behinderung von Justiz und Kongress ungesühnt blieben. Das Antsenthebungsverfahren ist der noch fühlbare Puls der amerikanischen Demokratie. Ohne dieses Verfahren wäre die Macht des Präsidenten uneingeschränkt, was dann meiner Auffassung nach eben Despotismus ist und nicht Demokratie. Ich komme später noch zu den verschiedenen Auffassungen zu dieser Frage.

Wie ist dieses Verfahren strukturiert, wer ist Ankläger, Angeklagter und Richter?

Die Struktur des Impeachment-Verfahrens ist interessant. Es gibt alle typischen Rollen eines amerikanischen Gerichtsverfahrens, nur sind sie etwas anders besetzt:

  • Angeklagter: der Präsident der Vereinigten Staaten
  • Verteidiger: Anwälte, die den Präsidenten verteidigen werden
  • Kläger: die Kongressabgeordneten, die zuvor in Justizausschüssen Beweise sammeln und die Anklagepunkte an den Senat übergeben
  • Juroren: alle Senatsabgeordneten (derzeit 53 Republikaner, 45 Demokraten, 2 Independents)
  • Richter: dieselben Senatsabgeordneten
  • Präsident des Verfahrens: Oberster Richter des Surpreme Courts (derzeit John Roberts)

Der Präsident des Verfahrens, der oberste Richter des US Verfassungsgerichts, hat eine vor allem zeremonielle Rolle. Der letzte Verfassungsrichter, der ein Impeachement-Verfahren leitete, William Rehnquist, sagte hinterher über seine Arbeit: "Ich habe im Verfahren nichts bestimmtes getan und das habe ich sehr gut gemacht." (The Constitution Demands It: The Case for the Impeachment of Donald Trump) Das ist eine witzige Aussage und sie zielt ins Mark der Rolle: nicht dem Verfahren in die Quere kommen, sondern sicherstellen, dass es ein faires Verfahren bleibt und die Regeln eingehalten werden. Eine Ausnahme zur bloßen zeremoniellen Funktion: der obrste Richter kann bei einem Patt in der Abstimmung die ausschlaggebende Stimme sein. Das wird dann interessant, wenn zum Beispiel darüber abgestimmt wird, ob Zeugen zugelassen werden oder nicht.

Die Richter und Juroren, also die Kongressabgeordneten, entscheiden am Ende durch mindestens eine Zweidrittelmehrheit darüber, ob der Präsident im Amt bleibt oder nicht. Sie müssen zuvor darüber eingeschworen werden, dass sie im Verfahren unparteiisch urteilen und nur der Gerechtigkeit dienen. Diesen Schwur kann man nach Bekanntgabe, dass die republikanische Mehrheit das Verfahren lediglich so führen wird, wie es der Angeklagte will, ein reines Lippenbekenntnis nennen. Natürlich ist ein Amtsenthebungsverfahren immer ein sehr parteiisches Verfahren. Um die Republikaner bei der Stange zu halten und den auch von vielen Republikanern ungeliebten Präsidenten im Amt zu halten, gibt es Zuckerbrot und Peitsche: Gelder für die Wahlkämpfe der Republikaner in ihren Bundesstaaten und Drohungen, die Wiederwahl dieser Abgeordneten nicht zu unterstützen, wenn sie die Paerteilinie verließen. Von Trump selbst gibt es lediglich die Twitter-Peitsche: Jeder der sich ihm entgegen stellt, wird öffentlich beschimpft und verunglimpft.

Warum ist es so unwahrscheinlich, dass auch Republikaner gegen Trump stimmen?

Das ist für mich eine der schwierigsten Fragen. Aber erst einmal heißt "sehr unwahrscheinlich" nicht, dass es ausgeschlossen ist. Ein Amtsenthebungsverfahren entwickelt seine eigenen Dynamiken und es ist durchaus denkbar, dass genügend Republikaner zuerst einmal gegen Mitch McConnell stimmen und nach Zeugen verlangen und dass sie dann durch die Zeugenaussagen dermaßen unter Druck geraten, dass sie doch für eine Amtsenthebung stimmen. Eine Amtsenthebung wird es nur bei einer Zweidrittelmehrheit geben und die bleibt extrem unwahrscheinlich. Andere Abstimmungen im Verfahren benötigen lediglich eine einfache Mehrheit, weshalb es wahrscheinlicher ist, dass es zumindest zu Zeugenaussagen kommt.

Niemand in der Politik wollte, dass Trump Präsident wird, auch beinahe niemand unter den Republikanern. Warum schützen sie ihn dann also und werden ihn nicht einfach los? Wie oben beschrieben, werden sie zum einen mit Zuckerbrot und Peitsche auf der Parteilinie gehalten. Zum anderen ist es eben so, dass Trump in vielen Wahlbezirken tatsächlich populär ist, dass den Wählern dort der Machtmissbrauch völlig egal ist und dass die Abgeordneten dieser Bezirke sich nur bei drohender Strafe der Abwahl gegen Trump stellen können. Drittens muss man festhalten, dass es unter vielen ganz konservativen Republikanern tatsächlich die Meinung gibt, der Präsident sei unantastbar, nicht anklagbar und sei niemandem Rechenschaft schuldig. So haarsträubend solch eine Auffassung für moderne Europäer sein mag, so ist sie doch zumindest eine Position aus der heraus man argumentieren könnte, dass die genannten Anklagepunkte gegenstandslos seien. Dass dieselben Republikaner gegenüber einem demokratischen Präsidenten nicht dieselben Maßstäbe anlegten, wissen wir aus dem Impeachement Verfahren gegen Bill Clinton, in dem die heutigen Verfechter der Unantastbarkeit des Präsidenten dem damaligen Präsidenten für ein moralisches Vergehen plus Falschaussage gehörig auf die Pelle rückten, um ihn aus dem Amt zu jagen.

Die wichtigste Argumentationslinie der Republikaner wird am Ende aber eher eine verfassungsrechtliche Begründung sein. Auch bei unparteiischen Verfassungsrechtlern scheiden sich die Geister, ob solch ein breites Konzept wie "Machtmissbrauch" überhaupt ausreicht, um einen Präsidenten seines Amtes zu entheben. Die Begründung ist, dass "Machtmissbrauch" zu weit und unkonkret gefasst ist und sich deshalb eignen würde, jeden unbeliebten Präsidenten los zu werden. Das will man verhindern und zware auch vor dem Hintergrund, dass ein US-Präsident tatsächlich eine stärkere Position hat, als Präsidenten, Kanzler oder Ministerpräsidenten in Europa. Anders wäre ein konkret gefasster Machtmissbrauch durch Erpressung, Bestechung oder Verrat. Folgt man dieser Argumentation, dann kann man auch den Anklagepunkt Justizbehinderung gut beiseite wischen: War es nicht gerechtfertigt, den Kongress in seiner Anmaßung, den Präsidenten bei seiner Machtausübung zu beschränken, zu behindern?

Trotzdem schütteln auch in den USA viele konservative Politstrategen die Köpfe und sagen, dass das der Untergang der Republikaner sein könnte. Denn letztlich ist unstrittig, dass Trump die Demokratie der USA auf vielfältige Weise torpediert und sogar republikanische Positionen demontiert (siehe seine Kungeleien mit Putin). Statt auf kurzfristigen Machterhalt zu setzen, sollten sich die Abgeordneten fragen, wie sie damit langfristig eine politische Karriere sicherstellen wollen. Die Geschichte wird sie einholen und zwar spätestens dann, wenn Trump nicht mehr Präsident sein wird. Dann wird auch die Zeit kommen, wo seine Immunität und die seiner Helfer im Weißen Haus und dem Justizministerium enden wird. Wenn man sieht, wie viele Leute um Trump herum wegen seiner Skandale inzwischen unter Anklage stehen oder sogar im Gefängnis gelandet sind, braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorstellen zu können, dass auch Trump dann angeklagt wird. Die Palette seiner mutmaßlichen Vergehen ist groß, angefangen bei sexueller Nötigung über Steuervergehen und illegale Wahlkampfhilfen bis hin zu Justizbehinderung, Unterstützung ausländischer Agenten und eben dem Machtmissbrauch, für den er bereits jetzt in diesem nichtjuristischen Verfahren angeklagt wird.

Der Streit um die Zeugen

Wie bereits erwähnt, möchte der Mehrheitsführer im Senat ein schnelles Verfahren. Das ging sogar soweit, dass es nur einen Punkt geben sollte: Die Abstimmung über die Einstellung des Verfahrens. Aber das war dann auch einigen Republikanern zu viel. Also zog sich McConnell darauf zurück, keine Zeugen und keine Dokumente zulassen zu wollen. Ich frage mich, ob das überhaupt clever ist, denn dann könnte der Präsident hinterher nicht einmal sagen, dass er aufgrund der Beweise und Zeugenaussagen freigesprochen wurde. Statt dessen hinge dem Freispruch immer der Makel an, dass es eine rein parteiische Abstimmung war und kein faires Verfahren.

Die Mehrheitsführerin im Senat, Nancy Pelosi, die für die Übermittlung der Anklagepunkte des Kongresses an den Senat verantwortlich ist, sodass das Verfahren überhaupt stattfinden kann, hielt auf McConnells Versuch hin, das Verfahren auszuhölen, die Übermittlung der Anklagepunkte zurück, sodass es plötzlich zu einem Stillstand kam, der den Republikanern gar nicht passte. Denn während dieser Zeit des Stillstandes kamen immer weitere haarsträubende Indizien und Beweise an die Öffentlichkeit, die möglicherweise den Hunger auf Zeugen bei den Republikanern anregen könnten.

Szenarien

Es bleibt abzuwarten, wie groß dieser Hunger sein wird, wenn am Dienstag dem 21. Januar 2020 das Verfahren auch praktisch eröffnet wird. Nur über erschütternde Zeugenaussagen aus dem engsten Kreis um Trump herum, können sich in diesem Verfahren Dynamiken entwickeln, die geeignet sind, die Parteilinien aufzubrechen und das Verfahren annähernd fair und überhaupt spannend zu machen.

Wahrscheinlicher ist, dass es zu einer parteiischen Abstimmung kommt und Trump im Amt bleibt. Trump hat eigentlich keine andere Option, als seine Wiederwahl voranzutreiben, denn er braucht mindestens die nächsten vier Jahre, damit er sich um sich selbst und seine engsten Mitstreiter so kümmern kann, dass ihnen am Ende seiner Amtszeit kein großer juristischer Schaden droht. Das ist immer ein kritischer Punkt, der so einigen demokratischen Flämmchen das Licht ausgeblasen hat, siehe Türkei, Russland oder jetzt auch Israel, wo der Ministerpräsident zuletzt juristisch angeschlagen alles versuchte, seine Immunität zu behalten. Solche Versuche taugen regelmäßig dazu, die Demokratie vollends abzuschaffen.

Aber auch wenn es letztlich zur Abstimmung pro Trump kommt, eröffnet so ein Verfahren eben doch die Möglichkeit, dass mehr und mehr Menschen in der Politik und in der Öffentlichkeit Trumps Machenschaften nicht länger ignorieren können. Die starke Unterstützung, die Trump bei den Republikanern durch Furcht erzwingt, könnte bröckeln. Seine Hardore-Unterstützer wird das freilich wenig kratzen. Sie kümmern sich nicht um ausgewogene Machtverhältnisse, Demokratie und Wahrheit. Sie wollen lediglich einen starken Mann, der die verhasste Politik in Washington weiter demontiert. Dafür steht Trump und dafür, sich selbst, seine Familie und seine superreichen Freunde weiter zu bereichern und sich eigentlich herzlich wenig um die armen Schlucker zu kümmern, die ihn unterstützen.



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