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21. Februar 2021

Drogen – Extase und Vernunft

Die Sucht nach Inexistenz, erste und zweite Philosophie

Ich würde mich einen Menschen der vorsichtigen Ekstase nennen, einen, der gern mal Grenzbereiche auslotet, mindestens ausleuchtet. Eines meiner Lieblingsbücher in der Adolesenz war Die Pforten der Wahrnehmung. Himmel und Hölle. Erfahrungen mit Drogen von Aldous Huxley. Seit seiner Lektüre stellte ich mir die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass der Drogenrausch kein Mittel der außerordentlichen Erkenntnis mehr ist, sondern zu einem Alltagsphänomen wurde. Ich stelle mir immer vor, dass der Rausch für vormoderne Völker viel wichtiger gewesen sein muss als für uns. Zugleich wichtiger und auch eingeschränkter. Der Rausch wird nur in zeremoniellen Momenten und für wenige Repräsentanten verfügbar gewesen sein, zum Beispiel Schamanen oder Stammesangehörige an einem ganz bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben. Heute ist es umgekehrt: Wie in Huxleys Schöne Neue Welt und seiner Droge Soma gehört der Rausch in Form von Alkohol und anderen Drogen einfach dazu. Rausch ist täglich verfügbar und gehört mindestens am Wochenende zum guten Ton. Damit einher geht natürlich eine Entwertung, eine Vulgarisierung: Bis auf den gesundheitsgefährdenden Zeitvertreib bedeutet der Drogenkonsum heute nichts mehr. Oder?

Natürlich bedeuten alle Dinge mehr, als man ihnen auf Anhieb ansieht, was ja der Grund der philosophischen Neugierde ist. Die Frage nach dem Rausch geht interessanterweise einher mit der Frage nach der Philosophie überhaupt, denn anfangs sind Philosophie und Rausch gar nicht von einander zu trennen.

12. März 2016

Selbstversuch: Ausstieg aus dem Rausch

Gregor F. über Cannabis, den Reiz des Ritus und das Aufhören

Er hat über Jahre hinweg heftig Cannabis konsumiert und ist nun entschlossen, das zu ändern. Hier erzählt Gregor warum er es ändert und wieso das so schwer ist. Wer Tipps zum Aufhören sucht, kann gleich zum letzten gleichnamigen Abschnitt runterscrollen...

Die Lungen mit Rauch füllen, ist wie eine Aneignung von Welt (Bild: gemeinfrei)

Meine Liebe zum Joint

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin kein Junkie und war es nie. Ich habe einen festen Medien-Job für den ich nicht gerade brenne. Aber ich bin ziemlich gefestigt dabei, ich habe eine geliebte Lebenspartnerin, Freunde, fahre viel Fahrrad und stelle meine Fotos erfolgreich in kleinen Galerien aus. Ich bin sogar Nichtraucher (wenn man das so sagen kann), aber ich liebe Cannabis, kiffe schon jahrelang regelmäßig jeden Abend, ohne dass es mich irgendwie im Alltag behindert oder meine Gesundheit darunter leiden würde. Das Inhalieren von Rauch hatte immer etwas Magisches für mich, so als wenn ich mir die Welt nicht nur durch hören, sehen und essen, sondern auch auf diesem Weg aneignen könnte. Jetzt habe ich beschlossen, aufzuhören. Für immer? Nein, dazu liebe ich es zu sehr. Aber für mindestens ein halbes Jahr.

28. Januar 2013

Der kleine Tod: Wie wirkt die Narkose?

Ich bin ein Klumpen, stöhne, versuche mich zu bewegen, meine Beine zittern, im Kopf ist es dunkel und dumpf. Ich kann kaum kucken. Eine Frau spricht zu mir: "Herr Dietrich, atmen Sie!" Ich sage: "Mein Bein, drehen Sie mein Bein gerade! Es ist verdreht." Nichts ist verdreht, ich wache nur aus der Narkose auf. Ich bin der letzte, der diesen Freitag hier aufwachen würde, die Uhr über der Tür zeigte 18:30. "Haben Sie Schmerzen?" Ich stöhne. Kurz danach überkommt mich eine Welle der Leichtigkeit, ich entspanne mich, mein Kopf sackt zur Seite, ich fühle mich leicht wie ein Schmetterling. Irgendwo muss die Ärztin einen kleinen Hahn aufgedreht haben, Opioide kommen durch den kleinen Schlauch in meinem Handrücken und überschwemmen meinen Blutkreislauf. Das sind die kleinen Leckerlis, die eine OP mit sich bringt: legaler und kostenloser Drogenkonsum fast ohne Risiko. Gegen den trockenen Mund sprüht die Ärztin mir ein Spray in den Mund.

Preoxygenation before anesthetic induction
Die letzten Sekunden bei Bewusstsein, aber ohne Erinnerung?  (Quelle: ISAF)

"Atmen Sie tief, Herr Dietrich!" Die Ärztin legt mir einen Schlauch für Sauerstoffzufuhr unter die Nase. Ich konzentrierte mich aufs tiefe und regelmäßige Atmen. Um mich herum wurde alles etwas klarer und kurze Zeit später unterhielt ich mich mit der Ärztin über ihr Fachgebiet: Die Narkose. Ich erzählte ihr, dass ich gerade ein Buch gelesen hatte, "Das Lexikon des Unwissens", in dem ein Kapitel der Anästhesie gewidmet war. Die Ärztin stimmte zu: "Es ist nicht völlig geklärt, warum Narkose funktioniert. Aber es funktioniert und die Zeiten des Beißholzes sind zum Glück vorbei."

13. Februar 2012

Super-Affen auf Speed - Warum unsere Zukunft im Hirn-Doping liegt

Hoffentlich noch lange nicht am Ziel der Reise... Wie gehts weiter, Homo Sapiens?

Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Wissenschaftler, ein Journalist, Schriftsteller oder ein Angestellter im Büro und Sie könnten sich ganz leicht auf ihre Aufgaben konzentrieren, ihr Gedächtnis würde zuverlässig funktionieren, Sie würden unter allen Umständen die Nerven behalten, bessere langfristige Entscheidungen treffen, effizienter lernen und viel schneller und genauer denken können. Mit anderen Worten: Sie sind eine Art zerebraler Super-Mensch... prinzipiell nicht anders als die anderen, nur eben viel besser und zwar zum großen Nutzen aller. Ein Idiot, wer das nicht wollte. Ich habe eine gute Nachricht: Es ist so weit. Die Primaten-Evolution hat eine neue Schwelle überschritten. Wir alle können dieser Super-Mensch sein, heute schon.

9. Dezember 2011

Was macht Alkohol im Gehirn?

Hirnphysiologische Betrachtung einer Droge

Jack London sagte, Alkohol ist ein Freund und ein Feind, ein König der Lügner und der Ehrlichkeit. Ein schamloser Mörder, Gott und Teufel. Er zeigt den Weg zur Wahrheit und ins Grab.
Gefunden auf MARY MILEY'S ROARING TWENTIES

Was sind die Gesichter des König Alkohol und wieso sind sie so vielgestaltig? Ich will die Wirkung dieser unterschätzten und weithin akzeptierten Droge von der hirnphysiologischen Perspektive aus betrachten. Mich interessiert einfach, was da genau passiert, wenn ich mir ein paar Bier reinziehe. Und bei der Recherche dieses Artikels musste ich feststellen, dass ich es am liebsten noch genauer wüsste, als man es bis jetzt sagen kann. Wie ein Kind könnte man auf jede Erklärung wieder fragen: "Und dann?" Die Vorgänge auf dem neuronalen Level sind so komplex, dass sie immer noch nicht völlig erklärt werden konnten. Einige interessante Fakten ließen sich jedoch in Erfahrung bringen...

5. Dezember 2011

Was macht Cannabis im Gehirn?

Es ist ein riesengroßer Zufall, dass es da draußen in der Welt eine Pflanze gibt, die eine Chemikalie produziert, die auf bestimmte Rezeptoren in unseren Gehirnen passt, wie ein Schlüssel in ein Schloss: THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol). Die Rezeptoren in unserem Gehirn sind eigentlich dazu da, an chemische Neurotransmitter anzudocken, so dass eine Verbindung zwischen zwei Nervenzellen hergestellt werden kann. Die Neurotransmitter, auf die die Rezeptoren in den Synapsen warten, werden eigentlich vom Körper selbst hergestellt. Der körpereigene dem THC ähnelnde Neurotransmitter ist Anandamid (ananda ist Sanskrit für Glückseligkeit) und wurde erst vor 10 Jahren entdeckt. Anandamid nimmt auf zahlreiche Gehirnfunktionen im Zusammenhang mit beispielsweise Appetit, Schmerz, Energieregulation und dem Gedächtnis Einfluss.


Cannabis verursacht vor allem erst einmal ein Gefühl des entspannten Wohlseins, kann aber in höheren Dosen auch zu Paranoia und Halluzinationen führen. Da das pflanzliche THC dem körpereigenen Anandamid in der räumlichen Struktur gleicht, kann es an die für das Anandamid reservierten Rezeptoren andocken und so auf die für Signalweiterleitung verantwortlichen G-Proteine wirken, auf die ansonsten der körpereigene Transmitter wirkt. Die G-Proteine wiederum regulieren die Ausschüttung von Botenstoffen in den Nervenzellen (z.B. Adenyl
cyclasen), was dann die Produktion bestimmter Stoffwechsel-Proteine wie Adenosinmonophosphat bremst. Das unterbricht den Kalzium-Ionen-Fluss und die sonst üblichen Aktionspotenziale können - ähnlich wie bei Schläfrigkeit - nicht mehr aufgebaut werden. Jeder, der auch nur den Cannabis-Konsum einmal beobachtet hat (man muss ja nicht selbst inhalieren), wird das mangelnde Aktionspotenzial des Konsumenten bestätigen können. Ein typischer Dialog wäre: "Gehn wir heute noch tanzen?" "OK, aber lass uns vorher noch einen rauchen!" Nach 5 Minuten rauchen: "Ach nee, lass uns zu Hause bleiben und Star Wars kucken." Dieser Verlust an Antrieb geht jedoch auch mit einem angenehm entspannten Gefühl einher. Sicher einer der Hauptgründe, warum Cannabis konsumiert wird.

Antriebslosigkeit und Entspannung sind nur zwei der vielen Wirkungsweisen von Anandamiden und Cannabis. Die Anandamide sind zum Beispiel ebenfalls beteiligt, wenn bei niedrigem Glucose-Spiegel der Körper Hunger und Appetit entwickelt. Wenn sie ausgeschüttet werden, docken sie an die entsprechenden Rezeptoren an und bringen so das Hungergefühl in unser Bewusstsein. Wird dem Gehirn THC, statt körpereigener Anandamide zugeführt, dann passiert genau dasselbe, selbst wenn der Glucose-Spiegel ausreichend hoch ist. Kein Wunder also, dass Cannabis schon vor Beginn unserer Zeitrechnung als Appetit-Anreger eingesetzt wurde. Bevor jetzt die Pot Heads unter Ihnen zu jubeln anfangen: Diese Effekte kann man mit niedrig dosiertem Cannabis auch erreichen, bevor jede andere Nebenwirkung (Euphorie, Entspannung etc.) auftritt. Die körpereigenen Anandamide sind nichts anderes als niedrig dosierte und schnell abbaubare Cannabinole. Andere Systeme, an die Cannabinole andocken, haben Einfluss auf das Herz-Kreislaufsystem, das Verdauungssystem, das Fortpflanzungssystem und das Immunsystem. Auch die Verarbeitung von Sinneseindrücken (Farbe, Licht, Töne, Druck) und Schmerzen werden verändert. Die Wirkung betrifft so holistisch den gesamten Organismus, weil die entsprechenden Rezeptoren in so verschiedenen Gehirnregionen vorkommen, z.B. im Hippocampus (Kurzzeitgedächtnis), Kleinhirn (motorische Koordination) und in den Basalganglien (Spontaneität, Affekt, Initiative, Willenskraft, Antrieb etc.).

Cannabis ist sehr komplex und neben THC spielen viele andere Cannabinole ebenfalls eine Rolle. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum man sich in Coffee Shops in Holland die Stimmungslage vorher aussuchen kann, in die man sich dann per speziell komponiertem Joint hineinversetzen kann. Schmerzlindernde Wirkung kann man ebenso wie gesteigerte sensorische Eindrücke beobachten. Ganz besonders hilft dieser Neurotransmitter uns bei einer oft unterschätzten Funktion unseres Gehirns: dem Vergessen. Auch hier spielt wieder die in den Synapsen gehemmte Übertragung von Information eine Rolle. Wer schon einmal unter dem Einfluss von THC einen Film gesehen hat, wird wissen, was ich meine: Man amüsiert sich köstlich und hat doch gleich wieder vergessen, worum es ging. Hierin liegt auch ein Grund, warum heutzutage Filme immer wieder gesehen werden: Jedesmal ist das erste Mal.

Wir sehen also, dass vor allem das Kurzzeitgedächtnis, die motorische Koordination, aber auch vegetative Vorgänge wie die Verdauung betroffen sind. Die meisten Untersuchungen berichten, dass Cannabis keine toxische Wirkung auf das Gehirn hat und alle genannten Veränderung bei Erwachsenen reversibel sind. Anders verhält es sich freilich mit Persönlichkeitsstörungen, die durch den Konsum ausgelöst und manifestiert werden können. Bei allen Drogen und besonders bei Cannabis ist die psycho-physische Wirkung nur ein Teil dessen, was sie am Ende oft zu einem Problem werden lässt. Die weitaus größeren Schäden nimmt die soziale Dimension des Lebens, wenn Konsumenten sich von gesellschaftlicher Interaktion isolieren, gesundheitliche Störungen nicht mehr kuriert werden, Geldprobleme zur Obdachlosigkeit führen usw.  Solche und schlimmere Effekte haben wir bei anderen mitunter toxischen Substanzen wie Alkohol auch. In diesem Sinne ist es tatsächlich nicht ganz klar und zum Teil widersinnig, nach welchen Kriterien Drogen als legal und illegal klassifiziert werden. Aus hirnphysiologischer und gesundheitlicher Perspektive scheint es keinen Sinn zu machen, das eine zu verbieten und das andere an alle ab 16 zu verkaufen.


Neoronen: Nervenzellen; Synapsen: Zwischenräume zwischen den Neuronen; Neurotransmitter: Chemische Substanzen in den Synapsen; Rezeptoren: Speziell an bestimmte Neurotransmitter angepasste Eiweißmoleküle, die Signalprozesse auslösen oder blockieren

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