6. Juni 2012

B wie Börse, I wie Innovation

Erich Feldmeier macht sich heute Gedanken darüber, wie sich Börse, Innovation und Technik zueinander verhalten. Außerdem kommen vor: Digital Natives, Großmäuler und Dinosaurier.

B wie Bö(r)se
Wer die letzten Tage News gelesen hat, kommt an Zuckerberg's Coup nicht vorbei. Ein Zauberberg an allgemeinem Äquivalent wurde errichtet und einem Scheiterhaufen gleich - gleich wieder entzündet. Alle Medien, BLOGS eingeschlossen, zerreißen sich das Maul über den Börsengang und den Absturz von Facebook, irgendwie logisch. Im Alltag entzünden sich dagegen regelmäßig weit profanere Dinge.

Von 40 auf 26: Entwicklung der Facebook Aktie seit Ausgabe (Google Finance)

„Alexaaaaander, Leeeeoni, Finger weg vom Computer und kommt endlich zum Essen“

Doch zunächst mal eins nach dem anderen. Denn zweifelsohne ist die Welt seit der Einführung von Eisenbahn, Auto, TV und Computer, Handy und Facebook eine Andere. Daran gibt es kaum einen Zweifel. Einem 28 Jährigen Milliardär fehlt es an Lebens- und Berufserfahrung. So what? Das können Sie auch im Betrieb erfahren, wenn man einen Ihnen einen jung-dynamischen Wirtschafts-Informatiker vor die Nase gesetzt hat, der mangels adäquater Ausbildung und Erfahrung in Menschen-Betriebskunde am 'Projekt' scheitert. Oder schlimmer noch, wenn Sie dieses Stadium selbst durchleben mussten und sich im nachhinein mit einem lachenden und einem weinenden Auge an solch unglaubliche Episoden erinnern. Denken Sie an Ihre eigenen Kinder. Was haben 20 Jährige im Hirn? Freunde und Partys na klar. Normal, oder? "Alex, Leonie?!"

Sicherlich wird sich Mark dessen bewusst gewesen sein. Dass er sich schon zuviele Nächte um die Ohren gehauen hat. Dass er sich neben Programmierung, Personal und Pizza-Service nicht auch noch um Geld kümmern kann. Er wird sich Berater geholt haben, die besten natürlich. Mark, werden sie gesagt haben, Mark, Du hast die Welt verändert, Du bist bereits heute der Größte. Und natürlich wirst Du (nicht wir) mit Facebook den größten Börsengang aller Zeiten hinlegen. Da wird Mark stolz gewesen sein ob der ins Ohr geflöteten Vorschusslorbeeren. Denn, dass sie, die Berater, sich mit jedem Dollar höheren Börsenkurs an größeren Boni erfreuen dürfen, das werden sie gewusst, aber nicht ganz so deutlich in den Vordergrund gerückt haben.

Die Analysten werden also irgendwie rausgekriegt haben, dass der Mensch trotz Nassim Taleb immer noch nicht lernfähig ist und wir drei Jahre nach Lehman Brothers wieder genau dasselbe tun werden wie zuletzt und deshalb musste aus sorgfältig berechneten Maximierungs-Gründen das obere Ende des Aktien-Ausgabenpreises von fast 40 Dollar aus- und zugeteilt werden. Dem armen Mark dies alleine aufzubürden, halten wir für irgendwie ungerecht.

Angekommen: Mark zwischen Barack USA Obama, Carol Yahoo! Bartz und the old Eric Google Schmidt

I wie Innovation
Und damit kommen wir zum zweiten Teil dieses Artikels. Ein 20 jähriger hat mit seiner Erfindung die Welt verändert. Hut ab, das ist eine sensationelle Lebensleistung, die wir ihm nicht zu neiden brauchen. Für die Zeitreise begeben wir uns ins Jahr 2000. Die Zeitungen schrieben praktisch dasselbe was sie jetzt beim Facebook-Börsengang auch wieder schrieben: "Der Neue Markt hat sich für alle Zeiten erledigt...", dann wurde Google mit Text-Ads groß (2000), es kam der iPod (2001), Facebook wurde gelauncht (2004) und Smartphones eroberten die Märkte (2007). Es kam all das, was heute IT und Geschäftsleben, kurz unsere Welt ausmacht.

Die Welt hat sich dramatisch verändert. Selbst wenn die Facebook-Aktie morgen auf 1 Dollar runterfällt oder Facebook nicht mehr existieren sollte, werden sich weder Smartphones noch Socialmedia erledigt haben, sondern ganz im Gegenteil wird es weitere unglaubliche Technologiesprünge zu Web 3.0, 4.0, 5.0 geben. Und unerwartet dahinsterbende Dinosaurier wird es immer wieder geben: Nokia, Kodak, MANRoland, Schlecker, Sony, HP, Dell usw. Sie alle wollten nicht glauben, dass sich 'Die Zeiten ändern'. Aber selbst wenn beispielsweise Nokia als ehemaliger Weltmarktführer heute 'plötzlich' nur noch einen Smartphones-Marktanteil von weniger als 3 % hat, wird unsere Welt nie mehr ohne so etwas wie 'Handys' denkbar sein.



G wie Großmaul:
Facebook will unseren Umgang mit persönlichen Informationen revolutionieren: Make the world more open and connected. Trotz diesen Anspruchs und des aufgeblasenen Börsengangs können wir bezweifeln, dass 'Zockerberg' zur Gattung Großmaul gehört. Er macht ja eher den Eindruck, ein introvertierter Nerd zu sein. Er ist jedenfalls kein Steve Ballmer (siehe Video). Intuitiv wird sich Zuckerberg möglicherweise am Mainstream orientiert und festgestellt haben, dass es ein Großmaul weit bringen kann, zumindest an der Börse. Jedenfalls kann man ihm und all den Internet-Nerds nicht vorwerfen, dass alles nur Illusion oder eine Blase ist. Er, seine Firma, seine Manager und die Banken haben sowieso verdient - auch wenn die Aktien fallen. Das und die gesellschaftliche Innovation durch das Social Net, die durch diesen enormen Cash-Flow nun noch angeheizt wird, sind nicht bezweifelbar.

A wie Ausbildung
Mark wird sich in der Uni gelangweilt haben und er wird nicht 'For all you Harvard Kids' von David Brooks (1) oder Susan Cain oder Jack Welch (2) gelesen haben. Er wird sich um Pizza-Service und sonstige Dinge, die zum Betrieb eines Internet-Startup notwendig sind, gekümmert haben. Er wird schlichtweg nicht Z wie Zeit gehabt haben, um sich mit P wie Philosophie zu beschäftigen. Das Tagesgeschäft ruft, klar oder? Kann man dies einem 28 jährigen vorhalten, der sich für Partys interessiert statt für 'langweilige Dinge' wie Organisations-Psychologie oder Sozialversicherungsformulare?

Zur Hochzeitsreise sollte er nicht nur Venedig besuchen sondern auch mal einen Abstecher nach Griechenland machen. Denn das ist es, was uns ruiniert. Wenn wir das ABC und den Dreisatz nicht beherrschen (3). Wie sollen wir da ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 60, 80, 100 berechnen können?

"Alexander, Leonie, jetzt aber Handys weg unter dem Tisch beim Essen... Außerdem habt ihr auf meine letzte Mail noch nicht geantwortet." "Papa, wir benutzen E-Mail schon lange nicht mehr."


  1. Lateral Thinking And Discipline
  2. Jack Welch : "If I didn’t pay [bonuses], the people were going to go. … These people didn’t choose to cure cancer. These people didn’t choose to do public service work… These people chose to make money."
  3. "Der Meister erklärte seinen Azubis, dass es zur Herstellung eines Kilogramms Teig exakt 25 Gramm Hefe braucht. Wie viel Hefe braucht man also für 25 Kilogramm Teig? Der Mann konnte kaum fassen, was er erlebte. Er sagt: 'Glauben Sie, dass das auch nur einer gewusst hat?'" Betriebe bilden oft unzureichend aus Unreife Meister 



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